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Die Geschichte der Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee
Der Bundesrat «in corpore» auf der «Stadt Luzern». Gemäss Angaben beim Bild wurde dieses anlässlich des Rütlischiessens 1937 aufgenommen. In den offiziellen Aufzeichnungen findet sich jedoch kein Hinweis auf diesen Ausflug. Die Bundesräte müssen also informell unterwegs gewesen sein.
Sammlung J. Meister
Wenn von der Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee die Rede ist, muss vor allem ein Name genannt werden: Casimir Knörr (1808–1882). Er trat in das Geschäft seines Vaters ein, dessen Bankhaus sich nach 1828 «Friedrich Knörr & Sohn» nannte. Vom Wesen her eine vorwärtsdrängende Gründernatur, passte er genau in die Zeit. Zunächst stand das Speditionsgeschäft im Mittelpunkt seines Handelns. Er weitete es bald auf das gesamte Verkehrswesen aus. So ergriff er die Initiative für die Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee mittels einer Aktiengesellschaft. Allerdings waren zunächst hohe Hürden zu überwinden: Die alteingesessenen Ruderschiffer der Gesellschaft «St. Niklausen», der «Urinauengesellschaft» und der «Pfisternauenzunft» kämpften gegen das neue Dampfschiff um ihre Existenz. Knörr machte sich das Drängen der Stände Basel und Ticino nach einem zeitgemässen Verkehr über den Gotthardpass zunutze. Dies
war aber nur Teil eines grösseren Plans, ganze Verkehrsketten unter seinen Einfluss zu bringen: Knörr reichte später ein Konzessionsgesuch für eine Eisenbahnlinie Richtung Basel ein, für die dann aber die Schweizerische Centralbahn (SCB) den Zuschlag erhielt. Wie sehr dieser Mann als «Macher» geschätzt war, zeigte sich 1860, als der Bundesrat erwog, eine schweizerische Schifffahrt auf dem Lago Maggiore einzurichten und zuerst an Knörr als Betreiber dachte. Seine Aktiengesellschaft beschaffte das erste Dampfschiff des Vierwaldstättersees, die «Stadt Luzern» und setzte sie am 24. September 1837 in Betrieb. Ihr folgte 1843 die etwas schlanker gebaute und eher auf den Winterbetrieb ausgerichtete «St. Gotthard». Gegen Ende des Jahres 1842 kaufte das Bankhaus die Aktien zurück und Knörr wurde zum Alleinherrscher über die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee. Hier wird die problematische Seite seines Charakters deutlich: Er ignorierte, dass es nun niemanden ausser ihm gab, dem am Wohl der Gesellschaft gelegen war. Das erwies sich als schädlich, als 1841 Knörrs liberale Gesinnungsfreunde die Wahlen im Kanton an die Konservativen verloren. Knörr war isoliert und bei nächster Gelegenheit wurde die Postbeförderung an Carl Emanuel Müller (1804–1869) vergeben, einen Mann konservativer politischer Einstellung, gebürtiger Urner, Vorsteher des Luzerner Baudepartements, Erbauer der Gotthard- und der Axenstrasse. Besser als Knörr verstand er es, Gemeinnutz und eigenes Geschäft miteinander in Einklang zu bringen. Er gründete 1847 die «Post-Dampfschifffahrts-Gesellschaft» (PDG) und beschaffte genau wie Knörr ein grösseres, auf den Sommerbetrieb ausgerichtetes Dampfschiff «Waldstätter» und ein kleineres, eher für den Winter geeignetes, die «Rigi». Von da an bestanden Konkurrenzverhältnisse auf dem See. Freilich kehrte der Sieg der Radikalen im Sonderbundskrieg die Machtverhältnisse in Luzern erneut um. Luzern gewährte nun nur Knörr Abfuhrrechte für Waren, Uri ab Flüelen nur der PDG, bis durch Bundesgesetz vom 30. Mai 1849 alle Beschränkungen aufgehoben wurden. Die nun ausbrechende kurze freie Konkurrenz war schon aus weltanschaulichen Gründen keine ungebremste. Ein guter Katholik vermied es nach Möglichkeit, das Schiff eines «gottlosen» Liberalen zu benützen, auf dem kein Segen liegen konnte. Andererseits verbot es sich für einen aufgeklärten Bürger, das Schiff eines «Papisten» zu betreten. Die ruinöse Konkurrenz dauerte nur Wochen an, dann kam es zur Einigung: Zuerst verständigten sich beide auf einen gemeinsamen Fahrplan und kurz später auf die wöchentlich zwischen ihnen wechselnde Übernahme des Verkehrs mit Verbleib der dabei erzielten Einnahmen beim jeweils in der Woche tätigen Unternehmen. Im Jahr 1859 erreichte die Schweizerische Centralbahn (SCB) Luzern. Sie hatte ein lebhaftes Interesse an einem regen Schiffsverkehr auf dem Vierwaldstättersee zur Alimentierung ihrer Bahnlinie und stand damit im Interessengegensatz zu PDG und Knörr, die sich auf wenige, aber sehr rentable Kurse zu beschränken gedachten. Die Beschaffung zweier Dampfschiffe durch die SCB erwies sich als wirksamer Hebel: Die beiden
