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Good Food: Nachhaltigkeit, Klima und Gesundheit

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Die Ernährung: Als internationales Markenartikel-Unternehmen bieten Sie „von globalen Ikonen bis hin zu lokalen Favoriten“ eine breite Vielfalt an Lebensmitteln an. Welchen strategischen Linien folgt da Nestlé?

Cédric Boehm: Die wichtigsten Geschäftsbereiche für Nestlé in Österreich sind Kaffee und Tiernahrung. Strategisch ist aber auch das pflanzliche Produktsegment von großer Bedeutung für uns – damit zahlen wir auch in unsere globale Klima-Roadmap ein. Oft nicht bekannt in Österreich: Wir haben auch ein Health Science Business. Hier geht es um Produkte für spezielle Ernährungsbedürfnisse – unsere Partner hier sind Apotheken und Krankenhäuser. In diesem Bereich hat Nestlé in den letzten Jahren auch viele spannende Akquisitionen getätigt.

Gibt es spezielle strategische Ansätze für Österreich?

Boehm: Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wir teilen diese Prioritäten mit unseren Kunden, Lieferanten und Partnern. Nestlé hat dafür globale Strategien und Ziele, zu denen wir als österreichische Tochtergesellschaft unseren Beitrag mit Ambition leisten.

Derzeit sind Inflation und Preise speziell bei Lebensmitteln ein heiß diskutiertes Thema. Welche Auswirkungen haben die Situation bei Rohstoffen, Energie und Lieferketten etc. auf die Produktion und die Kosten?

Boehm: Der gesamte Lebensmittelsektor ist mit erheblichen Kostensteigerungen konfrontiert. Die Gründe für diesen starken Anstieg sind vielfältig – globale Lieferkettenprobleme, der Krieg in der Ukraine, steigende Energiekosten, Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft. Bei so vielen Variablen gibt es – vor allem kurzfristig – keine einfachen Lösungen für irgendjemanden entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette.

Wie gehen Sie als internationales Unternehmen mit diesen Herausforderungen um?

Boehm: Das Komplexe an der heutigen Situation ist, dass wir mit sehr vielen Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert sind. Was die enormen Kostensteigerungen angeht, so setzen wir alles daran, kostensparende Maßnahmen und Effizienzsteigerungen zu finden. Es wird aber weiterhin wichtig sein, in die Zukunft zu investieren, dabei muss man sich auf die richtigen Dinge fokussieren. Als internationales Unternehmen mit Aktivitäten in verschiedenen Produktkategorien und auf allen Kontinenten haben wir dafür die nötigen Ressourcen. Wir werden in die Entwicklung der Produkte unter den Aspekten der Nachhaltigkeit, des Klimas und der Gesundheit investieren.

Auf der einen Seite stehen enorme Preissteigerungen und auf der anderen Seite die Lebensmittelhändler, die sich selbst als „Hüter der Preise im Auftrag der Konsumenten“ darstellen. Da werden über Medien Begriffe wie „Gier-Konzerne“ verwendet. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Boehm: Wir sitzen alle in einem Boot, was die ungewöhnlich hohen Preissteigerungen angeht. Wichtig für uns ist es, einen lösungsorientierten Zugang zu verfolgen und sicherzustellen, dass unsere Marken und Produkte weiterhin für die Menschen und ihre Haustiere zugänglich sind.

© Nestlé

© Michael sazel

Wie hat sich die starke Inflation auf die Umsätze ausgewirkt? Werden manche Produkte/Produktgruppen jetzt stärker oder weniger stark nachgefragt?

Boehm: Wir sind ein Unternehmen, das für Konsumenten jeder Kaufkraft da ist. Es ist Teil unserer Unternehmensstrategie, unsere Konsumentinnen und Konsumenten zu verstehen und relevante Produkte zum richtigen Preis anzubieten. Wir sehen weiterhin eine starke Nachfrage nach unseren Produkten, aber natürlich machen wir uns auch Gedanken über unser Portfolio, auch welche Formate wir anbieten.

