
4 minute read
Gestalten: Das Handwerk entscheidet
Foto: Pixabay
Auch das Handwerk hat die Wahl: In diesem Jahr finden neben vielen Landtagswahlen auch die Kommunalwahlen in Niedersachsen (12.09.) und die Bundestagswahl (26.09.) statt.
Das Superwahljahr 2021 bewegt sich auf die finale Wahlkampfphase zu. // Betriebe und Handwerkskammer gehen mit der Politik in den Dialog
YANNIK HERBST
In knapp einem Monat richten sich für einen Abend alle Blicke auf Zahlen, Stimmanteile und mögliche Regierungskonstellationen, wenn um 18 Uhr die ersten Wahlprognosen zur Kommunalwahl und 14 Tage später zur Bundestagswahl veröffentlicht werden. Bereits jetzt ist der Wahlkampf voll im Gange, die Diskussionen nehmen Fahrt auf. Doch welche Themen stehen vorab zur Debatte? Was ist aus Sicht des Handwerks besonders wichtig und was steht schon länger in den Forderungspapieren und sollte nun dringend angepackt werden? Ein Überblick.
Es gibt viel zu tun!
Die letzten 16 Monate wurden vor allem von den Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie
„ Die Betriebe haben ihre Positionen aufgezeigt und die Politik hat zugehört“
Ina-Maria Heid-
mann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer geprägt. Auch das Handwerk war von Betriebsschließungen und Einschränkungen betroffen; die Wirtschaft stabilisiert sich nun langsam. In manchen Bereichen wirkten die pandemischen Folgen wie ein Brennglas auf die wichtigen Themen unserer Zeit: Digitalisierung, Bürokratieabbau oder auch das Bildungssystem. Viele andere Bereiche sind durch die Pandemie in den Hintergrund öffentlicher Debatten gerutscht. Hier gilt es nun, den Finger noch einmal in die Wunde zu legen. Wie sehen notwendige Maßnahmen zum Bürokratieabbau aus (S. 8)? Wie decken wir den Fachkräftebedarf und welche Lösungen bietet die Politik? (S. 10) Und welchen Fokus müssen künftige Regierungen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik legen (S. 12)? Zu diesen und weiteren Themen hat das
Handwerk einen umfassenden Forderungskatalog zusammengestellt, um die Politik an die Hand zu nehmen, aber auch, um Druck aufzubauen (Informationen zu den Forderungspapieren unter www. hwk-hildesheim.de/hid). Denn eins ist klar: Ohne das Handwerk geht es nicht.
Das Handwerk muss präsent sein
„Uns ist es wichtig, als moderne Interessenvertretung und Sprachrohr für unsere Mitglieder den Dialog zwischen Handwerk und Politik herzustellen“, sagt Ina-Maria Heidmann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer. Unter dem Format „Handwerk im Dialog“ wurde eine Vielzahl an Podcasts produziert, in denen Handwerker und Politiker aus allen Regionen des Kammerbezirks ins Gespräch gekommen sind - mit Erfolg (www.hwk-hildesheim.de/podcast). „Die Betriebe haben faktisch mit unserer Unterstützung Politik gemacht, ihre Positionen aufgezeigt und die Politik hat zugehört“, so Heidmann.
Der direkte Kontakt mit den Politikern vor Ort ist aus ihrer Sicht besonders hilfreich. „Wir können allen Handwerkern vor Ort nur empfehlen: Gehen Sie auf die Politik zu. Sprechen Sie mit den Entscheidungsträgern.“ Ein gemeinsames Engagement vor Ort (Handwerker, Kreishandwerkerschaften und Handwerkskammer), auf Landes- (Landesvertretungen) und Bundesebene (Zentralverband des Deutschen Handwerks) stärkt die Sichtbarkeit des Handwerks als gemeinsamen Wirtschaftsbereich. „In einer immer kleinteiligeren, aber stark globalisierten Welt, ist es wichtig, mit einer Stimme zu sprechen.“, ergänzt Heidmann.
Dies gilt aber nicht nur für die Kommunikation und Formulierung von Forderungen, Sorgen und Anregungen an die Politik. Das Handwerk selbst muss auch im politischen Alltag stärker repräsentiert werden. Und dies kann schon im Kleinen, in den kommunalen Gremien sehr sinnvoll sein. „Natürlich werden vor Ort nicht die größten Weichenstellungen getroffen. Meine Erfahrungen im Stadtrat zeigen aber auch, dass man vor Ort direkt Einfluss nehmen kann, das ist bei den kommunalen Themen sehr wirkungsvoll“, sagt Elektrotechnikermeister Bernd Franke, der sich in Uslar auch politisch in einer Wählergemeinschaft engagiert. Aber: Mit den Kommunalparlamenten ist es nicht getan. „Wir brauchen mehr Engagement in der Funktion der Entscheidungsträger. Meister müssen in die Parlamente und ihre Interessen mit Stimmrecht durchsetzen“.
Es ist auch Aufgabe der Politik, Verhältnisse zu schaffen, die eine angemessene Repräsentation aller Berufsgruppen in den Entscheidungsgremien sicherstellt. Doch dafür braucht es in der politischen Landschaft mehr Flexibilität als bisher. Denn

Die Themen des Handwerks sind so vielseitig wie nie. Digitalisierung, Wirtschaft, aber auch Bürokratieabbau und Klimaschutz könnten bei diesen Wahlen entscheidend sein.
Foto: Pixabay
7
HANDWERKS-
MEISTER sitzen im aktuellen Deutschen Bundestag. Bei 709 Abgeordneten ist diese Quote natürlich viel zu wenig. Ob es nach der Wahl mehr werden? so wie es ist, kann es nicht bleiben: Im aktuellen Bundestag haben nur 5% der Abgeordneten beruflich einen handwerklichen Bezug, lediglich 1% sind selbst Handwerker. In einem Land, in dem 13% der Erwerbstätigen und 28% der Auszubildenden aus dem Handwerk kommen, ist dies deutlich zu wenig und nicht akzeptabel.
Zurücklehnen? Keine Zeit!
Die Zeiten des Wahlkampfs sind die Zeiten der offenen Ohren bei der Politik. Doch wer jetzt denkt, die Politik könnte sich bis zu den Wahlen ins Zeug legen und dann erst einmal in Lethargie verfallen, der irrt. Denn bereits im kommenden Jahr stehen in Niedersachsen die nächsten Wahlen an: Ein neuer Landtag wird gewählt. „Wir stehen gemeinsam mit der Landesvertretung mit den Entscheidungsträgern in Niedersachsen in Kontakt. Das Handwerk ist präsent – und wird es auch in Zukunft sein“, sagt Heidmann. Forderungen aus dem Handwerk gibt es genug. Als zentraler Wirtschaftsbereich und vor allem als wirtschaftlicher Stabilisator sollte das Handwerk bei den zukünftigen Weichenstellungen einbezogen und berücksichtigt werden. Hauptgeschäftsführerin Heidmann ist sich sicher: „Dies wird am Ende für unsere Betriebsinhaber, Mitarbeiter und Auszubildenden darüber entscheiden, wo sie ihr Kreuz machen – egal ob Kommune, Bund oder Land.“ Und am Ende ist nicht das offene Ohr, sondern immer die getane Arbeit die Visitenkarte. Auch in der Politik. W