Schiffsunternehmen verpflichteten sich zu einer Mindestanzahl von Schiffskursen, während die SCB auf einen eigenen Betrieb verzichtete und die beiden Dampfer verpachtete, Knörr erhielt die «Stadt Mailand», die PDG die «Stadt Basel». Die gemeinsamen Erfahrungen mit der SCB lösten bei den beiden Gesellschaften eine Dynamik weg von der Konkurrenz und einen Schub hin zur Zusammenarbeit aus. Seit 1860 waren Stansstad und Hergiswil durch eine für die Durchfahrt der Schiffe aufziehbare Brücke verbunden. Diese mühsame Prozedur des Aufziehens konnte durch den Einsatz von DS «Rigi» mit umlegbarem Kamin (siehe dort) vermieden werden. Bei wöchentlichem Wechsel hätte es jede zweite Woche durch ein anderes Schiff abgelöst werden müssen. Zudem hätte die Fortsetzung der bestehenden Regelung bedeutet, dass von den beiden neuesten und wirtschaftlichsten Dampfern jeweils nur einer im Betrieb stehen konnte. Der Druck der damals stark gestiegenen Brennstoffpreise zwang aber zum Einsatz der wirtschaftlichsten Einheiten. Im Jahr 1861 trat daher der wöchentliche Wechsel zugunsten eines gemeinsamen Betriebes mit der hälftigen Teilung aller Einnahmen ausser Kraft. 1861 wurde die Fahrstrasse über den Brünig eröffnet und damit eine Verbindung in das Berner Oberland hergestellt, nach dem Willen der Post mit ganzjähriger Verkehrsbedienung. Die Alpnacher Route war für die Dampfschifffahrt zunächst wenig interessant, weil sich die Freiheit der Schifffahrt zunächst nicht auf sie erstreckte. Für den Winterdienst bis Alpnachstad kam es nun erstmals zur gemeinsamen Beschaffung eines Schiffes, des Schraubendampfers «Brünig». Der Nidwaldener Unternehmer Caspar Blättler (1791–1872) betrieb seit 1853 in Rotzloch ein Kurbad am Südufer des Alpnachersees, 1860 baute er auf dem Pilatus das Hotel Klimsenhorn. Für ihn unvorteilhafter Weise entstand die neue Brünigstrasse aber dem Nordufer entlang. Seine Einrichtung war damit vom Durchgangsverkehr abgeschnitten und die Anbindung dieses Seeteils durch die beiden bestehenden Gesellschaften nur sehr mangelhaft gewährleistet. Das galt auch für den Ort Hergiswil, wo der Weg zum Klimsenhorn seinen Ausgang nahm. Blättler kompensierte diese Mängel durch Kauf und Betrieb von zwei kleinen Schraubendampfern, «Rotzberg» und «Pilatus», die nach Fahrplan verkehrten, aber hauptsächlich auf die Unterstützung seiner Einrichtungen ausgerichtet waren. Mit dem Jahr von Blättlers Tod fanden diese Kurse ein Ende. Die Bedienung der Stationen auf der Route nach Alpnachstad hatte sich so verbessert, dass der Betrieb der Schraubendampfer entbehrlich geworden war. Die Konvergenz der beiden Unternehmen Knörr und PDG erreichte eine neue Stufe, als sie die wegen der Verkehrszunahme – 1864 erreichte die Bahn von Zürich aus Luzern – notwendigen Dampfer von beiden Unternehmen in völlig identischer Ausführung bestellten: Die PDG erhielt die «Wilhelm Tell», Knörr die «Winkelried». Trotz aller Fortschritte in der Zusammenarbeit blieb die Organisation der Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee schwerfällig und wenig innovationsfreudig. Während auf dem Rhein seit 1867 mit «Humboldt» und «Friede» schon Salondampfer unterwegs waren,
verkehrten auf dem Vierwaldstättersee nur solche, deren Grundstruktur sich seit den Anfängen der Dampfschifffahrt kaum verändert hatte: Auf dem Hauptdeck fanden sich ausser den Radkastenlokalitäten keine gedeckten Räume: Wer Schutz vor Wetter oder Kälte suchte, dem blieben nur die beiden dunklen, leicht modrigen Kajüten vor und hinter der Maschine. Die Fahrgastzahlen waren bis 1869 auf etwa 430’000 gestiegen. Diese mussten sich den immer enger werdenden Platz auf Deck mit immer mehr Gütern und Vieh teilen, so dass Klagen laut wurden.
