Weltkulturen News 03

WELTKULTURE N NEWS — 03

OKT/OCT 20 – MRZ/MAR 21

Transfor mation

WANDEL

W E LT K U LT U R E N M U S E U M

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01.

INDEX 03 VORWORT / PREFACE EVA CH. RAABE 4 — 7 KLINGENDER WANDEL / SOUNDS OF CHANGE VANESSA VON GLISZCZYNSKI 8 — 9 VIER FRAGEN AN / FOUR QUESTIONS TO MATTHIAS CLAUDIUS HOFMANN 10 — 11 VON ALLESKÖNNERN UND SPEZIALISTEN ALL-ROUNDERS AND SPECIALISTS SARAH REYER, KRISTINA WERNER 12 — 17 DAS KRITISCHE SELBST / THE CRITICAL SELF MONA SUHRBIER 18 — 19 MASKEN / MASKS EVA CH. RAABE 20 — 23 DIGITALE TRANSFORMATION DIGITAL TRANSFORMATION ALICE PAWLIK 24 — 25 LESEEMPFEHLUNGEN READING RECOMMENDATIONS MARIA REITH-DEIGERT, RENATE LINDNER 26 IMPRESSUM UND SERVICE COLOPHON AND SERVICE

Zur Frankfurter Buchmesse mit Kanada als Gastland war vom 7. bis 21. Oktober 2020 im Weltkulturen Museum die Kabinettausstellung „Let Them Speak! Kommentare aus British Columbia, Kanada“ geplant, an der drei First Nations-Künstler*innen teilnehmen sollten: die Weberin Meghann O’Brien (Haida/Kwakwaka'wakw), der Schnitzer Tom Hunt (Kwakwaka'wakw) und die Hip-Hopperin Christie Lee Charles (Musqueam). Die Künstler*innen waren eingeladen, mit eigenen Werken die historische Museumssammlung aus Kanada zu kommentieren.

Nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie stand die physische Teilnahme Kanadas an der Buchmesse plötzlich infrage und die Verantwortlichen suchten ersatzweise nach digitalen Formaten. Kurzerhand wandelten wir die Ausstellung in ein Videoprojekt um, und das Canada Council for the Arts akzeptierte die Änderung. Bald darauf war die Filmemacherin Diana Hellson (Siksika Nation) gefunden. Seitdem findet die Kommunikation zum Filmkonzept, zu Vertrags-, Rechnungs- und PR-Fragen zwischen British Columbia und Frankfurt erfolgreich auf allen digitalen Plattformen statt.

Der Film wird im Oktober zusammen mit Sammlungsobjekten im Weltkulturen Museum zu sehen sein.

Das Projekt entsteht in Kooperation zwischen Markus Lindner (Goethe-Universität Frankfurt am Main) und Mona Suhrbier (Weltkulturen Museum) und wird unterstützt vom Canada Council for the Arts.

With Canada set to be the guest country at Frankfurt Book Fair, the special exhibition “Let Them Speak! Comments from British Columbia, Canada” was scheduled to take place from 7th to 21st October 2020 in the Weltkulturen Museum. Three First Nations artists would take part: the weaver Meghann O’Brien (Haida/Kwakwaka’wakw), carver Tom Hunt (Kwakwaka’wakw) and hiphop artist Christie Lee Charles (Musqueam). The artists were invited to use their own works to comment on the museum’s historical collection from Canada.

After the Covid-19 pandemic broke out, Canada’s physical participation in the book fair was suddenly thrown into doubt, and those in charge started looking around for digital formats which could act as a substitute. Long story short: we transformed the exhibition into a video project and the Canada Council for the Arts accepted the change. Soon afterwards we found the filmmaker Diana Hellson (Siksika Nation). Since then, communication between British Columbia and Frankfurt on matters pertaining to the film concept, the contract, the invoicing and PR has run smoothly on all digital platforms. The film will go on show in the Weltkulturen Museum in October along with objects from the museum collection.

This project has been developed as a cooperation between Markus Lindner (GoetheUniversität Frankfurt am Main) and Mona Suhrbier (Weltkulturen Museum) and is supported by Canada Council for the Arts.

01. Tom Hunt, Kwakwaka'wakw, Komokva-Maske aus Zedernholz, 1997, British Columbia,

Kanada. Hergestellt während eines Aufenthalts des Künstlers im Weltkulturen

Museum in 1997. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel

01. Tom Hunt, Kwakwaka'wakw, Komokva mask made of cedar wood, 1997, British

Columbia, Canada. Manufactured during the artist`s stay at Weltkulturen Museum

in 1997. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Wolfgang Günzel

V O RW O RT / P R E FA C E

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liebe freundinnen und freunde des weltkulturen museums

dear friends of the weltkulturen museum

In der Corona-Krise erleben wir gerade tiefgreifende Einschnitte in unseren Alltag. Wir müssen uns an ungewohnte Verhaltensweisen gewöhnen, erleben aber auch eine neue Form der Achtsamkeit. Wir registrieren genau, wer aus Rücksicht auf andere eine Maske trägt. Beim Treffen mit anderen überlegen wir, wie wir auch ohne Umarmung oder Händedruck herzlich bzw. höflich sein können. In der Krise kreisen unsere Gedanken um jede Veränderung – der Wandel wird unablässig kommentiert. Doch nicht jede Veränderung ist Teil einer plötzlichen Krise. Das beste Beispiel ist der Mensch selbst.

Einerseits erscheinen Geburt, Initiation in das Erwachsenenleben, Heirat und Tod als selbstverständliche Bestandteile seines Lebens, andererseits werden diese Übergänge immer und überall mit Ritualen begleitet; denn Menschen ist es ein Bedürfnis, Veränderungen zu kontrollieren und günstig zu beeinflussen. Wenn Sie dieses Thema interessiert, lesen Sie doch noch einmal „Menschen und ihre Gegenstände“, unsere Publikation zur gleichnamigen Ausstellung im Jahr 2001. Besonders das Kapitel „Verwandlung“, aber auch die Artikel „Stärke“, „Schutz“ und „Ordnung“ sind gerade jetzt relevante ethnologische Beiträge zu den Veränderungen, die uns gegenwärtig bewegen.

Diese Ausgabe bringt u. a. Beiträge über selbstkritische Aufarbeitungsprozesse am Museum, über den Wandel des Restaurierungsberufs und über die Entwicklung indonesischer Musikstile – Veränderungen, die über längere Zeit hinweg von den Beteiligten selbst in Gang gesetzt wurden. Ob mit Kraft, Mut oder stiller Beständigkeit – wir können selbst dazu beitragen, gesellschaftlichen Wandel zu gestalten. Wandel muss nicht Krise sein – Leben bedeutet Veränderung!

In the midst of the coronavirus crisis we are facing severe restraints in our everyday lives. We have to get accustomed to unfamiliar behaviour, but we are also experiencing a new kind of mindfulness. We register precisely who is being considerate of others by wearing a mask. When we meet people we think about how we can be polite or affectionate without a hug or a handshake. In a crisis our thoughts revolve around each and every change – and this change is subject to endless comment. But not every change is part of a sudden crisis. The best example of this is people themselves. On the one hand, birth, initiation into adulthood, marriage and death are selfevident elements of our lives, but on the other hand these transitions, wherever they are, are always accompanied by rituals; people need to control change and positively influence it. If you find this subject interesting, take another look at ‘Menschen und ihre Gegenstände’ (People and Their Objects), our publication (in German only) accompanying the eponymous exhibition from 2001. The chapter on ‘Verwandlung’, meaning ‘change’, makes a particularly relevant ethnological contribution on the changes we are currently encountering, as do the articles on ‘strength’, ‘protection’ and ‘order’.

This edition contains reports on themes such as the processes of self-critical reappraisal at the museum, how the profession of restorer has changed over the years, and the development of Indonesian musical styles – all changes that have been set in motion over a sustained period of time by the participants themselves. Whether by means of force, courage or quiet constancy – we can make our own contribution towards shaping social change.

Change does not have to be a crisis – life means change!

Eva Ch. Raabe, Direktorin, Weltkulturen Museum

Eva Ch. Raabe, Director, Weltkulturen Museum

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02.

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M U S I K U N D WA N D E L

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KLINGENDER WANDEL 03.

die musikethnologin vanessa von gliszczynski über musik in indonesien als plattform gesellschaftlicher veränderungen

Es gibt kaum ein Medium, das so wandelbar ist wie Musik: Mit Leichtigkeit werden neue Instrumente, Rhythmen und Melodien in bestehende Genres integriert oder Klangelemente neu kombiniert. Mehr noch: Musikalische Einflüsse spiegeln soziokulturelle Veränderungen wider. Zugleich dient Musik als Medium, lokale und globale Bausteine auf einer abstrakten Ebene zu verhandeln.

Das heutige Indonesien ist ein gutes Beispiel dafür. In dem Vielvölkerstaat mit über 300 verschiedenen Ethnien gibt es die unterschiedlichsten Musikstile. Immer wieder wurden und werden externe musikalische Einflüsse integriert. Ab dem frühen 20. Jahrhundert spielte Musik zudem eine wichtige Rolle dabei, eine nationale Identität zu konstruieren – variierten doch die lokalen Kulturen mitunter sehr stark. Hier werde ich einige Beispiele aus der Musikgeschichte Indonesiens skizzieren, die zum Teil auch in unserer laufenden Ausstellung „Weltenbewegend. Migration macht Geschichten“ zu sehen sind.

Das heutige Indonesien wird musikalisch oft mit den grossen Gamelan-Orchestern aus Java und Bali verbunden, die Tanzund Theateraufführungen begleiten. Unter den vielen Gongs findet sich ein Saiteninstrument, das erst im 15. Jahrhundert seinen Weg in den Archipel fand: die Rebab. Diese Spießgeige kommt in ähnlicher Form in der gesamten arabischen Welt vor.

Das Instrument kam über Gewürzhändler nach Südostasien und wurde – angepasst an lokale Materialien und Tonalitäten – schnell sehr beliebt. Heute zählt die Rebab als einziges Streichinstrument im Gamelan zu den „typisch indonesischen“ Instrumenten. Ganz ähnlich ist es mit der Gambus-Laute, in Europa besser bekannt als Oud. Sie kam vermutlich schon im 8.

Jahrhundert aus dem Jemen in den malaiischen Archipel. Die Gambus-Musik ist anders als die Rebab bis heute stark an eine malaiisch-islamische Identität geknüpft.

Neben diesen eher „traditionellen“ Musikstilen nahm auch die Popularmusik Indonesiens immer wieder neue Einflüsse auf. Der Dangdut – ein Schlagergenre, das seit den 1970er Jahren sehr beliebt ist – vereint verschiedene musikalische Einflüsse aus Indonesien, aus der arabischen, indischen und europäischen Welt. Gesungen wird in der Nationalsprache Bahasa Indonesia, v. a. über Liebe, Herzschmerz und Alltagsgeschichten. Charakteristisch ist ein durch das frühe Bollywood – Kino beeinflusster Tabla-Rhythmus, dem das Genre seinen lautmalerischen Namen „Dang-Dut“ verdankt. Dieser Einf luss führte in der Musikethnologie zu einer Diskussion, ob Dangdut eigentlich

„authentisch indonesisch“ sei. Allerdings gibt es in Indien kein vergleichbares Genre und die Theorie verkennt den Einfluss anderer Elemente u.a. aus der Gambus oder später der Rockmusik. Dangdut ist ein Konglomerat verschiedener musikalischer Einflüsse, das zu etwas „typisch indonesischem“ wurde, weil die Indonesier*innen selbst es dazu machten. Interessant ist dabei, dass die Kulturpolitik des 1945 gegründeten Staates viel zur Entwicklung des Dangduts beitrug. Bis Mitte der 1960er Jahre lehnte Präsident Sukarno westliche Kultureinflüsse ab und förderte das Singen auf Indonesisch oder in lokalen Sprachen. Unter Suharto, ab den späten 1960ern, öffnete sich der Inselstaat dem Westen und der Dangdut wurde rockiger – und auf Bahasa Indonesia gesungen zur Nationalmusik. So wurde im Dangdut das Verhältnis zwischen Indonesien, seinen lokalen Kulturen und „dem Westen“ akustisch verhandelt und gewandelt – sozusagen „glokalisiert“.

Auch heute gibt es immer wieder solche musikalischen Aushandlungsprozesse. Während es im ausgehenden 20. Jahrhundert wichtig war, mit einer nationalen Popularmusik ein Einheitsgefühl zu schaffen, scheinen jetzt distinkte lokale Kulturen wieder wichtiger zu werden. Die Band Karinding Keos aus Bandung in Westjava – dem Zentrum der sundanesischen Kultur – macht „Bambus-Metal“. In der sundanesischen Musik werden traditionell viele Bambusinstrumente wie Zithern (celempung) und Maultrommeln (karinding) verwendet. Gleichzeitig hat Bandung aber auch eine große Metal-Szene. In den letzten Jahren begannen viele Bands aus der Region, mehr „traditionelle“ Elemente in ihre Musik einfließen zu lassen. Karinding Keos verwendet fast nur Bambusinstrumente und singt auf Indonesisch und Sundanesisch. Die gesamte Ästhetik orientiert sich dabei am Metal. Die Band ist damit in Bandung, aber auch darüber hinaus sehr erfolgreich.

Diese Schlaglichter auf die indonesische Musikgeschichte zeigen, wie Musik sich kontinuierlich wandelt. Neue Elemente werden ausprobiert und Identitäten und Positionen musikalisch verhandelt. Je nach Bedarf werden „traditionelle“, lokale oder globale Faktoren stärker gewichtet. Wenn aber Transformation ein grundlegendes Element der Musik ist, dann kann es keine „authentische“ Musik geben. Oder besser: Authentizität basiert nicht auf der „ursprünglichen“ Herkunft eines Instrumentes oder eines Klangelementes. Authentizität wird konstruiert und bestimmt durch die Menschen, die diese Musik machen und konsumieren. Sie formen „ihr“ Musikgenre

durch ihre Beziehung zur Musik. So spiegelt der Wandel eines Musikgenres auch immer gesellschaftliche Diskussionen und Transformationen wider – und das nicht nur in Indonesien.

Videos der Band Karinding Keos sind unter www.weltkulturenmuseum.de/de/ausstellungen/ verfügbar. Die Band sollte im Juli 2020 auf Europatournee gehen und dabei auch im Weltkulturen Museum Halt machen. Leider musste das Konzert Corona-bedingt verschoben werden, soll aber 2021/22 nachgeholt werden.

Bio: Vanessa Julia von Gliszczynski studierte an der Universität zu Köln Musikwissenschaften mit Schwerpunkt Musikethnologie, Ethnologie und Neue/Mittlere Geschichte. Schon im Studium spezialisierte sie sich auf die Kulturen Indonesiens.

Nach ihrem Magisterabschluss lebte Vanessa von Gliszczynski rund dreieinhalb Jahre in Jakarta, Indonesien, und arbeitet von 2008–2010 bei der Deutschen Botschaft. Zu ihren Aufgaben gehörte die Auseinandersetzung mit politischen und religiösen Entwicklungen und der Lage der Menschenrechte. So lernte sie auch die rezente kulturelle und politische Vielfalt des Landes kennen und beherrscht f ließend Bahasa Indonesia. Seit Juni 2011 arbeitet Vanessa von Gliszczynski am Weltkulturen Museum als Kustodin für Südostasien. Die Spezialgebiete von Vanessa von Gliszczynski sind, neben einer regionalen Ausrichtung auf das östliche Indonesien, Fragen danach, wie Identitäten aus lokalen, nationalen und globalen Elementen konstruiert und reinterpretiert werden. Dies kombiniert sie mit musikethnologischen Fragen zu Jugendund Populärkultur in Indonesien. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die dynamische Beziehung zwischen Umwelt, Klang, Mensch und Kultur.

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SOUNDS OF CHANGE 04.

ethnomusicologist vanessa von gliszczynski on music in indonesia as a platform for social transformation

Few media are as changeable as music: new instruments, rhythms or melodies can easily be integrated into existing genres, while sound elements are effortlessly reconfigured. But over and above that, musical influences reflect socio-cultural changes. At the same time, music serves as a medium for negotiating local and global elements at an abstract level.

Today’s Indonesia is a good illustration of this. In this multiethnic state comprising over 300 different cultural groups there is an extensive range of musical styles. External musical influences have frequently been integrated, both in the past and in the present day. From the early twentieth century onwards, music has also played a key role in constructing a national identity – despite what in some cases are huge variations between local cultures. Outlined below are several examples from Indonesian musical history, some of which can be seen in our current exhibition “Worlds in Motion. Narrating Migration”.

Nowadays, Indonesian music is often associated with the large gamelan orchestras from Java and Bali which accompany dance and theatrical performances. Among the many gongs there is a stringed instrument that only arrived in the archipelago in the fifteenth century: the rebab. A related version of this spike fiddle is found throughout the Arab world. After the instrument was first brought to South East Asia by spice traders, it was adapted to suit local materials and tonalities and quickly became extremely popular. Today the rebab is the only stringed instrument in a gamelan orchestra to be regarded as a ‘typically Indonesian’ instrument. The situation is very similar with the gambus, a kind of lute which is better known in Europe as an oud. It probably came to the Malay Archipelago from Yemen as early as the eighth century. Unlike the rebab, gambus music is still strongly associated with a Malay-Muslim identity.

These rather ‘traditional’ musical styles have not been alone in regularly adopting new influences; the same is true of popular Indonesian music. Dangdut is a form of pop music that has been much loved since the 1970s, combining a range of musical influences from the Arab, Indian and European worlds.

