3 minute read

Die Eutersdorfer Schaukelbrücke

Dieser Beitrag wurde im Auftrag des Landratsamtes des SHK erstellt Die Eutersdorfer Schaukelbrücke

Die sagenumwobene geschichtsträchtige Saale prägt als „ Lebensader“ seit vielen Jahrhunderten nicht nur die idyllische Landschaft unseres mittleren Saaletales sondern auch das Leben der Menschen, die vor Zeiten an ihren Ufern siedelten und die Kraft des Wassers sowie den Fischreichtum als Lebensgrundlage für sich nutzbar machten. So verwandte man den Flusslauf schon früh für die Holzflößerei als wichtiges, wenn auch nicht ungefährliches Transportmittel. Man trieb mit Hilfe der Wasserkraft Mühlen an, Saalefischer versorgten die Einwohner mit frischem Saalefisch und selbst Orte, an denen Goldwäsche betrieben wurde, sind urkundlich überliefert. Wie aber kam man früher durch den Fluss, wenn man ans andere Ufer wollte? Denn natürlich trennte die Saale, die aus südlicher Richtung kommend sich durch den heutigen Saale-Holzland-Kreis sowie die Stadt Jena schlängelt und im Norden durch Camburg hindurch weiter in den Burgenlandkreis fließt, auch die Dörfer, Städte und Menschen voneinander und behinderte dadurch zugleich Handelsbeziehungen und Verkehr. Dazu befragte ich Jens Hild, langjähriger ehrenamtlicher Bürgermeister von Großeutersdorf, einem kleinen Ort südlich von Kahla am linken Saaleufer gelegen, der ein leidenschaftlicher Chronist, Heraldiker, Heimatforscher und Leiter des Gemeindearchives ist. Er hat sich um die Aufarbeitung der Geschichte seiner Region verdient gemacht und zahlreiche Publikationen auf den Weg gebracht. So verfasste er anlässlich des 100-jährigen Bestehens der historisch wertvollen Hängebrücke, welche seit 1908 die Orte Großeutersdorf und Kleineutersdorf verbindet, eine aussagekräftige Broschüre über die Entstehung und das Schicksal dieser Fußgänger-und Stahlseilhängebrücke, einem Meisterwerk der Ingenieurskunst , welche auch heute noch im Volksmund „Schaukelbrücke“ genannt wird. Früher, erzählte er, wurden Furten genutzt, also Flachstellen im Wasser, um zu Fuß oder mit Fuhrwerken auf die andere Seite des Flusses zu gelangen. Für den ansässigen Pfarrer gab es einen Fährkahn, mit dem er von den Fischern in das jeweilige Dorf gebracht wurde. Nur bei Hochwasser oder Eisgang musste er den Umweg über Kahla nehmen. Mit zunehmendem wirtschaftlichen Aufschwung entstand im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der Wunsch, eine Brücke zwischen Groß-und Kleineutersdorf zu errichten. Es musste noch viel Zeit, fast vier Jahrzehnte vergehen, bevor das Brückenprojekt konkrete Züge annahm, beide Gemeinderäte zustimmten, die Finanzierung stand und die Baugenehmigung vorlag. Projektierung und Bauausführung lagen in den Händen des erfahrenen Kahlaer Ingenieurs Paul Moser.

Endlich, am 18.Oktober 1908, konnte die neue Hängebrücke feierlich eröffnet werden. Anwohner durften bald die neue Brücke kostenlos passieren, Fremde mussten der Gemeinde ein Brückengeld entrichten. Mit der Zeit hinterließen Hochwasser und Eisgang Spuren am Material und 1925 sowie 1935 mußte der Bau gründlich überholt werden. Als im April 1945 die Saalebrücken in der Region noch gesprengt wurden, entging die Hängebrücke durch Zufall diesem Schicksal. Zu DDR-Zeiten wurden immer wieder notwendige Reparaturen durchgeführt, trotz dauerhafter Materialknappheit. Da das Verkehrsaufkommen immer mehr zunahm , baute man 1972 neben der „Schaukelbrücke“ eine befahrbare größere Holzbrücke für den Auto-, Bus- sowie Schulbusverkehr und für Fahrzeuge der Landwirtschaft. Die historische Hängebrücke diente jetzt nur noch dem Fußgängerverkehr und wurde 1976 als technisches Denkmal auf die Kreisdenkmalliste gesetzt. Leider hielt die befahrbare Holzbrücke daneben nur knapp 10 Jahre. Dann musste sie abgerissen werden. Der Dringlichkeit gehorchend errichtete man 1982 eine neue Brücke, welche 2013 durch eine moderne Stahl-Beton-Brücke ersetzt wurde, die bis heute einen ungehinderten Fahrzeug- und Fußgängerverkehr gewährleistet.

Was geschah nun mit der historischen Hängebrücke? Fast wäre sie abgerissen worden. Doch die Eutersdorfer kämpften um ihre Brücke und nach der politischen Wende, gleich im Jahr 1991, kümmerte man sich zügig um Fördermittel und beantragte eine Hauptinstandsetzung derselben. Nach vielen Verhandlungen, fachlichen Untersuchungen und notwendigen behördlichen Genehmigungen konnte im Juni 1992 mit der Demontage der alten stählernen Brückenkonstruktion begonnen werden und von Januar bis März 1993 erfolgte der Neuaufbau. Die beteiligten Firmen wurden dabei in vielerlei Hinsicht immer wieder vor große Herausforderungen gestellt. Am 8. April 1993 erfolgte die mit großer Spannung erwartete Verkehrsfreigabe und die Anwohner hüben wie drüben feierten mit ihren Gästen ein zünftiges Knopffest.

Wie stolz die Groß- und Kleineutersdorfer auf ihre Hängebrücke sind, die wahrhaft ein „Meisterstück der Ingenieur-und Stahlbaukunst „ ist, zeigt sich an der schönen Tradition der „Eutersdorfer Brückenfeste“, die zuverlässig aller fünf Jahre seit 1988 begangen werden und sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. 2008 beging man das 100-jährige Jubiläum der alten Brücke, die nicht nur ein Weg über den Fluss darstellt, sondern immer wieder Menschen zusammengeführt hat und ein untrennbarer Bestandteil der Orts- und Regionalgeschichte darstellt. Hängebrücken gibt es nur noch wenige in Thüringen und so sollte man diese historische Brücke schon einmal besuchen.

Glauben sie mir, sie schaukelt tatsächlich, wenn man über sie hin zum anderen Ufer läuft.

Dörthe Rieboldt

This article is from: