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Chronik des FC Wiedikon

Die wahrscheinlich erste Mannschaftsfoto des FC Wiedikon, damals noch FC Manesse. (Quelle: Mario Klaus) 4

1922 – 2022

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Nach dem ersten Weltkrieg (1914–1918) steckte der Fussballsport in der Schweiz noch in den Kinderschuhen. Im Wiediker Schulhaus Bühl gab es den Fussballklub «Vorwärts», dessen Spieler sich aus einer Sekundarklasse rekrutierten. Der kleine Klub musste aber aufgelöst werden, weil die Lehrerschaft den Buben nahelegte, das sportliche Geschehen einzudämmen, um sich vermehrt dem Lernbetrieb und den Hausaufgaben zu widmen.

Dadurch liessen sich zwei Sekundarschüler, Edy Lauber und Adolf von Känel, nicht entmutigen. Zusammen mit Emil Bacher scharten sie gleichgesinnte Kollegen um sich, um wieder eine Mannschaft zu bilden. Bald war es soweit: Am 8. April 1922, auf dem Heimweg vom Training auf der Allmend Brunau, fand die provisorische Gründung statt. Auf dem Manesseplatz, unter dem Schein einer Gaslaterne, vereinigten sich die 17 bis 18jährigen Jünglinge zum FussballClub Manesse.

Schwierige Anfangszeiten Der FC Manesse war vorerst ein loses Gebilde. Für die ersten Zusammenkünfte wurde die Gründungstätte genutzt – der Manesseplatz. Doch diesen Ort musste der junge Verein infolge von Reklamationen der Anwohner wegen Nachtruhestörung aufgeben. Trotzdem florierte der Spielbetrieb. Als Zufluchtsort diente die Allmend Brunau, wo man Tore aus Wasserleitungsröhren aufstellte und mit komischen Fussballschuhen spielte. Aber Hauptsache, man konnte «tschutten». Später wurden mühevoll zusammengebettelte Holztore zum Tummelplatz getragen. Die Allmend Brunau war das Stadion, auf dem manches Derby ausgefochten wurde. Als «wilder» Club trotzte der FC Manesse vielen Gegnern, und die Wiediker waren in dieser Kategorie mehr als gefürchtet. Der Klub nahm allmählich Formen an. Im Sommer 1922 betrug die Anzahl der eingeschriebenen Mitglieder bereits 30. Jetzt galt es, dem Verein Satzungen zu geben. Im damaligen Restaurant «Traube» in Wiedikon fand die formelle Gründungsversammlung statt. Nach und nach gab es einen Vorstand, Statuten und richtige Versammlungen. Der Verschleiss an Präsidenten war im ersten Jahr gross: Karl Storz, Alfred Klotz, Walter Pfändler und nochmals Karl Storz versuchten, Ordnung in den Verein zu bringen. Nicht immer mit Erfolg, bis im Juni 1923 Hans Fries die Geschicke des Vereins für einige Jahre in die Hände nahm.

Der FC Manesse trainierte in seinen Anfangszeiten auf der Allmend Brunau. (Aufnahme von 1923, Quelle: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich/Swissair) 6

Das Familienwappen der Manesse (Quelle: Wappen aus dem Haus «Zum Loch») Der FC Manesse bemühte sich nun um die Aufnahme in den Fussballverband. Leider konnten damals keine neuen Zürcher Klubs mehr aufgenommen werden. Die Arbeit schien vergebens zu sein. Doch mit Glück erhielten die Wiediker 1923 die Freimitgliedschaft der Kantonalzürcherischen Fussballvereinigung (KZFV) und konnten endlich Freundschaftsspiele gegen Verbandsvereine austragen.

Wiedikon und Altstetten 1924: Irgendwo hier lagen die Fussballplätze an der Hohlstrasse und auf dem «Käppeli». (Quelle: Baugeschichtliches Archiv) 8

Aufnahme als Verbandsmitglied Der Verein wuchs, es gab eine Leitung, eine zweite Mannschaft und neue Klubfarben. Die blauen Jerseys mussten roten Blusen weichen, weil man herausgefunden hatte, dass die Wappenfarben des Ritters von Manesse Rot und Schwarz waren. Freundschaftsspiele auf dem Land nutzte man, um für den neuen Klub zu werben. Der Werbeerfolg blieb nicht aus. 1924, an einer denkwürdigen Delegiertenversammlung in Winterthur, überstimmten die Landvereine die Stadtklubs. Resultat: Der kleine FussballClub Manesse musste als Aktivmitglied in die KZFV aufgenommen werden. Gleichzeitig nahm auch der Schweizerische Fussballverband den FC Manesse in seinen Schoss auf. Der BallspielClub gab den Wiedikern das Mitspielrecht auf seinem Terrain an der Hohlstrasse. Und gleich im ersten Jahr zogen die Wiediker als kantonaler DMeister heim; ein Erfolg, der sich noch dreimal wiederholte. Vom FC Manesse zum