The songs, mostly about love, heartbreak and everyday stories, are sung in the national language Bahasa Indonesia. It is notable for its tabla rhythm, inspired by early Bollywood cinema – and it is this rhythm to which the genre owes its onomatopoeic name ‘dang-dut’. Among ethnomusicologists this influence has generated a debate about whether dangdut is actually ‘authentically Indonesian’. However, there is no comparable genre in

India and the theory fails to acknowledge the impact of other elements, for instance of the gambus or later of rock music.

Dangdut is a conglomeration of various music influences that became a ‘typically Indonesian’ phenomenon because the Indonesians made it that way themselves. It is interesting that cultural politics in a country that was founded in 1945 played a significant role in the development of dangdut. Up until the mid-1960s, President Sukarno rejected Western cultural influences and encouraged musicians to sing in Indonesian or one of the local languages. Under Suharto, from the late 1960s onwards, the island nation opened itself up to the West and dangdut became more rock-like – sung in Bahasa Indonesia, it became a kind of national music. Thus the relationship between Indonesia, its local cultures and ‘the West’ was acoustically negotiated and transformed via dangdut; it was essentially ‘glocalised’.

These kinds of processes of musical negotiation still regularly occur today. While in the late twentieth century the focus was on creating a feeling of unity through a national popular music, now distinct local cultures seem to have gained in importance once more. The band Karinding Keos from Bandung in West Java – situated at the very heart of Sundanese culture – plays ‘bamboo metal’ music. Sundanese music traditionally features numerous bamboo instruments such as zithers (celempung) and jaw harps (karinding). But Bandung also has a vibrant metal scene. In recent years many bands from the region have started integrating more ‘traditional’ elements into their music. Karinding Keos almost exclusively uses instruments made of bamboo and sings in Indonesian and Sundanese, but the whole aesthetic is geared towards metal. This has brought the band huge success not only in Bandung, but also beyond.

These highlights of Indonesian musical history show how music is constantly changing. New elements are tried out while identities and positions are musically negotiated. Depending on what is actually needed, there is a greater emphasis on ‘traditional’, local or global factors. But if transformation is a fundamental aspect of music, there can be no such thing as ‘authentic’ music. Or rather: authenticity is not based on the earliest ‘origins’ of an instrument or on an element of sound. Authenticity is constructed and determined by the people who make and consume this music. They create ‘their’ musical genre via their relationship to the music. Musical changes always reflect social debates and transformations, too - not just in Indonesia.

Videos of the band Karinding Keos are available at www.weltkulturenmuseum.de/en/exhibition/. The band was due to tour Europe in July 2020, including an appearance at the Weltkulturen Museum.

Sadly, the concert had to be postponed because of the coronavirus pandemic and will be rescheduled for 2021/22 instead.

Bio: Vanessa Julia von Gliszczynski studied musicology at the Universität zu Köln, with an emphasis on ethnomusicology, ethnology and modern/medieval history. While still a student she chose to specialise in Indonesian culture. After graduating with a master’s degree, Vanessa von Gliszczynski lived in Jakarta, Indonesia, for around three and a half years and worked at the German embassy there from 2008 to 2010. Her role: to stay abreast of political and religious developments as well as the human rights situation. This allowed her to become acquainted with cultural and political diversity in the country’s recent history. In addition, she speaks fluent Bahasa Indonesia. Vanessa von Gliszczynski has been the curator for Southeast Asia at the Weltkulturen Museum since 2011.

In addition to her regional focus on eastern Indonesia, Vanessa von Gliszczynski explores questions concerning the construction and reinterpretation of identities from local, national and global elements. She combines these with ethnomusicological issues in Indonesian youth and popular culture.

A further research focus is the dynamic relationship between the environment, sound, people and culture.

M U S I C A N D T R A N S F O R M AT I O N

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“Authenticity is constructed and determined by the people who make and consume this music. They create ‘their’ musical genre via their relationship to the music.”

05.

02. Gambus-Laute mit Drachenkopf. Palembang, Sumatra, Indonesien. Gesammelt von Bernhard Hagen, 1905. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 02. Gambus lute with dragon head. Palembang, Sumatra, Indonesia. Collected by Bernhard Hagen, 1905, Collection Weltkulturen Museum. Photo: Wolfgang Günzel 03. Spießgeigen aus Java (Rebab), von der Sinai-Halbinsel (Rabaa'ba) und aus Flores (Reba). Schenkung von Katja und Frank Rühl, 2007. Ankauf bei E. Hagolani,

1963/64 und gesammelt von Ernst Vatter, 1928/29. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel

03. Spike fiddles from Java (Rebab), from the Sinai-Peninsula (Rabaa'ba) and from Flores (Reba). Donated by Katja and Frank Rühl, 2007. Purchase at E. Hagolani,

1963/64 and collected by Ernst Vatter, 1928/29. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Wolfgang Günzel

04. Karinding Keos. Foto: Ardyan Hariri 04. Karinding Keos. Photo: Ardyan Hariri 05. Reba aus Flores, Indonesien. Gesammelt von Ernst Vatter, 1928/29. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 05. Reba from Flores, Indonesia. Collected by Ernst Vatter 1928/29. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Wolfgang Günzel

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VIER FRAGEN AN/ FOUR QUESTIONS TO MATTHIAS CLAUDIUS HOFMANN

Weltkulturen Museum: Woran denkst du, wenn du den Begriff Transformation hörst?

Matthias Claudius Hofmann: Veränderungen, also Transformationen und Prozesse des Wandels, sind ein selbstverständlicher Teil unseres Lebens. Gerade jetzt in der Corona-Pandemie erleben wir, wie ein solcher Wandel als Krise unmittelbar und völlig unvorhersehbar unser bisheriges Leben auf den Kopf stellt. Aber auch jenseits von solchen globalen Phänomenen durchlaufen wir im Leben beständig Transformationen. Das fängt bereits mit der Geburt an. Wir werden eingeschult, schließen die Schule ab, beginnen eine Ausbildung, heiraten und werden schließlich zu Grabe getragen. Dabei wechseln wir – von einem Lebensabschnitt zum nächsten – auch unseren gesellschaftlichen Status. Das heißt, die Veränderung betrifft nicht nur uns persönlich, sondern ist auch eine zutiefst soziale Angelegenheit. Durch den Statuswechsel verändern sich plötzlich, auch die sozialen Beziehungen zu anderen Menschen.

Daher werden solche Veränderungen in der Regel auch von Ritualen begleitet. In der Ethnologie sprechen wir dabei von Übergangsriten.

WKM : Was versteht man denn unter Übergangsriten?

MCH: Der Begriff des Übergangsritus geht auf den Ethnologen Arnold van Gennep zurück.

Er beschreibt Riten, die den Übergang eines Menschen von einem Daseinszustand, Status oder Lebensabschnitt zum nächsten kennzeichnen. Darunter fallen z. B. ganz klassisch Geburt, Initiation oder auch eine Bestattung. Aber auch Ortswechsel oder kalendarische Riten wie das Neujahrsfest werden in der Regel von solchen ritualisierten Übergängen begleitet. Man unterscheidet dabei drei Phasen des Übergangs: die Trennung oder Loslösung vom alten Zustand oder Ort; den eigentlichen Übergang, die Umwandlung, und schließlich die Eingliederung in den neuen Status. Solche Riten sind ein wichtiger Teil der menschlichen Kultur. Später hat sich der Ethnologe Victor Turner genauer mit der mittleren Phase, der Umwandlung, auseinandergesetzt: Gerade diese Phase ist oft von grosser Unsicherheit gekennzeichnet. Man durchschreitet hier einen kulturellen Bereich, der we-

nige oder keine Merkmale des vergangenen oder künftigen Zustands aufweist und der klassischerweise symbolisch mit dem Tod, mit Unsichtbarkeit, Dunkelheit oder dem Dasein im Mutterschoß in Verbindung gebracht wird.

Häufig muss man lange Zeit in Seklusion verbringen und man verliert seinen weltlichen Besitz und seine früheren Rechte. Man ist zur Passivität verurteilt, muss Demut zeigen und ist zum absoluten Gehorsam gegenüber seinen rituellen Lehrern verpflichtet. Man wird gewissermaßen neu geformt und schließlich mit neuen Kräften und neuem Wissen ausgestattet, um mit der neuen Station im Leben fertigwerden zu können. Die Schlussfolgerung ist, dass solche gesellschaftlichen oder persönlichen Übergänge ein immenses Potenzial für Veränderungen der Gesellschaft als Ganzes besitzen, deswegen auch potenziell als bedrohlich gesehen werden. Daher müssen diese Übergänge ritualisiert und damit vor allem kontrolliert werden, um die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und in den neuen Status zu gewährleisten.

WKM : Hast du ein Beispiel für ein Übergangsritual?

MCH: Die Initiation bei den Iatmul im Gebiet des Sepikstromes in Neuguinea ist ein klassisches und auch recht anschauliches Beispiel für so ein Übergangsritual. Der zentrale Ort für die Initiation ist das Kulthaus, ein imposantes Gebäude im Zentrum des Dorfes, zu dem nur initiierte Männer Zugang haben und in dem Ritualgegenstände und Ahnendarstellungen aufbewahrt werden. Dieses wird mit einem hohen Zaun umgeben, sodass die Novizen für 6-8 Wochen völlig vom Dorfleben getrennt sind.

Von Tänzen und Gesängen begleitet werden sie zum Eingang in diesem Zaun geführt, der einem aufgerissenen Krokodilsrachen nachgebildet ist. Das Krokodil wird bei den Iatmul als Schöpferwesen verehrt und mit Betreten des eingezäunten Bereichs um das Kulthaus werden die Novizen symbolisch von diesem Urzeitwesen verschlungen. Damit befinden sie sich – für die Zeit ihrer Seklusion – nicht länger in dieser Welt, sondern haben einen mythischen Raum zur Zeit der Weltschöpfung betreten. Anschließend werden ihnen mit einem Bambusmesser

Schmucknarben auf Rücken und Gesäß beigebracht. Eine extrem schmerzvolle Prozedur, die den Biss des Urkrokodils symbolisieren soll und später, wenn die Narben verheilt sind, an die schuppige Haut eines Krokodils erinnert. Im Anschluss an diese Narbentatauierung werden die Novizen auch weiterhin tagelang von ihren Lehrern auf alle nur erdenkliche Art gepiesackt.

Ihnen werden z. B. Nahrung und Wasser entzogen. Nach einigen Tagen kehrt sich diese Behandlung dann ins Gegenteil um. Sie werden mit einem Übermaß an Nahrung richtiggehend gemästet. Sie erlernen Tänze und Gesänge sowie die Herstellung von Ritualgegenständen und werden in mythische Geheimnisse eingeweiht. Schließlich kehren die nun frisch initiierten Männer, von ihren Lehrern reich beschenkt, als Erwachsene in das soziale Leben im Dorf zurück. Dies geschieht natürlich im Rahmen eines großen Festes. Waren sie vor wenigen Wochen noch Kinder, so sind sie jetzt Erwachsene mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten. Zugleich wird auch die soziale Integration der Gemeinschaft und das ihr zugrunde liegende Weltbild in der nächsten Generation gestärkt. Die Jungen, die gemeinsam ihre Initiation durchlitten haben, bilden oft eine lebenslang verbundene Gruppe.

WKM : Lässt sich dieser theoretische Ansatz denn auch auf die Pandemie als Krise übertragen? Im Moment verändern sich beispielsweise gewohnte Verhaltensweisen.

MCH: Es gibt durchaus Parallelen. Zu Beginn der Pandemie kam das öffentliche Leben bei uns in Deutschland ja beinahe völlig zum Erliegen. Großveranstaltungen wurden verboten, Restaurants und Geschäfte geschlossen.

Es gab das Gebot zuhause zu bleiben und sich unter Androhung von Strafe nicht mit anderen Menschen außerhalb des eigenen Haushalts in der Öffentlichkeit zu treffen. Und natürlich auch die Schulschließungen! Aus der Politik kamen Mahnungen und Durchhalteparolen, gemeinsam durch diese Maßnahmen die Krise zu überstehen und später als Gesellschaft gestärkt daraus hervorzugehen. Der Vergleich mit einer Phase der Seklusion ist hier nicht weit hergeholt. Die typische Umkehrung der Verhältnisse

und die Verurteilung zur Passivität und dem Erdulden drücken sich ja auch in der Maskenpflicht in öffentlichen Räumen und dem Gebot des Social Distancing aus. Nicht zuletzt mussten wir ja auch die Aufhebung mancher Grundrechte wenigsten vorübergehend hinnehmen.

Allerdings folgt die Pandemie als Form des Übergangs natürlich nicht festgeschriebenen rituellen Regeln. Es handelt sich um eine Ausnahmesituation. Wenn man aber diese Parallele zieht: Der Grund, warum Übergänge durch Rituale kontrolliert und gesteuert werden, liegt in der gesellschaftlichen Sprengkraft, die Veränderungen aller Art mit sich bringen. Das gilt für die Männerinitiation am Sepik, umso mehr bei großen gesellschaftlichen Umwälzungen.

Man kann das im Kleinen auch bei uns beobachten. So verändern sich z. B. soziale Umgangsformen wie das Händeschütteln zur Begrüßung.

Wir haben uns auch bereits so sehr an den Mundnaseschutz – eigentlich ein rein medizinischer Funktionsgegenstand – gewöhnt, dass wir begonnen habe ihn als modisches Accessoire zu entdecken. Er ist bereits so zum Teil unserer materiellen Kultur geworden, dass es durchaus denkbar ist, dass er uns auch nach der Pandemie erhalten bleiben wird. Ebenso die Plexiglasscheiben in Geschäften oder im Büro.

Nicht zuletzt hat sich das Verhältnis zu Digitalisierung und Digitalität stark verändert. Gab es vor der Pandemie hier noch viel Skepsis, erscheint sie jetzt als Lösung für viele Probleme und wird sehr positiv gesehen. Man muss sich allerdings bewusst machen, dass sich die Pandemie nicht an einen rituell festgelegten Zeitplan hält. Zurzeit kann niemand mit Gewissheit sagen, wie lange wir uns mit den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus arrangieren müssen. Während man also bereits beginnt vom „New Normal“ zu sprechen, verändern wir unsere Kultur beständig. Wir passen uns den äußeren Bedingungen an. Aber anders als bei festgelegten Übergangsriten haben wir die Freiheit, diese Veränderungen kritisch zu prüfen und aktiv mitzugestalten.

I N T E RV I E W / I N T E RV I E W

06.– 09.

06. Der Krokodiltanz wird während der

Anfangsphase der Initiation aufgeführt.

06. The crocodile dance is performed

during the initial phase of the initiation.

07. Am Morgen nach dem nächtlichen

Tanz werden den Initianden Schmucknarben

beigebracht.

07. In the morning after the dance of the

previous night, decorative scars are

carved into the initiates’ backs.

08. Im Anschluss werden die Wunden gewaschen

und zur Desinfektion mit Lehm beschmiert.

Der aus Bastfasern geflochtene Halsring

ist ein Symbol für die Nabelschnur während

der rituellen Wiedergeburt.

08. The wounds are then washed and smeared

with clay as a means of disinfection.

The neck ring woven from bast fibres

symbolises the umbilical cord during

the ritual rebirth.

09. Nach dem Benarben wird auf den heiligen

Flöten zur Ruhe geblasen.

09. After the scarification process, the

sacred flutes are played in a call for

the initiates to rest.

Fotos: Hermann Schlenker, Japanaut,

East Sepik Province, Neuguinea, 1973/74

Photos: Hermann Schlenker, Japanaut,

East Sepik Province, New Guinea, 1973/74

FOLGENDE SEITEN / NEXT PAGES

10. Schreinermeister Kümmel,

Pförtner H. Schnell, Oberaufseher

Jacob Jäger, 1908, Foto: unbekannt.

10. Master carpenter Kümmel,

doorman H. Schnell, chief warden

Jacob Jäger, 1908, Photo: unknown.

11. Restaurator Herr Feist,

1970er Jahre, Foto: unbekannt

11. Conservator Mr. Feist, 1970s,

Photo: unknown

12. Restauratorin Sarah Reyer, 2020.

Foto: Kristina Werner

12. Conservator Sarah Reyer, 2020.

Photo: Kristina Werner

9

Weltkulturen Museum: What do you think about when you hear the term ‘transformation’?

Matthias Claudius Hofmann: Changes, in other words transformations and transitional processes, are a natural part of our lives. Indeed, what we are experiencing with the coronavirus pandemic right now shows how a change in the form of a crisis can instantly und unpredictably turn life as we know it upside down. But even if we leave out global phenomena of that kind, we are constantly undergoing transformations in our lives. It begins with birth. We start school, finish school, begin training for a career, get married, and ultimately get carried to our graves. Along the way– from one chapter of our lives to the next – we also change our status in society. That means the change doesn’t just affect us personally, it is also a profoundly social matter. The change in status also entails sudden changes to our social relationships with other people. That’s why these changes are generally accompanied by rituals. In the field of ethnology we talk of rites of passage.

WKM : What is meant by rites of passage?

