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Lebendiges Eis

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Rhonegletscher

Rhonegletscher

«Mein» Gletscher – der Grosse Aletschgletscher – ist vergleichbar mit einem liegenden Riesen, der sein Haupt auf das harte Kissen der tiefliegenden Felsmulde am Jungfraujoch niederlegt und seine Füsse im sandigen, eiskalten Schmelzwasser, das in den Stausee Gibidum fliesst, bespülen lässt Seine gewaltigen Arme sind die Hängegletscher, die im Osten gegen die Walliser Fiescherhörner und im Westen gegen die Dreieckhörner ragen . Obwohl dieser Gletscher wie ein stummer Riese in einem tiefen Taleinschnitt liegt, lebt er und schenkt Leben Er bewegt sich, wird kleiner und grösser wie Ebbe und Flut im Meer . Jedoch ist dieses «Kommen und Gehen» nicht wie im Meer, zweimal am Tag, sondern alle paar hundert Jahre sichtbar

Wer lebt, braucht Nahrung! Die Nahrung der Gletscher ist viel Schnee, tiefe Temperaturen und starker Wind Wer lebt, kann krank und schwach werden und sogar sterben Gekränkt und geschwächt werden die Gletscher durch die momentan starke Klimaveränderung und Erderwärmung . Diese, sowie immer wiederkehrende Viren wie lang andauernder Sommerregen, lauwarme Winde und jährlicher Saharastaub, können zum endgültigen Wegschmelzen, zum Verschwinden, zum Tod der Gletscher führen

Gletscher ist Eis, Eis ist Wasser, Wasser ist Leben! So schenken die Gletscher Menschen, Tieren und Pflanzen Leben Sie liefern Trink- und Wässerwasser, werden zum Brandschutz benötigt, speisen Stauseen zur Erzeugung von Wasserkraft, fördern den Tourismus und bringen der Bergbevölkerung, insbesondere uns Bergführern, Arbeit, Verdienst und Brot

1952 durften mein älterer Bruder und ich zum ersten Mal mit unserem Vater auf den Aletschgletscher Ich erinnere mich noch gut, wie wir ab der «Platta» über einen schmalen Pfad durch den Westhang des Strahlhorns in wenigen Minuten auf den Gletscher stiegen Heute liegt der Gletscherrand 250 Meter tiefer und der damalige Einstieg ist nicht mehr begehbar 20 Jahre später wurde ich, wie mein Vater und meine Brüder, Bergführer, und 2022 als Jubilar «50 Jahre Bergführer» geehrt . In diesen 50 Jahren durfte ich hunderte Male Gäste aus dem In- und Ausland über Gletscher führen . Ich konnte diese von der Macht und den Schönheiten der Berge begeistern, aber ihnen auch Achtung und Respekt vor den Gefahren und Risiken beibringen . Aus vielen unbekannten Seilschaften entstanden enge und treue Freundschaften, die bis heute bestehen . Wir hatten wunderschöne gemeinsame Erlebnisse und grosse emotionale Begegnungen, die mir und meinen Gästen zeitlebens in bester Erinnerung bleiben . So auch die zweitägige Aletschgletscher-Begehung mit Nicole Herzog-Verrey Es kam in meinem langen Bergführerleben selten vor, dass ich einen Gast begleiten durfte, der mit einem so wachen Auge und starkem Spürsinn die unzähligen Schönheiten und seltenen Naturwunder sah, schätzte und fotografierte und mit so viel Liebe zum Gletscher zwischen dem Märjelensee und der Konkordiahütte unterwegs war Deshalb das Buch: «Gletscherliebe»!

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