Abendprogramm Kronos Quartett

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Saison
2023 / 24

15/05/24

Mi, 19.30 Uhr · Großer Saal

Kronos Quartet

»50 Years Jubilee«

Zyklus Grenzenlos Musik

5. Konzert

Kronos Quartet

David Harrington Violine

John Sherba Violine

Hank Dutt Viola

Paul Wiancko Violoncello

Brian H. Scott Lichtdesign

Scott Fraser Sounddesign

Jlin (*1987)

Little Black Book (2018) (5') **

(Arrangement: Jacob Garchik)

Aleksandra Vrebalov (*1970)

Gold Came from Space (2023) (20') *

Sun Ra (1914–1993), Terry Riley (*1935), Sara Miyamoto (*1989)

Kiss Yo’ Ass Goodbye (2023) (10') *

(Arrangement: Paul Wiancko)

Terry Riley (*1935)

This Assortment of Atoms – One Time Only! (2020) (7') **

(Arrangement: Jacob Garchik, Reshena Liao)

Lunch in Chinatown

Nicole Lizée (*1973)

ZonelyHearts (2022) (5') *

PhoneTap + CCTV

Peni Candra Rini (*1931)

Segara Gunung (2023) (8') *

(Arrangement: Jacob Garchik und Andy McGraw)

1. Satz

PAUSE

Sofia Gubaidulina (*1931)

Streichquartett Nr. 4 (1993) (12’) *

Steve Reich (*1936)

Different Trains (1988) (27') *

America – before the war

Europe – during the war

After the war

* komponiert für das Kronos Quartet

** komponiert für das Kronos Quartet im Rahmen von »Kronos Fifty for the Future«

Ein Mitschnitt des heutigen Konzerts wird am 28. Mai 2024 ab 19.30 Uhr auf Ö1 in der Sendung »Das Ö1 Konzert« übertragen.

Unterstützt von

Medienpartner

Nouvelles Aventures

2 Konzerte im Großen Saal

3 Konzerte im Mozart-Saal

1 Konzert im Berio-Saal

24/25

30/10/24 Eröffnungskonzert Wien Modern

Mi, 19.30 Uhr ORF Radio-Symphonieorchester Wien · Alsop

Werke von Nina Šenk, Iannis Xenakis und John Luther Adams

26/11/24 Ensemble Linea · Vargas · Deutsch · Wurtz

Di, 19.30 Uhr Werke von Toraman, Czernowin, Saunders und Gadenstätter

27/03/25 Quatuor Diotima

Do, 19.30 Uhr Pierre Boulez zum 100. Geburtstag

Werke von Anton Webern, Claude Debussy und Pierre Boulez

04/05/25 PHACE · Cantando Admont · Bürgi

So, 19.30 Uhr »Akusmata«

Werke von Beat Furrer und Sarah Nemtsov

11/05/25 Klangforum Wien · Needcompany · Sun · Falk · Anderson

So, 19.00 Uhr »Amopera«

Halbkonzertante Meta-Oper mit Ausschnitten aus Werken von Berio, Birtwistle, Zemlinsky, Berg, Britten, Davies, Xenakis, Sciarrino, Lang, Furrer, Saunders, Wertmüller und Glojnarić

03/06/25 Trio Catch

Di, 19.30 Uhr Lachenmann 90

Werke von Kranebitter, Ivičević, Glojnarić und Lachenmann

Veranstaltungen im Abonnement erhältlich.

Weitere Informationen unter konzerthaus.at/2425NA

Johanna Vargas © Oliver Roeckle
Abo

50 Jahre Kronos Quartet

Kronos Quartet

Gegründet 1973 in Seattle, Washington, von David Harrington

Erster Auftritt im Wiener Konzerthaus am 7. März 1986

Bisherige Auftritte im Wiener Konzerthaus 11

Diskografie (Auswahl) »Alban Berg: Lyric Suite« (2003, zusammen mit Dawn Upshaw), »Landfall« (2018, zusammen mit Laurie Anderson), »Sun Rings« mit Musik von Terry Riley (2019), »Songs and Symphoniques: The Music of Moondog« (2023, zusammen mit dem Ghost Train Orchestra)

