
1 minute read
GEDANKENZU EUROPA
by soj.at
Doppelmandate
Man kann nie oft genug wählen lassen, haben sich Mitte der Neunzigerjahre „the powers that be“ in Österreich – die Wiener Großkopferten –wohl gedacht. Die EUVolksabstimmung und die nachfolgende Nationalratswahl 1994 waren für die damals noch relativ großen Volksparteien gut gelaufen und so hat man offenbar Lust auf mehr bekommen. Einer weiteren Nationalratswahl im Herbst 1995 folgte im Jahr 1996 die im EU-Beitrittsvertrag vorgesehene Europawahl nur für die drei Neuen, Österreich, Schweden und Finnland, bevor es im Juni 1999 zur nächsten allgemeinen Europawahl kam. Und wir, die „frischgfangten“ österreichischen Mitglieder des EU-Parlaments waren mitten drin. Mich und einige andere hat es ordentlich „dawischt“, wir waren in diesen knapp drei Jahren fast durchgehend Doppelmandatare, das heißt wir mussten dauernd zwischen unseren Parlamenten in Wien und in Brüssel hin und her pendeln. Natürlich nahmen die beiden Parlamente in ihrer Terminplanung nicht aufeinander Rücksicht, und daher waren meist Woche für Woche Entschuldigungen dafür fällig, warum man nicht zu Sitzungen erschien. Und auch zu Hause im Wahlkreis sollte, nein musste man sich regelmäßig sehen lassen. Man wollte ja kein Abgehobener sein, der sich nur bei Wahlkämpfen daheim sehen ließ. Es war leicht stressig, und die einzigen die sich wirklich freuten, waren Austrian und die Lufthansa. Über gehabte Schmerzen soll man nicht lange reden. Es gab auch lustigere Momente in dem Durcheinander. Als MEPs, Mitglieder des Europäischen Parlaments, hatten die meisten von uns sogenannte „Rucksackabgeordnete“, im Jargon despektierlich „Klammeraffen“ genannte Nachrücker, die, wenn man das Wiener Mandat zurücklegte, automatisch den Sitz im Nationalrat einnehmen konnten. Die wollten nicht immer warten, und so habe ich gleich bei der konstituierenden Sitzung in Wien meine Ansteckblume vermisst – die SPÖ hatte ihre roten Nelken, wir weiße Rosen und die Freiheitlichen ihre Kornblumen. Oder hatten sie nicht. Im ÖVP-Klub sagte mir eine hilfreiche Mitarbeiterin: Die hat schon ihr Nachrücker abgeholt. Und Ersatzblumen gab es nicht …
Advertisement
Transgourmet Cash&Carry