Die Fremdenverkehrswirtschaft empfand diese Verhältnisse als ihrem Geschäft wenig zuträglich. Den Anfang machte der Küssnachtersee: Unzufrieden mit seiner Bedienung beschaffte die «Dampfschiff-Gesellschaft des Küssnachtersees» in Meggen 1869 den Schraubendampfer «Rütli». Sie tat sich noch im gleichen Jahr mit der neuen «Dampfschifffahrts-Gesellschaft Luzern» (DGL) zusammen. Diese verfolgte ein noch weitergehendes Ziel: Die Schifffahrt sollte einen dem Fremdenverkehr dienenden Charakter annehmen, ihre Anteile auf breitere Kreise verteilt werden statt nur zwei Etablierten zu dienen, die die Gewinne alleine unter sich verteilten. Dazu bestellte sie die beiden Dampfschiffe «Schweiz» und «Victoria», die alle bisherigen Schiffe an Grösse übertrafen. Ähnlichkeiten mit der «Demokratischen Bewegung» jener Jahre und dem Kampf der Nationalbahn gegen die Nordostbahn mag man darin durchaus erkennen. Endlich reagierten Knörr und die PDG. Sie bestellten wie 1864 je ein Dampfschiff für jede der beiden Gesellschaften. Bald trat die Erkenntnis hinzu, dass nur eine Zusammenlegung der Kräfte durch eine Vereinigung der beiden Gesellschaften in der Lage sein würde, sich der neuen Konkurrenz zu erwehren, was sogleich auch geschah. Schon 1870 kam es aber zu einer zweiten Fusion, diesmal mit der DGL. Seitdem ist die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee in einer Hand, der heute noch bestehenden SGV, vereinigt. Das eine der beiden Schiffe kam als «Helvetia» in Dienst, auf das andere konnte nach der Fusion verzichtet werden. Der umtriebige Knörr indessen hatte seinem Naturell entsprechend Grösseres im Sinn: Er erkannte früher als alle anderen, dass die Zukunft dem Salondampfer, also einem Schiffstyp mit Räumlichkeiten auf dem Deck, gehörte. Diese Erkenntnis wollte er einmal mehr ausschliesslich zum eigenen Vorteil nutzen: Obwohl Mitglied des Verwaltungsrates der «Dampfschi(f)ffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees» (DGV) gründete er die «Dampfschi(f)ffahrtgesellschaft in Gersau» und bestellte zwei Salondampfer: die «Italia» und die «Germania». Die angestrebte Einigung mit der DGV kam nicht zustande, vielmehr wollte diese Knörr wegen seines mit den Pflichten eines Verwaltungsrates nicht im Einklang stehenden Verhaltens verklagen. Knörr war zu weit gegangen und hatte sich verspekuliert. Er verkaufte die beiden Dampfer der DGV und verpflichtete sich, sich künftig nicht mehr in der Schifffahrt zu engagieren. In der Sache sollte er freilich Recht behalten: Der Salondampfer war fortan so sehr Standard für gehobenes Reisen, dass die «Schweiz» und die «Victoria» schon nach kurzer Zeit in solche umgebaut wurden. Immer noch stellte die Dampfschifffahrt auf dem See die Lebensader der Innerschweiz dar; wie sehr, erwies sich etwa, als es im Deutsch-Französischen Krieg 1870 zur Mobilisierung
der Armee kam. Bahnen entlang des Sees existierten noch nicht und so oblag der gesamte Transport der Schifffahrt. Zwischen dem 18. und dem 20. Juli wurden die Truppen der Urkantone mit Sonderschiffen nach Luzern verschifft und vom 21. bis zum 23. August zurück demobilisiert. Eine grosse Zäsur stellte daher die Eröffnung der Gotthardbahn 1882 dar. Für den Durchgangsverkehr über den Gotthard nach Luzern und weiter nördlich existierte nun eine Alternative zur Schifffahrt. Ihrer Zukunft wurde daher mit erheblichen Befürchtungen entgegengesehen – zu Unrecht. Zwar entzog die neue Bahnlinie dem Seeverkehr viele Fahrgäste, was sich in einem kurzzeitigen Verkehrsrückgang niederschlug, langfristig führte sie ihm aber viel mehr Fahrgäste zu, als sie ihm entzogen hatte. Jedoch wandelte sich die Struktur des Verkehrs: Der Ganzjahresverkehr verringerte sich, während der Touristenverkehr und damit der Anteil an Vergnügungsreisen wuchs, weshalb eine angenehme Reiseatmosphäre viel wichtiger wurde als zuvor. Die Neuausrichtung schlug sich schon nach wenigen Jahren im Bestreben nieder, auch die letzte der fünf Tagestouren nach Flüelen mit einem Salondampfer zu bestreiten. An die Stelle der «Helvetia» trat hier genau 50 Jahre nach Inbetriebnahme der ersten «Stadt Luzern» ein zu diesem Zweck beschafftes neues Flaggschiff gleichen Namens. Die Route nach Alpnachstad war zunächst nicht mehr als eine Nebenstrecke gewesen. Das änderte sich 1888. In diesem Jahr nahmen sowohl die Drahtseilbahn auf den Bürgenstock als auch die Brünigbahn von Alpnachstad nach Brienz den Betrieb auf, von wo aus eine Schiffsverbindung über den Brienzersee nach Interlaken, einem der Zentren des Tourismus in der Schweiz, bestand. Ein Jahr später wurde sie auf der anderen Seite bis Luzern verlängert, womit ein Konkurrenzangebot zur Schifffahrt geschaffen war. Von Alpnachstad aus führte ab 1889 zudem die Pilatus-Bahn auf den Luzerner Hausberg und ab 1893 eine Drahtseilbahn von Stans auf das Stanserhorn, die die Gäste mit einer Überlandstrassenbahn von Stansstad aus erreichten. 1898 nahm die Schmalspurbahn von Stansstad nach dem aufstrebenden Gebirgsort Engelberg den Betrieb auf. Bis 1888 war die Route auf dem Alpnachersee vor allem von den alten Glattdeckdampfern und dem Halbsalondampfer «Waldstätter» (umgebaut 1879) und in den letzten Jahren auch von der «Helvetia» befahren worden. Nun wandelte sie sich in eine des hochwertigen Fremdenverkehrs, was auch hier den Einsatz von Salondampfern erforderte. Den Anfang machte 1889 der neue Salondampfer «Gotthard». Zu ihm stiess 1895 DS «Pilatus» mit fast gleichen Dimensionen. Der Name des Schiffes gibt zudem einen deutlichen Hinweis auf den Zweck, für den es beschafft wurde. Interessanter Weise entspricht die Grösse beider recht genau der von DS «Jungfrau», das die Brünig-Fahrgäste ab 1898 von Brienz nach Interlaken transportierte. Ergänzt wurde das Duo auf der Alpnach-Route durch den 1897 vom Zugersee übernommenen Salondampfer «Winkelried». Im Winter, ausserhalb der Zeit der Reisesaison, besorgten diese drei Schiffe etwa fünfzig Jahre lang den winterlichen Zweckverkehr zwischen Luzern und Flüelen, dem lange eine Erschliessungsfunktion für den Personen- und Güterverkehr der Uferorte zukam.