Auszeichnungen und Preise (Auswahl) Musical America Award in der Kategorie »Artist of the Year« (2003), Polar Music Prize (2011), Avery Fisher Prize (2011), Edison Klassiek Oeuvre Prize (2019), zwei Grammy Awards (je einen 2004 in der Kategorie »Best Chamber Music Performance« und 2019 in der Kategorie »Best Chamber Music/Small Ensemble Performance«) sowie neun weitere Grammy-Nominierungen

Die Saison 2023/24 ist eine besondere für das Kronos Quartet: Das 1973 von David Harrington gegründete Streichquartett feiert sein 50-jähriges Bestehen und der Violinist John Sherba und der Bratschist Hank Dutt, seit 1977 bzw. 1978 Mitglieder des Ensembles, werden das Kronos Quartet mit Ende Juni 2024 verlassen. Ihre Nachfolge werden die Violinistin Gabriela Díaz und die Bratschistin Ayane Kozasa antreten.

Seit seinen Anfängen hat das Kronos Quartet durch die Überwindung stilistischer und geografischer Grenzen, die Einbeziehung von Sound- und Lichtdesign sowie theatralischer Elemente in seine Auftritte sowie die Beauftragung zahlreicher neuer Werke

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maßgeblich zur Weiterentwicklung der Gattung Streichquartett beigetragen. Bereits kurz nach seiner Gründung rief das Kronos Quartet die gemeinnützige Organisation Kronos Performing Arts Association ins Leben, die alle seine musikalischen, musikpädagogischen und dokumentarischen Projekte betreut.

»Kronos Fifty for the Future«

In den 2010er-Jahren hat die Kronos Performing Arts Association das Projekt »Kronos Fifty for the Future« gestartet. Im Rahmen dessen wurden 50 Kompositionen in Auftrag gegeben, die Streichquartettensembles bei der Entwicklung und Verfeinerung der für die Aufführung des Reper toires des 21. Jahrhunderts erforderlichen Fähigkeiten unterstützen sollen. Zu diesem Zweck werden die Kompositionen in Form von Notenmaterial und Aufnahmen sowie mit ergänzendem Lehrmaterial kostenfrei zur Verfügung gestellt.

»Das Kronos Quartet hat die
Grenzen des Streichquartetts gesprengt.«

THE NEW YORK TIMES

Von den für dieses Projekt entstandenen Stücken erklingen im heutigen Konzert »Little Black Book« von Jlin sowie der 1. Satz aus Terry Rileys Streichquartett »This Assortment of Atoms – One Time Only!«. Die aus Indiana stammende innovative Electronic-Künstlerin Jlin (mit bürgerlichem Namen Jerrilynn Patton) hat durch die Verbindung der aus Chicago stammenden elektronischen Tanzmusik Footwork mit vielfältigen Einflüssen von Igor Strawinski bis Philip Glass ihren ganz eigenen komplexen, perkussionsgetriebenen Stil mit einem ausgefeilten polyrhythmischen Sound gefunden. Das Material für »Little Black Book« entnahm sie einem für sie persönlich

6 50 Jahre Kronos Quartet

bedeutsamen – und titelgebenden – Notizbuch, in das sie alle ihre kreativen Ideen notiert und das für sie absolute (kreative) Freiheit versinnbildlicht. Ihr Anliegen war es, diese Komposition mit einer »absoluten Freiheit des Klangs« zu gestalten und bezüglich der gespielten Instrumente die größtmögliche Freiheit zu gewähren.

