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Anna Stern

Zwischen zwei Flügen

TEXT ANNA STERN

Auch der zweite verzweifelte Blick auf die Abflugtafel änderte nichts daran, dass die Maschine, in deren beengtem Innenraum er seit geraumer Zeit schon sitzen sollte, nicht vor morgen früh würde abheben können.

Es war nichts zu machen, er sass hier fest, auf Grund gelaufen in seiner eigenen Vergangenheit. Müde, erschöpft von der langen Reise sah er nach draussen in die Dunkelheit und fluchte leise vor sich hin. Verwünschte den Schnee, den eisigen Winterwind und diese Stadt, von der er gehofft hatte, sie nie mehr wieder auch nur aus der Ferne sehen zu müssen.

Dass es ihn ausgerechnet hierher verschlagen hatte, dass just der Flughafen dieser Stadt zu seinem Gefängnis werden musste – dieser Zufall hinterliess den tranigen Nachgeschmack eines schlechten Scherzes auf Antons Zunge. So viele Erinnerungen lagen unter diesem Schnee begraben, jeder Windstoss erzählte Geschichten, die zu hören er sich nicht mehr imstande fühlte. Er hatte gehofft, den labyrinthartigen Gassen dieser Stadt entkommen zu sein, ein für alle Mal. Sich fortan nicht mehr vor ihren Fangarmen fürchten zu müssen. Hatte es gehofft, tief im Herzen jedoch stets um die Unerfüllbarkeit dieses Wunsches gewusst. Es war nicht möglich, vor der Vergangenheit zu fliehen, der eigenen Geschichte aus dem Weg zu gehen.

Früher oder später holt sie uns alle ein, dachte er. Bleibt Siegerin in jedem Kampf.

Und dennoch, Anton hatte bis zuletzt gehofft. Denn: Es hätte doch nur ein Transitflug sein sollen, ein notwendiges Übel, annehmbar jedoch unter den gegebenen Umständen; nichts als ein kurzes Zwischenspiel, nicht mehr als drei Stunden zwischen zwei Flügen.

Mit einem leisen Seufzer hob Anton seine schwere Tasche vom Boden auf und trug sie in die nächstgelegene Bar. Sein Rücken tat weh und er spürte, wie auch die Schmerzen in seinem Bein stärker wurden. Nur zwei von vielen kleinen Gebrechen, die das Alter als Gegenleistung forderte. Die zunehmende Unsicherheit in den Fingern, wenn sie in trauriger Erinnerung an die verlorene Leichtigkeit über die Saiten des Instruments schwebten; ein alter Kopf, der ihn immer öfter auch oder gerade in den entscheidenden Momenten im Stich zu lassen drohte; der leicht erhöhte Blutdruck, gegen den sein Arzt ihm eine Vielzahl an Tabletten verschrieb, die er jedoch kaum einmal nahm – schwärende Wunden aus dem fortwährenden Widerstreit mit der eigenen Vergangenheit, einem Zweikampf, der ihm zunehmend zu entgleiten schien. Schwerfällig liess Anton sich in einen Sessel, die Tasche daneben zu Boden gleiten. Nein, er hatte nicht vor, sich aufzugeben, sich sinnlos zu betrinken. Dafür war jetzt nicht die Zeit. Er suchte bloss Entspannung, Erleichterung vielleicht oder Ablenkung. Erlösung gar. Sehnte sich danach, die Verantwortung, und sei es auch nur für die Zeit eines Drinks, an jemand anderen abgeben zu können.

Der Kellner, ein schmaler, unscheinbarer Mann mit rötlich blondem Haar und traurigen Augen, schreckte Anton aus seinen Gedanken auf, als er an den Tisch trat und mit fragendem Blick auf eine Bestellung wartete. Einen Augenblick fürchtete Anton, der junge Mann habe ihn tatsächlich erkannt. Doch dann … nein, das konnte nicht sein, ein Jüngling, bestimmt noch keine dreissig Jahre alt! Viel zu jung, um sich an die Geschichten von damals zu erinnern. Erleichtert, aber mit irrsinnig pochendem Herzen räusperte Anton sich, zeigte ohne hinzusehen auf eine Zeile der Getränkekarte und liess sich dann etwas entspannter in das tiefschwarze Leder zurücksinken.