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Zum Unternehmen

Nestlé ist das weltweit größte Unternehmen für Lebensmittel und Getränke mit Standorten in 186 Ländern. Rund 276.000 Mitarbeitende setzen sich täglich auf der ganzen Welt dafür ein, die Lebensqualität zu steigern und zu einer gesünderen Zukunft beizutragen. Nestlé bietet eine große Anzahl an Produkten und Dienstleistungen für Mensch und Tier in allen Lebenslagen an. Dies umfasst über 2.000 Marken von globalen Ikonen wie Nescafé oder Nespresso bis hin zu Innovationen im Health Science Bereich. Der Hauptsitz von Nestlé ist in Vevey, wo das Unternehmen vor über 150 Jahren in der Schweiz gegründet wurde. Nestlé in Österreich mit Hauptsitz in Wien hat ca. 760 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 21 Standorten und besteht seit 1879. Wichtigste Marken: NESPRESSO, NESCAFÉ, NESCAFÉ DOLCE GUSTO, MAGGI, WAGNER, PURINA, BEBA, KITKAT, THOMY, SMARTIES, GARDEN GOURMET, NESQUIK.

Wie sehen Sie den österreichischen Markt? Gibt es hier im internationalen Vergleich spezielle Entwicklungen oder Tendenzen?

Boehm: Österreich hat einige Besonderheiten. Es gibt eine hohe Einzelhandelsdichte. Kaffee hat eine besondere Bedeutung. Die Menschen hier legen sehr viel Wert auf Regionalität und auf Bio. Auch das Interesse an pflanzenbasierten Produkten ist groß. Hier können wir mit unserem breiten Portfolio auf jeden Fall punkten.

Wie sehen Sie die Bedeutung des Binnenmarkts? Was würden Sie sich für die Zukunft von der EU-Politik wünschen?

Boehm: Für uns steigt die Bedeutung weiterhin, die Chancen und Möglichkeiten des europäischen Binnenmarkts zu nützen – das sehen wir auch so für die gesamte europäische Branche. Harmonisierte Regelungen sind in vielen Bereichen von Vorteil – nicht nur für uns, sondern auch für die Konsumentinnen und Konsumenten. Die Ausrichtung der Ressourcen nach den Chancen und Vorteilen des Binnenmarkts bietet auch eine wesentliche Gestaltungsrichtlinie.

Wie gehen Sie mit den zunehmenden Ansätzen zur Regulierung von Lebensbereichen, speziell im Hinblick auf Lebensmittel und Getränke, um? Die Bandbreite reicht vom Zuckergehalt bis zu Werbeverboten speziell für Kinder …

Boehm: Wir verpflichten uns freiwillig zu strengen Richtlinien in Hinblick auf Marketingaktivitäten für Kinder und bewerben daher nur Produkte, die einem bestimmten Nährwertprofil entsprechen, bzw. folgen Einschränkungen, was das Alter angeht. Ernährungsbildung ist ein wichtiger Baustein, ebenso unterstützen wir mehr Transparenz bei der Nährwertkennzeichnung, etwa mittels dem Nutri-Score, um den Konsumentinnen und Konsumenten eine gesündere Kaufentscheidung zu erleichtern.

Könnte eine verstärkte Ernährungsbildung helfen, dass die Menschen einen besseren Zugang zum Thema Ernährung entwickeln?

Boehm: Ernährungsbildung hat in der Tat eine wichtige Rolle zu spielen, und wir setzen uns auch für gesunde Ernährung und Ernährungsinformation ein – besonders mit Blick auf Kinder. Gemeinsam mit unabhängigen Partnern unterstützen wir Initiativen zur Ernährungsbildung von Kindern. In Österreich konkret arbeiten wir mit SIPCAN für das Schulprojekt „Jausentiger“.

Sie positionieren Nestlé zunehmend in Richtung Nachhaltigkeit. Auf der Webseite steht sinngemäß: „Good food, Good life. Sich für eine klimaneutrale Zukunft fitmachen. Mit Teamgeist und Mut für Veränderungen gehen viele unserer Marken diesen Weg bereits und zeigen, wie sie das Ziel ‚Mehr Nachhaltigkeit‘ umsetzen.“ Welche Maßnahmen werden da gesetzt?

