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Hier irrt der Mensch

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Patenschaften

Patenschaften

Der Hund gilt als bester Freund des Menschen,doch das Verhältnis zwischen Zwei- und Vierbeiner ist mitunter von Irrtümern behaftet.Wobei es eher die Fehleinschätzungen des Menschen sind,die das Verhältnis trüben.Diesen Eindruck erhält man allein schon bei Beobachtungen im Alltag.

Irrtum 1: Ein Hund muss nur am Anfang gelobt werden

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Er will es doch nur richtig machen - unser vierbeiniger Partner. Er kommt her,wenn wir ihn rufen,bleibt sitzen,wenn er wir es ihm sagen,gibt sein Spielzeug frei,wenn wir ihn dazu auffordern.Und was ist der Lohn? Nichts.Nicht einmal ein freundliches Wort des Lobes.Die Unart,den Hund nicht zu loben, schleicht sich erst mit der Zeit ein.Zu Beginn der MenschHund-Beziehung wird der Hund noch über den grünen Klee gelobt,in der Folgezeit nimmt die Lobfrequenz erschreckend ab.Fast ist es wie in einer Ehe - je länger man sich kennt, desto weniger hat man sich zu sagen.„Fein”,„Brav”,„Toll”,„Gut”: Mehr als eine einzige Silbe müssen Frauchen und Herrchen nicht investieren,um ihrem tierischen Freund mitzuteilen,dass er etwas richtig gemacht hat.Dabei steht nicht im Vordergrund,dem Hund eine Freude zu machen,sondern etwas viel Wichtigeres.Regelmäßiges Lob und Anerkennung geben einem Hund in erster Linie Orientierung,Sicherheit und liefern das Motiv,sich auch beim nächsten „Komm her”wieder in Richtung Zweibeiner in Bewegung zu setzen.Zwar ist es richtig,dass Lob nicht immer mit der gleichen Intensität erfolgen muss.Nicht jedes Mal muss nach richtigem Tun ein Hundekeks den Weg aus der Jackentasche ins Hundemaul finden. Die Stärke und Häufigkeit von Belohnungen sollen variieren, aber Belohnung darf nie auf Dauer verweigert werden.Es ist ein alter Hut der Verhaltensforschung,dass Tiere sehr schnell an Belohnungen lernen.Sie tun dies,weil sie nach ersten Lernschritten eine Belohnung vorhersehen können.Sie handeln also in der Erwartung,für richtiges Verhalten bestätigt zu werden.Lässt die Wertschätzung durch den Menschen nach,verliert auch der Hund eines Tages die Lust,seinen Hintern auf unsere Anweisung hin zu bewegen.Deshalb: Enttäuschen Sie Ihren Hund nicht.Loben Sie ihn,wann immer er es verdient.

Irrtum

2: Hunde brauchen keine

Aufsicht

Ein immer wieder zu beobachtendes Schauspiel.Eine große Wiese,einige Menschen und eine entsprechende Anzahl an Hunden,die auf der Wiese spielen.So weit so schön.Dass Hunde miteinander spielen,ist schließlich ein erstrebenswerter Zustand.Weniger erstrebenswert ist hingegen,daß die Zweibeiner sich ins Gespräch vertiefen,über Lokalpolitik plaudern,den G-8-Gipfel kurz ansprechen,sich dann vielleicht dem Dopingskandal im Radsport zuwenden und über all den wichtigen Geschehnissen in der Welt ihre Vierbeiner vergessen.Die spielen schließlich,alles bestens,da darf man schon mal der Zeit ihren Lauf lassen.Falsch.Wenn eine Gruppe Hunde beieinander ist,gehören sie und die unmittelbare Umgebung genau beobachtet.Angenommen ein weiterer Artgenosse,vielleicht ein unerfahrener Junghund,kommt des Weges und die freilaufende Meute beschließt,im gestreckten Galopp Kontakt zum Neuling aufzunehmen? Es wäre nicht der erste Hund,der kopflos Reißaus nimmt.Anderes Beispiel: Die spielende Hundemeute ist gar nicht so von Harmonie durchdrungen,wie es auf den ersten Blick erscheint.Einer in der Gruppe wird drangsaliert,abgedrängt,isoliert,attackiert.Mobbing unter Hunden? Kommt mindestens so oft vor,wie unter Menschen. Nur wer seine Pappenheimer im Auge behält,kann eingreifen. Deshalb müssen sich Hundebesitzer stets auf ihre Hunde konzentrieren - alles andere bleibt Beiwerk.

Irrtum 3: Der macht nichts

Es gibt drei Sätze,die ein Hundebesitzer im Schlaf beherrschen muss:

1.„Der tut nichts.”

2.„Der will nur spielen.”

3.„Das hat er noch nie gemacht.”

