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Peter Schnürpel

MALEREI, ZEICHNUNGEN UND DRUCKGRAFIK

Marsyas - 2021 | Öl auf Wellpappe

Schon seit über 50 Jahren zeichnet, malt und druckt Peter Schnürpel Figuren von höchst expressiver Ausdruckskraft. Entsprechend umfassend ist das Gesamtwerk des Altenburger Künstlers. Und dennoch lässt sich seine charakteristische Handschrift in den verschiedenen Schaffensphasen unmittelbar identifizieren, so markant und gefestigt ist sein spröder, krakeliger Stil, der das Zeichnerische mit malerischen Qualitäten verbindet.

Das Jahr seines 80. Geburtstags nimmt sich die Kunstsammlung Jena zum Anlass, um Peter Schnürpels außergewöhnliches Werk mit einer Einzelausstellung zu würdigen. Speziell im Bereich der Grafik gehört dieses zu den bedeutendsten der mitteldeutschen Kunstlandschaft der Nachkriegszeit und prägte nicht zuletzt durch die umfassenden Lehrtätigkeiten des Künstlers auch folgende Generationen. 1941 in Leipzig geboren, absolvierte Schnürpel 1960 bis 1965 sein Kunststudium an der dortigen Hochschule für Grafik und Buchkunst. Unter seinen Lehrern Wolfgang Mattheuer und Bernhard Heisig wird er zum Spross der legendären Leipziger Schule, es waren aber vor allem die Anleitungen von Karl Krug als Mentor in der Druckwerkstatt, die Schnürpels künstlerische Ausrichtung als Grafiker formten. Insbesondere bei dem Verfahren der Radierung erlangte der passionierte Zeichner eine heute seltene Meisterhaftigkeit. Bereits seit 1973 ist er in Altenburg beheimatet, wo er, neben seinem Atelier in Göpfersdorf, beflissen weiterarbeitet. Steht im Zentrum von Schnürpels Arbeiten konsistent stets der Mensch, geht es doch nie um bloß äußerliche Erscheinungsweisen. Im Gegenteil, seine Gestalten sind nackte, anonyme Akteure, die über die detaillierte Bewegung ihrer Körper existenzielle Themen ausfechten – ein beharrliches, unbarmherziges Bohren nach dem Kern des Menschen, der Conditio humana, aufgeladen mit all den emotionalen Spannungen, zwischen denen das Leben pendelt. Die Ausstellung lässt nachverfolgen, wie das spezifische Motiv reift, sich wandelt und entwickelt, während parallel die Wirkung durch verschiedene Verfahrenstechniken variiert. Jüngst wählte Schnürpel neben der Kaltnadelradierung etwa wieder öfter pastose Ölfarben, wenn er sich dem griechischen Mythos um Marsyas zuwendet. Liegt der Fokus bei diesem, mit Schmerz und Grausamkeit aufgeladenem Motiv auf dem gemarterten Körper, entstammen die frühen Figuren noch der vergleichbar harmlosen Alltagswelt des Sports. Doch schon damals bezog das ästhetische Interesse eine tiefere Ebene mit ein: nicht nur bloße Freude am Sieg, vor allem die dem Sport innewohnende Tragik des Verlierens, Stürzens oder der Erschöpfung drückt sich über die Dynamik der Körper aus. In reduzierter Form potenzieren sich diese Konflikte des Menschen im Läufer. Beeinflusst von Auguste Rodins Schreitendem, wird der Läufer zu einer Schicksalsgestalt, bei der das Davor und Danach ausgespart bleiben – das Immer-weiter-Laufen als einsames Handlungsmoment, das zu keiner absoluten Vollendung finden kann. Gesonderte Aufmerksamkeit wird innerhalb der Ausstellung der Serie Nacht & Tag zuteil. Jede Nacht, vor dem Zubettgehen, eine Zeichnung, ausgeführt in der Dunkelheit des unbeleuchteten Raumes – das ist das Konzept des Langzeitprojekts, in dem Schnürpels virtuose grafische Sprache in besonders roher und direkter Form ihren Ausdruck findet. Die Serie fußt mit der Variation des eigenen Figurenkanons auf einer Selbstbefragung des Künstlers zu seinen bewussten wie unbewussten Automatismen. Wo dem Skizzenhaften seine eigene Wertigkeit zuerkannt wird, verdeutlicht sich, wie Peter Schnürpels Werk als ein immanent offenes zu begreifen ist. Wie bereits die Existenz der Läufer ewigem Fortschreiten unterliegt, wird die Unabgeschlossenheit zu einer positiven Potenz, in der stets der Impuls zum nächsten Schritt keimt. Über die mehr als 200 Arbeiten, die in der Kunstsammlung Jena zu sehen sind, vermittelt sich dies durchaus als ein Plädoyer gegen das Verharren im Immergleichen.

4. Dezember 2021 – 6. März 2022 Kunstsammlung Jena | Markt 7 | Jena Di bis So 10 – 17 Uhr | bis voraussichtlich 2.1. 2022 geschlossen www.kunstsammlung-jena.de

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