Bis 1890 war der verbliebene lokale Güterverkehr in der Zeit nach Betriebsaufnahme der Gotthardbahn meist mit den Kursschiffen auf Deck oder angehängten Nauen befördert worden. Inzwischen hatte er ein solches Ausmaß angenommen, dass nach Ersatzlösungen gesucht werden musste. Der von Waren eingenommene Platz auf Deck fehlte für die zunehmende Zahl von Fahrgästen; das Mitführen der Nauen machte es noch schwieriger, bei steigendem Verkehr den Fahrplan einzuhalten, und auf dem Bahnhofsplatz in Luzern kamen sich Personen- und Güterverkehr immer stärker in die Quere. Es bedurfte neuer Konzepte: Bei Eisenbahngüterwagen wurde auf das Entladen und das Umladen der Güter auf Nauen verzichtet und sie stattdessen auf die beiden ab 1890 beschafften Trajektschiffe geschoben und an ihren Bestimmungsort gebracht. Lokale Massengüter wurden weiterhin mit Nauen befördert und unabhängig von Kursschiffen von Schleppern an ihr Ziel gebracht. Von eiligen Gütern und Stückgut wurden die Kursschiffe grösserenteils entlastet und diese durch einen wieder aufgenommenen täglichen Güterkurs nach Flüelen transportiert. Auf dem den Gotthard querenden Verkehr wählten viele Fahrgäste vor allem bei gutem Wetter zwischen Luzern und Flüelen wegen der höheren Bequemlichkeit und der herrlichen Panoramen das Schiff. Sogar internationale Schnellzüge hielten zum Umsteigen in Flüelen. Dieses Kundensegment stellte neben dem Zubringerverkehr für Kurorte und Bergbahnen die andere bedeutende Einnahmequelle der DGV dar. Um die Jahrhundertwende hatten vier der fünf in der Hauptsaison meist auf der Route nach Flüelen eingesetzten Schiffe das Alter von fast 30 Jahren erreicht. Sie stammten aus der Anfangszeit des Salonschiffbaus in der Schweiz und wiesen schmale Salons auf, in denen die Fahrgäste an einem einzigen in Längsrichtung der Schiffe aufgestellten Tisch speisten. Das entsprach der Table d’Hôte aus der Frühzeit des Fremdenverkehrs in der Hotellerie, während inzwischen Querbestuhlung gewünscht war. Gerade gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam zudem ein verstärktes Verlangen nach Luxus auf. Die Salons der vorhandenen Schiffe waren komfortabel, aber (mit Ausnahme der «Stadt Luzern» II) nicht luxuriös. Das konnte die DGV wegen des Konkurrenzverhältnisses zur Gotthardbahn nicht ignorieren. Es war ihr Schicksal, dass sich keine schweizerische Bahnunternehmung so sehr dem Betrieb des bequemen, schon früh vierachsigen Salonwagens mit zwei modernen Drehgestellen verschrieb wie die Gotthardbahn. Dem musste die DGV mit entsprechend luxuriösen Schiffen entgegentreten. Die Salons 1. Klasse waren dabei das Herzstück des Schiffes. Luxuriöse Ausstattungen erlaubten es den reich gewordenen bürgerlichen Industriellen, sich ihrem Selbstverständnis entsprechend als der neue Adel zu fühlen. Zudem verkürzten sich die Fahrzeiten der Gotthardbahn: Gut eineinhalb Stunden betrug die Reisezeit von Luzern bis Flüelen im Jahr 1883. Durch die Beschaffung leistungsfähiger Heissdampf-Verbund-Dampfloks der Serie A 3/5 konnte sie bis 1913 auf gut eine Stunde verkürzt werden. Die Schiffe mussten also mindestens ihre Fahrzeit halten, obwohl das erhöhte Verkehrsaufkommen mit längeren Liegezeiten eher zur Verlangsamung führte. Daher bestand eine Notwendigkeit zur Beschaffung luxuriöserer, leistungsfähigerer, vor allem auch schnellerer Schiffe. Glücklicherweise waren dafür in diesen ertragreichen Jahren
genügend Mittel vorhanden. So entstanden neue Dampfschiffe in Zweierpaaren: «Uri» (1901) und «Unterwalden» (1902), «Schiller» (1906) und «Wilhelm Tell» (1908) für die vier frühen Salondampfer «Schweiz» (1870, ab 1901 «Schwyz»), «Victoria» (1871), «Italia» (1872) und «Germania» (1872), die nun vor allem auf zusätzlichen Kursen ohne internationale Anschlüsse auf der Flüelen-Route oder zur Verstärkung der Leistungen Richtung Alpnachstad verwendet wurden. Der Druck zur Fahrzeitverkürzung nahm weiter zu, als 1913 die SBB als Nachfolgerin der Gotthardbahn die Vereinbarung über die Verteilung der Gesamteinnahmen auf der Strecke Luzern–Flüelen nach einem festen Schlüssel ohne Rücksicht auf die tatsächliche Nutzung kündigte. Fortan wurde nach tatsächlich benutztem Verkehrsmittel abgerechnet, was die Konkurrenz verschärfte. Die DGV reagierte mit einem Schnellkurskonzept mit Zwischenhalten nur noch in Weggis, Vitznau und Brunnen. Hierfür sollten zudem zwei neue, besonders schnelle Dampfschiffe zum Einsatz kommen. Von dem geplanten Paar wurde die «Gallia» 1913 geliefert, während auf die für 1915 geplante «Austria» wegen des 1914 ausgebrochenen Weltkrieges verzichtet wurde. Auch auf anderen Gebieten stand die DGV neuen Entwicklungen des Schiffbaus aufgeschlossen gegenüber. Die Fortentwicklung des Benzinmotors nutzte die DGV zur Beschaffung von vier kleinen Motorbooten und zur Umrüstung des «Merkur» für den Luzerner Lokalverkehr. Mit MS «Delphin» gelangte 1913 erstmals ein Schiff mit Dieselantrieb zur Flotte. Es war zugleich das erste Motorschiff, das für mehr als leichte sommerliche Fahrten bestimmt war.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges traf die DGV hart. Der hoch profitable Verkehr mit ausländischen Luxusreisenden brach sofort zusammen. Es wäre falsch zu behaupten, die DGV hätte keinerlei Vorsorge für schlechte Zeiten getroffen, aber die Bergbahnaktien, die die DGV erworben hatte, verloren mit Kriegsbeginn dramatisch an Wert. Kohleknappheit zwang im Kriegsverlauf zu immer stärkeren Einschränkungen der Fahrplanleistungen.