Boehm: Zum einen setzen wir Maßnahmen durch unser Portfolio: Wir haben eine rein pflanzenbasierte Marke – Garden Gourmet –, aber auch in anderen Produktkategorien erweitern wir unser Sortiment um pflanzenbasierte Produkte. Veganer Thun-Visch, veganer Ei-Ersatz oder veganes KitKat, aber auch vegane Kaffeekapseln, um ein paar Beispiele aus jüngster Zeit zu nennen. Viele Maßnahmen passieren aber vor Ort, dort, von wo wir unsere landwirtschaftlichen Rohstoffe beziehen. Nehmen wir Kaffee als Beispiel. Der Klimawandel setzt auch Kaffeeanbaugebiete unter Druck. Im Rahmen des NESCAFÉ Plans unterstützt NESCAFÉ, die größte Kaffeemarke von Nestlé, Kaffeefarmerinnen und Kaffeefarmer mit Schulungen und technischer Hilfe dabei, sich auf regenerative Landwirtschaft umzustellen. Das tun wir vor allem in den wichtigsten Herkunftsländern Brasilien, Vietnam, Mexiko, Kolumbien, Elfenbeinküste, Indonesien und Honduras. Aus diesen Ländern stammen 90% des Kaffees für die Marke.

Wie hoch ist der Aufwand für Produktentwicklung – sowohl bei bestehenden als auch bei neuen Produkten?

Boehm: Nestlé investiert jährlich weltweit 1,7 Milliarden Schweizer Franken (rund 1,7 Milliarden Euro) in Forschung und Entwicklung. Mit weltweit mehr als 23 Standorten und 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

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Zur Person

Biographie Cédric Boehm absolvierte ein Wirtschaftsstudium an der HEC Lausanne und sammelte breite Erfahrung in diversen Manager-Positionen, darunter Finance Controller bei der Swatch Group, Product Manager bei Knorr Nährmittel AG, Marketing Manager bei Danone und Vice President Equity Research bei Morgan Stanley. Seit 2005 ist Boehm bei Nestlé und kann auf umfassende Management-Erfahrung im Konzern zurückblicken: Er agierte unter anderem als Country Manager für Serbien und Montenegro, war Strategic Planner und Operations Manager für die Schweiz und Österreich und leitete die strategische Planung für die Zone EMENA1 (Europe, Middle East and North Africa). Zuletzt war er als Zonenleiter für das Dairy-Geschäft

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verantwortlich und bereitete die Einführung der auf Erbsenprotein basierenden Nestlé-Dairy Brand „WUNDA“ in Europa vor.

betreiben wir das größte Forschungsnetzwerk im Bereich Lebensmittel und Getränke.

Welche Rolle spielen dabei Verpackungen – von Glas über PET und Dose bis zum Verbundkarton?

Boehm: Verpackungen – auch Kunststoffverpackungen – spielen eine wichtige Rolle bei der sicheren Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und Getränken sowie bei der Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -abfällen. Wir wollen künftig aber weniger Verpackungsmaterial verwenden, vor allem weniger Neukunststoff. Dies gelingt beispielsweise durch das Weglassen überflüssiger Kunststoffdeckel, Zubehörteile, Schichten oder Folien. Wir arbeiten auch stetig daran, 100% unserer Verpackungen recycelbar oder wiederverwendbar zu machen.

Wie zufrieden sind Sie generell mit dem Standort Österreich?

Boehm: Sehr, wir sind in Österreich schon seit 140 Jahren präsent. Der Arbeitsmarkt zeichnet sich durch qualifizierte Arbeitskräfte aus, und die Zusammenarbeit mit Politik und Institutionen ist gut. Nachhaltigkeit wird in der Gesellschaft als ein wichtiges Thema anerkannt. Wir haben auch in den Standort investiert: Nespresso hat mit der Flagship Boutique im 1. Bezirk letztes Jahr das weltweit erste Nespresso Atelier-Konzept eröffnet, bei Nestlé haben wir dieses Jahr in ein neues Zentrallager gewechselt. Wir haben seit kurzem mit der Promedico mit Sitz in Graz auch ein neues Mitglied in der Nestlé Familie.

Haben Sie Wünsche an die Bundesregierung – speziell in Hinblick auf Energie und Wettbewerbsfähigkeit?

Boehm: Es ist wichtig, dass die Lebensmittelindustrie verlässlichen Zugang zu Energie hat. In einer Notfall-Situation sollte die Lebensmittelwirtschaft als versorgungs- und systemrelevanter Bereich eingestuft werden.

Was ist Ihr Lieblingsessen?

Boehm: Ich esse gern und von allem, mein Lieblingsgericht ändert sich je nach Saison.