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DR. ECKART VON HIRSCHHAUSEN Interview

Der „Ring3“ stellt vor:

Herr von Hirschhausen, was bedeutet Tanzen für den menschlichen Körper und Geist?

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Musik macht das Leben zum Tanz – und ist auf ganz vielen Ebenen enorm gesund. Gesundheit ist keine Frage von Verzicht, sondern von Lebensfreude. Und Freude wiederum ist sehr gesund! Tanzen hält Leib und Seele jung und schützt vor Alzheimer. Für die meisten geht es nicht um Leistung, sondern darum, voll im Moment zu sein. Es geht um Sinnlichkeit, um neues Lernen und darum, Freude und Gemeinschaft zu teilen.

Für Ihre ARD-Sendung „Hirschhausens Check-up“ haben Sie mit einer 93-jährigen Altenheimbewohnerin einen Walzer getanzt.

Was hat der Tanz bei ihr ausgelöst und wie haben Sie die alte Dame erlebt? Ein Wort zum Hintergrund: Das Projekt „Music and Memory“ nutzt den persönlichen Soundtrack des Lebens bei dementiell Erkrankten, um lang verschollene Erinnerungen wieder zum Klingen zu bringen. Das Rezept: Spiel die Hits individuell auf einen MP3 Player und gib zweimal am Tag für zehn Minuten Musik als Medikament – über Kopfhörer, sozusagen „ohr-al“. Als Zugabe durfte ich mich im Walzertakt mit der 93-jährigen Dame zu „Ich tanze mit Dir in den Himmel hinein…“ drehen – für mich und auch für viele Zuschauer ein Gänsehaut-Moment. Die Sendung ist übrigens noch in der ARD-Mediathek zu sehen!

Tanzschulen bieten spezielle Tanznachmittage für Menschen mit Demenz an. Wie bewerten Sie als Arzt solche Angebote?

Großartig! Bei einer Tagung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hörte ich kürzlich von einer witzigen Studie: Sportwissenschaftler gingen in ein Altersheim und machten mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Kraft- und Konditionstraining. Danach waren 15 Prozent nicht mehr da! Nein, kein Herzinfarkt durch Überbelastung – die waren nicht mehr da, weil sie merkten, sie brauchen kein Heim, und wieder nach Hause gingen! Nach dem Ende der Berufstätigkeit unterfordern wir viele Menschen. Klar, Demenz lässt sich durch viele praktische Dinge aufhalten und verlangsamen: Bluthochdruck richtig erkennen und behandeln, Übergewicht reduzieren, beweglich bleiben. Mindestens so entscheidend ist aber das Gefühl, gebraucht zu werden, eine Aufgabe zu haben, an der Gesellschaft teilzuhaben. Wenn wir Mehrgenerationenhäuser, Alten-WGs und quartiernahe Pflege besser organisieren, bleiben Menschen auch mit dementiellen Erkrankungen viel länger dort, wo sie hingehören: in der Mitte der Gesellschaft.

Warum sollte man Jung wie Alt heute überhaupt noch dazu ermuntern, Tanzen zu lernen?

Es ist schade, dass man überhaupt jemanden dazu ermuntern muss, Tanzen zu lernen. Denn eigentlich ist es ja ganz natürlich, sich zu Musik zu bewegen, das weiß jedes Kind und tut es automatisch. Eigentlich müssten wir im Erwachsenenalter nicht so mühselig tanzen lernen, wenn wir es uns nicht vorher abgewöhnt hätten. Kinder, die viel tanzen, sind im räumlichen Denken übrigens besser, ebenso wie in vielen sozialen Fähigkeiten. Es ist also nie zu früh, damit anzufangen. Und auch nie zu spät!

Foto: © Dr. Eckart von Hirschhausen

Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hat das Tanzen heute in Deutschland?

Der wächst wieder, oder? Ich habe das Gefühl, dass viel von dem Tanzstunden- Mief-Image abgeschüttelt wurde, dass die Szene breiter und größer geworden ist, von Tango und Salsa bis zu West Coast Swing!

