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Intelligente Sturzprävention
Eine Spitalsstation testete eine neue Software, um Stürze von Patient*innen zu verhindern. Pflegedirektor Michael Jani berichtet nach einem Jahr Probezeit, wie gut Künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag funktioniert.
Von Heike Kossdorff
Betagte Menschen, die in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind, sind oft besonders gefährdet hinzufallen. Ein neues Computerprogramm in Kombination mit Kameras soll Pflegekräfte dabei unterstützen, solche Unfälle zu verhindern. Michael Jani, MBA, MSc ist Pflegedirektor im Herz-Jesu Krankenhaus Wien und erklärt, wie der Sturzsensor funktioniert und ob das System erfolgreich ist.
Vinzenz magazin: Sie haben im vorigen Jahr eine moderne Technologie zur Sturzprävention und -erkennung als erstes Akutkrankenhaus in Österreich eingesetzt. Wie funktioniert das?
Michael Jani: Das führende System kann durch eine Kombination von 3D-Sensorik und Künstlicher Intelligenz Bewegungen im Raum erkennen, analysieren und in kritischen Situationen einen Alarm auslösen. Es werden drei verschiedene Mobilisierungsstadien bei einem gezielten Einsatz erkannt, Aufrichten, Aufsetzen und Aufstehen. Das geht, weil es mit einem virtuellen Bettbalken versehen ist. Bewegt sich nun ein*e Patient*in über diesen hinaus, wird ein Alarm ausgelöst, den die Pflegekräfte hören. Sie sehen außerdem auf einem Bildmonitor am Stützpunkt eine Abwesenheitserkennung.
Welche Informationen bekommen die Pflegekräfte konkret?
Sie erfahren, welches Zimmer und welches Bett betroffen ist. Der Datenschutz ist dabei streng gewahrt, niemals werden Patient*innen erkennbar gefilmt oder aufgezeichnet, die Bilder sind verpixelt und sehen ungefähr wie jene eines Nachtsichtgerätes oder einer Wärmebildkamera aus.
Können Sie individuell je nach Patient*in und Gefährdung einstellen, bei welchem Bewegungsmuster ein Alarm ausgelöst wird?
Ja, das können wir. Abseits der drei Mobilisierungsstadien erkennt das System auch Abwesenheit oder wenn ein*e Patient*in gestürzt ist. Und so können wir dann gezielt und rasch Maßnahmen einleiten und so die Patient*innensicherheit für sturzgefährdete Menschen deutlich erhöhen.
Sie haben das System nun ein Jahr lang ausprobiert. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Wir haben es im Department für Akutgeriatrie und Remobilisation erprobt, wo wir oft Patient*innen im hohen Alter pflegen, die in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind und dabei Unterstützung benötigen. Unsere Erfahrungen waren sehr positiv, das neue System hat viele Vorteile gegenüber alten Methoden wie etwa dem Sturzbalken. So konnte die Anzahl der Stürze um rund ein Drittel reduziert werden.

Abgesehen von dem offensichtlichen Vorteil für die Patient*innen, wie wirkt sich der Einsatz der Technologie auf die Pflegekräfte aus?
Sie profitieren stark davon. Das System ist für die Kolleg*innen eine große Unterstützung. Da die Sturzvermeidung und -erkennung deutlich effizienter ist, sind sie weniger belastet, der Stress ist reduziert. Jeder Sturz bedeutet abgesehen von möglichen Verletzungen für Patient*innen selbstverständlich viel Arbeit für das Personal, wie das Einleiten von Untersuchungen, das Zurückbetten oder längeren Pflegebedarf. Wenn Stürze vermieden werden können, müssen weniger Pflegeleistungen erbracht werden. Die Unterstützung führt zu einer schnelleren Reaktion und gibt den Pflegekräften zudem ein Gefühl von Sicherheit. Davon abgesehen führt die Sturzprävention zu Einsparungen für das Gesundheitssystem, weil keine zusätzlichen Behandlungskosten und keine Folgeschäden auftreten.
Wie wird es mit dem Einsatz dieser Technologie weitergehen?
Wir werden das System nun auf alle internistischen und konservativen Stationen ausrollen. Die Vorbereitung gibt es dann für alle Betten und wir können das System jederzeit dort einsetzen, wo Bedarf ist. Darüber freuen wir uns sehr.
© Herz-Jesu Krankenhaus Wien