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Das „Am-Vieh-Theater

Fortsetzung der Serie: Das Landratsamt Saale-Holzland-Kreis stellt vor Das “Am-Vieh-Theater”

Von der Töpferstadt Bürgel schlängelt sich die schmale Straße durch den Gleisegrund, vorbei an Thalbürgel mit der Klosterbasilika, bis zur Langentalsmühle, dann rechts hinauf nach Ilmsdorf und Beulbar. Am unteren Dorfrand, oben am Wiesenhang zur Gleise hinab, lebte Georg Zurawski alias „Orje zu Rawski”, unbändiger Komödiant, Musikant, Sänger nachdenklicher bis derber Lieder und Geschichtenerzähler. Ein Original im besten Sinne des Wortes. Hier baute er sein „Am-Vieh-Theater”, nahe „am Vieh” auf der anliegenden Weide. Eine Freilichtarena im Stile eines Amphitheaters. Aus heimischen Sandsteinen und fossilen Eisenbahnschwellen. Mit festem Podium und mobilen Kulissen unter einem mit Muskelkraft per Hebelsystem aufspannbaren Zeltdach. Ein „Faradaysches Pferd” am Rande, wo einst der Blitz Vater und Kind erschlug, wendet derlei Ungemach vom aktuellen Geschehen ab. Das Publikum sitzt an warmen Sommerabenden auf mitgebrachten Kissen im Kreis um das lodernde Feuer in einer XXL-Feuerschale aus dem Vorderteil des Kessels einer ausrangierten Dampflok. An trüben Tagen unter Pelerine oder Regenschirm, doch nie in trüber Stimmung. Dafür sorgte das jeweilige Feuerwerk auf der Bühne. Ob beim Spektakel des „Dampf- und Dorftheaters” oder einem der Berliner „Shakespeare Companie”. Viele Freunde aus der Sturm- und Drangzeit beim Theater oder Musical traten hier auf. Sein Freund Gunter Emmerlich, der Pantomime Harald Seime, Barbara Thalheim, Annekatrin Bürger, die Liedermacher Wilfried Mengs und Eckhardt Wenzel, USFolksinger Rick Palieri, wie auch Jazz und Folkgruppen. Vor oft mehr als 300 hellhörigen, nachdenklichen, angerührten, stets aber begeisterten Zuschauer*- und Zuhörer*innen. An Winterabenden rottete sich der engere Kreis am holzbefeuerten Kachelofen zusammen. Dann lasen Landolf Scherzer oder Ulf Annel aus ihren Werken, oder Ettore Ghibellino orakelt über Amouren Goethes mit Anna Amalia. Jedenfalls ein Bilderbuchbeispiel, wie sich Kultur auf dem Dorfe entwickeln kann, mit eigenem Zutun von Enthusiasten. Als Wallfahrtsort für Extra-Vaganten. Voller Hoffnung auf dessen Weiterbelebung legte „Orje“ bereits vor seinem Tode den architektonischen Teil und die Idee seines Lebenswerkes in die Hände von Nico Schneider (39), Multiinstrumentalist auf alten und neueren Akustik-Saiteninstrumenten, Akkordeon und Dudelsack. Dazu Instrumentenbauer, vorzugsweise von Banjos für „ArtGenossen“ hierzulande, in Irland und weltweit. Bereits seit 2010 durch Auftritte seiner Folkbande „Hüsch!“ und in anderen Formationen mit dem „AmViehTheater“ verbandelt, gestaltete er bereits 2017 dessen Programm und übernahm 2018 dann Haus und Hoftheater. „Erst wollte mich Orje adoptieren oder heiraten, um den Prozess der Übergabe zu vereinfachen. Wir regelten das aber dann doch nicht im Standesamt, sondern per Kaufvertrag mit Justiziar und Katasteramt. Zum Broterwerb für die Familie musiziere ich, mit „Hüsch!“, als Solist oder mit anderen Ensembles. Deutsche Folklore im frischen Gewand, geprägt vom längeren Irlandaufenthalt. Im Jahr bei etwa 100 Auftritten auf Konzertbühnen deutschlandweit. Aber die traditionellen sechs Veranstaltungen in Beulbar finden jedenfalls statt – im nächsten Jahr, so Corona will. „Dass uns in diesem die Pandemie den Spaß verdarb, ist schade, kommt mir aber auch gelegen, was die dringend nötigen Erneuerungen an Haus und Theater betrifft“, spricht Nico Schneider – ein Glücksfall, was die Weiterführung des „AmViehTheaters“ in „Orjes“ Sinne betrifft. Und „Orje“ wird dann unterm Publikum sitzen – aus dem „richtigen Holz geschnitzt“ vom Rauschwitzer Kunstsäger Christian Schmidt und seinem ukrainischem Freund Sergey Dyschlevyy. Wilhelm Schaffer Nico Schneider | Beulbar 16, 07616 Beulbar Telefon 0176 81188362 | www.amviehtheaterbeulbar.de 14

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