Der Anbruch der Nachkriegszeit stellte eine Zäsur in verschiedener Hinsicht dar: Eduard Schmid-Corragioni, 1869 in den Dienst der PDG eingetreten und Verwalter der Schiffe seit Gründung der DGV, quittierte den Dienst. Diese stand vor einer Vielzahl von Problemen gleichzeitig: Die ausländischen Fahrgäste kehrten nur sehr zögerlich zurück, reiche Russen etwa waren von den Bolschewisten oft um ihr Eigentum gebracht oder gar ermordet worden, Deutschland und Österreich litten unter dem verlorenen Weltkrieg. Dazu hatte der Krieg die Mentalitäten gewandelt: Luxuriöses Gebaren entsprach nicht mehr dem Zeitgeist, was sich im gesunkenen Anteil der Fahrgäste der 1. Klasse niederschlug. Durch die vermehrten Sonntagsfahrten der nun bessergestellten einkommensschwächeren Schichten war das nicht auszugleichen. Nach dem Landesstreik hatten sich auf der anderen Seite die Brennstoffkosten und die Personalkosten deutlich erhöht. Noch stärker als die Erhöhung der Bruttolöhne fiel die dafür regelmässig nur noch 48 Stunden betragende Arbeitszeit ins Gewicht. Damit war die DGV im Trajektverkehr den immer zahlreicheren Kleinunternehmern,
die mit Motornauen das Angebot der DGV konkurrenzierten und nicht an Arbeitszeiten gebunden waren, nicht mehr gewachsen. 1920 wurde die Trajektschifffahrt aufgegeben. Die DGV begegnete den Problemen unter Direktor Wanner (1920–1928) mit einem gegenüber der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stark reduzierten Fahrplanangebot, was eine engere Belegung der Schiffe zur Folge hatte, aber zugleich auch den Vorteil brachte, dass nur noch die leistungsstärksten Schiffe eingesetzt wurden. Zum anderen musste die Flotte deutlich effizienter werden: Bis 1923 schieden fünf wenig leistungsfähige Dampfer aus und DS «Helvetia» war erst nach einem Umbau wirtschaftlich einsetzbar. Vor allem für nachfrageschwache Kurse kam ein Dampfeinsatz nicht mehr in Frage. Im Sommer 1921 wurden bereits fünf der zehn Tagestouren durch Motorschiffe bestritten. Die technische Weiterentwicklung des kostensparenden Dieselmotors zur vollen Gebrauchsreife im Ersten Weltkrieg half bei der Rationalisierung des Betriebs: Mit den neuen Motorschiffen «Reuss» und «Rütli» liessen sich viele Kurse nun deutlich sparsamer bestreiten. Mit dem MS «Mythen» wurden durch die neue Schweisstechnik für die Schiffsschale und die Verwendung des Leichtmetalls Aluminium für die Aufbauten weitere Fortschritte erreicht. Als 1929 unter Direktor Düring (1928–1936) die Fahrgastzahlen von 1913 wieder erreicht waren, geschah diese Leistung mit etwa 20% weniger Schiffskilometern. Das bedeutete engere Platzverhältnisse, die man dem erhöhten Anteil der Fahrgäste 2. Klasse zumutete, ist aber auch auf den Einsatz des leistungsstarken neuen Flaggschiffes «Stadt Luzern» zurückzuführen. Die verringerten Schiffsleistungen wurden zudem mit einem bereits erheblich gesteigerten Anteil von Fahrten mit Motorantrieb erbracht.