In der nächtlichen Dunkelheit vor dem Fenster stand ein einsamer Raucher, die Glut der Zigarette ein Irrlicht im Schwarz der Nacht. Auch Anton hatte geraucht. Früher einmal. Damals, in jener anderen Zeit. Als die Zukunft noch mehr für ihn bereitgehalten hatte als die Furcht, die alten Geschichten könnten wieder ans Tageslicht gezerrt werden.

Für einen kurzen Augenblick erhellte ein schwaches Licht die Szenerie, vielleicht ein Fahrzeug, das weit draussen auf der Rollbahn kreuzte. Es warf einen dämmrigen Schleier an die graue Betonwand über dem Kopf des Rauchers, Schneeflocken umwirbelten ihn, eine zarte weisse Decke hatte sich um seine zitternden Schultern gelegt. Er zog derart gierig an der Zigarette, dass der Rauch zu tief in seine Lunge drang und er fürchterlich zu husten anfing. Es war eine absonderliche Szene, die sich Anton da bot: der Raucher nur ein lautloser Schatten in der dunklen Nacht, umgeben vom tanzenden Weiss des Schnees und der eigenen nebligen Atemwolke, sich mühsam verrenkend in dem Versuch, seine kranke, teerverklebte Lunge mit frischer Winterluft zu füllen.

«Anton, bist du es?»

Marjane nahm den Anruf wie gewohnt gleich nach dem ersten Klingeln entgegen. Es machte Anton glücklich, die Stimme seiner Ehefrau zu hören. Trotz oder gerade wegen der grossen Distanz, die zwischen ihnen lag.

«Ja, Marjane, ich bin’s.»

«Ist etwas passiert? Warum rufst du an um diese Zeit? Solltest du nicht längst wieder im Flugzeug sitzen?»

Wie immer lag ein Hauch von Sorge in ihrer Stimme, ihr Bemühen um Fürsorge und um sein Wohlergehen klang daraus. Zugleich aber auch verzweifelte Machtlosigkeit und die quälende Angst, möglicherweise ausgerechnet dann nicht da zu sein, wenn er ihre Unterstützung brauchte.

«Nein, nein, mach dir keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung so weit. Es ist …»

Einen Augenblick zögerte er. War das Telefon die richtige Wahl, um Marjane zu sagen, was geschehen, wo er aufgehalten worden war? Genügte es, ihr mitzuteilen, dass er erst morgen Abend eintreffen würde? Ohne einen Grund dafür zu nennen?

«… es ist der Sturm, Marjane, das Flugzeug kann nicht starten.» Und nach einigen Sekunden des Schweigens fügte er hinzu: «Ich sitze fest, ich sitze in der Vergangenheit fest.»

Er hörte, wie Marjane nach einem tief erschrockenen Atemzug die Luft an- und in ihrem Gedankengang innehielt. Ihr musste er nicht erklären, wo er festsass und was das bedeutete. Sie wusste es, sie kannte die Geschichte, war selbst Teil davon, damals genauso wie jetzt.

Auf dem beleuchteten Rollfeld wirbelte der Sturm Schnee in die Luft, weisse Spiralen, ruckartig tanzend vor dem schwarzen Hintergrund der Nacht. Und weiter hinten, halb verdeckt von einem sanft abfallenden Ausläufer des nahen Hügelzugs, leuchteten die Lichter der Stadt. Die Lichter von Antons Stadt. Ein verführerisches Pulsieren, scheinbares Versprechen von jungem Leben, unvergänglichem Erfolg und schuldloser Schönheit. Verhängnisvoll jedoch für diejenigen, die darauf vertrauten, die sich einliessen auf das Spiel. Und schliesslich eingeholt wurden; weil sie sich hatten blenden lassen von der trügerischen Maskerade. Anton wusste, wovon er sprach.

