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So macht Campen auch im Schnee Spaß

Positiv denken OHNE MICH DENK, WAS DU WILLST!

Resilienz. Selbsthilfebücher, Influencer und Erfolgsgurus predigen es. Bei Krisen, Not- und Trauerfällen ist es Dauergast. Das Mantra unserer Zeit: „Denk positiv!“ Damit ist jetzt Schluss! Wir verraten, warum Zwangsoptimismus krank machen kann, und was wirklich hilft.

VON STEFFANIE HERMANN

Gründe7 Positiv? Ich nicht!

1Überlegtheit: Wer sich alles schönredet, öffnet Naivität Tür und Tor. Fundierte Entscheidungen brauchen alle Aspekte.

2Gesundheit: Gefühle zu akzeptieren ist wichtiger Bestandteil der Psychohygiene. Wer sie verdrängt, läuft Gefahr, krank zu werden.

3Warnsystem: Ein Unwohlsein kann eine Warnung sein. Das zu übergehen mündet leicht in einen Schneeballeffekt.

4Realismus: Das Leben ist kein Ponyhof! Wer sich keiner Illusion hingibt, ist sensibler für die wahren Glücksmomente.

5Empathie: Es gibt Situationen, in denen Sprüche der Kategorie „Wer weiß, wofür es gut ist“ schlichtweg verletzend sind.

6Freiheit: Man muss nur positiv denken und alles wird gut? Wer sich von diesem Credo befreit, lebt mit weniger Druck.

7Erfolg: Positiv denken entspannt. Um Ziele zu erreichen, braucht man aber ein Minimum an Druck und Drive. A m Morgen den Bus verpasst, den Regenschirm zu Hause vergessen und, ach, der Partner hat vor einer Woche Schluss gemacht. So sicher wie das Amen im Gebet wird eine wohlmeinende Stimme jetzt sagen: „Kopf hoch, denk positiv!“ Positiv denken ist jetzt aber das Letzte, was wir möchten. Toben, schreien und weinen – danach steht uns der Sinn! Das ist nicht nur völlig legitim, sondern sogar gesund für unsere Psyche.

Hochs und Tiefs

„Unser Leben besteht nicht nur aus Sonnenschein“, sagt Psychologe Stefan Datzreiter. „Angst, Unsicherheit, Ärger, Hoffnungslosigkeit und andere unangenehme Gefühle gehören zu unserem Menschsein dazu.“ Diese Emotionen zuzulassen und auszuhalten ist ein wichtiger Prozess für unser dauerhaftes Wohlbefinden. Allzu oft wird jedoch genau dieses Zulassen als Schwäche gesehen. Ein Fehler, wie Datzreiter bestätigt: „Verdrängung und andere Abwehrmechanismen sind zwar kurzfristig nützlich und manchmal auch nötig. Langfristig folgen häufig negative Konsequenzen.“

Ein paradoxer Teufelskreis

Der dänische Psychologe Svend Brinkmann findet dafür klare Worte: Erzwungene Positivität lasse uns emotional verkümmern. „Menschen sterben, wir

Krisenfall. Negative Emotionen wie Kummer, Trauer und Wut gehören zum Leben dazu. Sie zuzulassen und auszuhalten ist wichtig für unsere Gesundheit.

verlieren sie, müssen Abschied nehmen. Wenn wir gewöhnt sind, ständig gut gelaunt sein zu müssen, trifft uns das viel intensiver, wenn es eintrifft. Und es wird eintreten“, so Brinkmann gegenüber Quartz. Problematisch sei vor allem der Zwang zur Unbeschwertheit. Im Leben kriselt es? Tja, selbst schuld – da hat wohl jemand nicht positiv genug gedacht! Das Ganze führt zu einem scheinbar unauflösbaren Widerspruch. Je zwanghafter man sich mit seinem Wohlbefinden beschäftigt, umso unglücklicher wird man. Je unglücklicher man wird, desto mehr Kraft kostet es, positiv zu denken …

Journaling. Zu Papier zu bringen, wofür wir dankbar sind, aber auch Kummer von der Seele zu schreiben stärkt unsere psychischen Abwehrkräfte.

Kleines Helferlein

Vermeintlich verpönt, haben negative Gefühle und Gedanken positive Seiten. So helfen uns „schlechte“ Gefühle die Welt einzuordnen. Schuld und Scham sind wichtige Katalysatoren für Moral. Wut und Trauer helfen uns, Erlittenes zu verarbeiten. Auch Warnungen erreichen uns über widrige Emotionen. Wenn wir uns etwa in einer Situation immer wieder unbehaglich fühlen, hat das wohl einen Grund. Die Augen davor zu verschließen ist kontraproduktiv – unsere Hand würden wir ja auch nicht auf der heißen Herdplatte liegen lassen. Im Gegenteil, wir würden die Wunde verarzten. Ähnliches gilt für Gefühle. „Für seine Emotionen sollte man sich Zeit nehmen“, so Datzreiter. „Selbst wenn das unangenehm oder sogar schmerzhaft sein kann.“ Auch beim Fällen schwieriger Entscheidungen war blinde Positivität selten Erfolgsgarant. Ein Minimum an Druck brauchen wir zudem, um in der Zukunft liegende Ziele zu erreichen. Das liegt daran, dass positive Gedanken zu Entspannung führen. Unser Gehirn wähnt sich bereits im Finish und schaltet in den Chill-Modus. Kurzfristig stimmt uns das zwar glücklich, langfristig unzufriedener, sollten wir auf der Stelle treten.