Den vielseitigen Komponisten und Pionier der Minimal Music Terry Riley verbindet mit dem Kronos Quartet eine mehr als vier Jahrzehnte umspannende Freundschaft und fruchtbare Zusammenarbeit. Er schrieb schon etwa 30 Werke für das Kronos Quartet. »This Assortment of Atoms – One Time Only!« entstand 2020, bald nach seinem Umzug nach Japan. Alle drei Sätze des Quartetts haben auch gesprochenen Text, vor allem der 1. Satz »Lunch in Chinatown«, in dem Riley versucht, mit wenigen Worten ein kurzes Gespräch zwischen ihm und David Harrington von einem ihrer vielen Treffen in San Franciscos Chinatown wiederzugeben. Der 2. Satz »A Gentle Rain« ist inspiriert vom nie enden wollenden Frühlingsregen über den Reisfeldern Zentraljapans. Der 3. Satz, der wie das gesamte Stück den Titel »This Assortment of Atoms – One Time Only!« trägt, besteht aus einer Reihe sich wiederholender Phrasen, die den Musiker:innen die Möglichkeit geben, den Fluss der Aufführung zu gestalten.

Von fortwährender Relevanz

Das heute auszugsweise aufgeführte fünfteilige Werk »ZonelyHearts« der kanadischen Komponistin Nicole Lizée, die gleich zwei Stücke zu »Kronos Fifty for the Future« beitrug, entstand zwar nicht im Rahmen dieses Projekts, wurde aber ebenfalls für das Kronos Quartet geschrieben. Lizée kreiert neue Musik aus einer eklektischen Mischung von Inspirationsquellen wie den frühesten MTVVideos, den Sounds alter Videospiele, Turntablism, Thrash Metal, der Rave-Kultur und dem Schaffen von Filmemachern wie Alfred Hitchcock und Stanley Kubrick. In ihrem breitgefächerten Werk erforscht sie Themen wie Fehlfunktionen, die Wiederbelebung von Veraltetem und die Nutzung von Unvollkommenheit und Störungen zur Schaffung einer neuen Art von Präzision – wofür sie gerne auch Klänge und (Stör-)Geräusche veralteter elektronischer Geräte und Instrumente einsetzt. »Zonely Hearts« ist inspiriert von der an

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Jahre Kronos Quartet
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Mystery- und Science-Fiction-Elementen reichen amerikanischen Anthologie-Fernsehserie »Twilight Zone« aus den 1960er-Jahren, in der die Protagonist:innen mit verstörenden und ungewöhnlichen Ereignissen konfrontiert werden. Lizée versucht mit ihren eigenen musikalischen Mitteln den Charakter der Serie – vor allem ihre Fähigkeit, zu überraschen – sowie ihre oft wirkungsvoll und kontrovers behandelten und nach wie vor relevanten Themen – etwa Manipulation, Zensur, Überwachung und Gehirnwäsche – widerzuspiegeln. Die stärkste Botschaft des Stücks ist für sie jedoch jene der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks.

Jubiläumswerke

Sein 50. Jubiläum feiert das Kronos Quartet ein Jahr lang, von Juli 2023 bis Juli 2024, mit unter anderem 50 öffentlichen Auftritten in den USA, Kanada, Mexiko und Europa. Für seine Jubiläumskonzerte hat das Kronos Quartett zehn Kompositionsaufträge an eine diverse Gruppe herausragender Komponist:innen vergeben. Die zehn Werke, die alle im Laufe der Saison in verschiedenen Programmen uraufgeführt werden, befassen sich entweder mit Themen des Klimawandels, den kulturellen Traditionen, in denen die Komponist:innen verwurzelt sind, oder widmen sich einer Auseinandersetzung mit der Form des Streichquartetts an sich.

Zur letzten Gruppe gehört »Gold Came from Space« von Aleksandra Vrebalov. Die musikalisch breitgefächerte, interdisziplinär interessierte und ihre Werke zunächst in Bildern skizzierende Komponistin mit serbischen Wurzeln verbindet seit ihrer Auswanderung in die USA in den 1990er-Jahren eine enge Zusammenarbeit mit dem Kronos Quartet. »Gold Came from Space« beschreibt Vrebalov als »eine Meditation über die Schönheit und Reinheit der Seele, die durch das Treiben der Welt nicht zerstört werden kann, und die edle Gesinnung der Tätigkeiten, die von Liebe und Wahrheit geleitet sind« sowie als »eine einzigartige Reise, die getrieben ist von Neugier, Leidenschaften, Erinnerungen und der Erkundung meiner tiefen kreativen Verbindung zum Kronos Quartet und unserer Stellung als Kreativschaffende, die gemeinsam den Weg vom 20. ins 21. Jahrhundert genommen haben.« Die dramatische Erzählung des Stücks ist abstrakt und verzerrt, mit

