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Modellieren statt Präparieren

Schöne Zähne werden unseren Patienten immer wichtiger. Komposite haben sich bewährt, um invasive und teure Therapien zu vermeiden. Nachfolgend eine Einführung in das Know-how des Kompositaufbaus.

Lückig oder verschachtelt stehende Zähne, invertierte, rotierte oder abgeknirschte Zähne: Viele Fehlstellungen in der Front können Patienten in der Interaktion mit anderen Menschen einschränken.

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Hier können wir helfen, indem wir Kompositaufbauten erstellen, die den sieben Kriterien für eine ästhetische und harmonische Frontzahnsituation entsprechen.

Diese Methode ist für Patienten interessant, die hohe Kosten, eine langwiege Behandlungsdauer oder invasive Therapien scheuen (Abb. 1 und 2).

1Lückige Front mit verspannter Lippenhaltung und schiefem Inzisalkantenverlauf

2Umformung mit Komposit: Lückenschluss, Verlängerung der Inzisalkanten. Deutlich entspanntes Lippenbild.

Frontzahnanalyse mit der 60-LADA-Regel

Zunächst wird mit dem 60-LADA-Check bestimmt, was den unharmonischen Eindruck der OK-Front verursacht und welche Zähne wie verändert werden sollten. Oft wird dabei das Hauptthema sichtbar, z. B. zu breite Dreier, schiefe Zahnachsen, fehlende interinzisale Dreiecke usw. Die 60-LADA-Regel vereint alle ästhetischen Kriterien in einer Eselsbrücke: 60 = 60-Prozent-Regel L = Lachlinie A = Achsenlinien D = interinzisale Dreiecke A = Anatomie

60 = 60-Prozent-Regel

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Die Breite eines Zahns 12/22 beträgt von frontal betrachtet 60 Prozent der Breite eines Zahns 11/21. Die Breite eines Eckzahnes beträgt von frontal betrachtet 60 Prozent der Breite eines lateralen Inzisivus (Abb. 3).

L = Lachlinie

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Beim Lächeln verläuft die obere Unterlippenkontur parallel zu den Inzisalkanten der OKFrontzähne (Abb. 4). Diese Regel hilft dabei zu entscheiden, ob als „Hasenzähne“ empfundene sehr lange Einser gekürzt werden könnten, oder ob es besser wäre, die Zähne 12 und 22 zu verlängern.

A = Achsenausrichtung der Zähne

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Die Zahnachsen der OK-Frontzähne neigen sich von den Einsern ausgehend, vermehrt zur Mittellinie. Das heißt, dass die Zahnachse des Dreiers stärker zur Mittellinie geneigt ist als die Zahnachse des Einsers (Abb. 5).

D = interinzisale Dreiecke

Die interinzisalen Dreiecke sind zwischen den mittleren Inzisivi klein, zwischen mittleren und seitlichen Inzisivi größer und zwischen lateralem Inzisivus und Caninus am größten. Die Größe der Dreiecke resultiert aus der Ausarbeitung der Winkelmerkmale 6 (Abb. 6).

A = Zahnanatomie

Diese besteht aus drei wesentlichen Komponenten: 1. Konturlinie (blau): mesial gerade, distal runder 2. Winkelmerkmal (rot): mesial eckig, distal rund 3. Kantenlinie (grün): mesial gerade, distal rund. →Frontzähne im OK sind mesial eckiger und gerader als distal (Abb. 7).

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Winkelmerkmal und Kantenlinie sind wesentlich für das Endergebnis und machen die Arbeit mit optischen Illusionen möglich.

Meist gilt: l die Einser sollten mindestens so lang sein wie die Dreier, gerne einen Millimeter länger. l Die Zweier sollten etwa ein bis zwei Millimeter kürzer sein als die Zweier.

Mockup am Patienten

Das direkte Mockup (z. B. mit abgelaufenem Komposit) macht dem Patienten das Ergebnis direkt erfahrbar und zeigt dem Behandler, wo Schwierigkeiten liegen könnten.

Vorschlag: Machen Sie ein Foto (einfach auch Selfie des Patienten), dann kann der Patient zuhause nochmal darüber nachdenken, ob er es so möchte.

Das Mockup ist eine grobe Annäherung. Die Farbe sollte gern etwas heller als die eigenen Zähne sein, denn der Patient kann schlecht zwischen dunkler Farbe und schönerer Form unterscheiden.

