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Porträt: Schmerzende Wunden - Martin Pfeifer aus Stilfs Seite

„...lei oamol di Hänt richti offtean“

Der 27-jährige Martin Pfeifer aus Stilfs lebt täglich mit schmerzenden Wunden. Eigentlich scheut er die Öffentlichkeit. Dem Vinschgerwind erzählt er seine Geschichte nur, weil es ihm wichtig ist, auf das Schicksal der Betroffenen generell aufmerksam zu machen und auch auf den ehrenamtlichen Verein Debra, der Spenden sammelt, um das Leben der Schmetterlingskinder unterstützend zu erleichtern.

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von Magdalena Dietl Sapelza

Das „Klosen“ ist für Martin seit jeher ein besonderes Ereignis. Auch heuer hat er all seine Energie gebündelt und ist als „Esel“ mitgezogen. Es war für ihn ein Kraftakt. Martins Leben ist geprägt von schmerzenden Wunden und zeitraubender Pflege. Denn sein Körper, bis jetzt ausgenommen Gesicht und Arme, ist übersät von Blasen und nässenden Wunden, die seine Mutter Zita täglich drei bis vier Stunden lang sorgsam pflegt und verbindet. Anschließend sei Martin jedes Mal fix und fertig und müsse sich hinlegen, sagt sie.

Dass mit der Haut des kleinen Martin etwas nicht stimmt, wurde bald nach der Geburt bemerkt. In der Universitätsklinik Innsbruck waren die Eltern dann mit der Diagnose Epidermolysis bullosa dystrophica (EBD) konfrontiert. Es handelt sich um eine sehr seltene Hautkrankheit, von der sie noch nie etwas gehört hatten. Bei der geringsten Belastung der Haut entstehen Blasen, die zu offenen Wunden und Narben führen. Innerlich sind die Schleimhäute beeinträchtigt. Verunsichert kehrte Zita mit ihrem Baby heim und versorgte die ersten Blasen. Zufällig fand sie eine Wiener Anzeige mit der Kontaktsuche zum selben Krankheitsbild. Das führte sie zu anderen Betroffenen. Sie traf den Dermatologen Prof. Helmut Hintner, der die Krankheit und deren unterschiedliche Formen kennt. Hintner war mit einigen betroffenen Familien federführend bei der Gründung von Debra Austria und beim Aufbau des EB-Hauses in Salzburg, wo Schmetterlingskinder Spezialbehandlungen bekommen und wo zur bislang noch unheilbaren Krankheit geforscht wird. „Es scheint eine milde Form zu sein“, aus diesen Worten Hintners schöpfte Zita damals Hoffnung. Martin wuchs als fröhliches Kind auf. Er besuchte den Kindergarten und die Grundschule in Stilfs. Blasen, Schluckbeschwerden, Verdauungsprobleme, Wunden und das ständige Verbinden gehörten zu seinem Alltag. Martin bewegte sich vorsichtig, um nicht hinzufallen oder irgendwo anzustoßen.

Je älter Martin wurde, umso mehr litt er unter den Auswirkungen der Krankheit, die sich schleichend verschlechterte. Kräfterau-

Fotos: Wind-Archiv

Martin Pfeifer, Stilfs, zählt zu den Schmetterlingskindern, deren Haut so dünn und zerbrechlich sind wie Schmetterlingsflügel. Täglich müssen die offenen Wunden an seinem Körper aufwändig gepflegt werden. oben: Martin als 9-Jähriger nach einer Hand-OP im EB-Haus in Salzburg mit seiner Mutter Zita Gander Pfeifer

bend war für ihn die Mittelschul- und die Oberschulzeit. „I hon probiert unt probiert. Nor hon is in Maturajohr oanfoch nimmr drpockt“, sagt er. Dabei kämpfte er, wollte es schaffen. Denn er liebte die Geselligkeit in der Schulgemeinschaft, wo er sich auch angenommen fühlte. Schmerzlich bewusst wurde ihm, dass er nicht wie seine Freunde die Kraft haben würde, in der Arbeitswelt zu bestehen. Auch seine Eltern mussten lernen, sich damit abzufinden. Gerne wäre Martin Schlosser geworden. Auch künstlerisch ist er sehr begabt, wie einige von ihm gemalte Bilder zeigen. Aufwändig und kostspielig war anfangs die Beschaffung des speziellen Verbandsmaterials. „Wenn`s di Kronkenkasse nit übernummen hat, miaßatn miar bettlan geahn“, meint Zita. Wertvolle Hilfe erfuhr Martin im EB-Haus und von der Selbsthilfegruppe Debra, die beispielsweise Behandlungen zahlt, die vom Sanitätsbetrieb nicht übernommen werden. Seit 2004 gibt es den ehrenamtlichen Verein Debra auch in Südtirol. Weltweit haben sich Familien mit Schmetterlingskindern zur großen DebraFamilie zusammengefunden. Zentrale Anlaufstelle ist das EB-Haus ins Salzburg. Martin musste dort schon viele Male behandelt werden. Seine Speiseröhre musste operativ erweitert werden, und seine Hautverwachsungen an den Fingern wurden gelöst. Von einem dauerhaften Erfolg konnte er jedoch nur träumen. Bei den Behandlungen ist kein Ende in Sicht und mit seinen vernarbten Fingern kann er mittlerweile nur noch die Tastatur seines Computers bewegen. Dieser ist zu seinem wichtigsten Zeitvertreib geworden. „I mecht lei amol di Hänt richti offtean unt eppas auflupfn kennen“, betont er. Äußerst schmerzhaft und kompliziert sind auch die Zahnbehandlungen. Martin braucht regelmäßig ärztliche Hilfe. Einfühlsam begleitet ihn nicht nur das Team in Salzburg, sondern auch der Hausarzt Georg Hofer und die Dermatologin im Krankenhaus Bozen Nadia Bonometti mit ihrem Team.

Das Essen und Schlucken ist für Martin seit jeher ein zeitaufwändiger Kraftakt. Zita kocht ihm Gerichte, die er leicht schlucken kann und die er mag. Seine Familie versucht alles, um ihm das Leben zu erleichtern. Auf seinen Wunsch hin kauften sie ihm vor einiger Zeit ein vierrädriges Motorrad. Seine Freude war riesig. Doch leider musste er das Fahren aufgeben. Das Sitzen und die Vibrationen waren zu schmerzhaft.

Genießen konnte er kürzlich einen Hubschrauberflug auf weichen Unterlagen, den ihm das Team der Bergrettung Sulden ermöglicht hatte.

Wie gerne möchte Martin seinen Schmerzen und seiner Kraftlosigkeit entfliehen und mit seinen Freunden etwas unternehmen. Er hätte nur einen Wunsch: „I mechat lei amol zmorgaz aufstean kennan, ohne Weah duschn, ounlegn unt ohne Verbond oanfoch frei sein.“