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Biovolksgemüse aus Geinberg

Boden lässt sich nicht vermehren. Stimmt! Aber wer spricht schon von der dritten Dimension? Anschauungsmaterial sammelte ALOIS BURGSTALLER.

Als im März 2023 wegen der hohen Inflation helle Aufregung herrschte, konnte man es den Medien entnehmen: Im südspanischen Andalusien war das Wasser knapp. Was kümmert das uns?, mochten viele gedacht haben. Weit gefehlt! Selbst wir Mitteleuropäer bekamen das zu spüren, wenn auch weniger drastisch als die Briten. Um ein Viertel lagen die Erntemengen von Paradeisern, Gurken und Melanzani unter dem mehrjährigen Mittel. Die Situation hat sich seither verschlimmert. Hiesige Gemüsebauern konnten vom Preisschub nicht profitieren. Weil die Energie fürs Heizen so teuer geworden war, legten sie ihre Tunnelgärten still. Nur eine Handvoll Unternehmer blieb im Geschäft. Zwei dieser Glücklichen betreiben im Innviertel den Biogemüsebau unter Glas.

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Familienzusammenführung

Die Familien Steiner und Perlinger, erstere aus Hochburg-Ach im Innviertel, die zweite aus Wallern im Seewinkel östlich des Neusiedler Sees, haben vor drei Jahren begonnen, eine von vielen abgelehnte, aber, wie sich herausstellen sollte, zukunftsweisende Art der Gemüseproduktion hochzuziehen. Die Innviertler wussten bereits durch ihr Projekt in Kirchweidach, wie man unter Glas konventionelles Gemüse wachsen lässt, die Wallerner wussten, wie man mit Handelsketten bio-handelseins wird. Was lag also näher, als die Kompetenzen beider im BIOhof Geinberg zu vereinigen?

Eigenleistungsanteil

Unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln ist zwar dank EU gesichert. Dennoch beginnen sich die Menschen Sorgen zu machen. Auf exotische und Südfrüchte würden wir verzichten können, nicht aber auf Gemüse und Obst. Lange wurde Österreichs Gemüseanbau stiefmütterlich behandelt. Was nicht aus Holland kam, lieferte uns Südeuropa. Private Gemüserabatten wurden zu

Swimmingpools. So wundert es nicht, dass wir beim Gemüse 58 Prozent Selbstversorgung haben, bei Paradeisern schlanke 18 Prozent, bei Paprika 30 Prozent und bei Zucchini 32 Prozent.

Der BIOhof

Aufgefädelt wie Perlen reiht sich im brettlebenen Moosham Genossenschaft an Genossenschaft: zuerst die Molkerei, dann das Lagerhaus, zuletzt die Saatbau. Aber daneben macht sich ein Symbol der Landwirtschaft der Zukunft breit. Wie ein Riesenkristall liegt die Anlage im Feld. 112.000 m² Fläche, geschützt vor Wetterunbill, unter Glas und Stahl. Damit dürfte diese Anlage das größte Gemüse-Glashaus Österreichs sein, in dem nach Biostandards aus- schließlich für den heimischen Markt gegärtnert wird. Gekostet haben soll das Investment samt Grund an die 30 Millionen Euro.

Die Produkte

Fruchtgemüse nennt sich die Kategorie von Gemüse, dessen oberirdische Teile vermarktbar sind. Dem Trend zum genussfertigen Gemüse folgend, bieten die Geinberger typisches „Biovolksgemüse“ an: MiniCherry-Rispentomaten, die etwas größeren Mini-Roma-Tomaten, direkt wuchtig wirken die Ochsenherz-Paradeiser. Dankbar im Glashaus zu ziehen und gut nachgefragt sind noch die roten Spitzpaprika, die kleinen Biosnackgurken und die glänzenden Melanzani. Biosnackgurken sind von den Abmessungen her eine besondere Aufgabe. Sie sollen den Karton ausfüllen und es müssen drei nebeneinander Platz haben. Nicht zu lang, nicht zu kurz, nicht zu breit, nicht zu schmal. „Eine Herausforderung“, nennt das BIOhof-Marketingleiter Richard Kinzl.

