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Internationales Verkäufer*innen-Porträt

Internationales Verkäufer*innen-Porträt

«Ich möchte eine feste Bleibe haben»

«Ich bin vor Kurzem in Bristol vom Waitrose-Supermarkt zum Bahnhof Temple Meads umgezogen, und das ist sehr gut für mich. Denn hier um die Ecke ist auch das Büro der Strassenzeitung The Big Issue. So kann ich jederzeit vorbeigehen und die Leute dort um Rat fragen, wenn ich ein Problem habe. Sie respektieren mich und helfen mir, das ist wichtig für mich. Ich verkaufe am neuen Standort an die 100 Magazine pro Woche, früher waren es nur 20. Jetzt habe ich ein Kartenlesegerät, damit die Leute auch bargeldlos bezahlen können.

Auf meinem Platz kann es sehr geschäftig zu- und hergehen. Manchmal kommen hier fast zu viele Leute vorbei, ich habe dann nicht richtig Zeit für sie. Deshalb habe ich im Moment auch gar nicht so viele Stammkunden. Dafür kaufen jeden Tag viele verschiedene Leute bei mir die Zeitschrift. Was an sich auch gut für mich ist, nicht nur wegen des Verkaufs, denn so lerne ich immer wieder neue Menschen kennen. Ich versuche, nicht allzu viel zu reden, sage höchstens ein freundliches «Hallo» oder wünsche einen «Guten Morgen», denn die meisten Leute müssen eilig zur Arbeit oder sie gehen einkaufen, wollen also nicht unnötig aufgehalten werden. Ich achte immer darauf, dass mein Platz sauber ist, denn ich glaube, das macht es den Leuten leichter, mich anzusprechen.

Neben dem Verkauf der Zeitschrift mache ich einen Kurs in Betriebswirtschaft an der Universität von Nottingham. Ich lerne da viel über Management. Letztes Jahr fand der Kurs bloss einmal pro Woche und per Zoom statt, wegen der Corona-Pandemie. Jetzt treffen wir uns an zwei Tagen auf dem Campus. Der Kurs ist sehr intensiv, aber gut für mich. Denn er hilft mir herauszufinden, ob ich in Zukunft vielleicht noch einen anderen Beruf ausüben möchte. Eine genaue Vorstellung habe ich noch nicht, im Moment reicht mir der Verkauf der Strassenzeitung, um über die Runden zu kommen.

Ich habe seit einigen Jahren ernsthafte Probleme mit meinem Nacken und Rücken. Nachdem ich 2014 aus Rumänien nach Grossbritannien gekommen war, fand ich einen Job auf einer Baustelle. Dann hatte ich allerdings einen Unfall und konnte nicht mehr arbeiten. So landete ich auf der Strasse. Heute habe ich zum Glück wieder eine eigene Wohnung, wenn auch nur eine 1-Zimmer-Wohnung und bloss vorübergehend. Ich habe mich bei der Stadtverwaltung von Bristol um eine Wohnung beworben, die für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen geeignet ist. Aber ich warte noch auf den Entscheid. Es wird sehr schwer werden, denn es gibt zu viele Menschen, die auf einen Wohnsitz hoffen. Mein grösster Wunsch ist es, eine Wohnung zu kaufen. Ich möchte eine feste Bleibe haben, alles andere stresst mich. Dafür aber brauche ich eine geregelte Arbeit. Doch das wiederum ist ein Problem für mich. Meine Ausgangslage ist nicht sonderlich gut – ein Job auf dem Bau wäre zum Beispiel zu anstrengend für mich. Aber hierzulande haben die Leute zum Glück keine Vorurteile gegenüber Behinderten, und ich habe das Gefühl, dass man eine Chance bekommt. Wenn mir jemand etwa eine Arbeit in einem Büro anbieten würde, würde ich sie jederzeit annehmen, auch wenn es nur Teilzeit wäre.

Mir gefällt es sehr in Bristol. Ich mag die Stadt, die Menschen, die Einkaufsmöglichkeiten, deshalb bin ich jetzt schon seit acht Jahren hier. Als ich Rumänien verliess, wollte ich die Welt sehen. In Bristol habe ich nun ein neues Zuhause gefunden. Alle, die das Strassenmagazin bei mir kaufen, helfen mir, zu überleben und irgendwann meine Träume zu verwirklichen.»

Oprea Ruducan, 48, stammt ursprünglich aus Rumänien, er verkauft in Bristol das Strassenmagazin The Big Issue und macht einen Kurs an der Uni.

FRANKIE STONE FOTO:

Aufgezeichnet von LIAM GERAGHTY Übersetzt von KLAUS PETRUS Mit freundlicher Genehmigung von THE BIG ISSUE /

Entlastung Sozialwerke BEGLEITUNG UND BERATUNG STRASSENCHOR

CAFÉ SURPRISE

Lebensfreude Zugehörigkeitsgefühl

Unterstützung Entwicklungsmöglichkeiten

Job Expertenrolle STRASSENFUSSBALL

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Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für rund 450 armutsbetroffene Menschen ist diese umfassende und niederschwellige Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag.

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