MCH: The term rite of passage can be traced back to the ethnologist Arnold van Gennep. It describes the rites that signify the transition somebody makes from one state of being, status or phase of life to the next. These would classically include birth, an initiation or a burial. But changes in location or calendrical rites such as marking the advent of the new year are typically also accompanied by these ritualised transitions. We can distinguish three transitional phases: separation, or withdrawing from the old status or place; the transition itself, known as liminality; and then finally incorporation into the new status. These rites are an important part of human culture. The ethnologist Victor Turner subsequently took a closer look at this middle stage, the transition itself: this phase in particular is often characterised by great uncertainty. The person in question passes through a cultural zone that exhibits few or no characteristics of their past or future condition – a domain that tends to be symbolically linked to death, invisibility, darkness or life in the womb. Frequently they have to spend a long period of time in seclusion and lose their material wealth and whatever rights they previously possessed. This person is condemned to passivity, they have to be humble, and are obliged to show complete obedience to their ritual teachers. In one respect they are being remoulded, and are then ultimately equipped with new powers and new knowledge in order to cope with their new position in life. The reasoning is that these social or personal transitions possess huge potential for changing society as a whole, and thus they are also potentially seen as a threat. So these transitions have to be ritualised and above all else kept under control, in order to ensure that people are incorporated back into society and into their new status.

WKM : Do you have an example of a rite of passage?

MCH: The initiation performed by the Iatmul people in the Sepik River region of New Guinea is a classic and highly illustrative example of this kind of rite of passage. The main setting for the initiation is the cult house, an imposing building in the heart of the village which only initiated men can access, and where the ritual objects and representations of the ancestors are kept. This is surrounded by a high fence, so that the novices are totally separated from village life for six to eight weeks. Accompanied by dancing and singing, they are led to an entrance in the fence that resembles the wide-open jaws of a crocodile. The crocodile is venerated as a demiurge, and by entering the fenced area around the cult house the initiates are symbolically devoured by this primordial being. Thus for the period of their seclusion they are no longer part of this world and have stepped instead into a mythical space dating back to the era of the world’s creation.

Afterwards, decorative scars are carved into their backs and buttocks with a bamboo sliver.

It is an extremely painful process that is supposed to symbolise the bite of the primordial crocodile, and once the scars have healed

they resemble the crocodile’s scaly skin. After this scarification has taken place the novices continue to be tormented for days on end in every conceivable manner by their teachers.

For instance, they are deprived of food and water. After several days this treatment is completely reversed. Foodstuffs galore are crammed into them. They learn dances and songs, they find out how to produce ritual objects, and they are inducted into mythical secrets. Ultimately, the freshly initiated men return to social life in the village, richly equipped with gifts from their teachers. Of course this is marked by a huge celebration. A few weeks ago they were still children, but now they are adults with all the associated rights and duties. At the same time, it reinforces both the next generation becoming socially integrated into the community and the world view upon which this community is based. The boys who have endured their initiation together often form a close lifelong group.

WKM : So can this theoretical approach also be applied to the pandemic crisis? At the moment people’s habitual behaviours are changing, for example.

MCH: There are certainly parallels. At the start of the pandemic, public life virtually ground to a halt here in Germany. Large events were banned, restaurants and businesses were closed. People were told to stay at home and were threatened with punishment if they met up in public with anybody who was not a member of their own household. And then of course there were the school closures! We heard warnings and morale-boosting slogans from the politicians: through these measures we’ll overcome this crisis together and then we’ll come out of it as a stronger society. The comparison with a phase of seclusion is not all that farfetched. This typical inversion of the circumstances, this forced endurance of passivity and forbearance, are also expressed in the mandatory wearing of masks in public spaces and social distancing rules. And last but not least, we had to accept that certain fundamental rights were withdrawn, at any rate on a temporary basis. Although the pandemic is a kind of transition, it doesn’t follow fixed ritual rules, of course. It’s an exceptional situation. But when you draw these parallels: transitions are controlled and guided by rituals because of the social volatility that is triggered by all kinds of changes. That is the case with the male initiation ceremony in the Sepik region, but even more so with major social upheavals. You can see that on a smaller scale here with us.

There are changes, for example, to forms of social etiquette such as shaking hands when people meet. We’ve already got so used to covering our mouths and noses with masks – which are actually purely medicinal objects in terms of their function – that we’ve started perceiving them as fashion accessories. It’s already become such an intrinsic part of our material culture that it’s thoroughly conceivable it will remain with us even after the pandemic.

The same applies to the plexiglass screens in shops and offices. Last but not least, the relationship to digitalisation and digitality has changed enormously. While before the pandemic there was huge scepticism about it here in Germany, now it seems to be the solution for numerous problems and is viewed extremely positively. People just have to be aware that the pandemic isn’t adhering to a ritually fixed schedule. At the moment nobody can say for sure how long we’ll have to put up with measures for curbing the virus. While people are already beginning to talk about the ‘new normal’, we are actually constantly changing our culture. We adapt to the external conditions. But unlike the pre-defined rites of passage, we have the freedom to examine these changes critically and help to play an active role in shaping them.

Bio: Matthias Claudius Hofmann studierte Ethnologie und Religionswissenschaft in Göttingen, Apia (Samoa) und Wellington (Neuseeland). Sein Forschungsinteresse gilt der Ethnografie Polynesiens mit besonderer Berücksichtigung Samoas, der materiellen Kultur und oralen Tradition dieser Region sowie der ethnologischen Objektforschung.

Bio: Matthias Claudius Hofmann studied ethnology and religious studies in Göttingen, Apia (Samoa) and Wellington (New Zealand). His research interest is Polynesian ethnography, with a particular focus on Samoa, the region’s material culture and oral tradition, and ethnological research into objects.

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R E S TA U R I E R U N G / C O N S E RVAT I O N

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VON ALLESKÖNNERN UND SPEZIALISTEN/ ALL-ROUNDERS AND SPECIALISTS die restauratorinnen sarah reyer und kristina werner über den beruf des restaurators im wandel / how the profession of conservator has changed over time. by conservators sarah reyer and kristina werner Bio: Kristina Werner, Restauratorin, hat in Köln „Restaurierung und Konservierung von Objekten aus Holz und Werkstoffen der Moderne“ studiert und schloss mit Master ab. Sarah Reyer ist als Elternzeitvertretung im Bereich der Restaurierung von anorganischen Objekten tätig. Zuvor absolvierte sie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart ihren Master in der Restaurierung und Konservierung mit dem Schwerpunkt archäologische, ethnologische und kunsthandwerkliche Objekte.

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Bereits in den ersten Jahren nach der Gründung des Weltkulturen Museums, das zu diesem Zeitpunkt noch Städtisches Völkermuseum hieß, spielten der Erhalt und die Pflege der Sammlung eine wichtige Rolle. Diese Aufgabe fiel damals in den Arbeitsbereich der beiden Brüder Jacob und Schorsch Jäger. Der ältere der beiden, Jacob Jäger, war „[…] der oberste Aufseher […], der für alles verantwortliche Hausmeister des Museums, der Tischlermeister und Ausbesserer jeglicher Schäden […].“. Den jüngeren Bruder Schorsch Jäger beschrieb die damalige Sekretärin Margot Benary-Isbert in ihrem Buch „Mädchen für Alles“ als einen Meister der Waffenpflege: „Wie er rostige Schwerter, Speere oder Beile erst in Wasser, dann in Petroleum legte, wie er sie mit feuchtem Sand unermüdlich rieb – richtigem weißem Flußsand […] – dann noch eine genau bemessene Frist in Vaseline eingebettet liegen ließ, um sie schließlich teils mit leinenen, teils mit wollenen Lappen bis zu makellosem Hochglanz zu polieren, das war wirklich eine hohe Kunst.“ Auch wenn diese Form einer konservatorischen Maßnahme zum Erhalt der Museumsobjekte inzwischen vollkommen veraltet ist und aus heutiger Sicht viel zu stark in die originale Substanz eingreift, so verdeutlicht es doch eines: Als Restaurator*innen haben früher vor allem Quereinsteiger*innen aus anderen Berufsgruppen gearbeitet.

Dies hat leider auch dazu geführt, dass Museumsobjekte durch unsachgemäße Restaurierungen beschädigt oder auch verfälscht wurden. Erst in den 1980er-Jahren wurde der Beruf des Restaurators durch eine akademische Ausbildung professionalisiert. Seitdem gibt es in Deutschland mehrere Hochschulen, die den Studiengang Restaurierung und Konservierung von Kunstund Kulturgut und eine Spezialisierung auf verschiedene Fachbereiche anbieten. So gibt es inzwischen spezifisch ausgebildete Restaurator*innen für z. B. archäologische oder ethnologische Objekte, für technisches Kulturgut, Papier, Stein, Gemälde, Textilien oder moderne Materialien.

In diesem Zusammenhang veränderten sich auch die Aufgaben und das Verständnis eines Museumsrestaurators. Lag früher der Fokus der Konservierung und Restaurierung eines Objekts – einem historischen Zeugnis – vor allem auf der Ästhetik, ist dies heutzutage dessen konzeptionelle Integrität. Neben dem ästhetischen Aspekt werden die physischen, historischen sowie nicht-materiellen Werte wie die religiöse oder kulturelle Bedeutung eines Kulturguts, die Authentizität oder die Intention des Künstlers bzw. der Künstlerin berücksichtigt. Dennoch: Trotz dieses Wandels und der Professionalisierung ist der Beruf des Restaurators in den meisten (Bundes-)Ländern bis heute nicht geschützt. Jeder darf sich, auch ohne den Nachweis einer beruflichen Qualifikation, Restaurator*in nennen. Ein Umstand, der immer wieder dazu führt, dass Amateur-Restaurator*innen teils jahrhundertealte Kunstwerke wie das Fresko „Ecce homo“ im spanischen Borja oder die wertvolle Replik des Gemäldes „Unbefleckte Empfängnis“ von El Escorial des Barockmalers Bartolomé Esteban Murillo (1618 – 1682) in Valencia unwiderruflich zerstören.

Bio: Kristina Werner, conservator, holds an MA from the Cologne Institute of Conservation Sciences in the restoration and conservation of wooden artefacts and modern materials. Sarah Reyer works as a parental leave in the field of conservation of non-organic objects. Prior to this, she completed her master's degree in restoration and conservation at the Stuttgart State Academy of Fine Art and Design, specialising in archaeological, ethnological and fine art objects.

Even in the early years of the Weltkulturen Museum, which at that point was still called the Städtisches Völkermuseum, conserving and maintaining the collection played a key role. At that time, two brothers, Jacob and Schorsch Jäger, were charged with this task. Jacob Jäger, the elder of the two, was “[…] the chief warden […], the caretaker responsible for everything at the museum, the carpenter and repairer of any and all damage […].” (Benary-Isbert). The museum’s then secretary Margot Benary-Isbert described in her book “Mädchen für Alles” the younger brother, Schorsch Jäger, as a master of weapons maintenance: “The way he first placed rusty swords, spears or axes in water, then in petroleum, the way he rubbed them tirelessly with damp sand – proper white river sand […] – then embedded them in Vaseline for a precisely determined period of time, and then finally polished them until they shone flawlessly, either with a linen cloth or with one made of wool, now that was really an art form.” Even though this conservation technique for preserving museum exhibits is now completely outdated and, from a contemporary perspective, interferes with the original substance of the object far too much, it does highlight one thing: most of the people who used to work as conservators had previously switched careers from other jobs. Unfortunately, this has also led to museum objects being damaged or even falsified by improper restorations. It was only in the 1980s that a training programme was created, formally establishing conservator as a proper profession.

Since then, multiple universities in Germany have introduced courses in restoring and conserving artistic and cultural assets, as well as specialisations in various fields. Now there are conservators specifically trained in archaeological or ethnological objects, for example, as well as specialists for technical cultural assets, paper, stone, paintings, textiles or modern materials.

In light of this development, the tasks performed by a conservator, as well as how the role itself is viewed, have also changed. Conserving and restoring an object – a historical document – used to focus primarily on aesthetics, whereas nowadays there is an emphasis on its conceptual integrity.

In addition to the aesthetic aspect of a cultural asset, any physical, historical, and immaterial values such as its religious or cultural significance are also considered, as well as its authenticity or the artist’s intentions. Nonetheless: despite this progress of metamorphosing from a job into a profession, in most countries including Germany the title of conservator is not protected. Anyone can call themselves a conservator, even if they possess no professional qualifications. This situation repeatedly leads to amateur restorers irreparably botching what in some cases are centuries-old works of art, such as the fresco “Ecce homo” in Borja, Spain, or the valuable replica of the painting “The Immaculate Conception of El Escorial” by the Spanish Baroque painter Bartolomé Esteban Murillo (1618 – 1682) in Valencia.

LESETIPP AUS DER WELTKULTUREN BIBLIOTHEK / BOOK RECOMMENDATION FROM THE WELTKULTUREN LIBRARY Benary-Isbert, Margot (1973). Mädchen für alles – Sieben Jahre Sekretärin im Völkermuseum. 2. überarbeitete Auflage / 2nd revised edition, Frankfurt am Main: Josef Knecht Verlag.

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Bio: Dr. Mona B. Suhrbier, Ethnologin und Kustodin für die Amerikas im Weltkulturen Museum Frankfurt am Main, realisiert seit 1990 Ausstellungen, Publikationen, Veranstaltungen und Videodokumentationen zu Fragen der Gegenwart in der Ethnologie, u.a. zu Sklaverei, indigenen Landrechten und Dekolonisierung sowie allgemein zu Kultur, Religion und zeitgenössischer Kunst. Sie studierte Ethnologie in Frankfurt und Marburg. Ihr Schwerpunkt liegt auf Lateinamerika, hier besonders auf dem Amazonasgebiet und Afrobrasilien. Sie sammelt für das Museum zeitgenössische indigene und afrobrasilianische Kunst und arbeitet mit internationalen Künstler*innen, Aktivist*innen und Indigenen Partner*innen zusammen. Als erste präsentierte sie 2018 indigene brasilianische Rap-Gruppen in Europa. 2020 wurde sie stellvertretende Direktorin des Museums. In den Jahren 1988, 1991, 1999 – 2000, 2008 und 2016 unternahm sie diverse Forschungsreisen in Brasilien, u.a. nach Salvador da Bahia und zu Guarani in São Paulo. Sie hatte Lehraufträge an den Universitäten in Marburg und Frankfurt. 1999 war sie Gastprofessorin an der Universität von São Paulo (USP) in Brasilien.

13. Roberto Oswaldo Griot, Salvador, Brasilien, „Ehrung an die Hausangestellte“, 1991 (Öl und Blattgold auf Holz).

Sammlung Weltkulturen Museum. Ankauf beim Künstler durch Mona Suhrbier 1991. Foto: Stephan Beckers

13. Roberto Oswaldo Griot, Salvador, Brazil, ‘Honouring the Housemaid’ 1991 (oil and gold leaf on wood).

Collection of the Weltkulturen Museum. Purchased from the artist by Mona Suhrbier 1991. Photo: Stephan Beckers

14. José Antonio Cunha, Salvador, Brasilien, „Abolição. Cem Anos Sem Nada“, („Abschaffung der Sklaverei.

Hundert Jahre ohne Nichts“) 1988. Geschenk vom Künstler an Mona Suhrbier 2000.

14. José Antonio Cunha, Salvador, Brazil, ‘Abolição. Cem Anos Sem Nada’ (Abolition of Slavery.

Hundred Years without Nothing) 1988. Gift from the artist to Mona Suhrbier 2000

15. Roberto Oswaldo Griot, Salvador, Brasilien, „Cem Anos Sem Abolição“ („Hundert Jahre ohne Abschaffung der Sklaverei“)

1988 (Plakat). Geschenk vom Künstler an Mona Suhrbier 1991. Foto: Peter Wolff

15. Roberto Oswaldo Griot, Salvador, Brazil, ‘Cem Anos Sem Abolição’ (Hundred Years without Abolishing Slavery)

1988 (poster). Gift from the artist to Mona Suhrbier 1991. Photo: Peter Wolff

DAS K R I T I S C H E S E L B S T

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DAS KRITISCHE SELBST PROZESSE DER AUFARBEITUNG AN EINER KULTURINSTITUTION VON MONA SUHRBIER Im Jahr 1991 setzt der afrobrasilianische Künstler Roberto Oswaldo Griot (1939–2015) mit dem Gemälde „Ehrung an die Hausangestellte“ den Schwarzen1 Frauen, die gegen geringen Lohn in den Haushalten der privilegierten Mittel- und Oberschicht Brasiliens arbeiten, ein Denkmal. Wie eine Krone trägt die Frau ihren Kochtopf. Alles, was sie berührt: Geschirr, Wäsche, Herd und Waschbecken, wird unter ihren Händen zu Gold.

Alltagsdinge verwandeln sich. Umgeben von Zeichen, Attributen und Schmuck der mächtigen afrobrasilianischen Windgöttin Yansã wird das ‚Hausmädchen‘ zur afrikanischen Göttin und Königin des Hauses erhoben. Sie, die ‚ihre Herrschaft‘ tagtäglich bedient, aufräumt, kocht, wäscht, bügelt und deren Kinder und Haustiere betreut, sie ist die eigentlich führende Kraft im Haushalt ihrer Arbeitgeber, hat hier die ‚Herrschaft‘ inne. Mit seinem politisch motivierten Bild der Transformation einer Haushaltshilfe in eine Göttin und Königin verleiht der Künstler den schlecht bezahlten, ausgebeuteten, missachteten, wenig wertgeschätzten Schwarzen Frauen die Würde, die ihnen die weiße Gesellschaft Brasiliens bis heute vorenthält.

Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gab es aus Brasilien zwei Meldungen in direktem Zusammenhang mit Schwarzen weiblichen Hausangestellten. Am 28. März 2020 berichtet u. a. Marian Blasberg in Spiegel Online2 vom Fall der Schwarzen Hausangestellten Cleonice Gonçalves, einem der ersten Corona-Opfer in Rio de Janeiro, die sich während der Arbeit im Haushalt bei ihrer Chefin mit dem Virus angesteckt hat.

