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STRASSENRÄUME
from Straße der Vielen
Die Gesetzgebung
Laut dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) gehören folgende Bestandteile zum Straßenraum:
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Der Straßenkörper:
Das sind der Straßengrund, der Straßenunterbau, die Fahrbahndecke, Brücken, Tunnels, Durchlässe, Gräben, Entwässerungsanlagen, Böschungen, Mauern, Lärmschutzanlagen. Außerdem gehören die Fahrbahnen, Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen, Haltebuchten, Gehwege und Radwege dazu.
Der Luftraum über dem Straßenkörper
Das Zubehör:
Das sind Verkehrszeichen, Verkehrseinrichtungen, Verkehrsanlagen und die Bepflanzung
Die Nebenanlagen:
Das sind Anlagen, die primär den Aufgaben der Straßenbauverwaltung dienen, wie Straßenmeistereien, Gerätehöfe, Lager und Hilfsbetriebe.
Das Leben Im Ffentlichen Strassenraum
Der Großteil des täglich genutzten öffentlichen Raums ist der Straßenraum. Er ist ein wichtiger Bestandteil unserer Umwelt und prägt den Charakter eines Viertels und der Stadt. Werden die Straßen einer Stadt als attraktiv empfunden, gilt dasselbe für das Gesamtbild der Stadt. Wirken die Straßen langweilig und leblos, scheint die Stadt ebenso zu sein.
Als Teil des öffentlichen Raums hat der Straßenraum einen großen Einfluss auf die gesellschaftliche Teilhabe und Sozialisierung der Anwohner*innen, besonders auf die Entwicklung des Sozialverhaltens heranwach- sender Kinder und Jugendlicher. Er stiftet Identifikation mit dem Wohnort und kann eine große integrierende Wirkung entfalten. Allerdings kann er, im schlimmsten Fall, auch isolierend und stigmatisierend wirken, trennende Eigenschaften entwickeln, einen Angstraum darstellen oder durch Lärm- und Schadstoffbelastung die Gesundheit gefährden.
Im besten Falle ist der öffentliche Straßenraum jedoch ein Ort der Begegnung, des Austauschs, der sozialen Vielfalt, des Kennenlernens, der Erlebnisse und allerlei weiterer Aktivitäten.
Notwendige Aktivitäten
Wie sich die physische Umgebung des Stadt- und Straßenraums auf diese Aktivitäten auswirkt, beschreibt der dänische Stadtplaner Jan Gehl in seinem Buch “Leben zwischen Häusern”. Dabei unterteilt er die Aktivitäten in notwendige, freiwillige und soziale Aktivitäten

Notwendige Aktivitäten sind unumgängliche Beschäftigungen, wie in die Schule gehen, zum Einkaufen fahren oder auf den Bus warten. Solche Aktivitäten hängen nicht stark von den physischen Rahmenbedingungen ab, da sie notwendig sind. Als freiwillige Aktivitäten definiert Gehl jene Tätigkeiten im Straßenraum, die stattfinden weil der Wunsch danach besteht, die Zeit dafür vorhanden ist und der Ort sie zulässt. Dazu gehören beispielsweise Spaziergänge, das Sonnen auf einer Parkbank oder das Zeitunglesen in einem Café. Als soziale Aktivitäten werden solche benannt, die vom Zusammenspiel mit Mitmenschen abhängig sind: Das Spielen von Kindern, die Unterhaltungen mit Freunden und Bekannten oder weitere gemeinsame Aktivitäten.


Sowohl freiwillige als auch soziale Aktivitäten sind stark vom physischen Umfeld abhängig und davon, wie hoch die Aufenthaltsqualität der Straßen- und Stadträume ist. Ist dies der Fall, sind Menschen eher dazu geneigt, mehr Zeit im öffentlichen Raum zu verbringen und dort freiwilligen und sozialen Aktivitäten nachzugehen. Werden Straßen als unattraktiv empfunden, findet dort nur das Minimum an Aktivitäten statt, da längere Aufenthalte dort unangenehm sind.
In Bezug auf Straßenräume hängt die Aufenthaltsqualität stark mit der Verkehrssituation zusammen, und ob sie primär dem Aufenthalt oder dem Transit gewidmet sind. Je stärker der motorisierte Verkehr die Straße dominiert und , beispielsweise durch getrennte Fahrspuren, von anderen Verkehrsteilnehmern separiert wird, desto schlechter sind die Bedingungen für den Aufenthalt. Straßen mit weniger Verkehr, geringeren Fahrgeschwindigkeiten und ohne räumliche Separierungen bieten Raum für das Verweilen und für Begegnungen und ermöglichen so lebendige Quartiere.
Auf der folgenden Seite seht ihr einige Beispiele der eben beschriebenen Straßen-Typologien.
Aufenthalt




Diese Straßenräume sind primär dem Aufenthalt gewidmet. In solchen Straßen ist das Kfz-Verkehrsaufkommen sehr gering, oder gar nicht vorhanden.
Ein klassisches Beispiel ist die Fußgänger*innenzone (1). In Mischverkehrsflächen, auch „Shared-Space“-Zonen genannt, haben alle Verkehrsteilnehmer die selben Rechte im Straßenraum: jeder gibt auf jeden acht (2). Ein weiteres Beispiel sind Straßenräume, in welchen der Gehweg stellenweise großzügiger gestaltet ist. Die Fahrspur ist nur einseitig mit niedrigen Geschwindigkeiten von Anwohnern oder Lieferanten befahrbar und beispielsweise als Fahrradstraße definiert (3).
AUFENTHALT / TRANSIT


