atar&pyotin / Der Sperling und der Adler

Der

Sperling der Adler

Illustriert & Erzählt

und

von Alexander Takashi Meier

Am Anfang der Zeit auf Erden, als dieser Ort noch leer und ruhig war, entschlossen sich die Vögel, die allesamt würdige Künstler waren, die Stille mit Dank und Lobgesang zu füllen. So versammelten sich Solche unter der Obhut der Eule, die zu diesem Zwecke gar ihre innere Uhr arg durcheinander brachte, um das Vorgehen des Einzelnen genau zu besprechen und zu koordinieren.

So setzten sich die gesprächigen Beos auf den nächsten Ast und beratschlagten eifrig, was sie von diesem Proiekt der Eule halten können; was all die anderen Teilnehmer ihrer individuellen Neigung entsprechend einbringen werden und welche Kausalitäten sich dadurch für den Standpunkt der Beos ergeben.

Die Taube, die ausnahmsweise alleine unterwegs ist, nahm sich einstweilen zurück, um ungestört die Szenerie beobachten zu können.

Ergäbe sich Etwas Interessantes, sie würde sicherlich zuerst Solches erfahren. Deshalb ließ sie sich entspannt auf einem kleinen Felsen am Gestade nieder, dort wo Enten schnatterten und Störche klapperten, gurrte zufrieden und lies die Sonne ihr Gefieder zum Glanz erwärmen.

Der mächtige Adler und der kleine Sperling entschlossen sich auf der Suche nach einer eingängigen Melodie zu einem aussergewöhnlichen Unternehmen. Das gefiederten Duo plante eine Aushorchung der Engel — vielleicht könnten diese ihnen zu einer musikalischen Inspiration verhelfen.

Geschützt vor eisigem Wind und schneidender Kälte, behütet vom zarten Daunenflaum des Adlers, stieg dieser mit dem kleinen Sperling in immmer höhere Gefilde der Atmosphere.

Bis es zu schneien begann...

Immer höher und höher, durch frostige Kälte sowie den Alles durchdringenden Wind, stieg der Adler weiter und weiter... bis seine Kräfte sich erschöpften und seine eisig durchfrorenen Schwingen kein Weiterkommen mehr fanden.

Nun schlüpfte der kleine Sperling unter der Geborgenheit der wärmenden Daunen hervor.

Harsch pfiff ihm, der noch nie in solcher Höhe gewesen war, eine steife Brise — schneidend und kalt — ins zarte Sperlingsgefieder.

Nun lag die grosse Aufgabe, in noch weitere Höhen empor zuklimmen, welche er ohne die Hilfe, den Schutz und die Unterstützung seines erschöpften Begleiters sicherlich kaum je erreicht hätte, an ihm Alleine.

Einen so innigen wie kurzen, filigranen Moment lang, kreuzten sich der Blick des Sperlinges, mit demjenigen seines grossen Freundes, bevor er alleine in dieser unwirtlichen Umgebung zurückgelasen war. Unbeirrt dieser Tatsache stieg er weiter hoch...

Im Nuh war sein erschöpfter Begleiter im Sinkflug unter ihm verschwunden und er war sich selbst überlassen. Noch nie zuvor war der kleine Vogel so hoch geflogen.

Durch eisige Böhen, die ihm bis unter den Flaum seiner Daunen Schauer zogen, bahnte sich der Piepmatz seinen Weg nach oben. Nur das Pfeifen des Windes war zu vernehmen — keine himmlischen Harvenklänge — nur dessen sonores und unerbittliches Heulen erfüllte die Luft.

Er kämpfte und trotzte den Naturgewalten, stieg im Gegenwind weiter, obschon sich erste Eiskristalle an den Federn bildeten — eine Umkehr war unmöglich. War er dieses Wagnis so umsonst wie vergeblich eingegangen?

...und dann, als ein Sonnenstrahl die Schneewolken durchbrach und der Himmel sich lichtete, vernahm der erschöpfte Vogel eine kaum hörbare, leise Melodie.

Plötzlich waren seine Schwingen wieder leicht und warm. Waren es Müdigkeit und Erschöpfung, Sauerstoffmangel oder Kälte die den kleinen Piepmatz solch zarten Melodien hören liesen? Die Euphorie des Dauninger war gewaltig, er drehte einige Jubilierloopings und tanzte frohlockend Kreisel auf den Wolken, bevor er sich alsbald mit solch erfreulichen Resultaten auf den Abstieg begab.

Die Vögel versammelten sich eben unter dem Vorsitz der Eule und lauschten gespannt den Worten des Greiffers. Er war sehr besorgt über das Wohl und das Verbleiben seines kleinen Kompagnionen, als dieser erschöpft landete...

Ganz aufgeregt schilderte dieser, was sich während seines Alleinganges in grosser Höhe ereignet hatte — ebenso, wie sich diese Tonfolge anhörte, welche er zu tschillpen vermochte. ... und seither Singen diese Osagen tatsächlich auf suedante Weise — je nach Art: Tauben gurren, Eulen uhuen, Störche klappern, Sperlinge tschillpen — wie Blau angelaufen, Beos plappern, Adler schreien, Enten quaken und Sommervögel flattern.