9
Jahre
Quartet
50
Kronos

»Kronos hat jede Minute der letzten fünfzig Jahre gebraucht, um seine Musik dorthin zu bringen, wo sie heute ist. Wir sind dankbar für diese Zeit und für die vielen engagierten Hände und inspirierenden Ideen, die zu uns gestoßen sind. Ich habe das Gefühl, dass unsere Musik ein riesiger Satz von Variationen ist, der so viel von der Welt widerspiegelt, wie wir bisher über sie gelernt haben. Mit jeder neuen Note, jedem neuen Stück, jedem Konzert gibt uns die Gemeinschaft der Musikliebhaber:innen Energie, gute Stimmung, Herausforderung und Antrieb. Wir freuen uns auf die Zukunft.«

10 50 Jahre Kronos Quartet

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Sol Gabetta Cellistin
© Julia Wesely

Inseln harmonischer und melodischer Grundierung. Das Stück entfaltet sich durch die Gegenüberstellung gegensätzlicher, extremer Qualitäten musikalischer Parameter: Der Rhythmus ist amorph und getrieben, die Harmonie taucht auf aus dem Geräusch und verschwindet wieder im Geräusch, die Textur schwankt zwischen spärlich und dicht und fragmentierte kreisförmige Muster – von Vrebalov als »Zeitstopper« bezeichnet – drängen in den linearen Zusammenhalt. Die Gesamtstruktur folgt 17 Obertönen, die zum Grundton hin absteigen, und 17 Spiralwindungen in der FibonnaciFolge, die sich bis zur 1 hinunterschrauben. Das Stück folgt, ähnlich wie die Natur, den Konturen dieser Phänomene, aber es entspricht nie ihrer theoretischen Präzision.

Mit dem Klimawandel befasst sich das viersätzige MultimediaStück »Segara Gunung« (»Ozeanberg«) der indonesischen Komponistin und Sängerin Peni Candra Rini. Sie setzt sich stark für die Erhaltung und Pflege der musikalischen Traditionen ihres Heimatlandes ein und ist eine der wenigen Sängerinnen, die den traditionellen indonesischen weiblichen Sologesang Sindhèn praktizieren. »Segara Gunung« thematisiert die Anfälligkeit ihres Heimatlandes Indonesien für vulkanische und seismische Aktivitäten sowie den steigenden Meeresspiegel. Es handelt von den Indonesier:innen und ihrer Beziehung zur Natur sowie von einer drohenden ökologischen Katastrophe.

Auf immer neuen Bahnen

Auch nach fünf Jahrzehnten noch voller unermüdlichem Schaffensdrang, wird das Kronos Quartet im Juni 2024 sein nächstes Album veröffentlichen, das dem Andenken des vor 30 Jahren verstorbenen amerikanischen avantgardistischen Jazzkomponisten und -pianisten Sun Ra gewidmet ist. Terry Riley und die japanische Sängerin, Multiinstrumentalistin und Komponistin Sara Miyamoto, die bereits viele gemeinsame Konzerte in den USA, Mexiko und Japan gaben, trugen zu diesem Album das Stück »Kiss Yo’ Ass Goodbye« bei. Dieses greift die Stimmung und Material von Sun Ras 1982 entstandenem Song »Nuclear War« auf, einem eindringlichen Aufruf gegen den Einsatz von Atomwaffen und eine Warnung vor ihrem Potenzial zu globaler Zerstörung.