Diese hatte ihre Angestellte nicht über die eigene Infektion informiert und nicht vor der damit verbundenen Gefahr einer Krankheitsübertragung gewarnt. Am 5. Juni 2020 berichtet Astrid Prange de Oliveira auf dem Onlineportal der Deutschen Welle3 unter dem Oberbegriff „Rassismus“ von einem dramatischen Unfall in Recife in Verbindung mit einer Hausangestellten. Am 3. Juni, als wegen des Corona-Lockdowns die Schule geschlossen ist, begleitet der fünfjährige Miguel Otávio Santana da Silva die Mutter zur Arbeit. Als die Mutter auf Geheiß der Arbeitgeberin die Hunde ausführt, lässt die Chefin das nach der Mutter weinende Kind allein in den Fahrstuhl des Hochhauses steigen. Miguel verirrt sich im Haus, stürzt vom Dach und stirbt.

Ähnlich wie nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd in den USA entlädt sich in Brasilien nach diesen tragischen Ereignissen eine nationale Protestwelle. Angeprangert werden Diskriminierung, Ungleichheit, Unterdrückung und Rassismus, die aus der kolonialen Vergangenheit resultierenden Hierarchien und Einteilungen der Menschen nach Hautfarben und die unausgesprochen geltenden gesellschaftlichen Übereinkünfte und Regeln, die die ungleichen Beziehungen der Brasilianer*innen untereinander vielfach noch dominieren. In Brasilien arbeiten 7 Millionen, in der Regel Schwarze Frauen als eine Art ‚Dienstmädchen‘ in Haushalten der wirtschaftlich und sozial privilegierten Bevölkerungsgruppen. Erst 2013 werden Hausangestellte in der Verfassung anderen Arbeitnehmer*innen gleichgestellt und erhalten gleiche Rechte: u. a. Kündigungsschutz, Nachtzuschläge, Arbeitslosenversicherung4. Seitdem sind die ‚Hausmädchen‘ zumindest keine ‚Privatsache‘ mehr. Doch auch nach den letzten Schlagzeilen herrscht in Brasilien weiterhin eine stille Übereinkunft darüber, dass eine weiße Frau aus der Oberschicht laut Richterspruch nur eine Geldstrafe zahlt, wenn sie die fahrlässige Tötung eines Schwarzen Kindes zu verantworten hat. Im umgekehrten Fall hat eine Schwarze Hausangestellte eine Gefängnisstrafe zu erwarten. Die systemische Diskriminierung Schwarzer Frauen manifestiert sich weiterhin in der Institution der Schwarzen Hausangestellten, dem Symbol für die auf Rassismus beruhende Ungleichheit in Brasilien.

Diese beiden Ereignisse spiegeln den aktuellen institutionellen Rassismus in Brasilien, die seit der Kolonialzeit und der Zeit der Sklaverei gültige Einteilung der Bevölkerung in einen weißen, privilegierten Teil der Gesellschaft und einen Schwarzen, diskriminierten Teil. Aus der Kolonialzeit stammende Strukturen des Miteinanders prägen bis heute die Machtverhältnisse in den Einwanderungsländern beider Amerikas. Indigenen wurde das Land genommen und aus Afrika eingeführte Sklav*innen ermöglichten mit ihrer Arbeitskraft die wirtschaftliche Nutzung der Länder für die aus Europa stammenden weißen Kolonialisten, die sich im Verlauf von mehr als 500 Jahren dauerhaft als Eliten installiert haben. Indigene, Schwarze und People of

Color (PoC) werden als ‚Minderheiten‘ ausgegrenzt, selbst dort, wo sie die Mehrheit der Bevölkerung stellen. In Brasilien werden Indigene in ihren meist entlegenen ländlichen Wohnorten sowie bei Besuchen in der Stadt systematischer Diskriminierung ausgesetzt, die unter dem Einfluss der Ausbreitung von Covid19 zugenommen hat.

In der weltweiten Black Lives Matter-Bewegung geht es um viele Themen: um die Folgen von Kolonialismus und Sklaverei, um den Genozid an Indigenen, um den andauernden und aktuellen Rassismus und damit verbundene alltägliche und systemische Ausgrenzungserfahrungen, die Schwarze und People of Color weltweit machen: Erfahrungen von rassistisch motivierter Gewalt, Diskriminierung, Ausbeutung und Ungleichheit. Es geht der Protestbewegung in erster Linie nicht um Einzelfälle oder individuelle Erfahrungen. Es geht um die Konstruktion von Unterschied als Hierarchie, um Rassismus als Machtverhältnis.

Schwarzsein als soziale Kategorie verbindet Menschen, die in der Gesellschaft Diskriminierung und Benachteiligung erleben und Erfahrungen mit Rassismus machen. Demgegenüber steht das bis heute meist unreflektierte bzw. nicht hinterfragte Identitätskonzept des Weißseins, das die privilegierte Gruppe weißer Menschen mit Vormachtstellung in der Gesellschaft charakterisiert. Viele in dieser Gruppe nehmen die eigenen Privilegien nicht als solche wahr, denn historisch gewachsene Vorurteile, Gedankenlosigkeit sowie rassistische Stereotype und Verhaltensweisen erschweren oder verhindern bis heute die kritische Auseinandersetzung mit Rassismus.

Institutioneller oder struktureller Rassismus ist besonders ins Licht gerückt, wenn öffentliche oder private Institutionen oder ganze Staaten Menschen und Menschengruppen wegen phänotypischer Merkmale, kulturellem Hintergrund oder ethnischer Herkunft ausgrenzen und damit diskriminieren.

Auch Museen wie das Weltkulturen Museum setzen sich mit dem Vorwurf des institutionellen Rassismus aktiv auseinander. Denn Teile der historischen Sammlungen stammen aus kolonialen Beziehungen. Einige Gegenstände aus Kolonien und Ländern in Übersee wurden entweder im Kontext unmittelbarer kolonialer Gewalt oder zwischenzeitlich nachgewiesenermaßen auf unrechtmäßigem Weg erworben. Ankäufe, Tauschhandel oder Raub fanden oft im Rahmen von kolonial geprägten, ungleichen und damit ungerechten (Handels-)Beziehungen statt.

Museen verpflichten sich heute, problematische Erwerbskontexte im Rahmen von Provenienzforschung zu untersuchen, offen zulegen und unrechtmäßig erworbene Gegenstände an Staaten bzw. Personen oder Gruppen der Urhebergesellschaften zurückzugeben. In ihrem gleichnamigen Beitrag zur Ausstellung „Gesammelt. Gekauft. Geraubt? Fallbeispiele aus kolonialem und nationalsozialistischem Kontext“ rekonstruieren Julia Friedel und Vanessa von Gliszczynski an ausgewählten Objekten kritische Erwerbskontexte der Sammlungen Afrika und Südostasien des Weltkulturen Museums.5 Auch in der Kunstwelt finden Diskriminierung und Rassismus statt, wenn etwa Indigene und Schwarze Künstler*innen von großen Ausstellungen und Biennalen ausgeschlossen werden, weil sie nicht die institutionalisierte westliche akademische Kunstausbildung vorweisen können; weil sie nicht in Metropolen studiert haben, sondern Autodidakt*innen sind und einen auch lokal geprägten Kunstbegriff pflegen. Übersehen werden oft auch Künstler*innen, deren Wohnsitze aus der Perspektive der kulturellen Zentren als zu ‚entlegen‘ bzw. ‚ländlich‘ gelten. Mit der Figur der ‚Volkskünstler*innen‘ erschafft man eine neuartige Konstruktion vom ‚anderen‘ Künstler, eine Gegenwelt zu international als Elite geltenden Künstler*innen, die im Netzwerk gleichrangiger Museen und Galerien weltweit aufgebaut und weitergereicht werden. Nationalität oder Herkunftskultur der als ‚global‘ geltenden Künstler*innen spielen bei der Beurteilung deren Oeuvre nur selten eine Rolle. Im Unterschied dazu werden ‚Volkskünstler*innen‘ als maßgeblich lokal kulturell geprägt und in erster Linie aus den Traditionen ihrer Herkunftskulturen heraus schaffend wahrgenommen.

Sichtbare Markierungslinie für die Trennung zwischen globaler Kunst und lokalen Künsten sind in vielen Ländern eigens für die ‚Volkskunst‘ geschaffene neue Museen. Der internationale Kunstbetrieb wird zum Handlanger von Kultureliten, die eine große Zahl von Künstler*innen unterschiedlicher Nationalitäten

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systematisch ausschließen. Ein Beispiel: Erst im Juli 2020 erwirbt die National Gallery of Art in Washington ihr überhaupt erstes von Native Americans geschaffenes Kunstwerk, nämlich ein Werk von Jaune Quick-to-See Smith, einer Künstlerin der Salish-Kootenai Nation in Montana. Das Weltkulturen Museum in Frankfurt erwirbt bereits in den Jahren 1998 und 1999 zwei Werke der Künstlerin Jaune Quick-to-See Smith, vermittelt durch die Galeristin Dorothee Peiper-Riegraf.

Das Weltkulturen Museum unterhält seit den 1970er-Jahren Kontakte zu Künstler*innen in Afrika und etabliert in den 1980er-Jahren den Sammelschwerpunkt ‚Nicht-europäische Kunst‘ aus Afrika, Nord- und Südamerika, Ozeanien und Südostasien. Insgesamt 750 Werke (datiert seit 1970) von Indigenen, First Nation, Inuit und Schwarzen Künstler*innen aus beiden Amerikas befinden sich inzwischen in der Sammlung. Seit mehr als 30 Jahren begleitet das Weltkulturen Museum internationale Kunstprozesse und arbeitet mit lokalen Künstler*innen of Color aus vielen Ländern, mit Indigenen, Schwarzen, First Nation und Aborigines, deren Wissen und künstlerische Expertise uns hier in Frankfurt wichtig sind. Für die Gründung der Galerie 37 (1997– 2010) als Ausstellungsfläche für nicht-europäische Kunst wird das Museum von der UNESCO als Projekt der World Decade for Cultural Development anerkannt. Im Weltkulturen Museum herrscht schon früh Einigkeit darüber, dass lokale Künstler*innen aus aller Welt auch als Akteur*innen lokaler Wissenskulturen global ungemein wichtig sind. Denn nicht-europäische Künstler*innen verfolgen Strategien der Dekolonisierung vieler Wissensgebiete. Lokales Wissen, das in Sprache/Poesie, Musik, diversen Techniken und als Bildende Kunst von Generation zu Generation aufbereitet, transformiert und in neuen Formaten weitergegeben wird, existiert meist parallel und unbemerkt neben den dominanten, westlich geprägten akademischen Wissens- und Kunstproduktionen. Unter dem Stichwort ‚Decolonize Knowledge‘ legen zwischen Kunst, Akademie und politischem Widerstand angesiedelte Akteur*innen bestehende Strukturen zwischen Wissen und Macht offen und hinterfragen sie.

In der Ausstellung „Entre Terra e Mar. Zwischen Erde und Meer“ (2017–2018) im Weltkulturen Museum erzählt der afrobrasilianische Künstler Ayrson Heráclito vom Schmerz, den die Sklaverei in Brasilien seit Jahrhunderten erzeugt. Aus der Sicht der Nachfahren der Opfer zielt seine performative Kunst auf Heilung historisch geschlagener Wunden und Transformation der Gesellschaft. Rassismuskritische Kunst hat in beiden Amerikas eine lange Tradition. Afrobrasilianische Künstler wie José Antonio Cunha (*1948) und Roberto Oswaldo Griot machen in den 1970erund 80er-Jahren politisch motivierte Kunst gegen Rassismus.

Beide engagieren sich, initiieren und verfolgen Projekte zur Stärkung der Schwarzen, des Schwarzen Bewusstseins und Zusammenhalts in Salvador da Bahia. Politische Botschaften, etwa anlässlich der Hundertjahrfeier zur Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1988 stellen beide Künstler, vermittelt durch Symbole und Farben, in den visuellen Kontext der afrobrasilianischen Religion Candomblé. Damit verweisen sie auf das Erbe des gemeinsamen Ursprungs der Schwarzen Brasilianer*innen in Afrika als Grundlage für Gemeinschaft in Brasilien. Im Titel verwenden beide Künstler ein Wortspiel aus zwei gleich ausgesprochenen Wörtern: „cem“ für „hundert“ und „sem“ für „ohne“. In Griots Titel heißt es: „Cem Anos Sem Abolição“, übersetzt: „Hundert Jahre ohne Abschaffung der Sklaverei“; bei Cunha: „Abolição. Cem Anos Sem Nada“, übersetzt: „Abschaffung der Sklaverei. Hundert Jahre ohne Nichts“. Der Missstand, dass sich an der Diskriminierung Schwarzer in der Gesellschaft im Verlauf von 100 Jahren viel zu wenig zum Besseren verändert hat, wird von beiden Künstlern schon damals wortstark angeprangert und der Anlass der Gedenkfeier als solcher für nichtig erklärt.

In Bezug auf die eigene innere Dekolonisierung des Museums und der einzelnen Mitarbeiter*innen versucht das Weltkulturen Museum in steter Kommunikation mit Indigenen und internationalen People of Color als Partner*innen, feststehende und diskriminierende Strukturen sichtbar zu machen und Veränderungen anzustoßen. Für ihre kritischen Statements zu Rassismus und Diskriminierung dankt das Weltkulturen Museum den zahlreichen Partner*innen aus Projekten der Abteilung Amerika.

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Meine Vorfahren mütterlicherseits waren Bantu, die als Sklaven nach Brasilien kamen und hier mit indigenen Kiriri Verbindungen eingingen. Mein Vater (…) war ein Cigano (Bezeichnung für Roma in Brasilien), der als Kind vor den Kriegen in Europa hier her flüchtete. (...) Diese Situation (...) schlecht behandelt zu werden (...) das Drama des Leidens der Schwarzen und Indigenen, das gibt es immer noch.

Der gesellschaftliche Wert der Schwarzen steht immer noch in Frage. Schwarze Brasilianer haben nicht die Chance, an der Universität zu studieren, weil sie es sich nicht leisten können (…). Und die Indigenen (…) viele kämpfen immer noch um ein Stück Land! Und sie sind sehr stark, weil sie diese 500 Jahre der schlechten Behandlung überlebt haben.

• JOSÉ ANTONIO CUNHA, KÜNSTLER, SALVADOR DA BAHIA BRASILIEN, INTERVIEW, JANUAR 2000 ***

Rassismus ist eine Krankheit, neben so vielen anderen, die ihren Ursprung in den kolonialen Praktiken in Europa hat. Die Unterjochung und Versklavung der Afrikaner war Teil der kolonialen Praktik zur Ausbeutung Nord- und Südamerikas und der Karibik.

• AYRSON HERÁCLITO, KÜNSTLER UND PROFESSOR SALVADOR DA BAHIA, BRASILIEN ***

Hallo! Hier spricht Bruno, einer der Gründer der Brô MC‘s, der ersten Indigenen RapGruppe in Brasilien. Schon lange vor der Pandemie litten wir Guarani Kaiowá im Bundesstaat Mato Grosso do Sul unter Vorverurteilungen, weil wir für die Vermessung Indigener Gebiete kämpfen. Jetzt, nachdem die Pandemie von Covid-19 auch hier angekommen ist, leiden wir noch viel mehr unter Diskriminierung, weil die (weißen) Leute denken, dass wir Indigene sie anstecken werden. Und das ist absurd. Wir sind nicht die, die diese Krankheit mitgebracht haben. Dies alles verstärkt Vorurteile und Diskriminierung, denen wir ohnehin stark ausgesetzt sind. Zuvor passierte dies hauptsächlich wegen des Kampfes um Anerkennung der Indigenen Gebiete, aber heutzutage ist es auch wegen Covid-19. Indigene dürfen kein Geld mehr auf der Bank abheben! Diese Woche konnte ich das im Zentrum der Stadt Dourados selbst beobachten. Die Zunahme der Diskriminierung der Kaiowá ist inzwischen besorgniserregend ... Ich denke, wenn auch international öffentlich darüber gesprochen wird, wird es uns Guarani Kaiowá in Südbrasilien helfen. Wir lebten als erste hier in Brasilien.

Deshalb kann man nicht sagen, dass Brasilien nicht den Indigenen gehört. Brasilien ist Indigen. Und andere müssen das respektieren. Der Gouverneur, der Präsident selbst oder andere Politiker machen sich an uns schuldig, weil wir die wahren Eigentümer der Gebiete sind.

• BRUNO VERON, RAPMUSIKER DER GRUPPE BRÔ MC‘S MATO GROSSO DO SUL, BRASILIEN ***

Rassismus war die Grundlage für den Prozess, der Leben auslöscht und die Körper der Indigenen Völker verschlingt. Wir haben mit der Sklaverei als Rechtspraxis aufgehört, aber die Menschen arbeiten immer noch auf den Feldern für die Agrarindustrie bei Temperaturen über 40 Grad. Wir haben Bevölkerungsgruppen ohne medizinische Versorgung, wir haben Gefängnisse, in denen People of Color inhaftiert sind. Rassismus ist die Grundlage des weltweiten Systems des neoliberalen Kapitalismus. Rassismus tötet auf viele Arten. Im amerikanischen Kontext ist einer der traurigsten Prozesse zu beobachten, wie Indigene Sprachen als Folge von Diskriminierung zum Schweigen gebracht wurden. Die Kolonisierung und die Idee des Nationalstaats haben die Indigene Stimme zum Schweigen gebracht und Wissen zerstört. Wir alle sind nicht nur im Alltag mit Diskriminierung konfrontiert, tolerieren sie und lassen so Rassismus zu. Wir tolerieren systemische Unterdrückung.