Tipp: Hier sollte man nicht mit Material sparen, der Finger ist der beste Spatel für die erste Positionierung des Materials, dann kann mit einem Heidemannspatel die Zahnanatomie, vor allem die Konturlinie und Zahnlänge bestimmt werden. Die ungefähre Zahnlänge sollte man immer aus der 6-Uhr-Position ermitteln.

Fallbeispiel

Die Patientin hatte den Eindruck, „Mäusezähne“ zu haben.

Check mit der 60-LADA-Regel: 60 %-Regel? Das Breitenverhältnis ist in Ordnung. Lachlinie? Ist hier nicht beurteilbar, 11 und 21 sollten aber so lang wie 13 und 23 sein. Achsenlinie? Ist in Ordnung. Interinzisale Dreiecke? Sind zu ausgeprägt, daraus resultiert ein unruhiges Erscheinungsbild = 1. Hauptthema: Wie kann man optische Ruhe erreichen? Anatomie? Wir sehen schmale lange Zähne, die noch länger sein müssten, um die Zahnlänge von 13 und 23 zu erreichen = 2. Hauptthema: wie kann man die Zähne breiter wirken lassen, ohne dass sie länger aussehen? (Abb.8)

Zur Lamination: Chairside Übersicht zur 60-LADA-Regel

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Unruhiges Zahnbild mit schmalen Zähnen

Mock-Up mit Komposit: Ziel: Prüfung, ob eine Verbreiterung der Zähne zum gewünschten Ergebnis führen könnte und dem Patienten als Resultat reichen würde. Therapieansatz: Verbreiterung der schmalen Zähne durch Abdecken der Mesialflächen der Zähne 12 und 22 mit einer Verbreiterung der Einser distal. Abdecken der Mesialflächen der Zähne 13 und 23 mit einer Verbreiterung der Zweier nach distal. So bleibt die 60-Prozent-Regel gewahrt. Verlängerung von 12–22 mit Ausformung sehr kleiner interinzisaler Dreiecke, um das Erscheinungsbild zu beruhigen (Abb. 9).

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Skizzenhaft appliziertes Komposit nach der Aushärtung

Ausführung in Komposit: Die deutlich kleinen interinzisalen Dreiecke dienen hier dem Ziel, die Zähne möglichst breit wirken zu lassen. Würde man die Winkelmerkmale hier betonen, sprich: Substanz abtragen, würden die Zähne wieder schmaler wirken (Abb. 10).

Umsetzung bei einer Umformung von 13 auf 23

1. Schritt: Prüfen, ob der Aufbau einer Eckzahnführung notwendig ist.

Scherkräfte bei Laterotrusion führen leicht zum Chipping von Komposit. Daher sollte ggf. der Aufbau einer Eckzahnführung mit Komposit erfolgen (Abb. 11).

2. Schritt: Für die Zeitersparnis gleichzeitiger Aufbau von 22 und 11. Bestimmung der endgültigen Zahnlänge und vor allem der geraden Mittellinie mit der groben Soflexscheibe (ohne Wasser) am sitzenden Patienten (Abb.12).

3. Jetzt Aufbau der Zähne 21 und 12 (Abb. 13).

4. Wenn dominante Eckzähne schmaler wirken sollen:

Beispiel: 13 wirkt von frontal so breit wie 12 (Abb.13a).

Lösung: Zahn 12 wird nach vestibulär im distalen Anteil aufgebaut, die Mesialfläche des Zahnes 13 wird so verdeckt und wirkt schmaler.

5. Zahnlänge, Winkelmerkmale, Kantenlinien und damit die optische Breite der Zähne und die Natürlichkeit der

Zahnform werden am sitzenden Patienten ermittelt. Am besten geeignet ist die große und grobe Soflexscheibe (dunkelorange) ohne Wasserzufuhr.

6. Vorpolitur: Individualisierungen wie labiale Einziehungen und weitere Strukturen auf der Labialfläche werden z. B. mit einer Flamme hinzugefügt. Dann erfolgt die erste Politur mit z. B. Brownies (Abb. 14).

7. Die Feinjustierung der Zahnlänge und Form erfolgt gemeinsam. Der Patient sitzt aufrecht und hält zur Beurteilung einen Handspiegel. Cave: Bei größeren Veränderungen möchten die Patienten tendenziell zur alten

Zahnlänge und zu schmaleren Zähnen zurück. Hier empfiehlt sich ein zweiter Termin für die Feinpolitur, um dem

Patienten die Zeit zur Umgewöhnung zu geben.

