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Mit dem Football im Camp Marmal

Saisonvorbereitung mal anders: Tight End Lucas Schäfer verbrachte drei Monate in Afghanistan, wo der Soldat auf Zeit Hubschrauber wartete, sich aber nebenbei auch für die bevorstehende GFL-Saison fit machte.

Wie das gesamte GFL-Team der Schwäbisch Hall Unicorns bestritt Lucas Schäfer die erste Vorbereitungszeit auf die Saison der German Football League (GFL) in Zeiten des Corona-Lockdowns weitestgehend für sich alleine. Der große Unterschied: Während die allermeisten Spieler in ihrer Heimat trainierten, absolvierte der Tight End sein Trainingsprogramm knapp 6.600 Straßenkilometer entfernt. Der 28-jährige gebürtige Haller ist Stabsunteroffizier bei der Bundeswehr und war von Ende Januar bis Ende März im Rahmen der NATO-Mission »Resolute Support« in Masar-e Scharif/Afghanistan stationiert. »Hier herrschten im Prinzip genau die gleichen Regeln wie in Deutschland«, berichtet Lucas Schäfer, »also Abstand halten, Maske tragen und Hände desinfizieren.« Corona ist auch am Hindukusch ein allgegenwärtiges Thema. Mit »hier« meint er das Camp Marmal, das größte Feldlager der Bundeswehr außerhalb der Bundesrepublik. Es liegt direkt bei Masar-e Scharif, der mit knapp 500.000 Einwohnern viertgrößten Stadt Afghanistans.

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Zu dem Camp gehört ein Flugfeld mit mehreren Hangars – Lucas Schäfers Arbeitsstätte. Als Fluggerät-

Fotos: Bundeswehr/Detlef Schachel mechaniker kümmert er sich mit seinen Kameradinnen und Kameraden um den NH90, einen militärischen Transporthubschrauber. Kleinere Reparaturen, Inspektionen – alles wird penibel ausgeführt und dokumentiert, so dass die Maschinen störungsfrei fliegen können.

Das Thema Fliegen ist ein großes innerhalb Lucas Schäfers Familie: Sein Vater ist Hobbypilot, auch sein Onkel hat einen Pilotenschein. Lucas Schäfer selbst zwar nicht, aber in der Luft kennt er sich dennoch gut aus. »Ich bin Fallschirmspringer.« Die Begeisterung für die Luftfahrt ist auch einer der Hauptgründe, weshalb sich der Soldat auf Zeit für den Einsatz in Afghanistan gemeldet hat. »Das ist ein Privileg für mich.« Und diese Begeisterung ist auch der Grund dafür, weshalb er seinen eigentlich bis zum 18. März geplanten Aufenthalt noch um ein paar Tage verlängert hat. »So durfte ich bei der Rückreise mit einer Antonov fliegen«, berichtet er. Seit 1946 produziert das ukrainische, früher sowjetische Unternehmen Flugzeuge unterschiedlicher Art. Dazu gehört mit der An-225 das momentan größte und schwerste Flugzeug der Welt.

Die Chance, mit einer Antonov zu fliegen, wollte sich Lucas Schäfer nicht entgehen lassen. Die Gelegenheit ergibt sich, weil er als Mechaniker einen NH90-Hubschrauber zurück nach Deutschland begleitet. »Bevor es losging, haben wir die Antonov beladen und man denkt sich: Wie groß kann ein Flugzeug nur sein?«, erzählt der Flugfan, für den sich die Rückreise in dem Flugzeug ohne Fenster absolut gelohnt hat: »Super nette Menschen, die dort auf der Antonov arbeiten und alleine das Feeling in einem der größten Flugzeuge sein eigenes Arbeitsgerät zu transportieren, war eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde.«

Doch zuvor war drei Monate lang das Camp Marmal sein Zuhause. »Ich fühlte mich hier sicher. Und natürlich hätte ich gerne Land und Kultur kennengelernt, doch es obsiegt die Vernunft. Ich durfte ohne dienstlichen Auftrag nicht raus, schließlich darf man nicht vergessen, dass es sich letztlich um ein Kriegsgebiet handelt.« So konnte sich Lucas Schäfer in seiner freien Zeit mit seinem Hobby, dem American Football, beschäftigen. Bei den Unicorns spielt der heutige Tight End seitdem er 14 Jahre alt ist, hat alle Jugendteams durchlaufen und im Aktivenbereich mehrere große Erfolge gefeiert, darunter waren auch die deutschen Meistertitel. Um für die neue Saison einsatzbereit zu sein, trainierte er auch in Afghanistan. Die Bundeswehr hatte im Camp wegen der Corona-Hygienevorschriften zwar die Indoor-Sporteinrichtungen geschlossen, dafür aber einen Outdoor-Sportpark eingerichtet.

Dort quälte sich Lucas Schäfer, und das unter erschwerten Bedingungen: Die Temperaturen gerne auch mal unter null Grad, dazu Sandstürme und nicht selten war er am Abend alleine draußen. »Koordinative Übungen gehen mit Pylonen gut. Ab und zu war auch ein Kamerad dabei, der den Football auch etwas werfen kann«, blickt er zurück. Den Football hat er sich extra ins Camp bestellt. »Das einzige, was zu kurz kam, ist das Block-Training.« Manchmal wurden darüber Witze gemacht, dass er sich dafür doch Vorgesetzte holen soll. »Es gab aber auch Tage, an denen gar nichts ging, weil die Luft viel zu staubig war«, sagt der Sportler. Als aktiver Footballer war der Haller im Camp Marmal zwar ein Exot, aber das Interesse an der Sportart war auch unter seinen Kameraden groß. »Die NFL und der Super Bowl boten viel Gesprächsstoff.« Selbst über College-Football habe er sich schon austauschen können. »Das Schöne daran ist, dass man sich so auch besser kennenlernt.«

Nach Lucas Schäfers Rückkehr aus Afghanistan waren erst einmal 14 Tage Quarantäne angesagt - und umso größer die Vorfreude auf die erste Trainingseinheit mit dem Team: Das erste Training war richtig schön, alle wieder zu sehen und einfach mal wieder Pads anzuhaben tat einfach nur gut« Auch das Einleben in den »normalen« Alltag ist dem 28-Jährigen schnell wieder gelungen - wobei: »Jetzt muss ich wieder selber kochen und Wäsche waschen. Im Camp Marmal musste ich meine Wäsche nur schmutzig machen und in den Spind einräumen.«

Dieser Artikel wurde von Redakteur Hartmut Ruffer vom Medienpartner Haller Tagblatt verfasst. Ein herzliches Dankeschön, dass die Unicorns den Artikel im U MAG veröffentlichen dürfen!

Seit sechs Jahren bei der

Bundeswehr

Lucas Schäfer ist am 13. Januar 1993 in Hall geboren. Seit Anfang 2015 ist er bei der Bundeswehr, hat dort eine Ausbildung zum Fluggerätmechaniker absolviert. Sein Dienstort ist das Transporthubschrauberregiment 30 in Niederstetten. Lucas Schäfer ist Soldat auf Zeit, hat sich für neun Jahre verpflichtet. Bei den Schwäbisch Hall Unicorns spielt er seit 2007. In den Jahren 2016 und 2017 setzte er aus beruflichen Gründen aus. Die Rückkehr aber war beschlossene Sache: »Bei den Unicorns existiert ein familiäres Umfeld. Mir gefällt das Physische, der Leistungsanspruch, der dort herrscht und der Zusammenhalt.«

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