Nur wenn wir uns alle aktiv aus der Perspektive antirassistischer Praktiken neu konstruieren, wird es möglich sein, das System der Privilegien abzubauen und Gleichheit zu erreichen. Wir sind nicht nur das, was wir glauben zu sein, wir sind auch das, was wir tun.

• MINERVA CUEVAS, KÜNSTLERIN, MEXICO CITY, MEXIKO ***

Systematischer Rassismus ist eine hartnäckige und allgegenwärtige Grundströmung und Teil der kanadischen Landschaft. Ich habe nicht viel Hoffnung, dass sich die Dinge ohne radikale Aktionen der Menschen ändern werden.

• MEGHANN O’BRIEN, KÜNSTLERIN, VANCOUVER, B.C., KANADA ***

Brasilien ist zutiefst von einem kolonialen Erbe geprägt, das sich in institutionellem Rassismus und weißer Vorherrschaft ausdrückt auch wenn dies lange Zeit durch einen feierlichen Diskurs der ‚Mestizisierung‘ verleugnet wurde. Dahinter verbirgt sich die kontinuierliche und niemals beendete Politik des branqueamento (etwa: weiß waschen).

Die antirassistischen Proteste und Kämpfe, die in den USA ausbrachen und sich über die ganze Welt ausbreiteten, besagen, dass es, solange es Rassismus gibt, keine Demokratie geben wird. In Brasilien wird alle 23 Minuten ein junger Schwarzer Mann ermordet.

Dass eines der ersten Todesopfer von Covid-19 ein sogenanntes Dienstmädchen war, zeigt das Weiterleben des Verhältnisses von „Herrenhaus und Sklavenhütte“ (Titel einer soziologischen Arbeit von 1933 über eine von der Sklaverei geprägten Gesellschaft. CasaGrande e Senzala (1933) Deutsch: Herrenhaus und Sklavenhütte von Gilberto Freyre), einer Ordnung, die in Brasilien immer noch gilt. Solange junge Schwarze Männer vom Staat ermordet werden, solange es in den meisten Haushalten der brasilianischen Mittelklasse und Elite schlecht bezahlte ‚Dienstmädchen‘ gibt, werden wir weiterhin im kolonial geprägten und gewalttätigen Brasilien leben, wo jederzeit ein potenzieller Bolsonaro unter uns auftauchen kann.

• EMI KOIDE, KUNSTWISSENSCHAFTLERIN, CACHOEIRA, BRASILIEN ***

Solange jede Gesellschaft ihr weißes, blutiges und koloniales Erbe und daraus resultierende Privilegien nicht anerkennt und sich nicht damit auseinandersetzt, werden weiter Schwarze Menschen ermordet oder als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.

• DR. ADRIANA MAXIMINO DOS SANTOS, SPRACHWISSENSCHAFTLERIN UND VORSITZENDE DES VEREINS ABÁ E.V., FRANKFURT AM MAIN ***

Die Situation in den Indigenen Dörfern und Reservaten Jaguapiru und Bororo im Bundesstaat Mato Grosso do Sul in Brasilien ist beängstigend.

Wir von der Indigenen Rap-Gruppe Brô MCs versuchen, Spenden zu sammeln, um den sehr armen Menschen hier zu helfen. Viele Indigene müssen aber in der Stadt arbeiten, und dort werden sie oft mit Corona infiziert und deshalb diskriminiert. Die Pandemie breitet sich sehr schnell in den Indigenen Dörfern aus. Aber wir werden weiter kämpfen.

• CLEMERSON VERON, RAPMUSIKER DER GRUPPE BRÔ MC‘S, MATO GROSSO DO SUL, BRASILIEN ***

Ich finde es seltsam, wenn Institutionen, die so tun, als würden sie sich der Geschichte nicht erinnern oder vielleicht um des Rufs willen, den ‘Unterdrückten‘ eine Stimme zu geben, plötzlich Schwarze auffordern, ihre Erfahrungen mit Rassismus oder mit dem Schwarzsein in der Welt zu teilen. Wozu diese Art von Rhetorik? Welche Botschaft gibt es, die noch nicht vermittelt worden ist? Seit Jahrhunderten ist die Erzählung die gleiche geblieben. Wie überzeugend ist der Akt des Erfahrungsaustauschs gewesen? Und wie wirksam war die Strategie des Zuhörens?Ich nähere mich den Ungleichheiten innerhalb der brasilianischen Gesellschaft durch die Langzeitlinse. Es wird immer deutlicher, dass die Idee der ‘Rassendemokratie‘, die der Idee der Nation hinzugefügt wurde, nur kosmetischer Natur war. Die konstitutiven Elemente der brasilianischen Nation setzten sich aus Gewalt, Autoritarismus und immenser Rassendiskriminierung zusammen.

Diese haben die verschiedenen Arten der Staatsführung durchdrungen, von der Kolonialherrschaft über die Monarchie bis hin zu Demokratie, Diktatur und Autokratie. Indigene und Schwarze sind nach wie vor Opfer solch anhaltender Brutalität.

• ZAINABU JALLO, SOZIALANTHROPOLOGIN, BERN, SCHWEIZ ***

Die Geschichte der Regierung besteht darin, Indigenes Land in einem Vertragsprozess zu übernehmen. Derzeit liegen durchschnittlich 4% pro Dorf auf dem Tisch. Wie, glauben Sie, können wir diesen Kampf gewinnen, um unsere kulturellen Rechte und Titel zu behalten? Um die Jagd und den Fischfang auf unsere alte Art und Weise fortzusetzen? Um das Land als ein Volk zu teilen?

Es wird schon in unserer Zeit immer schwieriger, als Künstler einfach nur einen Rotzeder-Stamm für einen Zeremonialpfosten zu beantragen. Für meine Enkel und Urenkel werden keine Rotzedern mehr stehen. Ich hatte Besuch von einem Mann aus der Gegend. Er sagte: „Tommy, meinst du nicht, dass ihr [Indigene] Leute genug von meiner Regierung bekommen habt? “Ich bat ihn, mein Studio zu verlassen: „Sie sind sehr unhöflich“. Eine jüngere Person, etwa 40 Jahre alt.

• TOM HUNT, KÜNSTLER, VANCOUVER ISLAND, B.C.,KANADA ***

S TAT E M E N T S / S TAT E M E N T S

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My ancestors on my mother’s side were Bantu people who came to Brazil as slaves and got together here with Indigenous Kiriri. My father (…) was a Cigano (the Brazilian term for Roma people) who fled here as a child to escape the wars in Europe. (…) This situation (…) of being badly treated (…), the dramatic suffering of Black and Indigenous people, that still exists. The value of Black people in society is still questioned. Black Brazilians don’t have the option of studying at university because they can’t afford it (…). And the Indigenous people (…) many of them are still fighting for a piece of land! And they’re so strong, because they’ve survived these 500 years of being treated badly.

• JOSÉ ANTONIO CUNHA, ARTIST, SALVADOR DA BAHIA, BRAZIL, INTERVIEW, JANUARY 2000 ***

Racism is a disease that, along with so many others, has its roots in European colonial practices. The subjugation and enslavement of many Africans was one aspect of the exploitative colonial practice in North and South America and the Caribbean.

• AYRSON HERÁCLITO, ARTIST AND PROFESSOR, SALVADOR DA BAHIA, BRAZIL ***

Hello! This is Bruno, one of the founders of Brô MC’s, the first Indigenous rap group in Brazil. Long before the pandemic there was already prejudice against us Guarani Kaiowá in the state of Mato Grosso do Sul because we are fighting for surveys of Indigenous areas to be conducted. Now that the Covid-19 pandemic has arrived here too, we’re suffering from discrimination even more, because the (white) people think that we Indigenous people will infect them. And that’s absurd. We’re not the ones who introduced this disease. It all just increases the prejudice and discrimination that we’re already subject to. While that used to be triggered primarily by the struggle for recognition of Indigenous lands, now it’s due to Covid-19 too. Indigenous people are no longer permitted to withdraw money from the bank!

I witnessed that myself this week in the centre of the city of Dourados. The increase in discrimination against the Kaiowá has become worrying … I think a public international discussion of the situation will help us Guarani Kaiowá in southern Brazil. We were the first people to live here in Brazil. So you can’t say that Brazil doesn’t belong to the Indigenous people. Brazil is Indigenous. And others have to respect that. The governor, the president himself, or other politicians – they are violating our rights because we are the real owners of these areas.

• BRUNO VERON, RAP MUSICIAN IN THE GROUP BRÔ MC’S, MATO GROSSO DO SUL, BRAZIL ***

Racism has been the foundation of the process that exterminates life and devours the bodies of Indigenous people. We stopped having slavery as a legal practice but people are still working on fields for the agrobusiness industry at temperatures above 40 degrees. We have populations without medical services, we have jails and detention centers imprisoning People of Color. Racism is the foundation of the worldwide system of neoliberal capitalism.Racism kills in many ways. In the American context, one of the saddest processes to witness is how Indigenous languages have been silenced as a result of discrimination. Colonisation and the idea of the Nation State has silenced Indigenous speech and destroyed knowledge. We all are not only facing and tolerating discrimination in everyday life, allowing racism to exist. We tolerate systemic oppression. Only if we all actively construct ourselves from the perspective of antiracist practices is it going to be possible to dismantle the system of privilege and reach equality. We are not only what we think we are, we are what we do.

• MINERVA CUEVAS, ARTIST, MEXICO CITY, MEXICO ***

Systematic racism is a persistent and pervasive undercurrent and a part of the landscape in Canada.

I don’t have much hope of things changing without radical actions by the people.

• MEGHANN O’BRIEN, ARTIST, VANCOUVER, B.C., CANADA ***

Brazil has been profoundly affected by a colonial heritage that finds its expression in institutional racism and white hegemony – even though this was long denied by means of a celebratory discourse on mesticisation. Concealed behind this is the ongoing politics of branqueamento (a word that essentially means ‘whitening’), which has never come to an end. According to the anti-racist protests and struggles that broke out in the USA and then spread throughout the world, there will be no democracy as long as racism remains. A young Black man is murdered every 23 minutes in Brazil. The fact that one of the first victims of Covid-19 was a domestic worker known as a maid illustrates that the relationship between the ‘mansion and slave quarters’ (taken from the title of a 1933 sociological study about Brazil as a society marked by slavery. Casa-Grande e Senzala (1933), in English ‘The Masters and the Slaves’ by Gilberto Freyre) is a system that still exists in this country. As long as young Black men are being murdered by the state, and as long as there are badlypaid ‘maids’ in most middle- and upper-class Brazilian households, we will continue to live in a Brazil that is marked by violence and colonialism, where a potential Bolsonaro can rise up from among us at any point.

• EMI KOIDE, ART THEORIST, CACHOEIRA, BRAZIL ***

For as long as a society fails to acknowledge, and hence deal with, its bloodstained white colonial heritage and the privileges that have resulted, Black people will continue to be murdered or treated as second-class citizens.

• DR. ADRIANA MAXIMINO DOS SANTOS, LINGUIST AND CHAIRPERSON OF THE ASSOCIATION ABÁ E.V., FRANKFURT AM MAIN ***

The situation in the Indigenous villages and reservations of Jaguapiru and Bororo in the Brazilian state of Mato Grosso do Sul is alarming.

As members of the Indigenous rap group Brô MC’s, we are trying to collect donations to help the poverty-stricken people here. Lots of Indigenous people have to work in the city, where they often become infected with coronavirus and then as a consequence suffer discrimination.

The pandemic is spreading really quickly in the Indigenous villages.

But we’ll keep on fighting.

• CLEMERSON VERON, RAP MUSICIAN IN THE GROUP BRÔ MC’S, MATO GROSSO DO SUL, BRAZIL ***

I find it quizzical when institutions feign to disremember history, or perhaps for the reputation of giving a voice to the ‘downtrodden’ are suddenly calling on Black people to share their experiences of racism or of being Black in the world. To what end is this manner of rhetoric? What message is there that has not been conveyed?

For centuries, the narrative has remained the same. How cogent has the act of sharing one’s experience been? And how effective has the strategy of listening been?

I approach the inequalities within Brazilian society through the lens of Longue durée. It is becoming clearer that the idea of ‘racial democracy’ as added to the idea of the nation was simply cosmetic. The constitutive elements of Brazil as a nation were made up of violence, authoritarianism and suffusive racial discrimination. These have permeated several kinds of leadership, from colonial rule and monarchy to something akin to democracy, dictatorship and autocracy. Indigenous and Black populations continue to be on the receiving end of such persistent brutality.

• ZAINABU JALLO, SOCIAL ANTHROPOLOGIST, BERN, SWITZERLAND ***

History of government is to take Indigenous land in a treaty process.

Currently, an average of 4% per village is on the table. How do you think we can win this fight to keep our culture rights and title? To keep hunting and fishing our old ways? To share the land as one people? As an artist just to apply for a ceremony log is getting more difficult in our time. There wouldn’t be a red cedar tree standing for my grandchildren and great grandchildren. I had a visit from a local man. He said: ‘Tommy, don’t you think you [Indigenous] people have enough from my government?’ I asked him to leave my studio: ‘You are very rude’. [He was] a younger person, about 40 years old.

• TOM HUNT, ARTIST, VANCOUVER ISLAND, B.C., CANADA ***

W E LT K U LT U R E N M U S E U M

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THE CRITICAL SELF PROCESSES FOR REAPPRAISING A CULTURAL INSTITUTION

BY MONA SUHRBIER In 1991, the Afro-Brazilian artist Roberto Oswaldo Griot (1939– 2015) painted ‘Honouring the Housemaid’ to pay tribute to the Black1 women who work in Brazil’s privileged middle-and upperclass households for meagre wages. The woman wears her cooking pot like a crown. Everything she touches – the crockery, laundry, stove and sink – turns to gold in her hands. Everyday items are transformed. Surrounded by signs, attributes and jewellery relating to the powerful Afro-Brazilian wind goddess Yansã, the ‘housemaid’ is elevated to the status of an African goddess and queen of the household. The woman who, day in, day out, serves her ‘masters’ by tidying up, cooking, washing, ironing and caring for their children and animals, is actually the dominant force in her employer’s household: the ‘mastery’ here is all hers. In creating this politically motivated image of a domestic worker transformed into goddess and queen, the artist gives these badly paid, exploited, mistreated, undervalued Black women the dignity that Brazil’s white society still deprives them of.

There have been two reports directly relating to Black female domestic workers in connection with the Covid-19 pandemic.

On 28 March 2020, Marian Blasberg of Spiegel Online2 was among those who reported on the case of the Black maid Cleonice Gonçalves, one of the first victims of coronavirus in Rio de Janeiro who was infected with the virus by her employer while at work in the household. The latter had failed to notify her employee of her own infection, nor did she warn her about the associated danger of the virus being passed on. Then, on 5 June, Astrid Prange de Oliveira published an article on the Deutsche Welle website3 under the subject heading of ‘racism’, describing a dramatic accident in Recife involving a domestic worker. A few days earlier, on 3 June, with the schools closed due to coronavirus, five-year-old Miguel Otávio Santana da Silva had accompanied his mother to work. While the mother followed her employer’s instructions to take the dog for a walk, the woman allowed the crying child to get into the lift of the tower block, all by himself. Miguel then got lost in the building, fell from the roof and died.

Similar to the violent death of George Floyd in the USA, these tragic events triggered a wave of protest across the nation.

People are denouncing discrimination, inequality, repression and racism, the hierarchies and division of people according to their skin colour that have stemmed from the colonial past, and the unspoken prevailing social norms and rules which still frequently dominate the unequal relationships between Brazilians.

Seven million people, predominantly Black women, work as ‘maids’ in the households of the economically and socially privileged in society. It was not until 2013 that domestic workers were given the same constitutional status as other employees and received the same rights with respect to protection against dismissal, nightshift supplements, unemployment insurance, and so on. Since that point, ‘housemaids’ have at least no longer been a ‘private matter’. But even after the most recent headlines, there has still been a tacit understanding about the fact that a white upper-class woman was sentenced to no more than a fine for the negligent homicide of a Black child. If it had been the other way around, a Black domestic worker could have expected a prison sentence. The systematic discrimination against Black women is still manifested in the institution of Black maids as a symbol of racist inequality in Brazil.

These two events reflect current institutional racism in Brazil, which since the days of colonialism and slavery has divided the population into a privileged white section of society and a Black section which is discriminated against. The structures determining coexistence from the colonial era still affect the power relationships in countries of immigration in both Americas. When land was taken from Indigenous people, it was the labour of slaves brought over from Africa that facilitated the economic exploitation of this territory on behalf of the white European colonisers. Over the course of more than half a millennium, the settlers have established themselves as a perpetual elite, while Indigenous people, Black people and People of Colour are excluded as ‘minorities’, even in areas where they form the majority of the population. Indigenous peoples are exposed to systematic discrimination both where they live, which is mostly in remote rural areas, and on their visits into town. The discrimination has increased under the influence of Covid-19.

