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Greta Backhaus, Assistenz der Orchesterdirektion

«ALLE MUSIK, DIE BEGEISTERT, IST WERTVOLL»

VON LEA VATERLAUS Wer bereits einmal telefonisch mit dem Orchesterbüro des Sinfonieorchesters Basel Kontakt aufnahm, wurde vielleicht von Greta Backhaus’ Herzlichkeit und ihrem ansteckenden Lachen begrüsst. Seit 2017 ist sie als Assistentin der Orchesterdirektion beim Sinfonieorchester Basel tätig. Im Interview erzählt Greta Backhaus von ihrer Verbundenheit mit der Volksmusik, ihrer Sicht auf die Chancengleichheit sowie ihrem Umgang mit Konzertgästen aus Politik und Kunst.

LV Greta Backhaus, Du bist oft die erste

Anlaufstelle für Anfragen von Konzertbesucher*innen sowie wichtigen

Geschäftspartner*innen. Was gehört ausserdem zu Deinen Aufgaben als

Assistentin der Orchesterdirektion? GB Ganz konkret ist es meine Verantwortung, die Direktion des Sinfonieorchesters Basel zu entlasten. Daneben arbeiten wir daran, für unsere grossartigen Vermittlungsprojekte Gelder und langfristig fördernde Privatpersonen oder Institutionen zu suchen.

LV Du triffst Dich regelmässig mit Konzertgästen aus den Bereichen Politik und Kunst. Worauf achtest Du im

Gespräch? GB Ich stelle mich und meine Funktion vor und spreche die Menschen direkt an. Im Gespräch ist es wichtig, ein Anliegen direkt und ehrlich vorzutragen. Es macht mir grosse Freude, unsere Gäste für das Sinfonieorchester Basel zu begeistern. Das funktioniert am besten, wenn diese das Orchester live in einem Konzert erleben. Ich funktioniere ausserdem besonders gut, wenn trotz aller Planung improvisiert werden muss, denn das verleiht einem Betrieb aus meiner Sicht Lebendigkeit. An einem Konzert musste ich beispielsweise spontan Blumen an die Solist*innen auf der Bühne übergeben, war aber überhaupt nicht angemessen gekleidet und schusterte mir hinter

der Bühne schnell eine bühnentaugliche Ausstattung zusammen. Die Spontaneität, die solche Situationen erfordern, macht das Orchesterleben doch sehr menschlich!

LV Du planst, eine Weiterbildung zur Förderung von Frauen in der Berufswelt zu machen, und hast als Kulturbegleiterin auch schon Menschen mit ins

Konzert genommen, die das Stadtcasino Basel aufgrund körperlicher

Beeinträchtigungen nicht alleine besuchen konnten. Was zeichnet Chancengleichheit für Dich aus? GB Aus meiner Familie bin ich selbstbewusste Frauen gewöhnt. Meine Grossmutter wie auch meine Mutter waren und sind sehr starke Frauen, die aus einfachen Verhältnissen heraus etwas erschaffen haben. Ich bin überzeugt, dass jede*r ein Recht auf Gleichbehandlung hat und man niemandem den Weg verstellen darf. Dazu gehört auch, dass alle Menschen bei uns im Konzertsaal willkommen sind und wir aktiv für Diversität und Chancengleichheit sorgen.

LV Deine bisherigen beruflichen Stationen sind sehr vielfältig: Nach einer Anstellung als Mitarbeiterin im Verkaufsinnendienst in einer Druckwalzenfabrik warst Du Direktionsassistentin am Biozentrum sowie am Kunstmuseum Basel. Wie bist Du zum Sinfonieorchester Basel gekommen? GB Ich wuchs in einer aus Slowenien stammenden Familie auf, die sich in Deutschland neu etablieren musste. Wegen meines guten Schulabschlusses in Deutschland durfte ich mich auf einem privaten Berufsfachkolleg für Fremdsprachen im Schwarzwald bewerben, wo ich schliesslich meine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin in den Sprachen Englisch und Französisch abschloss. Noch während meiner Ausbildung begann ich bereits, in einer Druckwalzenfabrik in Grenzach zu arbeiten – ein männerlastiger Betrieb, der mich lehrte, couragiert auf meine Kolleg*innen zuzugehen und mir deren Respekt zu erarbeiten. Im Biozentrum war ich die Assistentin des Schweizer Entwicklungsbiologen Walter Gehring, im Kunstmuseum Basel arbeitete ich für Bernhard Mendes Bürgi. Beide Betriebe lernte ich von Grund auf neu kennen, denn ich hatte weder eine Ausbildung als Biologin noch als Kunsthistorikerin. In beiden Fällen war mein Interesse ausschlaggebend dafür, mich auf die Stellen zu bewerben. Das Wissen kam dann mit der Arbeit. Auch beim Sinfonieorchester Basel, bei dem ich nun seit 2017 arbeite, finde ich es sehr spannend, täglich Neues über die Arbeit des Orchesters sowie über Komponist*innen zu lernen und deren Werke (manchmal zum ersten Mal!) zu hören. Das ist grossartig.

LV Welchen Zugang zur Musik hast Du persönlich? GB Musik spielt und spielte bei uns zu Hause eine sehr wichtige Rolle. Wie alle ‹Secondos› wurde ich früher im Sommer nach Slowenien geschickt, weil meine Mutter arbeitete. In den slowenischen Bergen ringt das Leben den Leuten zwar viel ab, man lebt aber auch in einer unglaublichen Idylle. Musik war dabei immer Teil des Alltags. Nach getaner Arbeit wurde am Abend mit der ganzen Familie musiziert: In jedem Haus gab es eine steirische Harmonika, eine Gitarre oder Zither, und mein Grossvater spielte Klarinette. Wer gut genug war, durfte mitsingen. Meine Sopranstimme wurde zum Glück akzeptiert, denn wer die anderen störte, war raus! (lacht) Mit Musik verbinde ich bis heute vor allem die Volksmusik, zu der zu Hause getanzt und gefeiert wurde. Mit der Klassik kam ich erst später in Berührung und finde es jetzt beim Sinfonieorchester Basel umso spannender, mich damit auseinanderzusetzen. Ich bin der Meinung, dass alle Musik, die begeistert, wertvoll ist, weshalb keine Art von Musik minderwertig ist.

LV Auf welche Konzerthighlights freust

Du Dich in dieser Saison am meisten? GB In der Saison 2022/23 werden, neben unserem Orchester, viele mir noch unbekannte Sänger*innen zu hören sein. Darauf freue ich mich besonders!

LV Greta Backhaus, herzlichen Dank für das Gespräch!

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