«Marjane, bist du noch da?»

Natürlich. Es gab keinen Grund, weshalb nicht. Dennoch schwang in Antons Stimme ein leises Zittern mit, als er fortfuhr. Er gab sich redlich Mühe, dies zu unterdrücken, wollte Marjane nicht verunsichern, versuchte, wie sonst auch immer, die Beherrschung zu bewahren. Ihr Fels in der Brandung zu sein, wie er es in all den langen Jahren gewesen war. Aber es gelang ihm nicht. Die vergangenen Wochen, die mühsame Reise heute und jetzt noch dieser Aufenthalt. Dieser Zwischenhalt wider Willen. Irgendwann holte selbst ihn die Erschöpfung ein.

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«Marjane, Marjane, ich will nicht mehr», brach es plötzlich aus ihm heraus. Seine Stimme klang weinerlich, musste auf dem langen Weg zu ihr noch zusätzlich an Kraft verlieren. «Ich will nicht, kann nicht mehr. Verstehst du? Es reicht, irgendwann reicht es. Ich möchte bei dir sein, zu Hause, möchte, dass du mich in den Arm nimmst. Ich bin müde, so unglaublich müde … ach, Marjane, warum immer wieder wir?»

«Anton, bitte hör auf, bitte! Ich kann …»

Auch sie begann zu weinen, die Worte versanken in ihren Tränen. Anton sah ihr runzliges Gesicht vor sich, das traurige Lächeln in ihren Augen, diese Tränen, die sich ihren Weg bahnten durch die vertraute Landschaft aus weichen Falten. Ein verwinkeltes Flusssystem, in die alte Haut gelegt als ein Geschenk der Vergangenheit, eine reliefartige Struktur, die Topografie seiner Träume.

«Marjane, nein, ich wollte nicht … ich, es tut mir leid. Bitte. Du sollst nicht …»

Der kurze Augenblick der Schwäche war sofort wieder vorbei. Etwas verschämt wischte er sich eine letzte Träne aus dem Augenwinkel, als der junge Kellner ein Glas dunkelroten Weins vor ihn auf das kleine Tischchen stellte. Anton hatte gehofft, sich einmal bei Marjane anlehnen zu können, ein einziges Mal nur. Jetzt jedoch musste er einsehen, dass das nicht möglich war. Seltsam, es war ihm, als habe ihr Weinen ihm wieder neue Kraft gegeben, scheinbare Zuversicht gesät und mit Tränen getränkt. Vielleicht aber war es auch nur sein über die Jahrzehnte gewachsener und selbstverständlich gewordener Wille, Marjane zu beschützen vor den Gefahren dieser Welt.

«Ich liebe dich, hörst du? Ich liebe dich, und nichts, kein Dieb, kein Zauber und schon gar nicht ein aufgeschobener Flug kann daran etwas ändern. Es ist nur eine Nacht, Marjane, es sind nur diese Stunden zwischen zwei Flügen. Ob drei, vier oder fünfzehn, was ändert das schon? Es ist viel Zeit vergangen seit damals, die Leute werden sich nicht mehr erinnern, die Geschichte wird ein gutes Ende nehmen dieses Mal …»

«Das stimmt nicht, Anton, und das weisst du ganz genau! Niemand wird jemals vergessen, niemand, der damals dabei war, wird davor zurückschrecken, erneut Staub aufzuwirbeln – du weisst, wie die Leute sind! Und wenn der Anfang erst einmal gemacht ist, dann … dann … du weisst haargenau, was dann passiert …»

Die letzten Worte hatte sie so leise gesprochen, dass Anton sie kaum noch verstand. Aber natürlich hatte sie recht. Sie hatte immer recht. Es war unwahrscheinlich, dass die Leute vergessen hatten. Das Leben mochte immer schneller werden, über immer weitere Strecken vernetzt. Und zusammen mit der Geschwindigkeit nahm die Sensationsgier der Leute zu. Immer neue, immer grössere Skandale mussten her, geliefert von skrupellosen Journalisten und kurzlebigen Sternchen am gläsernen Himmel der Öffentlichkeit. Nichts blieb der Welt mehr verborgen, und einmal in den verschiedenen Archiven der Zeit abgelegt, ging auch nichts mehr jemals vergessen. Es mochten ihn nicht alle auf den ersten Blick wiedererkennen, doch Anton wusste, dass es nicht viel brauchte, um die vermeintlich gelöschten Erinnerungen wieder wachzurufen. Es existierte immer irgendwo ein Back-up.

