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Ein venezianisches Mosaik
Paul McCreesh und Gabrieli Consort & Players mit ihrer legendären Rekonstruktion einer Messe anlässlich der Krönung des Dogen im Jahr 1595.
VON ALEXANDRA ZIANE
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Dessen waren sich die Venezianer:innen schon immer bewusst. Kriege, Epidemien und Hungersnöte prägten etwa das 16. Jahrhundert, die dazwischen erzielten Erfolge wurden mit feierlichen Prozessionen und prunkvollen Festen zelebriert. 1571 feierten die Venezianer:innen die gegen die Türken bei Lepanto 1571 gewonnene Schlacht, 1577 das Überwinden der Pest mit der Errichtung einer Brücke über den Canale della Giudecca, 1595 die Wahl des großzügigen Marino Grimani zum Dogen – begleitet von festlicher Musik, die Giovanni Gabrieli hierzu komponierte.
Anlässlich seiner Krönung streute der Doge Marino Grimani im traditionellen »Sparsio« auf der Piazza di San Marco freigiebig Dukaten, mehr als jeder Doge vor ihm, ließ Brot und Wein in ungewohnten Mengen austeilen. Mit lauten »Viva viva«-Schreien zog die Bevölkerung durch die Straßen, entzündete Feuer und jubelte derart, dass es zu Randalen und Ausschreitungen kam. Einen Tag später, am 27. April 1595, feierte man in San Marco – sowohl die bedeutendste Kirche der Republik Venedig als auch Privatkapelle des Dogen, dessen Herrschaftspalast direkt daneben lag – eine feierliche Messe, die das Fest wieder in geregelte Bahnen lenkte und der Krönung ihren kirchlichen Segen verlieh. Nicht fehlen durfte bei diesem repräsentativen Anlass Musik der Cappella Marciana von San Marco, die sowohl aus Sängern wie aus Instrumentalisten (Zinkenisten, Posaunisten, Streichern) bestand, ganz im Gegenteil zur rein a cappella besetzten römischen Cappella Sistina.

Marino Grimani (89. Doge von Venedig, Porträt von Domenico Tintoretto)
Eine Rekonstruktion dieser Messe versuchte 1989 Paul McCreesh mit seinen Gabrieli Consort & Players. Wiewohl er selbst einräumt, dass sich letztlich nicht nachweisen lässt, welche Musik konkret erklang, stellt die Aufnahme einen einzigartigen Versuch dar, einzelne Musikstücke in einen größeren Kontext einzubetten. Hier geht es nicht allein um die »Sacrae Symphoniae« von Giovanni Gabrieli, dem Organisten von San Marco, oder eine Messe seines Onkels Andrea Gabrieli, sondern um Raum und Anlass, in dem diese Musik ihren Ursprung hat, um das Zusammenfügen vieler einzelner Mosaiksteine zu einem großen Ganzen. Historische Aufführungspraxis meint hier also nicht nur korrekte Stimmtonhöhe, Bau- und Spielweise der Instrumente, originalgetreue Besetzung oder Interpretation.

Gabrieli Consort & Players
© Andy Staples
Nach gut zwanzig Jahren und um einige neue Erkenntnisse reicher unternahm das Ensemble 2012 einen weiteren, klanglich entsprechend veränderten Versuch der Rekonstruktion der Messe. Nun, zu einem anderen festlichen Anlass, dem vierzigsten Jubiläum von Gabrieli Consort & Players, haben Sie die Gelegenheit, Paul McCreesh und sein hervorragendes Originalklangensemble bei einer weiteren musikalischen Wiederbelebung der prunkvollen Krönung des Dogen aus dem Jahr 1595 zu erleben.
Mi, 02/03/22, 19.30 Uhr · Großer Saal, Wiener Konzerthaus
Gabrieli Consort & Players · McCreesh
»Venetian Coronation 1595«
Paul McCreesh: Leitung
Eine festliche Messe für den Dogen Marino Grimani (1595)
mit Werken von Andrea und Giovanni Gabrieli, Cesare Bendinelli u. a. (Rekonstruktion: Gabrieli Consort & Players)
Tickets: konzerthaus.at/konzert/eventid/59170