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Wirklichkeit und Unwirklichkeit

In der zweiten Hälfte des heutigen Konzerts erklingen zwei Stücke, die bereits auf dem Album zum 25-jährigen Jubiläum des Kronos Quartet von 1998 enthalten sind: Sofia Gubaidulinas Streichquartett Nr. 4 und Steve Reichs »Different Trains«. Sofia Gubaidulina, geboren 1931 in der Tatarischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik, zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Komponist:innen Russlands und führenden internationalen Vertreter:innen der Neuen Musik. Für ihre kompromisslosen, von tiefer Religiosität geprägten Werke wurde sie in der Sowjetunion häufig angefeindet; ab den 1980er-Jahren fand sie im Westen Anerkennung und Förderung als Komponistin. Ihr Schaffen wurde durch die Erkundung von und Improvisation mit seltenen russischen, kaukasischen und asia-

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Kronos Quartet
Jahre

tischen Volks- und Ritualinstrumenten, durch die rasche Rezeption und Personalisierung zeitgenössischer westlicher Musiktechniken und durch einen tief verwurzelten Glauben an die mystischen Eigenschaften der Musik geprägt.

Über ihr 1993 für das Kronos Quartet geschriebenes Streichquartett Nr. 4 für Streicher:innen, Tonband und Farborgel ad libitum äußerte sich Gubaidulina:

»Was mich bei diesem Stück besonders interessierte, war die Art und Weise, wie das ›Wirkliche‹ aus dem ›Unwirklichen‹ entsteht: das ›wirkliche‹ normale Spiel von arco oder pizzicato, das aus den ›unwirklichen‹ transparenten Klängen von Gummibällen auf den Saiten entsteht; das ›wirkliche‹ Spiel des Quartetts auf der Bühne, das aus dem ›unwirklichen‹ Spiel derselben Musiker:innen auf einem voraufgezeichneten Tonband entsteht; die ›wirklichen‹

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farbigen Lichter, die aus dem ›unwirklichen‹ Weiß und Schwarz entstehen (Weiß und Schwarz stehen schließlich für die Abwesenheit von Licht; Farbe wird darin ›unwirklich‹).

So entfalten sich drei Trinitäten: der Klang des Quartetts und seine beiden aufgezeichneten Hypostasen; die reale Form und ihre beiden aufgezeichneten Satelliten; und die schöpferische Realität des Lichtspiels und seine beiden unwirklichen Protagonisten des vollständigen Lichts und der vollständigen Dunkelheit.

Alle Details des Stücks – sowohl seines materiellen Wesens als auch seiner kompositorischen Gestaltung – leiten sich von der Grundidee ab, dass das ›wirkliche Echte‹ aus dem ›unwirklichen Künstlichen‹ entsteht (und nicht umgekehrt). Für mich wurde diese Idee am besten in T. S. Eliots ›Vier Quartette‹ ausgedrückt. Ich würde mich freuen, wenn meine Komposition als musikalische Antwort auf die kreative Welt dieses großen Dichters gehört und wahrgenommen würde.«

(Mirjam Kluger)

Different Trains

»Different Trains« ist sicher eines der bekanntesten Werke von Steve Reich, einem der bedeutendsten amerikanischen Komponisten der Gegenwart und wie Terry Riley ein Pionier der Minimal Music. Es entstand 1988 und wurde noch im selben Jahr in Fall River, Massachusetts, durch das Kronos Quartet uraufgeführt. Die Idee für das dreisätzige Stück für Streichquartett und Tonband entstammt Reichs eigener Biografie. Zwischen 1938 und 1941 fuhr er, noch ein Kleinkind, häufig mit dem Zug die Strecke New York – Los Angeles, via Chicago, um seine getrennt lebenden Eltern zu besuchen. Unzählige zur selben Zeit in Europa umherfahrende Züge transportieren Hunderttausende Juden und Jüdinnen in die nationalsozialistischen Konzentrationslager, um sie dort zu ermorden. »Als ich älter wurde, kam mir ins Bewusstsein, dass meine Reisen als Jude gewiss anders verlaufen wären, wenn ich zur selben Zeit in Europa gewesen wäre. Das regte mich an, Stimmen von Holocaust-Überlebenden, die nunmehr in Amerika leben, ausfindig zu machen. Ich fand derartige Aufnahmen im Archiv der Yale University.«

14 50 Jahre Kronos Quartet

Mit dem heutigen Konzert geht der Zyklus »Grenzenlos Musik« für diese Saison zu Ende. Wir hoffen, dass Sie im Wiener Konzerthaus viele inspirierende und schöne Veranstaltungen erlebt haben, und freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen.