The global Black Lives Matter movement is about many issues: the consequences of colonialism and slavery, the genocide of Indigenous peoples, persistent and current racism, and the associated everyday systematic experiences of exclusion (as well as racially motivated violence, discrimination, exploitation and inequality) that Black people and People of Colour face throughout the world. The protest movement is not primarily about individual cases or experiences; it is about the construction of difference as a hierarchy, and it is about racism as a power relationship. ‘Blackness’ is a social category linking people who have experienced discrimination, disadvantage and racism in society. This contrasts with a concept of identity that is generally speaking neither considered nor questioned these days, namely ‘Whiteness’, something that characterises the privileged group of white people with hegemony in society. Many people in this group do not recognise their own privileges as such, because even now, historical prejudice, thoughtlessness, racist stereotypes and behaviours hamper or prevent a critical exploration of racism.

The spotlight has fallen on institutional or structural racism in particular when public or private institutions or even entire states have excluded and thereby discriminated against people and groups on account of their phenotypic traits, cultural background or ethnic origins.

Museums such as the Weltkulturen Museum are also actively grappling with the accusation of institutional racism, because parts of its historical collections come from colonial relations. Several objects from colonies and countries overseas were either acquired in the context of direct colonial violence or it has since been proven that they were obtained by illegal means. Items were frequently purchased, bartered or looted within a framework of unequal and hence unjust (trading) relationships shaped by colonialism. Today, museums are committed to a process of investigating and revealing problematic acquisitions as part of their investigations into provenance, and then returning illegally acquired objects to countries, individuals or groups from the societies of origin. In their eponymous text accompanying the exhibition ‘Collected. Bought.

Looted? Case Studies from a Colonial and National Socialist Context’, Julia Friedel and Vanessa von Gliszczynski reconstruct the critical contexts surrounding the acquisition of selected objects from the Africa and South-East Asia collections at the Weltkulturen Museum.

Discrimination and racism take place in the art world too, for instance when Indigenous and Black artists are excluded from major exhibitions and biennials because they don’t possess the institutionalised academic art training favoured in the West; because rather than studying in a big city they are autodidacts whose understanding of art is shaped by local circumstances.

Artists are also overlooked when they live in places that are viewed as ‘remote’ or ‘rural’ from the perspective of major cultural centres. The figure of the ‘folk artist’ is created as a novel distinction from ‘other’ artists, as an alternative world to the international artists who form the elite, who become established within a network of similarly ranked museums and galleries around the world and passed around from one to the next. The nationality or background culture of the artists regarded as ‘global’ only seldom play a role in evaluating their oeuvre. ‘Folk artists’, in contrast, are substantially influenced by local culture and are primarily perceived as creating work that stems from the traditions of their cultures of origin. In many countries, new museums created specifically for this ‘folk art’ mark a visible line dividing global art and local arts. The international art business becomes the stooge of the cultural elites, who systematically exclude a huge number of artists with various nationalities. One example of this: it was not until July 2020 that the National Gallery of Art in Washington acquired its first ever piece of art created by a Native American, namely a work by Jaune Quick-to-See Smith, an artist from the Salish-Kootenai Nation in Montana. In 1998 and 1999, the Weltkulturen Museum in Frankfurt already acquired two works by Jaune Quickto-See Smith, via the galerist Dorothee Peiper-Riegraf. The Weltkulturen Museum has maintained contact with artists in Africa since the 1970s, and in the 1980s it established the focus on collecting ‘non-European art’ from Africa, North and

South America, Oceania and South-East Asia. The collection now comprises a total of 750 works, created since 1970 by Indigenous, First Nation, Inuit and Black artists from both Americas. For over thirty years the Weltkulturen Museum has followed international art processes and worked with local artists of Colour from numerous countries, with Indigenous, Black, First Nation and Aboriginal people, whose knowledge and artistic expertise are so important to us here in Frankfurt.

Within the framework of the World Decade for Cultural Development, UNESCO commended the museum for setting up the Galerie 37 project (1997–2010) as an exhibition space for non-European art. There was unanimous agreement early on at the Weltkulturen Museum that local artists from around the world are also extremely important globally as actors for local knowledge cultures. This is because non-European artists pursue strategies for decolonising many area of knowledge. Local knowledge, which is reworked, transformed and passed on in new forms, as diverse techniques, language/poetry, music, performance, and fine art, mostly exists parallel to and unnoticed by the dominant, Western-influenced academic production of knowledge and art. Taking ‘decolonising knowledge’ as their motto, actors positioned between art, academia and political resistance expose and challenge the existing structures between knowledge and power.

In the 2017/18 exhibition at the Weltkulturen Museum ‘Entre Terra a Mar. Between Land and Sea’, the Afro-Brazilian artist Ayrson Heráclito related the pain that slavery has engendered in Brazil over the course of centuries. Coming from the perspective of the descendants of the victims, his performance art aims to heal historically inflicted wounds. Art that confronts racism has a long tradition in both Americas. In the 1970s and 1980s, Afro-Brazilian artists such as José Antonio Cunha (born in 1948) and Roberto Oswaldo Griot created politically motivated anti-racist art. Driven by a sense of commitment, they initiated and participated in projects that aimed to strengthen the position of Black people, Black consciousness and solidarity in Salvador da Bahia. Both artists sent political messages – for instance during the celebrations marking the centenary of the abolition of slavery in 1988 – through their use of symbols and colour, taking the Afro-Brazilian religion Candomblé as a visual frame of reference. In so doing, they were alluding to the shared Black Brazilian heritage that originated in Africa and serves as the basis for a community in Brazil. Both artists chose titles that included a homophonic pun on two identical-sounding words: cem meaning ‘hundred’ and sem meaning ‘without’. Griot’s title is ‘Cem Anos Sem Abolição’, which translates as ‘Hundred Years without Abolishing Slavery’, while Cunha took ‘Abolição: Cem Anos Sem Nada’, which means ‘Abolishing Slavery: Hundred Years without Nothing’. Even then, both artists were vocal in denouncing the appalling lack of progress made in countering the discrimination experienced by Black people in society over the past century. By making this statement they were declaring the very reason for the celebrations null and void.

In terms of the internal process of decolonisation being carried out by the Weltkulturen Museum and individual members of staff, the museum is attempting to reveal fixed, discriminatory structures and initiate change, with ongoing communication between Indigenous and international People of Colour as its partners. The Weltkulturen Museum is grateful to the numerous project partners in the America department for their critical statements on racism and discrimination.

Bio: Dr. Mona B. Suhrbier is an ethnologist and curator for the Americas at the Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main. Since 1990 she has been realizing exhibitions, publications, events and video documentations on contemporary ethnological issues: slavery, Indigenous land rights and decolonisation, as well as more generally on culture, religion and contemporary art. After studying ethnology in Frankfurt and Marburg she now specialises in Latin America, the Amazon region and Afro-Brazil. She collects contemporary Indigenous and AfroBrazilian art for the Weltkulturen Museum and continually cooperates with international artists, activists and Indigenous partners. Moreover, in 2018 she was the first person to present Indigenous Brazilian rap groups in Europe. In 2020 she became the museum’s deputy director. Her field research in the years 1988, 1991, 1999–2000, 2008 and 2016 has included studies among Indigenous Guaraní in Brazil. She has taught at universities in Marburg and Frank-furt. In 1999 she was visiting professor at the University of São Paulo (USP), Brazil.

THE CRITICAL SELF

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15.

1 Das Adjektiv „Schwarz“ für Schwarze Menschen wird inzwischen meist großgeschrieben. Dies verdeutlicht, dass es nicht die Hautfarbe bezeichnet,

sondern eine Gruppe, die durch Rassismuserfahrungen verbunden ist. Konsequenterweise schreiben wir deswegen auch die Bezeichnung „Indigen“ groß.

Diese und weitere Definitionen: wwww.amnesty.de/2017/3/1/glossar-fuer-diskriminierungssensible-sprache; www.blacklivesmatter.com/what-we-believe/ 1 The adjective ‘Black’ in the sense of Black people or People of Colour (PoC) is now mostly capitalised. This underlines the fact that it is referring not

to skin tone but rather to a group that is united by its experiences of racism. Consequently, we also use the term ‘Indigenous’ in capital letters.

This and other definitions can be found at https://blacklivesmatter.com/what-we-believe/ 2 www.spiegel.de/politik/ausland/coronakrise-das-virus-trifft-favelas-in-brasilien-a-9859597d-3733-40a8-b370-51ab3caf419e 3 www.dw.com/de/rassismus-in-brasilien-f%C3%BCnf-jahre-alt-und-schon-tot/a-53698904 4 www.taz.de/Rechte-der-Hausangestellten-in-Brasilien/!5070647/ 5 Friedel, Julia und Vanessa von Gliszczynski 2019: 56- 63 6 Ayrson Heráclito Ferreira im Gespräch mit Jane de Hohenstein: Kunst ist Schmerz in Schönheit verwandelt. In: Mona Suhrbier (Hg.) 2017: 26–37.

Ayrson Heráclito Ferreira in conversation with Jane de Hohenstein: Art that transforms pain into beauty. In: Mona Suhrbier (ed.) 2017: 26–37.

QUELLEN / SOURCES

Friedel, Julia und Vanessa von Gliszczynski 2019: Gesammelt. Gekauft. Geraubt? Fallbeispiele aus kolonialem und nationalsozialistischem Kontext.

In: Jannelli, Angela und Gottfried Kößler (Hg.): Gekauft. Gesammelt. Geraubt? Vom Weg der Dinge ins Museum. Frankfurt am Main: Henrich Editionen. S. 56- 63.

Friedel, Julia and Vanessa von Gliszczynski 2019: Collected. Bought. Looted? Case Studies from a Colonial and National Socialist Context.

In: Jannelli, Angela and Gottfried Kößler (eds.): Bought. Collected. Looted? How Things Came into the Museum. Frankfurt am Main: Henrich Editionen. pp. 56–63.

Mona Suhrbier (Hg.) 2017: Entre Terra e Mar. Zwischen Erde und Meer. Transatlantische Kunst. Kerber, Bielefeld, New York.

Mona Suhrbier (ed.) 2017: Entre Terra e Mar. Between Land and Sea. Transatlantic Art. Kerber, Bielefeld, New York. www.spiegel.de/politik/ausland/coronakrise-das-virus-trifft-favelas-in-brasilien-a-9859597d-3733-40a8-b370-51ab3caf419e

www.dw.com/de/rassismus-in-brasilien-f%C3%BCnf-jahre-alt-und-schon-tot/a-53698904 , www.taz.de/Rechte-der-Hausangestellten-in-Brasilien/!5070647/

www.amnesty.de/2017/3/1/glossar-fuer-diskriminierungssensible-sprache, www.cutt.ly/JolbM4k , www.diplomatique.org.br/o-racismo-e-uma-realidade-violenta/ ?f bclid=IwAR0b2Jl-2E_Azkcf85m0XWQNNxMenUyYcPo9h3T4J4F6i8eVmk1K-WOH7Wo

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14.–24.

SAMMLUNG / COLLECTION

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MASKEN / MASKS EVA CH. RAABE Bei Masken denke ich als Ethnologin auch an Ganzkörperkostüme, also nicht nur an die Gesichtsmaske, sondern an ein den ganzen Körper verwandelndes Kostüm. Die außereuropäischen Masken sind sakrale Gegenstände und mit Kräften aufgeladen. Wenn beispielsweise ein Schamane mit Maske auftritt und sich in Trance begibt, kann er diese Kräfte beschwören und jenseitige Geister anrufen, damit sie die Menschen schützen. Masken haben symbolische Bedeutung, sie stehen für Rituale, gehören in den Bereich des Festes und begleiten Übergangssituationen im Leben von Menschen. Die Masken sollen das Böse fernhalten, für die Gesundheit des Menschen sorgen und sicherstellen, dass in diesen Übergängen der Gemeinschaft nichts passiert.

Ein klassisches Beispiel sind die Initiationsrituale, wenn Jugendliche zu Erwachsenen werden. In dieser Übergangszeit sind sie auch bösen Mächten ausgesetzt. Eine Maske symbolisiert böse Geister, die verjagt werden, eine andere Maske symbolisiert gute Geister, die beschworen werden, damit sie die Jugendlichen beschützen.

As an ethnologist, when I think of masks I think of costumes that cover the entire body, so rather than just being face masks they transform the body as a whole. Non-European masks are sacred objects which are charged with power. When a shaman performs in a mask, for example, and goes into a trance, he can conjure up these forces and call upon spirits from the other side to protect people.

Masks have a symbolic meaning; they represent rituals, belong to the realm of festivals and accompany transitional situations in people’s lives.

The masks are supposed to repel evil, guarantee people’s health, and ensure that nothing happens to the community during these transitions. A classic example are the initiation rites when young people become adults. During this transitional phase they are vulnerable to evil forces. One mask symbolises evil spirits which are to be driven away, while another symbolises the good spirits which are conjured up in order to protect the young people.

TIPP WELTKULTUREN VERMITTLUNG / TIP FROM WELTKULTUREN EDUCATION Lust auf mehr zum Thema Masken?

Hier geht es zum Online-Workshop für Kinder www.weltkulturenmuseum.de/de/museum/blog/ Want to find out more about masks?

Click here for the online children’s workshop: www.weltkulturenmuseum.de/de/museum/blog/

16. Maske, Malawi, vor 1970. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 16. Mask, Malawi, before 1970. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Wolfgang Günzel 17. Maske, Malawi, vor 1970. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 17. Mask, Malawi, before 1970. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Wolfgang Günzel 18. Papageienmaske, Amazonien, vor 1928. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 18. Mask, Amazonia, before 1928. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Wolfgang Günzel 19. Maske, Neuguinea, vor 1930/31. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Stephan Beckers 19. Mask, New Guinea, before 1930/31. Collection Weltkulturen Museum.Photo: Stephan Beckers 20. Maske, Schwein, Neuguinea, vor 1970. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Stephan Beckers 20. Mask, Pig, New Guinea, before 1970. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Stephan Beckers 21. Maske, Guarani Chiriguano, Bolivien, vor 1986. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 21. Mask, Guarani Chiriguano, Bolivia, before 1986. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Wolfgang Günzel 22. Maske, Porträt von Donald Duck, Mexiko, vor 1963. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Rudolph Nagel 22. Mask, Portrait of Donald Duck, Mexico, before 1963. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Rudolf Nagel 23. Maske, Guarani Chiriguano, Bolivien, vor 1986. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Wolfgang Günzel 23. Mask, Guarani Chiriguano, Bolivia, before 1986. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Wolfgang Günzel 24. Maske, Kongo, vor 1910. Sammlung Weltkulturen Museum. Foto: Stephan Beckers 24. Mask, Congo, before 1910. Collection Weltkulturen Museum. Photo: Stephan Beckers

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V I S U E L L E A N T H RO P O L O G I E / V I S UA L A N T H RO P O L O G Y

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DIGITALE TRANSFORMATION DIE ZUKUNFT BEGINNT JETZT alice pawlik über die entwicklung des digitalisierungsprozesses in der sammlung visuelle anthropologie 26.

„Meine Filmarbeit hat mich durch 75 Länder geführt und auf diesen Reisen sind an die 300 wissenschaftliche Forschungsfilme und viele Fernsehfilme entstanden. Ich habe aber die alten Freunde in Island nie vergessen. Jetzt bin ich 80 Jahre alt. Da habe ich mir gedacht, diese tausende Bilder werden in Island einen besonderen, sogar geschichtlichen Wert haben und als guter Freund von Island habe ich den Transport der drei Kisten auf mich genommen, um zurückzugeben, was das Land mir damals gab.“* • HERMANN SCHLENKER

Als im Jahre 1989 der britische Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee und sein belgischer Kollege Robert Cailliau die Grundlagen des World Wide Web entwickelten, war dies ein Ereignis, dessen Auswirkungen auf die Menschheit zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar waren. Mithilfe von HypertextProtokollen und Webbrowsern wurde das damals bereits bestehende Internet für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Ab 1993 erhielt das Internet einen zusätzlichen Auftrieb, als der erste grafikfähige Webbrowser eingeführt wurde. Plötzlich konnten Nutzer*innen weltweit, räumlich und zeitlich unabhängig, auf Informationen zugreifen. Allerdings lag die digitale Informationskapazität im Jahr 1993 bei lediglich 3 Prozent. Doch bereits 2002 standen weltweit erstmals mehr digitale als analoge Informationen zur Verfügung. Mit der Web 2.0 bzw. Social Media genannten Erweiterung war es Nutzer*innen ab 2003 zudem möglich, eigene Inhalte als Text-, Audio- oder Videodatei ins Netz zu stellen und auf sozialen Plattformen miteinander zu interagieren. Eine Entwicklung, die nicht nur aus technischer, sondern vor allem auch aus kultur-soziologischer Sicht eine Sensation darstellt.

Der durch Digitalisierung und Computer ausgelöste Übergang wird von den Soziologen Oliver Stengel, Alexander Looy und Stephan Wallaschkowski mit den lebenseingreifenden Veränderungen der neolithischen und der industriellen Revolution der Menschheitsgeschichte verglichen. In ihrer 2017 erschienenen Publikation „Digitalzeitalter – Digitalgesellschaft. Das Ende des Industriezeitalters und der Beginn einer neuen Epoche“ vertreten sie die These, dass sich die Gesellschaften mit der sogenannten Digitalen Revolution in einer Übergangsphase befinden, deren Ende zugleich das Ende des Industriezeitalters ist. Im Gegensatz zu dem vielfach verwendeten Begriff Industrialisierung 4.0, der den gegenwärtigen gesellschaftlichen Wandel als bloße Fortsetzung der Industrialisierung mit neuen Mitteln beschreibt, sehen sie die ökonomischen Veränderungen dabei nur als Teil eines viel umfassenderen Prozesses, dessen Auswirkungen, Chancen und Risiken in allen Lebensbereichen sichtbar auftreten. Das Digitalzeitalter hat begonnen, jener Zeitraum, in dem der Digitale Wandel durch Digitalisierung und Digitale Transformation so weit fortgeschritten ist, dass die digitalen Technologien einen prägenden Einfluss auf das gesamte Leben der Menschen entfalten.