Der Hofladen Geinberg

Wenn Bioware schon frischest auszuliefern ist, warum dann nicht auch im eigenen Hofladen direkt verkaufen? Im Hofladen werden nicht nur Produkte des BIOhofs verkauft, sondern auch ausgewählte Produkte von vierzig Mitgliedern des Vereins „Wie’s Innviertel schmeckt“. Das Angebot reicht von Backwaren und Fleisch über Gewürze, Öle, Spirituosen, Trockenfrüchte, Müslis bis zu Nudeln. Der Laden wurde 2023 vom Genuss Guide Austria zum besten Hofladen Oberösterreichs gekürt.

Die Gunst der Gegend

Man habe früher nicht übertrieben, wenn man für die Produktion von 1 kg Glashaus-Paradeisern 1 m³ Gas oder 1 Liter Heizöl verbraucht habe, sagt Marketingchef Kinzl. Um die Saison zu verlängern, werden an kalten Tagen die Glashäuser beheizt. In Geinberg allerdings kommt die Wärme aus dem Untergrund, aus einer nachhaltigen Thermalquelle. Angesichts der Energiepreise und der Klimaerhitzung ein Glücksfall.

Alle Energie, die zum Beheizen des Glashauses benötigt wird, spendet die Geothermie. „Wir bekommen das noch bis ca. 75 °C heiße Wasser aus dem Rücklauf der Therme und des Fernwärmenetzes und können es bis ca. 38 °C nutzen, bevor es wieder in den Boden injiziert wird.“ Diese Konstellation der „kaskadischen“ Wärmenutzung sichere maximale Energie-Effizienz und sei einzigartig in Österreich, betont der Marketingchef.

Nicht genug der Energie-Autarkie, liefern PV-Paneele auf den Lager- und Bürogebäuden 424 kWp Strom für den Eigenbedarf und ins Stromnetz. Um möglichst wasserautark zu sein, wird der Niederschlag, der auf die Glasflächen regnet, in einer Zisterne von 38.700 m³ gesammelt. Selbst jene Feuchtigkeit, die im Inneren an den Glasflächen kondensiert, wird aufgefangen und wieder zur Bewässerung rückgeführt.

Gießwasser wird vor dem Verbrauch mit UV-Licht entkeimt, um so den Krankheitsdruck gering zu halten. Vier Millimeter starkes Einscheiben-Sicherheitsglas dient der Stabilität bei Hagel. Um möglichst unverändertes Tageslicht im Gewächshaus zu haben, hat man dieses Spezialglas eingebaut, das frei von Eisenoxid-Ionen ist und deshalb das gesamte Sonnenlichtspektrum durchlässt. Den Biorichtlinien gemäß wächst Glashausgemüse aus dem natürlichen, unversiegelten Boden, hier auf einem Standort höchster Bonität. Gedüngt wird mit Biokompost, erzeugt im benachbarten Altheim. Ist einmal die Anbausaison vorbei, werden alle Pflanzenreste wieder nach Altheim rückgeführt. Ein anderer wichtiger „Nährstoff“, das Kohlendioxid, sickert aus Leitungen bodennahe in die Kulturen. Gärtner – oder soll man sie Wachstumsmanager nennen? – steuern von einem mit Bildschirmen gespickten Zentralbüro die Produktion in den insgesamt acht separat klimatisierten Abteilen.

Was zu Jahresbeginn in den Mutterboden gepflanzt wurde, soll im April erste reife Früchte angesetzt haben. Sind die Früchte einmal geerntet, müssen sie verpackt werden. Plastikfreiheit ist bei BIOhof-Produkten schon Realität. Entscheidend für die Effizienz der Produktion ist die Vermarktungsquote, also wie viel von der potenziellen Menge tatsächlich ins Regal kommt. Die in Geinberg erreichten 98 Prozent will Richard Kinzl als Benchmark verstanden wissen. Aktuell werden dazu 110 Vollzeitangestellte beschäftigt.

Der Ertrag

Von April bis November werden wöchentlich 180.000 kg Gemüse geerntet. Bei den Paradeisern erntet man bei guten Bedingungen rund 1.200 t auf 5 Hektar, das entspricht rund 240.000 kg je ha oder 24 kg/m².

Alois Burgstaller

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