Tatsache ist,dass man seinen Hund sicher sehr gut kennt,aber nie und nimmer jede Situation in einem Hundeleben voraussehen kann.Zu viele Zwischenfälle gab es bereits,bei denen Hundebesitzer völlig überrascht zur Kenntnis nehmen mußten, dass es auch für ihren Liebling ein erstes Mal geben konnte. Das ist kein Aufruf zu überzogener Vorsicht,keine Forderung, alle Hunde an die Leine zu nehmen.Aber es ist der dringende Ratschlag,jeden Moment darauf gefasst zu sein,dass der eigene Hund etwas Unvorhergesehenes machen könnte.Sei es,unvermittelt auf die Straße zu rennen,weil auf der anderen Straßenseite eine Katze auf dem Zaun hockt.Oder ungeschickt vor ein Fahrrad zu laufen oder einen Passanten anzuspringen, weil ihm dieser aus für uns unerfindlichen Gründen suspekt ist.Hinzu kommt,dass nicht jeder Zweibeiner ein glühender Hundeverehrer ist und auf die gut gemeinten Worte „Der macht nichts”gar keinen Wert legt,sondern einfach ungestört an Hund und Herrchen vorbei gehen will.Das sollten verantwortungsbewusste Hundehalter respektieren und den,der „nichts macht”,kurz zu sich rufen.

Irrtum 4: Flexi-Leine reicht

Hunde wollen sich bewegen und das möglichst frei.Eine Leine ist ein Hilfsmittel,das die Bewegungsfreiheit mehr oder weniger einschränkt.Das gilt für alle Leinen - egal ob Führleine, Flexi-Leine oder lange Schleppleine.Besonders hinsichtlich der Flexi-Leinen,also den selbst aufrollenden,einige Meter langen Hundeführhilfen mit formschönem Kunststoffgriff,hält sich der Aberglaube,sie würden einem Hund ausreichend Bewegungsspielraum gewähren.Ein Aktionsradius von sieben

Metern ist nicht genug für einen Hund,um sich auf Dauer artgerecht zu bewegen.Auch eine Flexi-Leine ist immer ein Kompromiss zwischen Bewegungsfreiheit und Bewegungskontrolle.Rennen,springen,Löcher graben,mit Artgenossen herumtollen ist an der Leine überhaupt nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.

Richtig ist,dass es manchmal keine andere Möglichkeit gibt, als den Hund an der Leine zu führen,und in diesen Fällen ver- schafft eine Flexi-Leine mehr Möglichkeiten als eine kurze Führleine.Dies ist zum Beispiel bei vielen Tierheimhunden der Fall,die aus verschiedenen Gründen nicht von der Leine dürfen.Bei Privathunden gilt aber: Die Leine muss bleiben,was sie ist: ein Hilfsmittel.Als Dauerlösung taugt sie nicht.Hunde, die nicht von der Leine können,müssen entsprechend trainiert werden.Dass alle Hunde,die tagtäglich nur an der Flexi Gassi gehen dürfen,hoffnungslose Fälle sind,darf bezweifelt werden.Jede Leine hat zwei Enden,und das Problem hängt nicht immer am vorderen.

Irrtum 5: Hunde brauchen keine Führung

„Wer ist hier der Boss?”lautet der Titel eines Hundebuchs,verfasst von Nicholas Dodman.Eine Frage,die für manchen Hundehalter bereits zu weit geht.Denn immer wieder ist zu beobachten: manche Hunde haben Narrenfreiheit.Die Frage nach dem Boss stellt sich für den Hundehalter gar nicht.Der Hund indessen hat sie bereits für sich beantwortet.Er ist der Bossnur sein Zweibeiniger hat es noch nicht gemerkt. Ganz gleich,ob Hunde untereinander Beziehungen pflegen oder ob sie dies mit uns Menschen tun,wenn Hunde Beziehungen eingehen,tun sie dies nie,ohne Hierarchien aufzubauen.Mit anderen Worten: Wer einen Hund zum Partner hat, muss die Frage nach der Chef-Rolle klären.Sie wird auf Dauer nie unbeantwortet bleiben,egal,ob der Hund oder der Mensch die Antwort parat hat.In einer Gemeinschaft ohne soziale Struktur kann ein Hund nicht leben.Das widerspricht seinen ureigenen Anlagen.Anarchie im Hunderudel ist schlicht unmöglich.Für einen Hund bedeutet Rangordnung Sicherheit, sie gibt ihm Halt,sie hilft ihm,sich in der Gemeinschaft sicher und unbeschadet zurechtzufinden.

Der Chef im Rudel zu sein verlangt demjenigen,der die Rolle ausfüllt,einiges ab.Beobachtet man Hundehalter im Umgang mit ihren Schützlingen,ist man ab und an durchaus verwundert,mit welchen Verhaltensweisen manche Menschen das Thema „Rudelchef”angehen.Schreiende Menschen,die nicht an der Leine führen,sondern an der Leine nur zerren,lautstarke Kommandos wie auf dem Kasernenhof,Würgehalsbänder, Drohgesten und noch viel mehr - das Szenario lässt nur einen Schluss zu: Rudelchefs sind harte Schleifer.Alles Blödsinn.Der zentrale Begriff in der Mensch-Hund-Beziehung heißt „Souveränität”.Ein Rudelchef strahlt Sicherheit aus,ist Herr der Lage, gebietet mit Respekt,ist akzeptiert,achtet und wird geachtet und verbreitet vor allem eines nicht: Angst.

In der Hund-Mensch-Beziehung muss der Mensch die Führungsrolle übernehmen.Das ist kein Makel,das bedeutet nicht,das geliebte Tier zu unterdrücken.Das ist schlicht eine Anforderung,die erfüllt werden muss.Entscheidend ist vielmehr,wie diese Rolle ausgefüllt wird.Als Despot oder verantwortungsvoller Partner?

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