8. Die Feinpolitur erfolgt z.B. mit dem Greenie und abschließend mit der Occlubrush. Lichtreflexe auf dem Zahn lassen ihn natürlich erscheinen (Abb. 15 und 16). Brownie und Greenie für den Schnellläufer, hohe Drehzahl, viel Wasser, wenig Druck (Abb. 17).

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Fertige Arbeit mit ruhigem Erscheinungsbild

11 Ohne Eckzahnführung wird die Front wieder abradiert werden. Ein Aufbau ist nicht sinnvoll, da der Aufbau einer Eckzahnführung hier ohne KFO nicht möglich ist.

12 Am sitzenden Patienten sieht man, dass die Mittellinie nicht gerade ist. Diese kann jetzt mit der Soflexscheibe exakt bestimmt werden.

a b

13 a. Die Mesialfläche des Zahnes 13 wird durch den vestibulärdistalen Aufbau an 12 verdeckt, 13 wirkt so schmaler. b. Zahn 21 wird durch Aufbau an 11 gespiegelt. Auch Zahn 22 bekommt ein Veneer und lässt 23 schmaler wirken. Der Gesamteindruck wurde beruhigt, die charakteristische Stellung der Einser wurde erhalten.

14

Mit der Flamme kann die Labialfläche des Zahnes strukturiert werden.

15 Alte Füllung Klasse IV 16 Füllung mit lebendiger Oberfläche und Lichtreflexen

17

Brownie und Greenie für den Schnellläufer und Occlubrush

a. Kantenlinie mesial weit außen: Zahn 12 wirkt breiter. b. Kantenlinie mesial nach innen verlegt: Zahn 12 wirkt schmaler.

Lückige Front mit nach außen weisenden Zahnachsen und falschem Breitenverhältnis der Zähne.

a b 18

19

Das Auge misst nicht, es vergleicht. Glücklicherweise kann das Auge nicht messen. Was während der Umformung absurd erscheint (s. Abb.12), wirkt am Ende harmonisch. Damit können viele schwierige Frontzahnsituationen gelöst werden.

Optische Illusionen mit Kenntnis der Zahnanatomie

Die wichtigsten Problemlöser sind das Winkelmerkmal und die Kantenlinie (Abb. 18–20).

Breite Zähne schmaler erscheinen lassen:

l Winkelmerkmale betonen = interinzisale Dreiecke werden größer l Kantenlinien zur Zahnmitte hin „verlegen“ (Abb. 18) l Betonung der beiden Einziehungen auf der Labialfl äche l Inzisalkante dezent einkerben in Verlängerung der

Vertiefungen (vorher mit dem Patienten absprechen)

Schmale Zähne breiter erscheinen lassen:

l Winkelmerkmale nur dezent ausarbeiten = kleine interinzisale Dreiecke l Kantenlinien weit nach außen verlegen, fast kongruent zur Konturlinie l Keine Vertiefungen auf der Labialfl äche, keine Ein- kerbungen inzisal l Ausgeprägte distale Konturlinie verbreitert optisch

Lange Zähne kürzer erscheinen lassen:

l Deutliche zervikale und inzisale Kantenlinie l Keine Betonung der Winkelmerkmale = Zahn wirkt breiter l Betonung der distalen Konturlinie = Zahn wirkt breiter l Querrillen bei der Politur ausarbeiten

Kurze Zähne länger erscheinen lassen:

l Keine Kantenlinien zervikal und inzisal, wenn passend, d. h., wenn die Zähne dadurch nicht zu schmal werden:

Betonung der Winkelmerkmale

Fallbeispiel

Problem: Lückig stehende Zähne, die Zahnachsen weisen von der Mitte weg, 60-Prozent-Regel nicht stimmig. Zahn 12 ist so breit wie Zahn 13 (Abb. 19). Ziel: geschlossene Lücken, ohne die Zähne zu breit wirken zu lassen. Th erapie mit Kompromissen: Lückenschluss mit jeweiliger distaler Verbreiterung von Zahn 12 und 22, um die Mesialfl ächen von Zahn 13 und 23 abzudecken. Ebenso Verbreiterung von Zahn 11 und 21 nach distal, um die Mesialfl ächen der Zweier abzudecken. Starke Betonung der interinzisalen Dreiecke durch starke Ausarbeitung der Winkelmerkmale, um die Zähne nicht zu breit wirken zu lassen.