Marjane räusperte sich, sie klang so weit entfernt, dass Anton traurig die Augen schloss und müde im schwarzen Leder des Sessels versank. Schwarz wie die Nacht, wie der Atem der Stadt, die draussen auf ihn wartete.

«Was nun?», fragte Marjane von ganz weit weg.

Er wusste es nicht. Die Nacht war noch lang, die Stunden zogen sich zäh dahin. Und mit jeder Minute, die er länger in diesem gut einsehbaren Lokal verbrachte, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass ihn jemand wiedererkannte. Es wunderte ihn, dass es nicht schon längst geschehen war.

Auch die vorgesehenen drei Stunden Aufenthalt hatten eines gewissen Risikos nicht entbehrt, doch eine ganze Nacht? – Hätte er gewusst, worauf er sich da einliess, er hätte die Reise nie angetreten. Doch da er die Gefahren, die ihm unterwegs begegnen konnten, als äusserst gering eingeschätzt und es folglich keinen guten Grund gegeben hatte, ihr Vorhaben nicht auf diese Weise anzugehen, hatte er Pierre angerufen und ihm sein Kommen zugesichert. Marjane, die von Anfang an dagegen gewesen war und sich geweigert hatte, ihn zu begleiten, hätte ihm eine Warnung sein können. Doch was, ausser Marjanes Gefühl, hätte ihn schon darauf vorbereiten können, dass es so kommen würde?

Bestimmt gab es Zufälle, dies jedoch war aussergewöhnlich. Und wäre der Grund für den Flugausfall nicht dem Wetter zuzuschreiben gewesen, Anton hätte sich als Opfer eines klug eingefädelten Komplotts gesehen. Leute, die ihm die Pest an den Hals wünschten, gab es weiss Gott wie Sand am Meer.

«Ich weiss nicht, Marjane», seufzte Anton, während er das Weinglas vom Tischchen nahm und es gegen das Licht hielt. Die ersten Schlucke hatten bitter geschmeckt, nicht so, wie Wein dieser Preisklasse in seiner Erinnerung schmecken sollte. Auch hatte er einen Augenblick geglaubt, eine ungewöhnliche Trübung festzustellen, doch als er nun nach einem prüfenden Blick erneut am Glas nippte, schalt er sich für seine übertriebene Vorsicht, diesen Alarmismus, der ihm in den vergangenen Jahren zum ständigen Begleiter geworden war: Mit dem Wein war alles in Ordnung, seine Fantasie hatte ihm einen Streich gespielt.

«Ich weiss nicht, Marjane», wiederholte er, «ich bin furchtbar müde, ein paar Stunden Schlaf wären keine schlechte Idee. Das Beste wäre es, wenn ich im Flughafenhotel noch ein Zimmer bekommen könnte. Doch ich vermute, dass es dafür inzwischen zu spät ist, ich bin schliesslich nicht der Einzige, der hier nicht mehr wegkommt. Das Hotel ist nicht gross, die wenigen Zimmer werden alle belegt sein. Und dass sich bei dem Wetter und um die Uhrzeit noch ein Taxi finden lässt, bezweifle ich. Ausserdem, ich muss das Schicksal ja nicht provozieren, mit je weniger Leuten ich spreche, umso geringer die Wahrscheinlichkeit …»

«Ich könnte Claire anrufen, vielleicht hat sie noch ein Zimmer frei für diese Nacht.»