Optimismus ist Trumpf

Eine gesunde Portion Optimismus macht erwiesenermaßen glücklicher und stärkt unsere Resilienz. Darunter versteht man die psychische Widerstandskraft bzw. wie wir mit Widrigkeiten und Krisen umgehen. Positiv denken hat also durchaus seine Berechtigung. „Ich wage zu behaupten, dass es im Grunde kein Zuviel gibt“, so Datzreiter. Aber: „Man muss nicht immer positiv denken und darf auch mal traurig oder deprimiert sein.“ Wer positiv in die Zukunft schaut, geht mit negativen Emotionen gelassener um. Er weiß: Auch das geht vorbei. Und bis dorthin darf gerne ein bisschen geschimpft werden … â

7Säulen der Resilienz

1Optimismus: Auch wenn es einmal nicht so rosig läuft, wird dennoch zuversichtlich in die Zukunft geschaut.

2Akzeptanz: Negativen Gefühlen wie Trauer oder Ärger wird Platz eingeräumt, unangehme Situationen werden akzepiert.

3Lösungorientierung: Wenn notwendig, wird nach neuen Optionen gesucht, um glücklich zu sein.

4Selbstverantwortung: Wer Verantwortung für sein Handeln übernimmt, läuft nicht Gefahr, in einer passiven Opferrolle zu landen.

5Selbstwirksamkeit: Resiliente Menschen wissen um ihren Handlungsspielraum. Sie nehmen aktiv Einfluss auf ihr Leben.

6Zukunftsplanung: Auch im Fall einer Krise, wird zuversichtlich an Plänen und einem guten Ausgang gearbeitet.

7Netzwerkorientierung: Freundschaften pflegen, Hilfe annehmen und in schweren Zeiten auch darum bitten.

INTERVIEW

mit Mag. Stefan Datzreiter, Psychologe, Lebens- & Sozialberater

Man hört ja wirklich oft:

„Denk doch einfach positiv!“ Das kann ganz schön nerven. Muss man denn wirklich immer positiv denken?

Datzreiter: Dieser Ratschlag ist zwar meist gut gemeint, tatsächlich aber wenig hilfreich, wenn man eine Krise durchlebt. Die Grundüberlegung ist natürlich schon richtig: Unser Denken beeinflusst unser Handeln und unsere Gefühle – und umgekehrt. Negative Gedanken und Emotionen werden in unserer Gesellschaft leider oft als Schwäche gedeutet. Bei vielen sind sie deshalb mit Scham besetzt. Aus gesundheitlicher Sicht ist es aber wichtig, sie zuzulassen und zu akzeptieren.

Man kann’s also übertreiben?

Datzreiter: Unser Leben besteht nicht ausschließlich aus Sonnenschein. Schicksalsschläge wie Todesfälle, Trennungen, Jobverlust, Naturereignisse etc. können uns alle ereilen. Sie und auch weit banalere Dinge lösen Trauer, Angst, Unsicherheit, Ärger, Hoffnungslosigkeit und andere unangenehme Gefühle aus, die zu unserem Menschsein dazugehören. Verdrängung und andere Abwehrmechanismen sind kurzfristig nützlich und manchmal auch nötig. Als langfristige Bewältigungsstrategien sind sie in der Regel nicht optimal. Themen und Beschwerden können sich verschieben

Man darf auch mal traurig oder deprimiert sein.

und auch gesundheitlich negativ auswirken. Ich wage jedoch zu behaupten, dass es beim „positiv Denken“ im Grunde kein Zuviel gibt. Aber: Man muss nicht immer alles rosarot sehen.

Wenn man sich das nicht schönreden soll – was hilft dann?

Datzreiter: Wichtig ist es, einen guten Umgang mit negativen Gefühlen zu lernen. Für seine Emotionen sollte man sich Zeit nehmen – auch wenn das in dem Moment unangenehm oder sogar schmerzhaft sein kann. Auch sich mitzuteilen kann hilfreich und entlastend sein! Man darf sich also ruhig bei lieben und vertrauten Menschen ausheulen und Trost suchen oder z. B. seinen Frust und Ärger und die Themen, die einen beschäftigen, teilen. Auch professionelle Hilfe unterstützt, wenn man sich nicht mehr raussieht.