Digitalisierung und der damit einhergehende Prozess der Digitalen Transformation nehmen auch im Museumsbetrieb stetig an Bedeutung zu. Dabei meint Digitale Transformation aber nicht nur die bloße Nutzung neuer Technologien, sondern vielmehr einen grundlegenden Veränderungsprozess der gesamten Funktionslogik. Die Bedeutung der Digitalen Transformation geht

über den eigentlichen Veränderungsprozess hinaus und beschreibt ihn eher als eine selbstbestimmte kulturelle Praxis, die vor allem mit einer bewussten Strategie und Entscheidung einhergeht, was in der virtuellen Welt erreicht werden kann.

Neben der Entwicklung von neuen digitalen Informationsund Vermittlungsangeboten, mobilen Anwendungen, Gaming und Social Media schreitet auch die Digitalisierung von Sammlungsbeständen immer weiter voran. Diente die Digitalisierung zunächst der langfristigen Erhaltung von Kulturgut, ermöglicht sie darüber hinaus eine weltweite Vernetzung und einen fast grenzenlosen Austausch. Waren die Museumsbestände wie Objekte, Fotografien, Filme und wissenschaftliche Ergebnisse, noch vor einigen Jahren schwer zu reproduzieren und nur wenigen zugänglich, so können heute alle Interessierten weltweit Zugang zu musealen Informationen bekommen. Und diese Informationen bedeuten wiederum eine Fülle von Texten, Bildern und Objekten, die gesammelt, aufbereitet und digitalisiert werden müssen. Den Grundstein hierzu legte der damalige Direktor Josef Franz Thiel bereits in den 1990er Jahren, als er den ersten Computer für das Bildarchiv des Museums auf eigene Kosten anschaffte. Die Einträge der analogen Karteikarten wurden mit Hilfe von engagierten Mitarbeiter*innen erstmals in eine digitale Datenbank übertragen. Inzwischen ist Digitalisierung zur Kernaufgabe einer jeden Sammlungsarbeit geworden und somit auch das Ziel der Sammlung Visuelle Anthropologie am Weltkulturen Museum. Mit mehr als 100.000 fotografischen Bildobjekten und 1.000 Filmen ist dies eine Mammutaufgabe, die es zu bewältigen gilt. Seit Gründung des Bildarchivs im Jahre 1986 steht das Sammeln, Dokumentieren und Inventarisieren von Bildern, die eine Auswertung und Weiterverwendung als ethnologische bzw. kulturhistorische Quelle zulassen und die in Verbindung mit materiellen Objekten eine wissenschaftliche Forschungsgrundlage bilden, damals wie heute im Mittelpunkt. Mehrere tausend Dias, Fotoabzüge, Negative, ältere Glasstereodias, aber auch Zeichnungen und Postkarten dokumentieren Land und Leute, historische Stätten, Initiationsriten, religiöse Feste und Tänze oder handwerkliche Techniken. Stetig erweitert wurde die Sammlung durch Missionsfotografien, private Schenkungen, aber auch Ankäufe von Wissenschaftler*innen, Fotograf*innen, Journalist*innen und Reisenden. In der Verschiedenheit des archivierten Bildmaterials spiegelt sich inzwischen über 100 Jahre ethnografische Fotogeschichte wider. Ein Sammlungsbestand, der unbedingt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte.

Innerhalb dieses Bestandes sticht die Film- und Fotosammlung Hermann Schlenkers besonders hervor. Hermann Schlenker, geboren 1932, absolvierte nach einer Lehre als Fein-

mechaniker und Uhrmacher in Stuttgart seine Ausbildung zum Fotografen und Kameramann. Von da an führten ihn zahlreiche Reisen in viele verschiedene Regionen der Welt. Seine erste Reise 1957 nach Island und Grönland blieb jedoch die prägendste. Vier Jahre blieb er vor Ort, fotografierte und lernte Land und Leute kennen und lieben. Seine tiefe Verbundenheit veranlasste ihn im späten Alter zur Rückkehr und insbesondere zur Rückführung des dort entstandenen Film- und Fotomaterials. Doch auch seine weiteren Reisen waren geprägt durch intensive Erfahrungen und tiefe Beziehungen zu den Menschen vor Ort. Weiterhin bereiste er 1962/63 Afghanistan, 1964/65 Thailand, 1966 Mali, 1969 Venezuela und Kolumbien, 1970 Indien, 1971 das Nuguria-Atoll, 1972 und 1975 Tibet, 1973/74 Neuguinea, 1977/78 Kamerun, 1980 Brasilien, 1983 Äthiopien und 1990 Namibia. Überall hielt er seine Eindrücke visuell fest und produzierte zahlreiche Forschungsfilme, die von der International Film Foundation New York, dem Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) in Göttingen und mehreren deutschen Sendeanstalten veröffentlicht wurden.

Parallel zu seinen Filmproduktionen legte er zudem umfangreiche Fotodokumentationen an, die aufgrund seiner fotografischen Ausbildung und seiner Ausrichtung auf ethnografische Themen sowohl mit ihren bedeutsamen Inhalten für Forschung und Lehre überzeugen als auch mit ihrer qualitativ hoch angelegten Ästhetik.

Zurzeit beläuft sich die Sammlung Hermann Schlenker am Weltkulturen Museum auf 188 ethnografische Filme und ca.

7.000 inventarisierte Dias und Fotografien. Über 50% der Sammlung konnte bereits digitalisiert werden. Im Rahmen der Förderung zur Erhaltung von Kulturgut des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst wurden im vergangenen Jahr weitere 2.500 analoge Mittelformat-Dias zunächst professionell gereinigt und im Anschluss in ein digitales Format überführt.

Am Anfang steht stets die Digitalisierung, nun geht es um die Digitale Transformation: die Einbindung der digitalen Daten in die Datenbank, die Verschlagwortung und Verknüpfung mit weiteren Informationen, die Nachbearbeitung von bereits enthaltenem Textmaterial und letztendlich die zukünftige Öffnung der Sammlung für ein interessiertes Publikum. Freude breitet sich aus, wenn man an die unglaublichen Möglichkeiten des wissenschaftlichen Forschens, der künstlerischen Bearbeitung aber auch der selbstreflexiven Auseinandersetzung denkt. Die Zukunft beginnt eben jetzt und nicht erst morgen.

* Das Zitat ist 2012 während eines Interviews in Reykjavik entstanden, inzwischen ist Hermann Schlenker 88 Jahre alt und pf legt immer noch einen regen Kontakt zum Weltkulturen Museum..

W E LT K U LT U R E N M U S E U M

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DIGITAL TRANSFORMATION THE FUTURE BEGINS NOW alice pawlik on the development of the digitization process in the visual anthropology collection 27.

“My film work has taken me to 75 countries, and around 300 scientific research films and numerous TV documentaries have resulted from those journeys. But I never forgot my old friends in Iceland. Now I’m 80 years old. So I thought that these thousands of pictures would have a special, even historical, value, and as a good friend of Iceland I took it upon myself to transport three crates, in order to return what the country gave to me back then.”* • HERMANN SCHLENKER

In 1989, when the British physicist and IT specialist Tim BernersLee and his Belgian colleague Robert Cailliau first developed the basis for the World Wide Web, it was impossible to predict what the future consequences would be for humankind. Although the internet already existed at that point, it was hypertext protocols and web browsers that permitted access to a wider public. In 1993, the internet received an additional boost with the introduction of the first graphical browser. All of a sudden, users around the world were able to access information independently of their geographical location and time of day. The capacity for digital information stood at only 3 per cent in 1993. However, by 2002 there was already more digital than analogue information in the world. The expansion brought about by Web 2.0 and social media from 2003 onwards made it possible, moreover, for users to put their own content online in the form of text, audio or video files, and to interact with each other on social platforms. It was a sensational development, not merely from a technological perspective but also in terms of culture and sociology.

In terms of human history, the sociologists Oliver Stengel, Alexander van Looy and Stephan Wallaschkowski have compared the changes brought about by digitalisation and computers to the life-changing transformations of the Neolithic and Industrial Revolutions. In their 2017 publication “Digitalzeitalter – Digitalgesellschaft: Das Ende des Industriezeitalters und der Beginn einer neuen Epoche”1 they present the idea that societies undergoing the ‘digital revolution’ are in a transitional phase which will culminate in the end of the industrial era. In contrast to the widespread term ‘Industry 4.0’, which defines the current transformation of society as a mere continuation of industrialisation via new means, they view the economic changes as only one part of a much more comprehensive process, the consequences, opportunities and risks of which are visibly present in all areas of life. The ‘digital age’ has begun, as a phase in which ‘digital change’ has advanced by means of digitalisation and ‘digital transformation’ to the extent that digital technologies have exerted a decisive influence on every aspect of people’s lives.

Digitalisation and the associated process of digital transformation are also becoming ever more important in the way museums are run. Yet digital transformation refers not just to using new technologies, but also to a fundamental process of changing the functional logic as a whole. The meaning of digital transformation goes beyond the actual process of change, describing it as a self-determined cultural practice which is above all accompanied by a conscious strategy and decision about what can be achieved in the virtual world.

In addition to the development of new digital means for providing information and education, mobile applications, gaming and social media, great strides are being made in digitalising collection holdings. While digitalisation initially served to ensure the long-term preservation of cultural assets, it also enables global networking and an almost unlimited process of exchange. Just a few years ago, museum holdings – whether objects, photos, films or scholarly findings – were difficult to reproduce and only accessible to the few, while nowadays anyone around the world who is interested can find out about museum-related information. And this, in turn, means an abundance of texts, images and objects that have to be collected, prepared and digitalised. The foundations for this were laid by the then director Josef Franz Thiel back in the 1990s, when he personally paid for the first computer to document the museum’s archive of images. The entries on the analogue index cards were transferred to a digital database with the assistance of dedicated members of staff. Digitalisation has now become a core task for any collection, and is thereby also the goal of the Visual Anthropology collection at the Weltkulturen Museum.

With over 100,000 photographic visual objects and a thousand films, this is a mammoth job. Since the visual archive was first set up in 1986, the main focus of activity has been collecting, documenting and cataloguing images which can be evaluated and used in the future as a source for investigations into ethnology or cultural history, and which form the basis for scholarly research in connection with material objects. There are several thousand slides, photographic prints, negatives, vintage glass stereoscopic slides, and drawings and postcards, all documenting people and places, historical sites, initiation rites, religious festivals and dances, and artisanal techniques. The collection was regularly supplemented by missionaries’ photographs and by private donations, but also by items purchased from scholars, photographers, journalists and travellers. The wide variety of the archived visual material reflects over a hundred years of the photographic history of ethnography. It is a collection that simply has to be made accessible to the general public.

Among these holdings, the film and photographic collection of Hermann Schlenker stands out in particular. Born in 1932, Hermann Schlenker first qualified as a precision mechanic and watchmaker in Stuttgart and then went on to train as a photographer and cameraman. That led him to numerous journeys around the most diverse regions of the world. However, his first trip in 1957 to Iceland and Greenland was the one that influenced him the most. He stayed there for four years, taking photos and getting to know – and love – the place and

its inhabitants. Thanks to his deep affection for the place, he returned there in old age and, most notably, returned the film and photographic material which was created there. But his later journeys were also characterised by intense experiences and deep relationships to the local people. He went on to travel to Afghanistan in 1962/63, Thailand in 1964/65, Mali in 1966, Venezuela and Colombia in 1969, India in 1970, the Nuguria Atoll in 1971, Tibet in 1972 and 1975, New Guinea in 1973/74, Cameroon in 1977/78, Brazil in 1980, Ethiopia in 1983 and Namibia in 1990. Wherever he went he captured his visual impressions and produced numerous research films which were broadcast by the International Film Foundation New York, the Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) in Göttingen and several German TV channels. Parallel to his film productions he documented his impressions extensively in photographic form. The images are captivating, due to his photographic training, his fondness for ethnographic themes, the significance of the contents for research and teaching purposes, and their high aesthetic quality.

The Hermann Schlenker collection at the Weltkulturen Museum currently comprises 188 ethnographic films and around 7,000 catalogued slides and photographs. It has already been possible to digitalise over 50 per cent of the collection. Thanks to a programme to preserve cultural heritage run by the Hessen State Ministry for Higher Education, Research and the Arts, a further 2,500 analogue medium-format slides were professionally cleaned last year and subsequently transferred to a digital format. Digitalisation is always the first step, now being followed by digital transformation: integrating the digital data into the database, creating keywords and links to other information, the post-editing of extant textual material, and then ultimately opening the collection in the future for interested members of the public. It gives us great pleasure to think about the incredible opportunities this offers for scholarly research, for artistic adaptation, but also for self-reflexive contemplation.

The future is about to begin: now, and not just tomorrow.

* The quotation comes from a 2012 interview in Reykjavik; Hermann Schlenker is now 88 and is still in active contact with the Weltkulturen Museum.

1 Digital Age – Digital Society: The End of the Industrial Era and the Begin of a New Epoch

V I S U E L L E A N T H RO P O L O G I E / V I S UA L A N T H RO P O L O G Y

Bio: Alice Pawlik studierte Ethnologie, Kulturanthropologie und Psychologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Im Juni 2010 schloss sie das Studium mit dem Schwerpunkt der Visuellen Anthropologie ab. Seit Oktober 2010 begleitete sie die Neuorientierung der Film- und Fotosammlung des Weltkulturen Museums mit besonderer Ausrichtung auf die Bedeutung des Materials als wichtige Ressource für den wissenschaftlichen und künstlerischen Forschungsprozess. Im April 2012 übernahm sie die Leitung der Abteilung Visuelle Anthropologie. Von 2014 bis 2016 koordinierte sie zusätzlich als Referentin für Bildung und Vermittlung die Ausstellungsreihe „Dialoge – Gesellschaftswissenschaften und Kunst“ der Galerie der Schader-Stiftung in Darmstadt. Seit Mai 2016 ist Alice Pawlik Kustodin für Visuelle Anthropologie am Weltkulturen Museum. Sie war u.a. Kuratorin der Ausstellungen „Encyclopaedia Cinematographica – Ein Lexikon der Weltkulturen“ im Rahmen der B3 Biennale (2013); „Imag(in)ing Musical Indonesia“ im Rahmen der Buchmesse (2015); „Geschichten erzählen Geschichte“ (2016) und „Grey Is The New Pink“ (2018/19).

Bio: Alice Pawlik studied ethnology, cultural anthropology and psychology at the Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. In June 2010 she graduated with a major in visual anthropology. Since October 2010 she has been steering the film and photography collection at the Weltkulturen Museum in a new direction, with a particular focus on the significance of material as an importance resource in the process of conducting scholarly and artistic research. In April 2012 she became head of the Visual Anthropology department. Moreover, in her role as a consultant for museum education she coordinated a series of exhibitions from 2014 to 2016 called ‘Dialoge – Gesellschaftswissenschaften und Kunst’ (Dialogues – Social Sciences and Art) for the gallery of the SchaderStiftung in Darmstadt. Alice Pawlik has been Visual Anthropology curator at the Weltkulturen Museum since May 2016.

Her exhibition credits as curator include ‘Encyclopaedia Cinematographica – Ethnographic Short Films from A to Z’ as part of the B3 Biennale (2013), ‘Imag(in)ing Musical Indonesia’ to accompany the Book Fair (2015), ‘Stories Narrate History’ (2016) and ‘Grey Is the New Pink’ (2018/19).

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25. Gisela Simrock, angestellte Fotografin des Museums für Völkerkunde im Fotolabor, 1975/76. Foto: unbekannt 25. Gisela Simrock, employed photographer of the Museum für Völkerkunde in the photo laboratory, 1975/76.Photo: unknown 26. Hermann Schlenker bei Filmaufnahmen zu den Initiationsriten in Japanaut, Papua Neuguinea 1973/74. Foto: unbekannt 26. Hermann Schlenker filming the initiation rites in Japanaut, Papua New Guinea 1973/74. Photo: unknown 27. Hermann Schlenker auf dem Weg nach Baharak, Afghanistan, 1962/63. Foto: unbekannt 27. Hermann Schlenker on the way to Baharak, Afghanistan, 1962/63. Photo: unknown 28. Serverraum Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main, 2020. Foto: Peter Wolf 28. Server room Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main, 2020. Photo: Peter Wolf

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W E LT K U LT U R E N M U S E U M

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OLIVER LOISEAUX (HRSG.): Die Entdeckung der Welt. Frühe Reisefotografie von 1850 bis 1914 Seitdem sich Menschen auf Reisen begeben, haben sie das Bedürfnis, das Erlebte festzuhalten. Lange bedienten sie sich dabei der Zeichnung, doch mit der Erfindung der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts eröffneten sich ganz neue Perspektiven: Die Kamera gehörte schnell zur Grundausstattung der Reisenden; da beliebig viele Abzüge möglich waren, wurde die Fotografie bald zum Massenmedium. Dabei scheuten die Fotografen trotz ihrer schweren, sperrigen und nicht einfach zu bedienenden Ausrüstung keine Mühen und Gefahren, um in unbekannte Regionen vorzudringen. So wurden sie zu Pionieren im doppelten Sinn: Sie kämpften mit einer neuen, längst nicht ausgereiften Technik und bereisten entlegene, noch nicht erschlossene Gegenden. Und sie brachten Bilder mit, die die Vielfalt der Erde ins Bewusstsein rückten und die Wahrnehmung der Welt bei ihrem Publikum veränderten und prägten. Von dieser längst vergangenen Phase der Fotografie erzählt der Bildband. Er zeigt 230 Fotografien aus der Zeit von 1850 bis 1914 aus dem Bestand der französischen Nationalbibliothek - aus Afrika, Amerika, Europa, Asien und Ozeanien. Diese Bilder vermitteln etwas vom Staunen und der Neugierde gegenüber der Fremde und dem Exotischen und dokumentieren Begegnungen mit fremden Kulturen. Beim Betrachten unternimmt man eine spannende Zeitreise in die Vergangenheit, denn Vieles ist heute längst verschwunden und verloren.

