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TANZEN FÜR DIE SEELE

Tanzen als Therapie

Alle tanzbegeisterten Menschen kennen die positiven Wirkungen des Tanzens: wir fühlen uns beschwingt, pudelwohl in unserem Körper und können den Stress des Alltags hinter uns lassen. Doch auch in der neurologischen und psychotherapeutischen Arbeit gewinnt Tanzen immer mehr an Bedeutung.

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Wie Tanzen Körper und Seele gut tut, das wird seit der Jahrtausendwende immer intensiver erforscht – mit bislang überzeugenden Ergebnissen. Zwei Beispiele, die aktuell besonders viel Aufmerksamkeit erhalten, hat unsere Redaktion genauer unter die Lupe genommen.

Tango gegen Parkinson

Bei den Patient:innen macht im Laufe dieser schweren Erkrankung, die zu Zittern und Bewegungseinschränkungen führt, auch der Gleichgewichtssinn schlapp. Dadurch werden die Schritte immer kleiner, der Gang unsicher und Stürze und Verletzungen häufen sich. Immer mehr Kliniken und Rehazentren nehmen daher therapeutische Tanzprogramme fest in den Therapieplan mit auf. Die positiven Effekte von Tanz halten dabei bis zu zwölf Monate an. Gerade der Tango wird für die Therapie gerne eingesetzt: die gegengleichen Bewegungen, die Konzentration auf räumliche Orientierung, Übungen zum Gehen in verschiedene Raumrichtungen, Taktimpulse für Gehen und Pausen sowie Dynamikwechsel schulen das Gleichgewicht und verbessern die Schrittlänge. Während des Tanzens kann sogar das sogenannte »Freezing« (plötzlich auftretende Bewegungsblockaden) aktiv unterdrückt werden. Die positive Wirkung von Tango bei Parkinson ist dabei auch wissenschaftlich bewiesen. Aber auch andere Tanzformen zeigen ähnliche Ergebnisse.

Ausdruckstanz für die Seele

Die psychotherapeutische Tanztherapie hielt in den 1920er Jahren in Deutschland Einzug und geht auf Rudolf von Laban (1879 bis 1958) zurück. Seine Schüler:innen entwickelten seine Theorien um die Wirkung von Tanz auf die Seele des Menschen über die Jahre weiter und forschten in der praktischen Arbeit an neuen Ansätzen. Heute gelten die Tänzerinnen Franziska Boas, Marian Chace, Liljan Espenak, Mary Whitehouse und Trudi Schoop als die Begründerinnen der modernen Tanztherapie, deren Ansatz sich stark auf die Techniken des Ausdruckstanzes stützt. Sie alle waren zunächst nur Tänzerinnen und keine Therapeutinnen. Ihre Erfahrungen als Tänzerin-

nen und Pädagoginnen teilten sie aber mit Kontakten wie Alfred Adler oder Carl-Gustav Jung, die wiederum ihre Wurzeln in der tiefenpsychologischen Psychotherapie haben. Die Tanztherapie hat ihre Grundlagen daher auch in den Modellen der Tiefenpsychologie. Einzig Marian Chace, die als eine der einflussreichsten Pionierinnen gilt, arbeitete mit ähnlichen Methoden wie in der Psychoanalyse: sie tanzte die Bewegungen ihrer Patientinnen nach, um ihnen eine Reflexionsfläche zu bieten und um sich selbst besser verstehen zu können.

Das »Bewegungspiegeln«, wie es heute genannt wird, ist ein Hauptbestandteil der aktuellen tanztherapeutischen Arbeit geworden. Ziel der Tanztherapie ist es, die Körperwahrnehmung zu verbessern und zu lernen, sich individuell über den Körper auszudrücken und mitzuteilen. Dabei beobachten die Therapeut:innen Muskelspannung, Atmung, Rhythmus, Form, Haltung und Bewegungsdynamik der Tanzenden und können darauf therapeutisch eingehen. Kleine Bewegungen und Gesten können dabei ausreichend sein, komplexe Schrittfolgen gibt es nicht, es kommen aber durchaus verschiedene Tanzstile, je nach Stimmung und Motivation, zum Einsatz. Andersherum kann es auch sein, dass der/die Therapeut:in eine Bewegung vorschlägt, die eine Stimmung oder ein Gefühl, das die Person auszudrücken versucht, besonders gut erfahrbar machen könnte. Ein wichtiger Teil des Therapieprozesses ist auch das gemeinsame Gespräch über das Erlebte. Anwendung findet die Tanztherapie im sonderpädagogischen Kontext, aber auch in Tages- und Rehakliniken sowie in ambulanten Praxen.

Auch wenn die Tanztherapie heutzutage gerne als ergänzendes Angebot eingesetzt wird, kam es erstaunlich spät zu einer geordneten Ausbildung von Therapeut:innen: erst in den 1980ern kam ein akademischer Abschluss in Tanztherapie in Amerika auf. In Deutschland erfolgt die ca. vierjährige Ausbildung an privaten Instituten wie dem Berufsverband der TanztherapeutInnen Deutschlands (btd), es gibt aber auch sehr wenige Studiengänge an Hochschulen. Die wissenschaftliche Erforschung der Tanztherapie konnte in der Zwischenzeit schon einige überzeugende Ergebnisse liefern: die Lebensqualität und die Stressbewältigung könne sich durch die Therapieform wesentlich verbessern. Bei der Wahl einer Einrichtung sollte aber gut geprüft werden: die Bezeichnung Tanztherapie ist kein geschützter Begriff, wenn auch die psychotherapeutische Arbeit selbstverständlich nur Ärzten und Ärztinnen sowie Heilpraktiker:innen vorbehalten ist. •

» DIE POSITIVEN EFFEKTE VON TANZ HALTEN DABEI BIS ZU ZWÖLF MONATE AN «