FC Wiedikon Der FC Manesse erkämpfte sich bald einmal den Aufstieg in die damalige Serie C, in etwa die heutige 2. Liga. Dort zählte er zu den gefürchtetsten Gegnern. Einige Male errang der FC Manesse die Finalberechtigung, doch immer wieder fand er seinen Meister. 1927 trat eine Wende in der noch jungen Klubgeschichte ein. An einer hitzigen Versammlung brachen die Vereinsmitglieder mit der Tradition: aus dem FC Manesse wurde der FC Wiedikon (FCW). Manch einer konnte sich damit nicht abfinden. Aber der Namenswechsel sollte zum Nutzen des Klubs sein. Die alten Farben Rot und Schwarz verschwanden. Die Fussballer trugen jetzt Rot und Blau – die Farben des Apfels im Wiediker Wappen. Zum neuen Klubheim wurde das Restaurant «Seldwyla». Der FCW gedieh, verfügte über ein eigenes Terrain, das «Käppeli», drei Mannschaften und gegen 100 Mitglieder (der Monatsbeitrag betrug dazumal 50 Rappen). Ja selbst eine JuniorenMannschaft wurde gegründet. Leider war die Freude nur von kurzer Dauer. Denn die damalige Krisenzeit mit vielen Arbeitslosen schlug auf das Vereinsleben durch. Mit Mühe und Glück überwand der FCW diese Krise und entwickelte sich zu einem festen Bestandteil des Quartierlebens. 1931 und 1932 holte der FCW die kantonale BMeisterschaft und über 20 Turniersiege. Aber erst im Frühjahr 1932 gewann er den höchsten Titel, den der Schweizerische Fussballverband in seiner Serie zu vergeben hatte, nämlich den des Zentralschweizerischen Meisters. Weil der Verband aber das Aufstiegssystem geändert hatte, war dem FCW die Promotion wieder nicht vergönnt. Erst der nächste Anlauf brachte im Frühjahr 1933 den Ostschweizerischen Meistertitel der IV. Liga und den Aufstieg in die III. Liga. Endlich hatte der FCW das längst gesteckte Ziel erreicht.

Wechselvolle Zwischenjahre Leider blieb die erfolgreiche Mannschaft nicht zusammen. Deshalb versuchten die Nachwuchsspieler, das Erreichte zu festigen. Während vier Jahren kämpfte der FCW um seinen Platz in der III. Liga. Er verlor seinen Fussballplatz und musste alle Spiele auswärts austragen. Aufwärts ging es erst wieder, als eine Junioren und eine Seniorenmannschaft gegründet werden konnten. Auf dem Hardhof mit seinem schmucken Umkleidegebäude konnte sich der FCW wieder besser entfalten, was sich positiv auf das Vereinsleben auswirkte. Doch mitten im Aufbau brach 1939 der 2. Weltkrieg aus. Die Aktiven mussten das FussballerTenü gegen die Uniform tauschen. Die sogenannte MobilisationsMeisterschaft brachte einen reduzierten Spielbetrieb. Trotzdem hielt der FCW während den Kriegsjahren den Betrieb mit drei Mannschaften aufrecht. Und 1944 gelang sogar der Aufstieg in die II. Liga.

Das LetzigrundStadion 1957. Auf den hinteren Plätzen spielte seit 1944 auch der FC Wiedikon.

Ab 1944 spielten die 1. Mannschaft und wenig später alle anderen FCWTeams auf einem der hinteren Plätze des Letzigrunds. Heute steht dort das Hotel Intercontinenal (ehemals Nova Park). Ein Jahr nach Kriegsende (1946) wurde die Juniorenabteilung gegründet. Der FCW hoffte auf weitere Erfolge, doch sie blieben leider aus. Die ältere Generation wurde vereinsmüde; sechs Jahre Aktivdienst blieben nicht ohne Wirkung. Der Vereinsbetrieb musste wieder in normale Bahnen gebracht werden. Aber trotz aller Bemühungen war im Frühjahr 1947 der Abstieg in die III. Liga nicht mehr zu vermeiden. Neue und teilweise junge Vereinsfunktionäre aktivierten mit grossem Einsatz den Vereinsbetrieb. Die JuniorenAMannschaft errang zweimal hintereinander die Gruppenmeisterschaft, die älteren Semester nahmen an der SeniorenMeisterschaft teil. 1950 erkämpfte sich die 1. Mannschaft wieder den Aufstieg in die II. Liga. Ein Jahr später errang die 2. Mannschaft die Meisterschaft und den Aufstieg in die II. Liga. Einige Jahre war der FCW erfolgreich und gewann den «Züri Leu», die Auszeichnung für die beste Gesamtleistung eines Vereins im Kanton Zürich.