Die Jahre unter den Direktoren Alexander Perrig (1936–1959) und Emil Schacher (1960–1982) standen neben der Bewältigung der durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Turbulenzen unter der Aufgabe einer durchgreifenden Motorisierung mit Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Flotte. 1933 erbrachten die fünf kleinen Motorschiffe zusammen bereits ein Viertel aller Fahrleistungen. Der nächste Schritt wäre die Ablösung der stark beschäftigten, sommers wie winters eingesetzten mittelgrossen Dampfschiffe gewesen. Sie waren aber vor allem für den Zweckverkehr unentbehrlich und konnten wegen des Gütertransportes nicht durch die schon vorhandenen kleinen Motorschiffe ersetzt werden. Mit dem neuen metallurgischen Verfahren des Schweissens und der Verwendung von Aluminium wären kostensparende und leistungsfähige Schiffe herstellbar gewesen. Es wurde auf dieser Basis die Beschaffung von zwei Motorschiffen mit etwa 400 Personen Tragkraft erwogen. Die Weltwirtschaftskrise mit den wegbrechenden Einnahmen verhinderte aber die Freigabe entsprechender Finanzierungsmittel. Es entstand ein Teufelskreis: Der unrentable Schiffspark vergrösserte wiederum die finanzielle Not der Gesellschaft. Als schliesslich Ende der 1930er Jahre eine Sparversion der Erneuerung in Planung war – unter Verwendung von Teilen der Schalen von DS «Rhein» und DS «Rigi» sollten Motorschiffe erbaut werden –, verhinderte der Zweite Weltkrieg zunächst die Ausführung. Eine Erleichterung stellte 1948 die bewilligte Einstellung der durchgehenden winterlichen Kurse von Luzern auf dem Abschnitt Brunnen–Flüelen dar, an deren Stelle lokale Motorbootverbindungen von Bauen nach Flüelen traten. Die finanzielle Lage besserte sich nach
dem Krieg unerwartet schnell und erlaubte bis 1976 ein umfassendes Flottenneubauprogramm mit acht neuen Motorschiffen, die die SGV alle selbst herstellte. Sie wich dabei von den Konzepten ab, die etwa die Bodan-Werft ihren Neubauten für den Zürichsee, den Bodensee oder die beiden Oberländer Seen zugrunde legte. Das gilt für den hohen Anteil von Aluminium, was zum einen die Herstellung der Schiffe zwar teurer, aber auch wartungsärmer machte, und zum anderen leichtere Schiffe ermöglicht, mehr Fahrgäste an Bord nehmen zu können. Die Schiffe der SGV wurden stets mit Kreuzerheck statt mit Spiegelheck erstellt. Auch hier lag der Herstellungspreis höher, die günstige hydrodynamische Form ermöglichte jedoch Einsparungen beim Treibstoff, was sich bei der hohen Kilometerleistung, die die Schiffe auf dem Vierwaldstättersee Jahr für Jahr zurücklegen, bald bezahlt machte. Andererseits verzichtete die SGV abgesehen von MS «Pilatus» auf die Verwendung von Verstellpropellern und setzte stattdessen auf einfachere und wartungsärmere Festpropeller. Schon früh waren die Schiffe mit hydraulischen Steuerungen versehen, sodass die Voraussetzungen für eine Reduktion der Besatzung in den 1970er Jahren nicht erst nachträglich geschaffen werden mussten. Auf die Schaffung von Sonnendecks hat die SGV bis zum Bau von MS «Diamant» verzichtet. Konventionellen Fenstergrössen blieb die SGV zunächst wegen der Verwendung des Werkstoffs Aluminium aus statischen Gründen treu, während andernorts zum Einbau von grossen Panoramascheiben übergegangen wurde. Aber auch ästhetische Gedanken spielten eine Rolle und die Annahme, die Fahrgäste schätzten beim Essen eine gewisse Geborgenheit. Die in diesen Jahren gebauten Schiffe haben sich bewährt, was auch in ihren hohen Gesamtfahrleistungen und ihrer hohen Lebensdauer zum Ausdruck kommt. Die Beschaffung grosser auf den Sommerbetrieb ausgerichteter Motorschiffe hatte zuerst geringere Priorität. Die erste Phase der Erneuerung in der frühen Nachkriegszeit galt vor allem dem zweckgebundenen ganzjährigen Verkehr, war die Schifffahrt doch noch stark in den Güter-, Post- und Viehverkehr eingebunden. Diese Schiffe legten im Jahr die höchsten Fahrleistungen zurück und ihre Ersetzung verhiess damit den grössten Rationalisierungserfolg. Die Verkehrszunahme in der Nachkriegszeit fiel zudem nicht derart massiv aus wie auf manchem anderen See, weil dem starken Wachstum des Fremdenverkehrs auf der einen Seite die Abwendung des zweckgebundenen Lokalverkehrs zum eigenen Auto und zum Lastwagen, zum Busverkehr am rechten Ufer und auf der anderen Seite der Übergang des öffentlichen Verkehrs nach Stansstad 1964 an die Luzern–Stans–Engelberg-Bahn gegenüberstand.