Fragmente aus einigen dieser dokumentarischen Aufnahmen – sie stammen von Rachella, Paul und Rachel –verwendete Reich dann für die Tonbandschicht des Stückes, zudem die Stimme seiner Gouvernante Virginia –sie begleitete ihn meistens auf den Bahnfahrten zwischen Vater und Mutter – und die von Lawrence Davies – er hat in jenen Jahren als Schaffner auf der Strecke New York – Los Angeles gearbeitet. Als Reich die beiden für »Different Trains« interviewte, waren sie bereits hochbetagt, Virginia war 77 und Lawrence 85 Jahre alt. Außerdem benutzte Reich in der Tonbandmontage originale Sounds von amerikanischen und europäischen Zügen aus den 1930er- und 1940er-Jahren.

Die Stimmen hat Reich auf die Themen der drei Sätze verteilt. Im ersten Satz »America – before the war« sind Virginia und Lawrence Davies zu hören, im zweiten Satz »Europe – during the war« die Stimmen von Rachella aus Holland, von Paul aus Ungarn und von Rachel. Im dritten Satz »After the war« erklingen, mit Ausnahme der von Rachel, alle Stimmen. Die Textfragmente hat Reich nach inhaltlichen und nach sprachklanglichen Kriterien ausgewählt: zum einen, um so eine stringente Textdramaturgie, einen nachvollziehbaren Erzählstrang zu gestalten; zum anderen, um aus der Sprachmelodik das musikalische Material für das Streichquartett zu gewinnen. Alle instrumentalen Gesten sind wortwörtliche Imitationen der verschiedenen Sprachmelodien, sowohl für die wenigen Parts, die ebenfalls in die Tonbandschicht eingegangen sind, als auch für die 1.440 live zu spielenden Takte. Außer diesen »sprachlichen« Mitteln verwendet Reich in seiner bemerkenswert motorischen Komposition »Different Trains« noch zahlreiche weitere »beredte« Elemente und musikdramaturgische Ideen, die bisweilen ans Hörspiel erinnern und überaus fasslich sind.

(Stefan Fricke)

15 50 Jahre Kronos Quartet

Grenzenlos Musik 2024/25

1 Konzert im Großen Saal

4 Konzerte im Mozart-Saal

04/10/24 Fr, 19.30 Uhr · Großer Saal

Thomas Quasthoff & Friends

»Half-Century Tour«

Thomas Quasthoff Vocals

Bill Evans Saxophon

Nils Landgren Posaune

Simon Oslender Klavier

Dieter Ilg Bass

Wolfgang Haffner Schlagzeug

08/11/24

Markovics · Grigorian · Koreny

Fr, 19.30 Uhr · Mozart-Saal

»La bohème. Eine Hommage an Charles Aznavour«

Karl Markovics Lesung, Gesang

Stella Grigorian Gesang

Johannes Strasser Bass

Herwig Gradischnig Saxophon

Christian Bakanic Akkordeon

Bela Koreny Klavier, Moderation, Buch, Leitung

La bohème. Eine Hommage an Charles Aznavour und das französische Chanson

Stella Grigorian und Karl Markovics singen Chansons von Charles Aznavour und Edith Piaf

Karl Markovics liest Texte französischer Autoren

30/01/25

Do, 21.00 Uhr · Mozart-Saal

Wolfgang Puschnig’s Alpine Aspects

»One more time«

Wolfgang Puschnig Altsaxophon, Flöte

Daniel Nösig Trompete

Jon Sass Tuba

Jamaaladeen Tacuma Bass

Reinhardt Winkler Schlagzeug

Mostviertler Birnbeitler

Robert Pussecker Leitung

20/03/25

Brad Mehldau

»Après Fauré«

Brad Mehldau Klavier

Werke von Gabriel Fauré und Brad Mehldau

08/04/25

Hader · Gesler · Steffens

»Rausch«

Josef Hader Lesung

Yvonne Gesler Klavier

David Steffens Bass

»Rausch«. Lieder und Texte zu Trunkenheit

Do, 19.30 Uhr · Mozart-Saal

Di, 19.30 Uhr · Mozart-Saal

Ha ltungsübung Nr. 19

An Veränderung wachsen.

