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EDITORIAL
from ThunMagazin 02/11
by WEBER VERLAG
Liebe Leserin, lieber Leser
Peter Siegenthaler
Am Samstag kaufe ich in der Regel auf dem Frischproduktemarkt ein. Bei Frau Furer den Ankenzopf –den kann man übrigens auch am Mittwoch immer noch sehr gut fertig aufessen. Auch Käse hat sie, der den Namen verdient. Nichts da von Weight-Watchers und kalorienarmer, nach nichts riechender Chemiemassenware. Einfach noch Käse. Vollfett! Bei Frau Furer hat es fast immer eine Warteschlange. Was mich immer ein wenig an die Mangelwirtschaft der früheren DDR erinnert. Wenn ich dann nach Hause gehe und dummerweise beim Durchsehen des Briefkastens bei der Werbung lande, dann überkommt mich ein ganz schlechtes Gefühl. Nichts da von Vollfett! Bifidus und Magerquark, light und zero, blaue und gelbe Milch, welche ganz bestimmt nie in der Nähe einer Kuh war. Die Produkte, die ich bei Frau Furer gekauft habe, kommen in dieser Gesundheitswerbung nicht vor. Sie sind wohl zu «ungesund». Aber ich mag sie halt und kaufe auch künftig dort ein.
Ich mag den allgemeinen Gesundheitsfanatismus nicht. Menschen, die mit achtzig noch über Gartenzäune springen, machen mir Angst. Ich kann das schon mit knapp fünfzig nicht mehr und möchte es auch nicht wieder lernen. Hinzu kommt noch, dass ich Pfeife rauche, und wäre da nicht noch der Hund, würde ich mich auch kaum genug bewegen. Sport treibe ich keinen, und schlafen tue ich auch zu wenig. Wann sollte ich auch? Ich muss doch am Sonntagmorgen Frau Furers Zopf und Käse essen. Das ist mir heilig. Da verzichte ich lieber auf alles, das offenbar so gesund ist. Und endlich sollte ich auch noch das Buch fertig lesen: «Esst endlich normal! Wie die Schlankheitsdiktatur die Dünnen dick und die Dicken krank macht.» Udo Pollmer heisst der Autor.
Peter Siegenthaler, Gemeinderat Vorsteher der Direktion Sicherheit und Soziales