«Danke, lieber nicht, das Risiko ist mir zu gross, ich will Claire keine Unannehmlichkeiten bereiten. Sie hat damals schon genug gelitten, und ich möchte nicht, dass man sich erneut das Maul über sie zerreisst. Sie ist noch jung, die Zukunft wartet mit grossen Aufgaben auf sie, und ich will ihr mit meinem Auftauchen nicht erneut Steine in den Weg legen. Das hätte sie nicht verdient, nicht Claire.»

«Doch was dann? Du solltest dich ausruhen, etwas erholen, ich möchte nicht, dass …»

«Keine Angst, Marjane, mir wird schon etwas einfallen. Mir ist noch immer etwas eingefallen, Liebes.»

Antons Stimme hatte ein Stück ihrer alten Kraft zurückgewonnen, ein letztes Aufbäumen scheinbar. Es war der Versuch, Marjane zu beruhigen. Ein Versuch auch, die eigene Angst zu überlisten. Bisher war alles gut gegangen, das Gespräch mit seiner Frau hatte verhindert, dass Anton die Mienen der Vorübereilenden zu eingehend hätte betrachten und in ihren Blicken nach einem Zeichen des Wiedererkennens hätte suchen können. Bald aber würden sie sich eine gute Nacht wünschen, sich gegenseitig versichern, wie sehr sie sich auf das Wiedersehen am nächsten Tag freuten, und schliesslich auflegen. Und zusammen mit dem Telefonat wäre dann auch die Phase der Selbsttäuschung zu Ende und die Angst käme zurück.

Die Frage, wo und wie er die übrigen Stunden bis zum Morgengrauen verbringen würde, war für Anton nämlich zweitrangig. Mehr noch sorgte er sich darum, ob er dieses Morgengrauen, den tiefroten Aufstieg der glühenden Sonne, die langsam hinter den Hügeln hervorkroch und die Stadt, seine geliebte Stadt, von Minute zu Minute mehr mit ihrem goldenen Schein umarmte und die ewigen Sirenen zu ihrem verlockenden Gesang anregte, überhaupt noch erleben würde. Denn Anton fühlte sich müde, unendlich müde. Er spürte, wie seine Lider immer schwerer wurden, hörte Marjanes Stimme langsam von ihm wegdriften, wie sie leiser und leiser wurde, bis er kaum noch verstand, was sie sagte. Und dann flüsterte er, flüsterte leise ein «Ich liebe dich» für Marjane, für diese Frau, die er mehr liebte als alles andere auf der Welt, flüsterte leise, beinahe entschuldigend und mit der letzten Kraft, die ihm noch blieb.

Dass Marjane laut nach ihm rief, dass sie wieder und wieder seinen Namen in den Hörer schrie, nahm Anton schon nicht mehr wahr. Seine Muskeln waren erschlafft, der Apparat entglitt seiner Hand. Seine Ohren hörten nicht mehr, seine Augen sahen nicht mehr und sein Herz stand nach einem letzten schwachen Pochen für immer still.

Auf den verlassenen Start- und Landebahnen hingegen heulte ein eisiger Wind sein winterliches Klagelied, wie tausend funkelnde Juwelen fiel der Schnee lautlos und unbemerkt. Und draussen, weit, weit draussen leuchteten wie Sterne die Lichter der Stadt.

Dieser Text wurde 2014 im digitalen Kurzgeschichten-Programm von Elster & Salis, Zürich, veröffentlicht und ist Teil des Erzählbands «beim auftauchen der himmel».

ANNA STERN, geboren 1990 in Rorschach, schreibt und doktoriert in Zürich. Ihr Roman «das alles hier, jetzt.» (Salis) wurde mit dem Schweizer Buchpreis 2020 ausgezeichnet. Zuvor erschienen «wild wie die wellen des meeres» (2019, Roman, Salis), «beim auftauchen der himmel» (2017, Erzählungen, lectorbooks), «der gutachter» (2016, Roman, Salis) und «schneestill» (2014, Roman, Salis). Anna Stern ist Förderpreisträgerin der St. Gallischen Kulturstiftung. 2019 zeichnete die Stadt Zürich ihr literarisches Werk aus.