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Die Lüderitz-Halbinsel

Es war etwas windig. Wie es hier üblich ist. Wäre es Anfang November, würden die Windsurfer aus aller Welt, die sich dann in dieser verschlafenen, aber überraschend lebendigen Ecke an der namibischen Südküste versammeln, über den kräftigen Wind jubeln. Denn für sie verheißt der Wind Weltrekorde. Doch heute ist es ein heiterer, wenngleich böiger Februarmorgen und für uns Normalbesucher bedeutet der Wind ständig Haare im Gesicht – wenn man, wie ich, ewig vergisst, ein Gummiband einzustecken. Abgesehen von Haarsträhnen im Mund bringt der Wind indes auch ein Gefühl mit sich, oder besser gesagt, einen Duft... einen Duft von Abenteuer. In der Luft liegt ein Hauch des Unbekannten, das es noch zu entdecken gilt. Und an dieser wilden Küste, wo stürmische Atlantikwellen an zerklüfteten Felsen toben, kann dieser Duft von Abenteuer in der Luft den aktiven und kreativen Geist leicht in die Zeit zurückversetzen, als portugiesische Seefahrer einen ersten Blick auf eben diese Küste erhaschten, wenn auch von Westen her, vom dunklen Ozean. Was mag durch ihre Gedanken gegangen sein? Gefahr im Verzug... und dann absolut nichts an Land. Für sie musste dieser Küstenstrich samt dem Hinterland wie eine Karikatur des Todes ausgesehen haben. Auch für uns sieht er immer noch unwirtlich und verlassen aus, aber mit einer lebhaften kleinen Stadt in der Nähe und in dem Wissen, dass unser Toyota-Bakkie uns dorthin bringen wird, wo wir hinwollen (und zurück), tendiert das Bild weit mehr zu Abenteuer und Entdeckung als zum Untergangsszenarium der einstigen Seefahrer.

Wir sind dabei, die Lüderitz-Halbinsel zu erkunden. Der erwähnte Toyota bewältigt die gut ausgebauten Schotterstraßen und die mit Salz befestigten Wege mühelos und schützt uns hervorragend vor dem Wind. Von Lüderitz folgen wir den deutlich gekennzeichneten Straßenschildern aus der Stadt hinaus gen Süden, an der Zweiten Lagune entlang Richtung Große Bucht. Von dort führt die Straße in einer Schleife nach Norden. Immer wieder zweigen Wege zum Meer ab. Sie enden an sogenannten “Fjorden”. Die Aussichten von den Klippen und zerklüfteten Felswänden erinnern durchaus an die Bilder von Norwegen, die ich fasziniert auf Instagram betrachtet habe. Auf jeden Fall sollte man die Wege zu diesen Fjorden nur mit einem richtigen Geländewagen und sicherheitshalber auch gleich mit einem wenigstens halbwegs erfahrenen OffroadFahrer in Angriff nehmen. Hier beginnt der abenteuerliche Teil. Ein kurzer Aufstieg über schroffe Hügel und Felsen belohnt Sie mit den unglaublichsten Ausblicken auf die wilde Küste und ihre Buchten und Meeresarme. Halten Sie Ihre Kopfbedeckung, Ihre Kamera, Ihre Jacke und Ihren Hund fest, denn um Sie herum peitscht der Wind. Er reißt sogar mein Haar aus dem Knoten, den ich mit einem kleinen Gummiband gemacht habe, das sich in den Tiefen meiner Kameratasche fand. Unter uns wühlt und zerrt der Ozean. Über dunklen Blau- und Türkistönen wirbeln Gischt und Schaumkronen. Nach Westen erstreckt sich der Atlantik in die Unendlichkeit.

Entlang der Route über die Halbinsel werden die wichtigen, äußerst sensiblen Brutgebiete der Damara-Seeschwalbe, einer in Namibia endemischen Vogelart, mit Schildern ausgewiesen. Achten Sie darauf, wenn Sie aussteigen, und bleiben Sie bei Ihren Erkundungen unbedingt auf den Wegen. Diese Region ist nicht nur mit besonderen Säugetier-, Vogel- und Reptilienarten gesegnet, sondern auch mit einer außergewöhnlichen, empfindlichen Flora, die durch Unachtsamkeit leicht zerstört werden kann. Wenn Sie ganz großes Glück haben, erspähen Sie in der Ferne womöglich eine zottelige Braune Hyäne. Auf Felsen am Ufer sonnen sich gerne Robben, in der Brandung tummeln sich Heaviside-Delfine und über die Insel Halifax watscheln Afrikanische Pinguine. In Lagunen und in den flachen Gewässern in Strandnähe halten sich Flamingos, Pelikane und andere Wasservögel auf.

Weiter nördlich an der Route erreichen wir Diaz Point, wo ein weithin sichtbarer rot-weiß gestreifter Leuchtturm Wache steht. Nicht weit entfernt hatte der große portugiesische Seefahrer Bartolomeu Dias vor mehr als 500 Jahren ein Steinkreuz (Padrão) auf eine felsige Anhöhe gewuchtet, um seinen Weg entlang der afrikanischen Küste zu kennzeichnen. Teile des ursprünglichen Kreuzes befinden sich in Museen in Kapstadt und Lissabon. Am Diaz Point steht eine Replika. Atmen Sie tief durch, um sich gegen die Windböen zu wappnen und lassen Sie die Geschichte auf sich wirken. TNN

Text Elzanne McCulloch | Foto Le Roux van Schalkwyk

Eine Karte der Halbinsel und weitere informationen über Lüderitz finden Sie hier: www.issuu.com/travelnewsnamibia/docs/luderitz_book_web_press_quality