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MENSCHEN

Bogen von Architektur-Design zur Kultur

Ueli Biesenkamp revolutionierte in den 70er-Jahren die Möbelbranche mit seinen Kreationen, gestaltete eigene Kollektionen, vermarktete Klassiker. Nun belebt der 68-Jährige mit einem Kreativkonzept die ehemalige Selve-Halle 6 – das neue Thuner Kulturzentrum.

Ueli Biesenkamp definiert den Raum über Möbel… …im kreativen Umfeld der Halle 6 aus der ehemaligen Selve-Zeit.

Ueli Biesenkamp, Sie designen und handeln mit Möbeln, erstellen Konzepte zu Systemen, dozieren über Kultur, engagieren sich als Kunstförderer – als was fühlen Sie sich wirklich? Als Designer und Vermittler von allem, was mit Kultur zu tun hat.

Sie sind überall erfolgreich, gewinnen Preise und Wettbewerbe. Ist dies Talent oder harte Arbeit? Bei mir ist das sicherlich harte Arbeit. Ein Interesse daran, wie ich es für Design und insbesondere für Möbel habe, ist natürlich Voraussetzung.

Verfügen Sie eher über einen ausgeprägten Sinn für Funktionalität oder fürs Design? Oder über beides? Design ist Funktionalität! Richtiges Design ist preisbewusst, hat eine ausgezeichnete Funktion – daraus ergibt sich die Form von selber. So funktioniert langlebiges Design. Wer primär die Form sucht, kommt nicht ans Ziel.

Sind Sie auch persönlich ein «aufgeräumter» Mensch? Ja. Design heisst für mich, den Sachen so weit auf den Grund zu gehen, bis man nichts mehr wegnehmen kann. Das gilt auch dort, wo man wohnt. Nur das Allernötigste hat Platz, aber die Funktion muss stimmen.

Was inspiriert Sie bei Ihren Kreationen und Konzepten? Hauptsächlich die Architektur, sie ist für mich wichtig, sie ist langlebiger als die Möblierung. Architektur bedeutet für mich Zukunft – sie zeigt mir auf, wie die Nutzung später aussehen muss. Verraten Sie uns noch etwas mehr über Ihre Person, über Ihr Privatleben? Mir geht es darum, dass ich Spass habe an allem, was ich mache. In meinem Leben habe ich nichts anderes gemacht, als darauf hin gearbeitet. Sobald ich merkte, dass mich etwas quälte, habe ich dies sofort losgelassen, auch wenn es schmerzte. Mit dieser Einstellung bin ich alt geworden – in der Rückblende würde ich es wieder so machen.

Und in der Freizeit? Pflegen Sie ein Hobby? Ich unternehme gerne Reisen, am liebsten bin ich mit dem Motorrad unterwegs. Oftmals mit Kollegen, das gibt eine gute Bindung. Wenn ich genussvoll nach Sizilien fahre, nehme ich die Harley-Davidson. Für eine 14-tägige Fahrt durch Norwegens Wälder eignet sich die BMW besser.

Weshalb suchten Sie als 68-Jähriger mit der Halle 6 eine neue Herausforderung? Im Jahre 2002 habe ich als Geschäftsführer der Firma Alinea die Aktivitäten übergeben. Wir mussten wegen der Nachfolgeregelung die Firma zuerst zu hundert Prozent übernehmen. Dann hat mein Sohn Marc als CEO die Leitung der neuen Firma das KONZEPT übernommen. Damals wollte ich für weitere fünf Jahre dabei bleiben, um zu sehen, wo die Zukunft der Firma liegt.

Und dann kam die Halle 6 dazwischen? Wir brauchten Raum, um unsere Ideen zu zeigen. In der Stadt ist das nicht möglich, auch nicht zahlbar. Die Halle 6 beim Eingang

Lassen Ueli Biesenkamps Herz höher schlagen: Motorräder…

zu einem neuen Stadtgebiet liegt ideal für unsere Idee, Kultur umzusetzen und der Bevölkerung Design breiter mitzuteilen.

Wie sind Sie das Projekt in der denkmalgeschützten Halle der ehemaligen Selve aus der Zeit der Industrialisierung angegangen? Es war ein Wagnis, weil wir nicht wussten obs funktioniert. Nachdem wir den Zuschlag erhalten hatten, bin ich durch ganz Europa gereist und habe Industriebrachen besucht und mich informiert, was andere daraus machten. Es war sehr eindrücklich aber auch ernüchternd, der Kommerz hat vielerorts die Kultur zerstört. Entscheidend war: ich habe nirgends was Schöneres gesehen als die Halle 6 in Thun.

Und was bieten Sie darin an? Wir nutzen die Halle einerseits für unser Business, andrerseits bieten wir sie für kulturelle Aktivitäten und das Restaurant für geschlossene Anlässe an. Eine gewisse Anzahl Buchungen für Events und Kongresse bilden den Rahmen, die freien Termine bilden Raum für Eigen- oder Co-Produktionen. Wir wollen die Thuner Veranstalter nicht konkurrenzieren, wir wollen neue Besucher nach Thun holen und die Stadt beleben.

Funktionieren Business, Kultur und Gastronomie neben einander? Wir haben virtuelle Räume erzeugt, neue Podeste entwickelt, die nur gesteckt werden und schnell verschiebbar sind. Das Holz bietet einen schönen Kontrast zum Rest der Halle. Darauf zele-

…und kreative Alltagsgegenstände, wie diese Lampe aus einer 10er-Serie.

brieren wir Innenarchitektur und Büroplanung. Die Mobilität, die wir kreieren, leben wir auch. In unserem Team hat niemand einen fixen Arbeitsplatz, wir passen ihn den Begebenheiten an.

Gibts bei der Umsetzung Hürden, die Ihnen speziell Sorgen bereiten? Die grössten Hürden haben wir natürlich bereits genommen. Es war nicht einfach, unsere Idee zu verbreiten. Es waren Unsicherheiten vorhanden und wir mussten uns mit lähmenden Entscheiden des Gesetzgebers auseinandersetzen. Aber jetzt sind wir dort, wo wir hin wollten – man sieht, dass es läuft.

Früher wurden in Halle 6 Buntmetallprofile produziert. Heute kreieren Sie Möbel und organisieren Events. Schreiben Sie die Selve-Geschichte weiter? Ja, wir wollen die Geschichte weiterschreiben, indem wir gut zur fast hundertjährigen Halle schauen. Früher waren es fauchende Maschinen, heute dominieren Lampen, Möbel und Scheinwerfer. Der neue Kontext, der hier entsteht, passt sehr gut in die Halle.

Was brauchts noch, damit die Konzepthalle 6 zum grossen Szenentreffpunkt avanciert? Es braucht jetzt Kontinuität im Konzertangebot und bei den Events. Zudem erfreut sich das Restaurant einer grösseren Nachfrage, als wir bieten können und sollte deshalb erweitert werden. Wir hoffen, dass wir diese Situation verbessern können.

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