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Gemeindewahlen 2010: Das Stadtpräsidium – ein

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WETTBEWERB

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Das Stadtpräsidium –ein «Machtposten»?

Demnächst –am 28. November 2010 –sind in Thun Wahlen. Wie alle vier Jahre werden Gemeinderat und Stadtrat neu gewählt. Wohl erst am 12. Dezember wird klar, wer Stadtpräsidentin oder Stadtpräsident wird. Wie viel Macht wird er oder sie wirklich haben?

Sie waren die Vorgänger Hansueli von Allmens im Amt des Stadtpräsidiums, von links: Paul Kunz, FDP, von 1919 bis 1926 und von 1939 bis 1952; Eduard Amstutz, FDP, von 1927 bis 1938; Emil Baumgartner, FDP, von 1952 bis 1970; Ernst Eggenberg, SP, von 1971 bis 1990.

173 Kandidatinnen und Kandidaten möchten im 40-köpfigen Thuner Stadtrat, 28 im fünfköpfigen Gemeinderat, der Stadtregierung, Einsitz nehmen. Und eine Kandidatin plus fünf Kandidaten möchten gar Stadtpräsidentin oder Stadtpräsident werden. Nach dem Wahlwochenende vom 28. November wird klar sein, wer in den nächsten vier Jahren Stadträtin oder Stadtrat, Gemeinderätin oder Gemeinderat sein wird. Welches Gemeinderatsmitglied aber wird als Stadtpräsidentin oder Stadtpräsident die Nachfolge von Hansueli von Allmen antreten? Aufgrund des Wahlsystems für das Stadtpräsidium wird dieser wichtige Entscheid wahrscheinlich erst in einem zweiten Wahlgang am 12. Dezember fallen (siehe Kasten). Was bedeutet das offensichtlich begehrte Amt des Stadtpräsidiums überhaupt?

Stadtpräsidentin oder Stadtpräsident ist ein «Machtposten» –stimmt das wirklich? Die Frage geht an einen, der es nach 20 Jahren Erfahrung wissen muss: Hansueli von Allmen, noch bis zu seinem Rücktritt Ende Dezember Stadtpräsident (s. auch S. 4–7). Er meint dazu: «Natürlich gibt das Amt viele Möglichkeiten, zu gestalten, Impulse zu setzen oder Entscheide zu beeinflussen. Grenzen setzt die Stadtverfassung, die dem Gesamtgemeinderat bestimmte Kompetenzen zuordnet.» Einfluss erhält der Stadtpräsident aller dings dadurch, dass er –zumindest nach bisheriger Aufgabenteilung –die in fast allen Geschäften gewichtig mitentscheidende Finanzdirektion führt. Was hat der Stadtpräsident oder die Stadtpräsidentin im Gemeinderat zu sagen, dessen Mitglied er ja ist? Die Aufgabe scheint banal: Er oder sie «leitet die Sitzungen des Gemeinderates», heisst es in Art. 49 der Stadtverfassung. Zudem sorgt er oder sie für die «Erledigung der Aufgaben des Gemeinderates» und «stellt sicher, dass der Gemeinderat seine strategischen Aufgaben wahrnimmt». Doch im fünfköpfigen Regierungsteam, dessen Mitglieder in einer gewissen Konkurrenz stehen, ist dies nicht ganz so einfach. Hansueli von Allmen dazu: «Die Sitzungsleitung und der Stichentscheid in Pattsituationen sind eigentlich alles, was die Sonderstellung des Stadtpräsidiums ausmacht. Im Übrigen ist er oder sie Primus oder Prima inter Pares –der oder die Erste unter Gleichen –und nicht Chef!»

INFO

Gemeinderat ab 19 Uhr, Stadtrat ab 21 Uhr im Internet

Am Wahlsonntag, 28. November, werden die Ergebnisse der Thuner Wahlen im Internet auf www.thun.ch/wahlen abrufbar sein: Die Namen der gewählten Gemeinderatsmitglieder ab etwa 19 Uhr, die Namen der gewählten Stadtratsmitglieder ab etwa 21 Uhr.

Was zeichnet denn das Amt letztlich aus? Immerhin sechs Kandidatinnen und Kandidaten streben es ja an! Der Stadtpräsident oder die Stadtpräsidentin ist natürlich eine Persönlichkeit, mit der man eine Stadt identifiziert. Sie vertritt die Stadt nach aussen. Das ist überall so. Die Namen der Stadtoberhäupter kennt man in der Regel weit über ihren Wirkungsbereich hinaus.

Hat man als Stadtpräsidentin oder Stadtpräsident überhaupt noch ein Privatleben? «In der Stadt oder Region Thun kann ich natürlich kaum an einem Anlass teilnehmen und sagen, ich sei ‹privat› anwesend», meint Hansueli von Allmen dazu, aber: «Beim Velofahren, in den Ferien ausserhalb von Thun, oder wenn ich daheim bin, empfinde ich das Amt nie als einschränkend für das Privatleben.» Bekannt ist auch, dass sich der heutige «Stapi», unterstützt von seiner Frau Anita, perfekt organisierte, was das Privatleben ebenfalls ent las tet.

Was ist das Schönste, was das Belastendste am Stadtpräsidium? Für Hansueli von Allmen ist klar: «Stadtpräsident von Thun zu sein –in dieser tollen Stadt –ist einmalig. Nie hätte mich etwas anderes mehr gereizt. Und wer dieses Amt gerne ausübt, ist auch bereit, dafür viel zu arbeiten. Belastend und unerfreulich waren für mich in den letzten Jahren aber der sich verschlechternde politische Stil, die zunehmende Misstrauenskultur und die abnehmende Bereitschaft für gemeinsame Lösungen.»

Text: Jürg Alder Bilder: Archiv Thuner Tagblatt/zvg

INFO

So wird das Stadtpräsidium gewählt

Wer in Thun Stadtpräsidentin oder Stadtpräsident werden will, muss die Kandidatur angemeldet haben und zunächst die Wahl in den Gemeinderat schaffen. Diese Wahl erfolgt nach Parteienstärke bzw. nach dem Proporzsystem –für einen der fünf Sitze braucht eine Partei 16.66 Prozent der Stimmen. Für das Stadtpräsidium gilt das Majorzsystem, d.h. eine Kandidatin oder ein Kandidat muss das absolute Mehr –die nächst höhere ganze Zahl der Hälfte der Stimmen –erreichen.

In Thun bewerben sich sechs Personen ums Stadtpräsidium. Daher ist es fast ausgeschlossen, dass eine von ihnen das absolute Mehr am 28. November erreicht. Am 12. Dezember wird ein zweiter Wahlgang erfolgen, an dem alle in den Gemeinderat Gewählten teilnehmen können. Sie müssen aber explizit fürs Stadtpräsidium kandidieren. Wer am 12. Dezember am meisten Stimmen erhält, ist das neue Stadtoberhaupt von Thun.

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