Auf und ab Eine Pechsträhne verfolgte den FCW während der Saison 1958/59. Er wurde wieder in die III. Liga relegiert. Doch bereits zwei Jahre später erkämpfte er sich erneut den Aufstieg. Die Junioren errangen den Titel eines Regionalmeisters und promovierten in die neu geschaffene Interklasse. Eine gute und selbständige Juniorenabteilung bemühte sich um den Nachwuchs, viele erfreuliche Erfolge als Gruppenmeister und gute Turnierränge waren der Stolz des Vereins. Alle halfen mit, dass sich der FCW ein zweites Mal als «ZüriLeu»Gewinner eintragen durfte. Nicht weniger als fünf FCWMannschaften errangen in der Saison 1968/69 die Gruppenmeisterschaft ihrer Kategorien. Das folgende Jahr war etwas weniger erfolgreich, doch gesamtschweizerisch konnte man im II. Rang den GerardSchwabCup in Empfang nehmen. Der FCW verfügte in den Jahren 1966–69 auch über eine gute 2. Mannschaft, die dreimal Gruppenmeister wurde.

Die Frauen feiern 2021 ihren Aufstieg in die 3. Liga.

Die Sportanlage Heuried wurde 1968 in Betrieb genommen. Gut zu sehen sind der Hauptplatz und die Küngenmatt. (Bild: Baugeschichtliches Archiv/Swissair)

Feste Bleibe auf dem Heuried 1970 fand der FCW seine definitive Bleibe auf der neu erstellten Sportanlage Heuried und wurde so mitten im Quartier sesshaft. In der Saison 1970/71 geriet die II. LigaZugehörigkeit ins Wanken, die 1. Mannschaft konnte die Relegation nicht vermeiden. Umso mehr freute man sich, als die 2. Mannschaft souverän den Aufstieg erkämpfte, womit die 2.LigaZugehörigkeit gerettet war. 1972, im Jahr des 50. Jubiläums, stieg die 3bMannschaft in die III. Liga auf. Zu diesem Zeitpunkt kämpften 4 Aktiv, 2 Senioren und 6 JuniorenMannschaften um die Meisterschaften; der Verein zählte 51 Ehren und Freimitglieder, 55 Aktive, 26 Senioren, 124 Junioren und 203 Passive.

Aufstieg in die 1. Liga Die Juniorenabteilung schuf sich dank des Einsatzes vieler Idealisten über die regionalen Grenzen hinaus einen ausgezeichneten Namen. Getreu seinem Leitmotiv gibt der FCW allen Jugendlichen im Quartier die Chance, ihren Lieblingssport auszuüben. Zu den bekanntesten ehemaligen FCWJunioren gehören die ehemaligen Nationalligaspieler Köbi Kuhn, René Deck, Christian Winiger, Giulio Anthon, Fredi Strasser und Urs Schönenberger. Die starke Juniorenabteilung war auch einer der Grundpfeiler für den Aufstieg der ersten Mannschaft in die 1. Liga (1992). Damit erlebte der FCW den sportlichen Höhepunkt seiner Vereinsgeschichte. Drei Saisons konnte sich das Team in der höchsten Amateurklasse halten.

Neuzeit: Klubhaus, Kunstrasen und Frauen-Power 1999 entstand in Fronarbeit das Klubhaus. Und 2012 erneuerte die Stadt den Hauptplatz auf dem Heuried. Seither verfügt der FCW über einen Kunstrasenplatz mit Flutlicht und Lautsprecheranlage. Mit diesen massiv verbesserten Trainings und Spielbedingungen startete der FCW in eine neue Ära. In der Saison 2017/18 spielte erstmals ein Frauenteam für den FCW. Eine der Spielerinnen, Anna Dettwiler, wählte die Generalversammlung 2019 als erste Frau in den Vorstand. Und im selben Jahr wurde das erste JuniorinnenTeam auf die Beine gestellt. Nach dem Pandemiebedingten Abbruch der Saison 2019/20 schafften 2021 gleich drei Teams den Aufstieg: die AJunioren, das Frauenteam und die 1. Mannschaft. Dem Jubiläumsjahr 2022 ist ein separates Kapitel gewidmet.

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