3 minute read

Die Strahlkraft der Kosmischen Liebe

Bewegung neu imaginieren in der Choreografie von Clara Furey

In enger Zusammenarbeit mit dem Lichtdesigner Alexandre Pilon-Guay und dem Komponisten Tomas Furey geht die kanadische Choreografin Clara Furey Choreografie als multi-sensorielle Erfahrung an. Ihre erste Gruppenarbeit für sieben Tänzer*innen, “Cosmic Love”, ist ein Wirbelsturm an Farben, Körpern und Bewegungen, die sich in einem lebendigen Energiefeld kontinuierlich wandeln.

Advertisement

Die Choreografin Clara Furey studierte Musik am Conservatoire de Paris, sie weiß also, was es bedeutet ‘sich mit dem Sound zu verbinden’ und ‘sich im Sound zu verlieren’ – und auf der Bühne. In Ihren Performances setzt sie Sound ein, um verstummte, innere Bewegungslandschaften freizulegen. Furey beherrscht die konzentrierte Ökologie des Wartens und des aufeinander Einstimmens, daher nähert sie sich der Bühne als Tabula rasa, auf der sie selbst, wie die Zuschauer*innen, dazu ermutigt wird ‘in einem Zimmer für sich allein’ zu verweilen. Dort trifft das Gefühl, in ein Loch zu fallen oder in die Untiefen der besonderen Ecken des Zimmers zu tauchen auf das Verweilen und rituelle Abwarten, aus dem das Unerwartete hervordringen könnte.

Ihre sechs Tänzer*innen probieren nicht eins zu werden, sondern experimentieren damit, wie sie in ‘der Menge’ eine Form von Kooperation, Gemeinschaft und Schutz finden können.

Fureys Tanzpraxis besteht zu gleichen Anteilen aus der Erforschung von Sound, sinnlichen Entdeckungsreisen und leeren Leinwänden, in die das Publikum eintauchen kann. Daraus entsteht eine totale Kosmologie, die zugleich konstruiert und leicht auseinandergenommen werden kann. Sie bedient sich nicht einer Traumwelt oder eines Alptraums, sondern der Wachträume mit denen wir uns identifizieren können, in die wir eintauchen können. In dem Sinne ist Fureys Fähigkeit ‘das Immersive’ zu präsentieren ihre größte Stärke als Choreografin: sie ermöglicht es uns, etwas zu teilen, und voll und ganz in ‘ihre Welt’ einzutauchen, die sich immer wie eine Nicht-Welt anfühlt.

“Cosmic Love” kann als Studie der Möglichkeiten verschiedener Individuationsprozesse gedeutet werden. Ihre sechs Tänzer*innen probieren nicht eins zu werden, sondern experimentieren damit, wie sie in ‘der Menge’ eine Form von Kooperation, Gemeinschaft und Schutz finden können. Es kann sehr beruhigend sein, als Zuschauer*in ‘nicht wissen zu müssen’ was über unsere Körper und Köpfe hineinbricht. Mit ihren Bewegungen gestalten sie die Skulptur der (erst langsamen, dann schnellen) Zeit, es könnten ‘Körper’ der Vergangenheit oder der Zukunft sein, somit lockt sie uns in Halluzinationen oder Gemeinsamkeiten, die wir vielleicht einst kannten aber nicht benennen können. Wenn man Fureys Werk betrachtet kommt oft dieses Gefühl der Vollkommenheit auf: Wir sind die ehrfürchtigen Zeug*innen der Großzügigkeit von Bewegung, möge die Bewegung auch noch so minimalistisch sein. Die Bewegungen schneiden präzise durch die Luft, indessen der Boden auf dem die Performances entstanden sind sich in Nichts auflöst, wieder Gestalt annimmt, und dann in den dunklen Theaterraum, in den wir uns anfangs setzten, zurückkehrt. Dies sind weder Träume noch Halluzinationen, auch wenn die technische Beherrschung der Choreografin und ihrer Tänzer*innen diesen Eindruck erweckt. Fureys Arbeiten ähneln dem Clair-Obscur der Malerei, wie sie langsam dahinschmelzen, oder den Inszenierungen, die zu ungefestigter Materie implodieren.

Solidarität wird hier neu gestaltet und neu gedacht.

Furey erkundet den Ursprung und die Zukunft. Sie testet die zukünftigen Körper aus, die ein Körper-Wissen erlangen könnten, das unsere aktuelle Welt informieren könnte. Erforschen wir die verlorenen Hieroglyphen der Bewegungssprache in sich und zwischen ‘uns’, so finden wir vielleicht zurück zum ursprüngliche Motor des Lebens, der Energie und seiner Macht. In “Cosmic Love” reproduziert Furey nicht die heutige politische Ordnung, die ‘Gemeinschaft’ und ‘Kooperation’ aus verschiedenen instrumentalisierenden Perspektiven definiert. Nein, Solidarität wird hier neu gestaltet und neu gedacht. Fureys Objekte, als seien sie Himmelskörper, verhandeln das ‘Wir’ neu, wie wir überhaupt ein ‘Wir’ sein können. “Cosmic Love” ist eine Performance, die sich jenseits der Grenzen der Unterhaltung bewegt, somit beschwört sie die grundlegendsten menschlichen Prinzipien und Fragen. Die Handlungen auf der Bühne befassen sich mit Möglichkeiten, Energie zu produzieren, das Schicksal auf die Probe zu stellen und neue menschliche Treibstoffe zu schaffen. Das ist ein kritischer Versuch, Produktionsmethoden neu zu denken und unsere Beziehung zu anderen, menschlichen und nicht-menschlichen Wesen, die wir beginnen müssen als Bestandteil unseres Bewegungs-, Denk- und Lebensalltag zu betrachten, zu hinterfragen. T

Übersetzt aus dem Englischen von Anna-Katharina Johannsen.