In diesen Straßen steht der Aufenthalt im Vordergrund, geringfügige Transit-Funktionen werden ebenfalls erfüllt.
So gibt es beispielsweise Fußgänger*innenzonen, welche für den öffentlichen Kfz-Verkehr zwar gesperrt, jedoch an den ÖPNV angeschlossen sind (4). Des weiteren fallen Straßenräume in diese Kategorie, deren Fahrbahnen kleiner dimensioniert sind, und die mit breiten Gehwegen (5) oder großzügig dimensionierten Mittelstreifen (6) Raum für Aufenthalt bieten.
AUFENTHALT / TRANSIT
Hier spielt der Aufenthalt eine sekundäre Rolle, der Straßenraum erfüllt stärker die Anforderungen an den Transit und weist meist ein erhöhtes Verkehrsaufkommen vor. In Korrelation dazu wird oft mehr Raum vom ruhenden Verkehr eingenommen. Eine sehr häufig in Städten auffindbare Straßenraumtypologie ist die einer zweispurigen Straße mit jeweils einem Parkstreifen und einem Gehweg von 2-3m (7). Weitere Beispiele sind mehrspurige Straßen, welche durch begrünte Mittelstreifen getrennt sind (8), oder großzügig dimensionierte Radwege aufweisen (9).

Transit




Viele innerstädtische Straßen dienen als Verkehrsachsen primär dem Transit. Das Verkehrsaufkommen ist sehr hoch, und der öffentliche Straßenraum beitet sehr wenig bis gar keinen Raum für den Aufenthalt. Zu diesen Straßenräumen zählen solche mit mehrspurigen Fahrbahnen, Parkstreifen und Fahrradwegen (10), oder Straßen mit Mittelstreifen die für den ÖPNV genutzt werden (11,12). In vielen Großstädten gibt es weiterhin mehrspurige Verkehrsachsen, die ausschließlich dem Kfz-Verkehr gewidmet sind und gar keine Gehwege o.ä. haben.

Strassenm Blierung

Während unserer Bewegungsabläufe im Straßenraum begegnen wir täglich kleinen und großen Objekten, den „Möbeln der Straße“. Manche nehmen wir bewusster wahr, einige fallen uns überhaupt nicht auf. Zu der Straßenmöblierung gehören Objekte der Infrastruktur, wie Postund Stromkästen, Entsorgungsbehälter oder Straßenbeleuchtungen. Manche, wie beispielsweise Ampeln, Verkehrsschilder, Parkuhren oder Haltestellen, sind dem Verkehr gewidmet. Weitere sind Bestandteil der Straßenbegrünung oder Informationsbeschaffung und Werbeträger. Sie können fest installiert oder mobil sein. Hier seht ihr einige Beispiele:
Haltestellen
Zeitungsständer Litfaßsäulen
Werbetafeln
Straßenlaternen
Städtische Mülleimer
Mülltonnen

Verkehrsschilder
Glascontainer
Werbetafeln
Warenauslagen
Bäume



Sitzgelegenheiten

Gastronomie-Bestuhlungen
Topfpflanzen, Blumenkübel
Strassenbelag
Die Gestaltung des Straßenbelags beeinflusst, ähnlich wie die Straßenmöblierung, die Art und Weise wie wir uns durch den Straßenraum und den Straßenverkehr bewegen. Dabei spielen die Materialität, unterschiedliche Formen der Fügung oder Markierungen eine Rolle. Diese definieren sichere Möglichkeiten des Überquerens für die verschiedenen Verkehrsteilnehmer*innen, oder weisen Bereiche wie Lieferzonen und Halteverbote aus. Durch den Einsatz von Höhenunterschieden und verschiedenen Materialien können Nutzungsbereiche voneinander abgegrenzt werden. Weiterhin können Beläge auf Grund ihrer Beschaffenheit und Fügung geschwindigkeitsreduzierend auf den Verkehr wirken. Ein gängiges Beispiel dafür ist das Kopfsteinpflaster.


Zebrastreifen


Ziegelsteine
Kopfsteinpflaster
Fahrradwege
Großformatige Steinplatten

Gehwegplatten
Parkverbotszonen
Schotter, Kies, etc.
Asphalt




Tats Chliche Durchgangsmasse Im Strassenraum


Der durchschnittliche Straßenquerschnitt der Türkenstraße beträgt etwa 17,5m. Davon nimmt der Gehsteig auf beiden Seiten jeweils 3-3,5m ein. Die angrenzenden Parkplätze beanspruchen jeweils weitere 2-2,5m. Doch solche Maße des Straßenraums sehen auf dem Plan meist ganz anders aus als in der Realität. Dort beanspruchen viele unterschiedliche Objekte und Nutzer*innen den Raum, und verkleinern so die Bewegungsflächen der Verkehrsteilnehmer*innen. So schrumpfen 3,5m Durchgangsbreite auf dem Bürgersteig schnell auf 1m Breite zusammen. Die folgenden Maße haben wir der Türkenstraße genommen. Dort wird die Durchgangsbreite auf den Fahrbahnen vorwiegend durch Lieferverkehr eingeschränkt. Auf den Gehwegen wird es dort eng, wo Bestuhlungen aufgestellt sind, Fahrräder abgestellt werden oder Kunden vor Geschäften in der Schlange stehen. Dies sind Anzeichen dafür, dass Fahrradstellplätze fehlen, oder der Bürgersteig zu klein dimensioniert ist.