Kompromisse: 1. Achsenaufrichtung nicht optimal, man hätte sonst noch mehr Komposit vestibulär-zervikal auftragen müssen. 2. Interinzisales Dreieck zwischen Zahn 11 und 21 zu groß, um Zähne schmal wirken zu lassen. 3. Reduktion von Zahn 13 labial, um starke Achsenneigung nach außen zu reduzieren (Abb. 20).

Viele Kompromisse, aber für die Patientin ein zufriedenstellendes Endergebnis

20 Der Lichtreflex auf den mesialen Kantenlinien ist entscheidend für die Breitenwirkung des Zahnes. An den mittleren Inzisivi sollte er spiegelbildlich sein.

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Kontraindikationen

Da Komposit bei der normalen Abbissfunktion sehr haltbar ist – auch bei rein inzisalen Verlängerungen bei Bisshebungen – aber schlecht mit Scherkräften umgehen kann, sind Arbeiten in folgenden Fällen nicht sinnvoll: l Bruxer, die nachts keine Schiene tragen wollen/können l Patienten, die Nägel kauen l Patienten, die ihre Zähne nutzen zum Öffnen von Chipstüten, Ausziehen von Handschuhen usw. l Bruxer ohne Eckzahnführung.

Komposit ist Plaque-affiner als der eigene Zahn oder Keramik. Bei PA-Patienten mit schlechter Mundhygiene sollte nur nach gründlicher Aufklärung mit Komposit gearbeitet werden.

Der Aufbau invertiert stehender Frontzähne führt meist dazu, dass aus der Inzisalkante eine „Inzisalfläche“ wird. Das beeinträchtigt die Funktion nicht, im Gegenteil, diese stabilen Aufbauten sind sehr langlebig.

Typische Fehlerquellen

l Nicht Einhalten der vom Hersteller angegebenen Einwirkzeiten des Bonding-Systems. Ich verwende Zweiflaschen-Systeme wie Optibond FL. l Ausarbeiten der Zahnform, Zahnlänge und Mittellinie, ohne den Patienten aufgesetzt zu haben. l Farbwahl mit dem OP-Licht. Einfaches Deckenlicht oder besser Tageslicht, sind optimal. Farbwahl immer als erstes, bevor der Zahn austrocknet. l Zähne haben alle die gleiche Länge, das wirkt abradiert und/oder künstlich. l Zu wenig Betonung der Winkelmerkmale l Kein Lichtreflex auf der mesialen Kantenlinie (Abb. 21) l Ausarbeitung/Politur der Zahnoberfläche mit Soflexscheiben l Keine Symmetrie von Zahn 11 und 21 aus jeder Blickrichtung: von inzisal, aus der 12-Uhr-Position, am sitzenden Patienten. Der Verlauf der Kantenlinie sollte an Zahn 11 und 21 spiegelbildlich sein. Materialien und Instrumente

Bei jedem Kompositsystem muss man sich mit der Transparenz und Opazität vertraut machen, um gute und natürliche Ergebnisse zu erzielen. Meist führt der Klassiker zu einem schönen Ergebnis: Zervikales Drittel – eine ein Ton dunklere Farbe als die gewählte Zahnfarbe, die inzisalen zwei Drittel mit der gewählten Hauptfarbe und im inzisalen Drittel die dazu passende Schmelzfarbe verwenden. Das bedeutet, dass jede Schichtdicke nach der Applikation und vor dem Aushärten von inzisal geprüft werden sollte, um abzuschätzen, ob z. B. eine Schmelzschicht noch Platz haben würde, ansonsten würde die Schmelzschicht beim Ausarbeiten wieder entfernt.

Es gibt von unterschiedlichen Herstellern Komposit-Spatel, an denen das Komposit nicht klebt, diese sollten möglichst breitflächig und lang sein.

Fazit

Mit Komposit können bei Anwendung der 60-LADA-Regel unharmonische Frontzahnsituationen noninvasiv und kostengünstig therapiert werden. Bei Vermeidung von Scherkräften können solche Restaurationen bis zu zwanzig Jahre halten. Kompositveneers haben allerdings einen gewissen Wartungsbedarf. Matte Oberflächen oder Verfärbungen können auftreten und sollten dann durch eine Politur wieder optimiert werden. 

Autorin ZÄ Anne Bandel Praxis Dr. Brouwer & Dr. Lehmensiek Potsdamer Straße 116 10785 Berlin anne.bandel@gmail.com Knips Mich!

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