Sie ermöglichen damit einen faszinierenden Blick auf die Welt mit den Augen der zweiten Hälfte des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts. (München, London, New York: Prestel 2019. 239 Seiten)

CHINELO OKPARANTA: Unter den Udala Bäumen. (Under the Udala Trees) Ijeoma, ein 11-jähriges, christlich erzogenes Igbo-Mädchen aus Süd-Nigeria, verliert durch den nigerianischen Bürgerkrieg (Biafra-Krieg 1967–1970) nicht nur ihren geliebten Vater, sondern auch das gesicherte Leben ihrer Familie in der Mittelschicht. Um die kostenpflichtige Schulbildung ihrer Tochter zu ermöglichen, schickt die überforderte Mutter ihr Kind als Dienstmädchen zu Bekannten weg. In der Schule lernt sie das muslimische Waisenmädchen Amina, zugehörig der Ethnie der Hausa, kennen. Aus der Freundschaft wird eine Liebesbeziehung, die aber von den Erziehungsberechtigten strikt verboten wird. Nach dem Schulabschluss lebt Ijeoma bei ihrer Mutter und hilft in deren Lebensmittelladen. Erneut verliebt sie sich in eine Frau und wird mit polizeilicher Gewalt bedroht, deswegen beschließt sie, dem Werben eines Jugendfreundes nachzugeben. Auch wenn das Ehepaar in stabilen finanziellen Verhältnissen lebt und sich über die gemeinsame Tochter freut, lastet etwas Unaussprechliches auf der Beziehung. Die junge Mutter spürt, dass sie sich aus den Zwängen und starren Traditionen befreien muss. Chinelo Okparanta wurde 1981 in Nigeria geboren und emigrierte 1991 mit ihrer Familie in die USA. Mit ihrem ersten Roman „Unter den Udala Bäumen“ erlangte sie internationale Beachtung. In Nigeria ist Homosexualität bis heute gesetzlich verboten und wird hart bestraft. Unter dem Eindruck des Biafra-Krieges haben sich die Organisationen „Médecins Sans Frontières“ (Ärzte ohne Grenzen) und die „Gesellschaft für Bedrohte Völker“ gegründet. (Aus dem nigerianischen Englisch von Sonja Finck und Maria Hummitzsch. Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 2018. 346 Seiten. Lesealter: ab 18 Jahren) Bio: Maria Reith-Deigert studierte Kunstgeschichte, Klass. Archäologie und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main mit dem Abschluss M.A. und arbeitet als Bibliothekarin am Weltkulturen Museum.

Renate Lindner hat in Frankfurt am Main an der Fachhochschule für Bibliothekswesen studiert und arbeitet seit ihrem Diplom-Abschluss in der Bibliothek des Weltkulturen Museums.

A U S D E R W E LT K U LT U R E N B I B L I O T H E K / F R O M T H E W E LT K U LT U R E N L I B R A RY

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OLIVER LOISEAUX (ED.): Image and exploration: Early travel photography from 1850 to 1914 Since people first started going on their travels, they have felt the need to record what they have experienced.

For a long time they made use of drawings, but the invention of photography in the mid-nineteenth century opened up entirely new avenues: a camera soon became an indispensable piece of equipment for travellers. With no limits on the number of prints that could be made, photography quickly became a mass medium. The photographers eschewed neither effort nor danger in their quest to penetrate unknown regions, despite their heavy and bulky equipment which was so difficult to operate. This made them pioneers in two respects: they struggled with newfangled technology which was far from sophisticated, and they travelled in remote areas which had not yet been mapped out. The images that they brought back gave their public an awareness of the earth's diversity, and changed and shaped the way people regarded the world. This illustrated book is all about a bygone era of photography. It presents 230 photos from the holdings of the National Library of France, dating from 1850 to 1914 – pictures taken in Africa, America, Europe, Asia and Oceania. These images not only convey something of the astonishment and curiosity shown towards foreigners and everything that was exotic, but also chronicle encounters with unfamiliar cultures. Looking at the photos sends the reader back through time on a thrilling journey, because so much of what they contain has now disappeared in the mists of time and is long forgotten. In this respect, the pictures give us a fascinating glimpse into the world from the perspective of the second half of the nineteenth and early twentieth centuries. (Munich, New York: Prestel Publishing 2019. 239 pages)

CHINELO OKPARANTA: Under the Udala Trees (Unter den Udala Bäumen) Ijeoma, an eleven-year-old girl from a Christian background in Southern Nigeria, loses not only her beloved father in the Nigerian civil war (the Biafran War from 1967 to 1970) but also her secure, middle-class family lifestyle. In order to pay for her daughter’s schooling, her overstretched mother sends the girl away to acquaintances where she has to work as a maid. At school she makes friends with the Muslim orphan Amina, who is ethnically Hausa. Their friendship becomes a romantic relationship, but one that is strictly forbidden by their guardians. After graduating from school, Ijeoma lives with her mother and helps out in her grocery store. Once more she falls in love with a woman and is threatened with violence by the police. For this reason she decides to acquiesce when a childhood friend woos her. Even when the married couple are living in financial stability and are delighted to be the parents of a daughter, there is a burden on their relationship which cannot be spoken about. The young mother senses that she has to free herself from all the constraints and rigid traditions weighing her down. Chinelo Okparanta was born in Nigeria in 1981 and emigrated with her family to the United States in 1991. She achieved international recognition thanks to her debut novel Under the Udala Trees. In Nigeria homosexuality is still illegal and is severely punished. The impact of the Biafran War led to the establishment of the organisations Médecins Sans Frontières (Doctors Without Borders) and the Gesellschaft für Bedrohte Völker (Society for Threatened Peoples). (Translated from Nigerian English by Sonja Finck and Maria Hummitzsch. Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 2018. 346 pages. Reading age: 18 and above) Bio: Maria Reith-Deigert studied art history, classical archaeology, and theatre, film and TV studies at the Goethe-Universität Frankfurt am Main and graduated with an master’s degree. She works as librarian at the Weltkulturen Museum.

Renate Lindner studied librarianship in Frankfurt am Main, and since graduating with a diploma she has worked in the library at the Weltkulturen Museum.

S E RV I C E / S E RV I C E

Weltkulturen Museum Schaumainkai 29 60594 Frankfurt am Main Tel. 0049 (0)69 212 31510 weltkulturen.museum@stadt-frankfurt.de Weltkulturen Labor Schaumainkai 37 60594 Frankfurt am Main Öffnungszeiten Mo geschlossen Di–So 11–18 Uhr Mi 11–20 Uhr Eintrittspreise Eintritt Museum: 7€ / 3,50€ Eintritt Labor: 3€ / 1,50€ Jeden letzten Samstag im Monat ist der Eintritt in die Ausstellungen kostenfrei.

Freier Eintritt Kinder bis zum 18. Geburtstag, Freundeskreismitglieder, ICOM-Mitglieder, Inhaber von MuseumsuferCard und –Ticket, Studierende der Frankfurter Hochschulen Folgende Personen haben ermäßigten Eintritt Studenten und Auszubildende, Arbeitslose, Schwerbehinderte ab 50%, Gruppen ab 20 Personen.

Für Inhaber des Frankfurt-Passes und des Kulturpasses sowie für Personen mit Flüchtlingsstatus gilt ein reduzierter Eintritt von 1€. Entsprechende Dokumente müssen vorgelegt werden.

Weltkulturen Bibliothek Schaumainkai 35 60594 Frankfurt am Main Tel. 069 212 34349 / 212 45277 weltkulturen.bibliothek@stadt-frankfurt.de

Öffentliche Führungen WELTENBEWEGEND und LET THEM SPEAK Weitere Informationen finden Sie unter www.weltkulturenmuseum.de Workshops, Führungen und Kindergeburtstage In den Vermittlungsangeboten des Weltkulturen Museums tauchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer tiefer in die Themen der aktuellen Ausstellungen ein, erforschen die Sammlungsobjekte, setzen diese mit sich selbst in Beziehung und entwickeln daraus neue Ideen, Fragen und kreative Objekte. Ziel ist es, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene das Weltkulturen Museum als ihren Ort verstehen und diesen nicht nur besuchen, sondern sich ihn aneignen.

Für Besucherinnen und Besucher jeder Altersgruppe bietet das Weltkulturen Museum verschiedene Überblicks- und

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Öffnungszeiten: Nach Vereinbarung Newsflash Monatlich informiert Sie unser Newsflash über unsere aktuellen Veranstaltungen. Anmeldung unter www.weltkulturenmuseum.de/de/ kontakt/newsletter Werden Sie Mitglied im Freundeskreis!

1993 gegründet, begleitet und fördert der Freundeskreis des Weltkulturen Museums die vielfältigen Aktivitäten des Hauses.

Geschäftsführender Vorstand Vorsitzende: Adelheid Tröscher Stellvertretende Vorsitzende: Dr. Peter Wilke und Dr. Uwe Tessmar Weitere Informationen unter www. weltkulturenmuseum.de/de/freundeskreis SO FINDEN SIE ZU UNS Mit öffentlichen Verkehrsmitteln U-Bahn U1, U2, U3, U8 (Schweizer Platz), U4, U5 (Willy-Brandt-Platz); Straßenbahn 15, 16 (Schweizer Platz/ Gartenstraße) Mit dem Auto Für Menschen mit eingeschränkter körperlicher Mobilität gibt es Parkmöglichkeiten. Bitte anmelden!

(Außer bei Veranstaltungen) Bitte beachten Sie, dass der Zugang zu den Ausstellungen nicht barrierefrei ist.

Themenführungen sowie Workshops in der aktuellen Ausstellung an – auch in englischer Sprache. In zahlreichen Kooperationsprojekten werden die Teilnehmenden zu Akteurinnen und Akteuren im Museum und diskutieren aktuelle gesellschaftliche Themen. Für Schulen und Kitas gibt es von der Vorschule bis zur Oberstufe spezielle Führungs- und Workshopangebote. Für Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher bietet das Weltkulturen Museum Einführungen in aktuelle Ausstellungen und Fortbildungen an. Auch Kindergeburtstage können im Weltkulturen Museum gefeiert werden. Ausgehend von der Bildungssammlung zum Anfassen, gestalten die Kinder Masken, Batiken oder ergründen das Spiel der Schatten. weltkulturen.bildung@stadt-frankfurt.de 069 212 39898

IMPRESSUM: Herausgeber: Weltkulturen Museum, Stadt Frankfurt am Main, Schaumainkai 29–37, 60594 Frankfurt am Main • Texte: Vanessa von Gliszczynski, Matthias Claudius Hofmann, Renate Lindner, Alice Pawlik, Eva Ch. Raabe, Maria Reith-Deigert, Sarah Reyer, Mona Suhrbier, Kristina Werner • Redaktion: Christine Sturm, Julia Rajkovic-Kamara • Lektorat: Maria ReithDeigert Gestaltung: Studio Michael Satter • Schriften: Rosart (Camelot) und Simon Mono (Dinamo) • Druck: Frankfurter Societäts-Druckerei • Lithografie: Michael Schulz, ORT Studios Frankfurt • Übersetzungen: Nicola Morris • LGBTQ: Unser Ziel ist es lesbare und zugleich gendersensibel formulierte Texte zu verfassen. Übersetzungen sollen zudem dem Originaltext möglichst gerecht werden ohne diskriminierend formuliert zu sein. Mit der von uns gewählten Schreibweise adressieren wir alle Geschlechteridentitäten.

Weltkulturen Museum Schaumainkai 29 60594 Frankfurt am Main Tel. 0049 (0)69 212 31510 weltkulturen.museum@stadt-frankfurt.de Weltkulturen Labor Schaumainkai 37 60594 Frankfurt am Main Opening hours Closed on Monday Tues–Sun 11am–6pm Wed 11am–8pm Admission Fee Museum: €7 / €3.50 Labor: €3 / €1.50 Free admission every last Saturday of the month Free admission: Children and young adults up to 18 years old, members of the Friends of the Museum, ICOM members and Museumsufer-Card and –Ticket holders, students of the universities of Frankfurt am Main Concessions School and university students, apprentices, unemployed persons, persons with disabilities and groups of at least 20 persons. For owners of the Frankfurt-Pass (Frankfurt passport) or the Kulturpass (cultur passport) as well as for refugees who can verify their refugee status applies a reduced admission fee of €1.

Weltkulturen Library Schaumainkai 35 60594 Frankfurt am Main Tel. 0049 (0)69 212 34349 / 212 45277 weltkulturen.bibliothek@stadt-frankfurtde

Public Guided Tours WORLDS IN MOTION and let them speak Further information at www.weltkulturenmuseum.de/en Tours and Children’s birthday parties The Weltkulturen Museum’s education programme offers visitors the chance to explore the subjects and themes in the current exhibition in greater depth, to research the objects, and to create their own connections with the collection, thus developing new ideas, questions or creative objects. We want children, young people and adults to see the Weltkulturen Museum as somewhere that belongs to them – not simply visiting the museum, but making it their own. The Weltkulturen Museum offers guided tours and workshops for all age groups in the current exhibition. Some are also held in English.

In numerous cooperation projects, participants become actors in the museum and

Opening hours: By appointment Newsflash Every month our Newsflash informs you about our current events. Registration at www.weltkulturenmuseum.de/ en/kontakt/newsletter Become a member of the Friends of the Museum!

The Friends of the Weltkulturen Museum (Freundeskreis des Weltkulturen Museums) support the institution and its wide range of activities.

Board of directors Chairwoman: Adelheid Tröscher Deputy chairmen: Dr. Peter Wilke and Dr. Uwe Tessmar Further information www.weltkulturenmuseum.de/en/friends HOW TO FIND US Public transport U-Bahn U1, U2, U3, U8 (Schweizer Platz), U4, U5 (Willy-Brandt-Platz); Tram 15, 16 (Schweizer Platz/ Gartenstraße) By car Parking is available for persons with restricted physical mobility.

Please register ahead of your visit.

(Except at events) We regret that our exhibition space is not handicapped accsessible.

discuss current social issues and topics.

The Weltkulturen Museum offers a range of special tours and workshops for schools and day care centres from pre-school to senior grades. For educators and teachers, from pre-school to secondary level, the Weltkulturen Museum offers introductions to current exhibitions and further training courses. Children’s birthday parties can also be held in the Weltkulturen Museum.

Working with the education department’s special hands-on collection, children can create masks and batiks or build their own pinhole camera. weltkulturen.bildung@stadt-frankfurt.de 069 212 39898

IMPRINT: Editor: Weltkulturen Museum, Stadt Frankfurt am Main, Schaumainkai 29–37, 60594 Frankfurt am Main • Texts: Vanessa von Gliszczynski, Matthias Claudius Hofmann, Renate Lindner, Alice Pawlik, Eva Ch. Raabe, Maria Reith-Deigert, Sarah Reyer, Mona Suhrbier, Kristina Werner • Editorial Staff: Christine Sturm, Julia Rajkovic-Kamara • Proof Reading: Maria Reith-Deigert Design: Studio Michael Satter • Typefaces: Rosart (Camelot) und Simon Mono (Dinamo) • Printed by: Frankfurter Societäts-Druckerei • Lithography: Michael Schulz, ORT Studios Frankfurt • Translations: Nicola Morris • LGBTQ: Our goal is to write readable and yet gender-sensitive texts. In addition, translations should be as fair as possible to the original text without being discriminatory. With the spelling we choose, we address all gender identities.

W E LT K U LT U R E N M U S E U M

29. Besucher in der Ausstellung „SW5Y –

Fünf Jahre zivile Seenotrettung“.

Foto: Peter Wolff

29. Visitor in the exhibition “SW5Y –

Five Years of Civil Sea Rescue”.

Photo: Peter Wolff

RÜCKSEITE / BACKCOVER

30. Maske. Uramot-Baining, Neubritannien,

Melanesien. Gesammelt von Volker

Schneider, 1980-87. Holz, Rindenbast-

stoff, bemalt. Sammlung Weltkulturen

Museum. Foto: Wolfgang Günzel

30. Mask. Uramot-Baining, New Britain,

Melanesia. Collected by Volker

Schneider, 1980-87. Wood, bark cloth,

painted. Collection Weltkulturen

Museum. Photo: Wolfgang Günzel

TITELSEITE / FRONTCOVER

00. Mundnasebedeckung mit grafischen

Mustern aus Jakarta, Indonesien.

Design in Anlehnung an traditionelle

Masken der Künstlerin Calonpelakuseni.

Im Rahmen des Projekts Gotong Royong

Masker. Sammlung Weltkulturen Museum.

Foto: Wolfgang Günzel

00. Mouth nose cover with graphic designs

from Jakarta, Indonesia. Design based

on traditional masks by the artist

Calonpelakuseni. As part of the Gotong

Royong Masker project. Collection

Weltkulturen Museum.

Photo: Wolfgang Günzel

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