Was hat es mit Resilienz auf sich?

Datzreiter: Vereinfacht ausgedrückt geht es dabei darum, wie wir mit herausfordernden Situationen gut umgehen. Resilienz kann also als eine gesunde Widerstandskraft verstanden werden. Ein beliebtes Modell beschreibt die sieben Säulen der Resilienz. An diesen Säulen kann man arbeiten und sie so stärken. l

Facettenreich. Negative Gefühle sind unvermeidbarer Teil des Lebens. Auch sie sollte man zulassen und sich Zeit für sie nehmen.

BE THE CHANGE Achtsamer Konsum. Von Bienenwachstuch bis Zahnseide: Im Onlineshop Blattwende gibt es ausschließlich ressourcenschonende, fair produzierte Produkte.

VON ANDREA SCHRÖDER

Viele Menschen träumen davon. Die Oberösterreicherin Selina Kurzmayr (30) hat es getan und ihrem Leben eine neue Wendung gegeben.

Draußen wartet Großes

14 Jahre lang hat die PR-Expertin im gleichen Betrieb gearbeitet, „also fast mein halbes Leben“. Irgendwann habe es sich nicht mehr richtig angefühlt. „Ich hatte das Gefühl, da draußen wartet etwas Größeres auf mich.“ Selina Kurzmayr schnappte sich einen Rucksack und machte sich auf die Reise.

Die Wende

Einige Monate und viele Länder später kehrte die Abenteurerin zurück. Die unterwegs gemachten Erfahrungen waren aber nicht nur positiv. Plastik im Meer und Smog in der Luft, nicht artgerechte Tierhaltung, unwürdige Produktionsstätten, „zum großen Teil leider als Konsequenz unseres Konsumverhaltens in der westlichen Welt“. Der Wunsch, selbst etwas zu einer Veränderung beizutragen, und die Begeisterung für nachhaltige Alternativen führten schließlich dazu, dass aus Selina Kurzmayr eine waschechte Gründerin wurde. Ihr Onlineshop blattwende.at soll es leichter machen, den Haushalt nachhaltig zu führen und bewusster einzukaufen. Drei Tipps, die jeder gleich umsetzen kann: „Auf feste Kosmetik umsteigen, damit spart man Mikroplastik und Verpackungsmüll ein. Obst und Gemüse unverpackt einkaufen. Und schließlich Einwegprodukte durch Mehrweg ersetzen: Auf Wegwerfflaschen, Frischhalte- und Alufolie sowie Coffee-to-go-Becher verzichten. l

Gründerin. Selina Kurzmayr bietet auf blattwende.at alles für den nachhaltigen Haushalt.

Wie gemalt. Leinen trifft schwarzes Porzellan. Als Vasen für das schlichte Grün dienen ganz unterschiedliche Gefäße. Goldfarben angesprühte Fundstücke aus dem Wald sorgen für Festtagsstimmung.

FROHE WEIHNACHT

Neu gedacht. Rot und Grün haben im Advent ihren festen Platz. Aber warum nicht einmal experimentieren? Wir setzen heuer auf Deko in Schwarz und Weiß, mit Papier und Leinen. Natur pur – oder kunstvoll veredelt.

VON ANDREA SCHRÖDER

Für Individualisten.

Ein schmiedeeiserner Baum, eine künstlerische Vase und dazu eine Christbaumkugel: Deko, die auf den ersten Blick nichts mit Weihnachten zu tun hat, ist für so manchen gerade deshalb attraktiv.

Artisan Style.

Schwarze Tischplatten kommen jetzt groß raus. Statt Tischdecke unterschiedliche Sets verwenden, vom runden Perlenset bis zum Ethnoläufer. Raue Tongefäße verstärken das „kunsthandwerkliche“ Feeling.

Die Ruhe selbst. Geschenke wirken, in einem einheitlichen Farbschema verpackt, besonders edel. Tipp: Zweige weiß ansprühen – als Eyecatcher auf einem Geschenk oder in einer Vase auf dem Tisch.

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1. Nostalgisch. Fast wie einst am Land: Simples

Geschirr und Besteck bilden einen Kontrast zur üppigen Deko aus Zweigen, Blättern und Kugeln. 2. Rustikal. Getrocknete Kränze an der Wand und ein Gesteck holen die Natur ins Haus. Es soll aussehen wie zufällig im Wald gefunden. 3. Gar nicht traditionell. Aber nicht weniger schön:

Bunte Wabenbälle aus Papier verbreiten verspielten Charme, goldene Akzente steuern weihnachtliches Flair bei. 4. Nachhaltig. Statt Geschenkpapier: Das ganze

Jahr über schöne Kartons sammeln, schlichtes

Band oder verspielte Borte drum herum, fertig. 5. Natürlich. Papier zerknittern, Geschenk damit einpacken, Kräuterzweig auflegen und mit Sisalschnur umwickeln.

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