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Die Gegend
Zu diesem Buch
Mein Interesse für die Geschichte im Allgemeinen und für die Geschichte meines Heimatdorfs im Besonderen wurde schon früh geweckt. Mein Grossvater erzählte mir viel über unsere Vorfahren und die Sage von der verschütteten Stadt Roll. Er übergab mir auch alte Familiendokumente, die er in einer Kiste aufbewahrt hatte. Im Lesezimmer der Pension «Du Lac», die damals von meinen Grosseltern mütterlicherseits geführt wurde, gab es unter anderen auch Geschichtsbücher. Eines, das es mir besonders angetan hatte, war ein grosser Band «Bilder aus der Schweizergeschichte» von Karl Jauslin (1842–1904), in dem Jauslin mit 112 detailgetreuen Zeichnungen die wichtigen Ereignisse der Eidgenossenschaft darstellte.
Schon früh betätigte ich mich im damaligen «Verkehrsverein», erstellte die Grafik für die Prospektwerbung, verfasste die Chroniken zum 75- und 100-Jahr-Jubiläum und Schriften mit Fotos und Texten zu einem Dorfrundgang, zur Ausstellung «Merligen einst und heute» und Infotafeln zur längst verschwundenen Kalkbrennerei und zur Steinverarbeitung. Durch die Politik, als Gemeinderat von Sigriswil war ich auch Dorfpräsident von Merligen, kam ich noch enger in Berührung mit der Gemeinde- und Ortsgeschichte. Mein schon recht umfangreiches Archiv wurde noch erweitert, als mir der Alt-Dorfschullehrer und Alt-Grossrat Hugo Hofer noch die bereits angesengten Dorfgemeindeprotokollbücher, die er beim Abbruch des alten Schulhauses gerade noch aus dem Brandhaufen retten konnte, übergab. Die noch in alter deutscher Kurrentschrift abgefassten Protokolle nahm ich in Verwahrung und machte mich nach meiner Pensionierung daran, sie zu transkribieren.
Diese Berichte aus der Vergangenheit von Merligen (ab 1842) veranlassten mich nun, Ausschnitte davon in einen grösseren Zusammenhang zu stellen und mit dem nun vorliegenden Werk einen Überblick über die Geschichte Merligens zu geben. Ich bin mir bewusst, dass ich damit keine vollständige Chronik von Merligen vorlegen kann, hoffe aber, dass diese Arbeit zusammen mit den früher erschienenen Fotobänden «Rund um Merligen» von Gertrud und Stefan Zwahlen und «Rund ums Merligbad» von Kurt Wittwer den interessierten Mitbewohnern von Merligen und den Gästen die Geschichte des Dorfs näherbringen kann.
Ich danke allen, die mich mit Informationen bedient haben, den Sponsoren für ihre Unterstützung und dem Weber Verlag für die sorgfältige Gestaltung. Sie alle haben zum Gelingen dieses Buches beigetragen. Meiner Frau und Familienmitgliedern danke ich für die Durchsicht der Texte und die Geduld, wenn ich nicht vom Computer wegzubringen war.
Das Dorf liegt auf einer Höhe von 568 Metern am Ufer des Thunersees auf einem Schwemmkegel, direkt am Ausgang des Justistales.


Die Gegend
Merligen liegt im Berner Oberland, einer Gegend, die schon lange als eine der schönsten in der Schweiz bekannt ist. Das langgezogene Dorf erstreckt sich vom Stampbach bis ins Nastel. Dort bildet der steil in den See abfallende Beatenberggrat hinter der Beatenbucht die Grenze. Dazwischen liegt die anmutige Bucht von Merligen mit dem Dorfkern auf dem Delta des Grönbachs, der hier, aus dem Justistal kommend, in den See mündet. In diesem klimatisch begünstigten Teil des rechten Seeufers wachsen Pflanzen, die sonst nur auf der Alpensüdseite vorkommen, wie Edelkastanie, Steineiche, Palme, Feigenbaum, Stechpalme und Orchideen. Dank dieser schönen Lage wurde das Dorf schon früh zum Tourismusort. Der See ist in der Regel friedlich und lädt zum Bade, zum Rudern und zum Segeln ein. Durch Fallwinde, besonders durch den gefürchteten «Twärwind», kann er aber auch zum schäumenden Ungetüm werden. So gab es schon früher hinter der «Nase», da wo der Beatenberggrat steil in den See abfällt, eine Notlandestelle, «zum bösen Rat» genannt. Auf einem Stich von 1827 von Gabriel Lory ist eine dramatische Szene festgehalten.
Merligen gegenüber liegt die Spiezer Bucht mit dem «Goldenen Hof». Das Schloss war ursprünglich im Besitz der Freiherren von Strättligen, ab 1338 gelangte es an die Adligen von Bubenberg und 1516 an die von Erlach, die noch bis 1875 hier residierten. Dahinter ragt die klassisch schöne Pyramide des Niesens auf, eingefasst von den Talausgängen des Kander- und Simmentals. Anziehungspunkte waren früher auch die Wallfahrtsorte Beatushöhle, St. Michael zu Einigen und «Unsre liebe Frau» in Scherzligen. Nach der Kirche Einigen «Im Paradies» führt das legendäre «Beatus-Weglein» über den See.


Der «Twärwind» kann zum schäumenden Ungetüm werden. Eine Notlandestelle, wie auf diesem Stich von Gabriel Lory aus dem Jahr 1827 festgehalten.
Das Schloss Spiez auf der anderen Seeseite spielte politisch im Mittelalter eine grosse Rolle im heutigen Berner Oberland.
Die mächtige pyramidenförmige Gestalt des Niesen dominiert die Ansicht von der Merliger Seite her.
Bei bestimmten Wetter- und Windbedingunge kann das «Beatus-Weglein» auf dem See wahrgenommen werden.



Der Freienhof in Thun diente früher als Umladeplatz für die Transporte auf dem See.
Bevor gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Dörfer am Thunersee mit Strassen erschlossen wurden, wurden die meisten Güter auf dem See transportiert.



Der mächtige Donjon des Schlosses Thun musste zur Zeit dessen Erbauung um das Jahr 1200 den Menschen Eindruck gemacht haben. Denn Thun war damals ein kleiner Fleck.