Unsere Welt befindet sich im Wandel. Und es liegt an jeder und jedem einzelnen von uns, dass es ein Wandel zum Besseren wird. Regelmäßige Haltungsübungen helfen uns dabei: Zum Beispiel jeden Tag aufs Neue zu versuchen, an Veränderung zu wachsen. derStandard.at

Der Haltung gewidmet.

Kronos Quartet

Seit nunmehr 50 Jahren setzt sich das in San Francisco beheimatete Kronos Quartet damit auseinander, immer wieder neue und zeitgemäße Ausdrucksformen für das Streichquartett zu finden. Es hat tausende Konzerte weltweit in Häusern wie der New Yorker Carnegie Hall, dem Amsterdamer Muziekgebouw, der Shanghai Concert Hall und dem Sydney Opera House gegeben. Es hat über 70 Einspielungen veröffentlicht und mit vielen der besten Komponist:innen und Musiker:innen aus den verschiedensten Genres und aus aller Welt zusammengearbeitet, etwa mit Paul McCartney, David Bowie, Rhiannon Giddens und Caetano Veloso. Über die gemeinnützige Organisation Kronos Performing Arts Association hat das Ensemble bereits über 1.100 Kompositionen und Arrangements für Streichquartett in Auftrag gegeben. Die Arbeit des Kronos Quartet umfasst außerdem musikalische Bildungsprogramme sowie die Veranstaltung des jährlichen Kronos Festival in San Francisco. Es erhielt mehr als 40 Auszeichnungen, darunter den Polar Music Prize (2011), den Avery Fisher Prize (2011), den Edison Klassiek Oeuvre Prize (2019) sowie zwei Grammy Awards (2004, 2019).

19 Biografien

Herzlichen Dank an unsere Förderer, Sponsoren und Partner.

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Siemens AG Österreich

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Mitglieder des Wiener Konzerthaus Circles Saison 2023/24

Amra & Rainer Deisenhammer · Helmut Meier · Marcus Meier

Stifter:innen ab der Saison 2014/15

Gabriele & Klaus Buchleitner · Czerwenka Privatstiftung · Burkhard & Gabriela Gantenbein · Martin Gerhardus

Roswitha & Ludwig Haberl · George Wm. Hamilton · Silvia & Dan Hirsch · Günther & Irmi Kloimüller

Familie Kniescheck · Christian Köck & Siv Sundfær · Christoph & Bernadette Kraus · Marcus Meier

Regina & Peter Oswald · Georg Schmetterer · Leopold Schmidt · Gerhard Schneeweiss · Hans Schönherr Josip Šušnjara · Christa-Maria Schuster · Stefan & Elisabeth Weber

Unser Dank gilt auch allen weiteren Stifter:innen.

Firmenmäzene

BDO · Kartenbüro Jirsa · Mitterbauer Privatstiftung

PM Factory Consulting GmbH

Wiener Porzellanmanufaktur Augarten

Subventionsgeber

Impressum

Herausgeber: Wiener Konzerthausgesellschaft · Matthias Naske, Intendant Redaktion: Mirjam Kluger

Fotos: Michael Koenigshofer (Cover: Mozart-Saal), Lenny Gonzales (Kronos Quartet)

Druck: Walla & Co Druckerei GmbH, Neutorgasse 9, 1010 Wien

Preis des Programmes € 3,60

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6,- EUR 18-24 Uhr

Entspannt ins Konzerthaus

Garage am Schwarzenbergplatz

Einfahrt/Zugang: Am Heumarkt 39

Garage beim Palais Schwarzenberg

Einfahrt: über Prinz Eugen-Straße –Zugang: über Rennweg

Nachsteckkarten (zum Einfahrtsticket) an der Konzerthauskassa, Bezahlung am Kassenautomat. www.bestinparking.at

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