Zögernd mit MS «Rigi» und entschieden mit MS «Schwyz» begann die Verdrängung grosser Salondampfer durch Neubauten. Die Schalenform des letzteren erwies sich als so gut gelungen, dass sie für «Winkelried»III, «Gotthard»III und «Unterwalden»II beibehalten wurde. 1964 beschloss die SGV ein umfangreiches Flottenerneuerungsprogramm: Alle fünf zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg beschafften Salondampfer sollten im Vierjahresrhythmus durch neue Motorschiffe ersetzt werden. Mit dem Ersatz von DS «Gallia» im Jahr 1986 hätte das Programm abgeschlossen werden sollen, nur die «Stadt
Luzern» sollte erhalten bleiben. Wegleitend waren für die Verantwortlichen die oben beschriebenen Erfahrungen aus den dreissiger Jahren, als das Unternehmen durch den nicht finanzierbaren Ersatz betriebsteurer Dampfer in grosse finanzielle Bedrängnis geraten war. Nach der Fertigstellung von MS «Pilatus» wurde daher sogleich mit einem weiteren Neubau, dem von MS «Gotthard», begonnen. Dessen Inbetriebnahme 1970 und das gleichzeitige Ausscheiden von DS «Wilhelm Tell» traf in der Öffentlichkeit jedoch auf Widerspruch. Die Dampferbewegung, die nun entstand, stellte dem Argument der Wirtschaftlichkeit das der Schifffahrt als Erlebnis entgegen und vertrat den Standpunkt, die Zukunft liege nicht in der blossen Beförderung. Es ist kein Zufall, dass diese Bewegung in einer Zeit des Widerspruchs nach 1968 ihren Ursprung hatte. In ihr sind auch zeitlose Fragestellungen enthalten. Ob Neues oder Traditionelles höher geschätzt wird, hängt von den Zeitumständen ab. Nach Zeiten der Not steht das Neue für Veränderung und eine wirtschaftlichere und damit bessere Zukunft. Die Sehnsucht nach dem Bewahren stellt sich erst ein, wenn Menschen sich durch die Schnelligkeit des Wandels überfordert fühlen, materiell aber in Hochkonjunkturzeiten einen Wohlstand erlangt haben, der es erlaubt, weiteres Wachstum in der Abwägung gegen den Verlust von Liebgewonnenem kritisch zu sehen. So entstanden unterschiedliche Sichtweisen: Die Verantwortlichen der SGV waren geprägt von der Erfahrung, dass eine unwirtschaftliche Dampferflotte das Unternehmen fast erdrosselt hätte. Die Dampferfreunde machten sich diese Betrachtung wirtschaftlicher Aspekte nicht zu eigen und fragten, ob eine zunächst weniger wirtschaftliche, aber erlebnisreichere Schifffahrt langfristig dem Unternehmen nicht dienlicher sei. Wie zeit- und ortsbedingt die Ansichten sind, zeigt ein Blick auf die Reisenden aus Asien: Nostalgische Fahrzeuge erinnern sie an eine Zeit der Armut, der diese Länder gerade entronnen sind, moderne Schiffe wie MS «Saphir» vermitteln ihnen das Gefühl des Anteils an einer Welt des Wohlstandes durch Kauf des Billets. Wer auf yachtähnlich gebauten Schiffen fährt, erlangt Selbstvergewisserung für seinen Lebensweg des Aufstiegs in die Welt der Reichen. Die Gegensätze steigerten sich 1976 noch, als der nächste Neubau «Unterwalden» genannt wurde und damit an der Absicht, den gleichnamigen Dampfer abzustellen, kein Zweifel mehr bestand. Das Argument der höheren Wirtschaftlichkeit eines Motorschiffes liess sich kaum bestreiten. Anders sah die Rechnung aus, wenn den Dampfern finanzielle Unterstützung gewährt wurde. Daran liessen es die Dampferfreunde nun nicht missen. Sie erwirkten grosse Spendenbeiträge für die Dampfschiffe und zeichneten 1977 zudem so viele Aktien der SGV, dass ihre Anliegen dort zur Mehrheit gelangten. Das Schiffsbauprogramm von 1964 wurde daher abgebrochen und stattdessen die Erhaltung der Dampferflotte an die Hand genommen. Der Gegensatz, der das Geschehen um die SGV in den frühen 1970er Jahren geprägt hatte, konnte so in einem überzeugenden Ergebnis aufgelöst werden. Neue Fragen beschäftigten die SGV am Ende dieser Periode – etwa der Gewässerschutz: Anstelle der Einleitung des Brauchwassers in den See rüstete die SGV die Schiffe mit Abwassertanks aus, von wo aus es in die örtlichen Leitungen gepumpt wurde. Nach 1980 verbesserte sich die Sicherheit bei unsichtigem Wetter durch den Einbau von Radaranlagen.
In der Phase unter Direktor Ineichen (1982–1987) änderte sich die Unternehmensstrategie entsprechend den neuen Mehrheitsverhältnissen dahin, die Dampfer zu erhalten. Dieser mit DS «Unterwalden» eingeleitete Prozess fand erst mit Abschluss der Arbeiten an der «Stadt Luzern» 2021 ein vorläufiges Ende. Neben dem Erhalt sollte auch möglichst vielen Fahrgästen die Gelegenheit zu einer Dampferfahrt geboten werden. Deren Fahrleistungen wurden daher ausgeweitet.
Andererseits stand bei schlechtem Wetter, wenn mit geringem Fahrtgastaufkommen zu rechnen war, von nun an oft ein Motorschiff statt eines Dampfers im Einsatz. In Fortführung dieses Gedankens wurden Kurse von untergeordneter Bedeutung, etwa nach Küssnacht, im Fahrplan mit dem Zusatz «verkehrt nicht bei schlechtem Wetter» gekennzeichnet. 1973 war der ganzjährige Lokalverkehr Bauen–Flüelen aufgehoben worden. Auch sonst verminderte sich der lokale Zweck- und der Güterverkehr so stark, dass der Einsatz von MS «Waldstätter» und MS «Titlis» oft ausser Verhältnis zur Benützung stand. Soweit dieser Verkehr trotzdem fortzuführen war, sollten ihn zur weiteren Rationalisierung nun kleinere Schiffe besorgen, wie das 1981 gebraucht erworbene MS «Brisen» vom Bodensee. Zudem wurden in Gersau die Winterkurse nach Brunnen, das also nur noch mit Umsteigen zu erreichen war, gebrochen.