Tanzschulen bieten Hip-Hop, Disco-Fox, Zumba und die klassischen Gesellschaftstänze an. Welchen Tanzkurs würden Sie besuchen? Und warum?

Da ich gerade mit einem Bühnenprogramm auf Tour bin, wird das mit einem regelmäßigen Kurs nichts. Aber auf der Bühne zeige ich jeden Aben einen Ausschnitt vom Tanzen im Altenheim, rede über Paddy Jones, die mit 83 in meiner Sendung Salsa tanzte und Standing Ovations bekam. Auf diese Weise, so hoffe ich, finden viele Menschen wieder zu sich und ihrem Rhythmus.

DR. ECKART VON HIRSCHHAUSEN

Wie würde Ihre Partnerin Ihren Führungsstil beschreiben?

Jetzt muss ich mal eine Lanze für uns Männer brechen: Führen ist sehr viel schwieriger als sich führen zu lassen! Aber wenn dieser subtile Dialog der Signale gelingt, dieses Spiel von Nähe und Dis-Tanz, von Drehung und Verrenkung, dann wächst man über sich hinaus. Oder man lacht.

Wie viel Tanzerfahrung haben Sie?

In der Schulzeit habe ich einen Tanzkurs gemacht, dann aber lange nichts systematisch dazugelernt, bis ich für meine Sendung „Hirschhausens Quiz des Menschen“ Tanzstunden nahm. Übrigens aus einem rein wissenschaftlichen Antrieb: Vor und nach den Tanzstunden ließ ich ein MRT machen, weil ich wissen wollte, ob dieser Unterschied nicht nur in meinen Füßen zu sehen ist, sondern auch in meinem Gehirn. Und siehe da: Es hatten sich neue Synapsen gebildet! Ich bleibe dabei: Ein Leben ohne Tanzen ist möglich, aber sinnlos! … (Jahrgang 1967) studierte Medizin und Wissenschaftsjournalismus in Berlin, London und Heidelberg. Seine Spezialität: medizinische Inhalte auf humorvolle Art und Weise zu vermitteln und gesundes Lachen mit nachhaltigen Botschaften zu verbinden. Seit mehr als 20 Jahren ist er als Komiker, Autor und Moderator in den Medien und auf allen großen Bühnen Deutschlands unterwegs. Durch die Bücher „Arzt-Deutsch“, „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“,„Glück kommt selten allein…“ und „Wohin geht die Liebe, wenn sie durch den Magen durch ist?“ wurde er mit einer Auflage von mehr als fünf Millionen einer der erfolgreichsten Autoren Deutschlands. Sein neues Buch „Wunder wirken Wunder – Wie Medizin und Magie uns heilen“ wirft einen humorvollen Blick auf die bunte Wunderwelt der Heilkunst und steht seit Erscheinen im Oktober 2016 an der Spitze der SPIEGEL-Bestsellerliste. Eckart von Hirschhausen moderiert die ARD-Wissensshows „Frag doch mal die Maus“ und „Hirschhausens Quiz des Menschen“.

Hinter den Kulissen engagiert sich Eckart von Hirschhausen mit seiner Stiftung HUMOR HILFT HEILEN für mehr gesundes Lachen im Krankenhaus, für Forschungsund Schulprojekte. Er ist ein gefragter Redner und Impulsgeber für Kongresse und Tagungen und hat einen Lehrauftrag für Sprache der Medizin. Als Botschafter und Beirat ist er für die Deutsche Krebshilfe, die Deutsche Bahn Stiftung, die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und andere tätig. Als Schirmherr von Jugendaktionen wie „Klasse 2000“ oder „Be smart Don‘t start“, einem Programm gegen Tabakabhängigkeit, bringt Eckart von Hirschhausen gesunde Ideen in den Bildungsbereich. Jahrelang hat er auch die Entwicklung von Schulmaterial zu sozialem Lernen, Gesundheit und Glück gefördert. Auf seiner Homepage www. humorhilftheilen sind Übungen und Beispielstunden zu finden.

Mehr über Eckart von Hirschhausen erfahren Sie unter www.hirschhausen.com