1987 übernahm Hans Meiner (bis 2002), einer der Väter des Schweizerischen Taktfahrplans, die Direktion der SGV. Ein fahrplanmässig gutes, verlässliches Angebot war ihm ein besonderes Anliegen. Die auf das Jubiläumsjahr «700 Jahre Schweizerische Eidgenossenschaft» hin zusätzlich zu beschaffenden drei «Panoramaschiffe» ergaben eine Grundlage, ohnehin auszuführende Kurse künftig bequem und zeitgemäss mit Restauration auszuführen und dadurch zusätzlichen Freizeitverkehr anzuziehen. Hier haben die bis heute vielgenützten Angebote Mittagsschiff und Sonnenuntergangsfahrt ihren Ursprung. Um den Fahrgästen verlässliches Planen zu ermöglichen und da eine Fahrt mit einem der behaglichen neuen Schiffe auch bei unsicherer Witterung einen eigenen Wert bekam, verkehrten die Kurse nun wieder bei jedem Wetter. Zunächst sonntags, später auch werktags verkehrten auch im Winter wieder durchgehende Schiffskurse Luzern–Flüelen, und zwar ganz auf den Freizeitverkehr ausgerichtet. Die neue Unternehmenspolitik der SGV wird auch an der geänderten Entscheidung deutlich, nach dem Mehrbedarf an Schiffen während des Jubiläums 1991 statt wie ursprünglich vorgesehen anstelle von MS «Waldstätter», MS «Titlis» und MS «Mythen» die kleineren Motorschiffe «Neptun» und das erst zehn Jahre zuvor erworbene MS «Brisen» vom Dienst zurückzuziehen. Steigende Fahrgastzahlen belegten den Erfolg der neuen Strategie. Die ursprünglich nur für 1991 vorgesehenen Zusatzkurse zum «Weg der Schweiz» rund um den Urnersee wurden teilweise in den regulären Sommerfahrplan übernommen. Die neuen Angebote, vor allem die Mittags- und die Sonnenuntergangsfahrt, fanden solchen Anklang, dass sich für sie die Beschaffung eines grösseren Schiffes aufdrängte, als es die 1991 in Dienst gestellten waren. So stiess 1998 mit MS «Waldstätter» ein weiterer Neubau zur Flotte.
Nach einem kurzen Intermezzo durch Martin Bütikofer (2002–2005) führt Stefan Schulthess die SGV als Direktor. Aus der Erkenntnis, dass Zuwachsraten im reinen Personentransportsegment nur begrenzt möglich sind, sollte die SGV breiter aufgestellt und diversifiziert werden. Im Jahr 1981 hatte Edwin Schmidli die Gastronomie übernommen und sorgte für die Abrundung des Erlebnisses Schifffahrt, bis 2006 die von der SGV neu gegründete Tavolago diesen Geschäftszweig übernahm. Zudem entstand mit Shiptec ein eigener Betriebsbereich für Bau- und Dienstleistungen, der auch für externe Auftraggeber tätig wird. Durch neue Schiffe sollte zielgenau auf die gewandelten Bedürfnisse der Kunden eingegangen werden. Nach gut zehnjähriger Pause bei der Schiffsbeschaffung entstanden in einem veränderten Umfeld Schiffe, die speziell auf ihre besondere Aufgabe hin entworfen wurden. Der Katamaran «Cirrus» (2009) wurde in einer breiten Form beschafft, um Gesellschaften in nur einem Raum zu befördern, MS «Saphir» (2012) soll vor allem die Fahrgäste aus Übersee ihren Wünschen entsprechend in einer Kurzrundfahrt in modernem Ambiente über den See führen und der Katamaran «Bürgenstock» (2018) dem Shuttledienst zum neuen Ressort seines Namens dienen. Mit MS «Diamant» (2017) ist es gelungen, ein Schiff zu bauen, das gleichzeitig dem Kundenwunsch nach geräumigen Innen- wie Aussenflächen entspricht.
Fahrplanmässig wurde 2009 die Route nach Flüelen auf Taktfahrplan umgestaltet. Weiter ausgebaut wurde die Winterschifffahrt. Auf Seiten der Betriebssicherheit ist zu erwähnen, dass neben der Aufstockung der Rettungsmittel auf 100% der Tragkraft 2011/12 die Schiffe nach und nach mit Brandmeldeanlagen ausgerüstet wurden. Bis zu Beginn des Jahres 2020 erlebte die Schifffahrt einen hervorragenden Zuspruch. Die SGV schien auf guten Wegen – bis die Corona-Pandemie alles änderte. Dies und die damit wegbrechenden Einnahmen stellten sie vor neue Herausforderungen, auch finanzieller Natur. Wird sich und wann wird sich der internationale Reiseverkehr, nun auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, normalisieren? Wie können die stark gestiegenen Treibstoffpreise aufgefangen werden, und noch weitergedacht: Wie lange werden überhaupt noch Schiffe mit CO2-Ausstoss toleriert? Das alles liegt im Dunkel der Zukunft. Halten wir uns also an Verlässliches: Eine Schifffahrt über den Vierwaldstättersee zählt immer noch zu den allerschönsten Ausflügen über einen Binnensee weltweit.

