9 minute read

LUXUS-GESCHÄFTSIMMOBILIEN IM WANDEL

Next Article
DIE LAGE

DIE LAGE

Wie die Zinshäuser der Wiener Innenstadt vom Luxusstandort profitieren

Text: Beatrice Tourou

Nach elf Monaten Renovierungszeit hat Cartier im Mai 2024 seine Boutique am Wiener Graben wiedereröffnet. Die Fläche wurde verdreifacht und der Store von der Interior-Designerin Laura Gonzalez umgestaltet.

Wien etabliert sich gerade als LuxusHochburg und bedient mit seinen historischen Bauten sowie seinem Old-World-Glamour heute mehr als jemals zuvor den sophistizierten Luxustouristen: einen Baby-Boomer, oftmals amerikanischer Abstammung, in Kauflaune. Wer den Wiener Immobilienmarkt der Innenstadt verstehen möchte, muss den internationalen Luxuskunden verstehen.

Glücklicherweise findet sich immer ein Luxuskunde, der dem Wiener Handel Umsatzzuwächse beschert und damit die Mietzuwächse sichert. So haben die Russen und Ukrainer jahrzehntelang den Luxusmarkt dominiert, ehe sie Zug um Zug von Chinesen und jetzt von Amerikanern und paneuropäischen Kunden abgelöst wurden. Fest steht: Sie sind da! Diesem Umstand ist auch der Ausbau der Luxusgeschäftsflächen in Wiener Toplage zu verdanken, wo wir ein regelrechtes Wettrüsten der großen Luxushäuser beobachten können. Das Luxus-Monopoly hält ganze Industrien in Schach, trotz allgemein verhaltener Immobilienbewegungen. Gerade eben noch dem Goldenen Quartier vorgestanden, zog Louis Vuitton wenige Meter weiter in ein eigenes Zinshaus – das vorher als Delikatessengeschäft bekann- te Meinl-Haus. Damit hat der Krisengewinner Louis Vuitton in der Sichtachse das „goldene Dreieck“ Graben, Kohlmarkt und Tuchlauben prominent flankiert. Dem Haus folgte auf die frei gewordene Fläche Dior, Cartier hat vergrößert, Van Cleef folgte nach. Es ist ein Zug-um-Zug-Schach der Luxuskonzerne, die ihre besten Pferde in Wien ins Rennen schicken, um den kosmopolitischen Kunden zu bespielen. Cartier hat mit der Neueröffnung im Frühling Wien ins internationale Rampenlicht gerückt, als mit zweiwöchiger Sause weltweit Kunden eingeflogen wurden und man ungeachtet aller Kosten fast tagtäglich zum Lunch und Dinner oder Ball bat. Es tut sich eben etwas am Wiener Luxusmarkt.

Wien bleibt, als ehemalige Hauptstadt der Kronländer, noch immer im Doppeladler verankert: Die Luxuskunden reisen aus den angrenzenden Ländern wie Ungarn, Slowakei, Tschechien, ja selbst Serbien und Albanien an, denn in Wien ist ihnen der Luxus am nächsten. Was allerdings auffällt, ist der Umstand, dass sich mit dem Umzug der Luxusmarken auch ihr Auftreten ändert. Das mag am Trend zur Regionalität liegen, denn Louis Vuitton hat beispielsweise sein messingpoliertes MarmorFlagship gegen Fischgrätparkettboden und Holzkastenfenster eingetauscht. Auch bei Cartier wähnt man sich

WOHNLICHER LUXUS nicht mehr in einem Hochglanz-Luxustempel, sondern in einer sehr schicken Wohnung bei Freunden zum Tee. Das Einkaufserlebnis hat sich verändert und damit die bauliche Gestaltung. Wo früher die Kunden stolz mit den orangen oder türkisen Logo-Tragetaschen aus dem Shop spaziert sind, tütet man heute diskret in Weiß. Übrigens auch ein Trend, der aus einer Not heraus geboren wurde: In Paris oder London ist es längst Usus, sogleich von Vespa fahrenden Dieben um die auffälligen Einkäufe erleichtert zu werden, denn die Kriminalität in den Großstädten zielt nun einmal auf Luxus ab, ob bereits am Handgelenk oder noch in der Tragetasche verpackt. Das passiert in Wien nicht. Auch damit punktet die Alpenrepublik – die heile Welt, verpackt in Sicherheit, Sauberkeit und sozialen Frieden. Die vielen Aspekte, die die unvergleichliche Melange des Luxusstandorts Wien zusammenrühren, schaffen ein Soziotop, das es Zinshausbesitzern erlaubt, mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Denn die im internationalen Vergleich doch hochbewerteten Immobilien sind ja auf Vermietung ausgelegt und können lukrative Renditen erzielen, wenn man das Glück hat, eine der großen Maisons als Mieter zu wissen. Wie der Mensch eben so ist, strebt er nach Rudelnähe.

Früher waren die diskreten Verkaufsräume in einem dunklen Hinterzimmer getarnt, wo möglichst unauffällig Hochkarätiges anprobiert wurde. Heute wähnt man sich im tapezierten Raum mit Holzkastenfenstern bei Freunden. Das Image der Marken und deren Verkaufstaktik haben sich geändert – und damit die architektonischen Auflagen bei der Lokalmiete. Cartier hat mit viel Handwerkskunst die Freundlichkeit nach Wien geholt und folgt damit Louis Vuitton, die das bereits vorexerziert hatten.

Oder wie Paul Lensing im anschließenden Interview zu erklären vermag: „Es braucht fünf Luxusmarken, um eine neue Luxus-Ecke zu definieren. Denn wo einer der großen Brands sich niederlässt, folgen auch die anderen.“ Das erklärt, warum Yves Saint Laurent vom Goldenen Quartier auf den Graben gezogen ist, gleich vis-à-vis von Hermès, das ebenfalls letztes Jahr die Fläche vielfach vergrößert hat und nun nicht mehr dem ehemaligen Franchisenehmer Jonak, sondern dem französischen Konzern direkt gehört. Heißt das, der Graben läuft dem Kohlmarkt den Rang ab? Wir erfahren gleich mehr darüber, was bei der Aufwertung ganzer Stadtteile zu beachten ist und was die Luxusindustrie nun vom Vermieter erwartet. Vergessen wir die Gastro und vor allem die Hotels nicht, denn auch hier ist der Luxussektor ausbaufähig. Mit dem Rosewood schlug jüngst ein internationaler Player auf, aber mit der Gastro ist es bis dato nicht gelungen, das Wiener Publikum abzuholen; und vielleicht hat man es aufgrund der architektonischen Auflagen nicht geschafft, als Grand Hotel zu wirken.

Der Denkmalschutz gibt ja oftmals die Möglichkeiten vor, das weiß auch Dimitry Vallen, der das Mandarin Oriental in den ehemaligen Verfassungsgerichtshof holt. Die Eröffnung wird für 2025 erwartet, denn das MO verspricht Luxus auf einem in Wien noch nie dagewesenen Niveau. Und dieses wird in Wien mit offenen Armen empfangen, ist doch speziell die Spitzenhotellerie in der Hauptstadt unterrepräsentiert.

Lensing Lektor an der TU Wien

Asset Management

Luxusstandort Wien

SCHLOSSSEITEN: Wie hat sich die Wiener Innenstadt aus dem Luxusblickwinkel historisch entwickelt?

Paul Lensing: Die Innenstadt Wiens, vor allem der Kohlmarkt, war immer schon das Zentrum des gehobenen Einzelhandels und der Handwerkskunst von Weltruf –leicht zu erkennen, wenn man sich zum Beispiel Darstellungen des Kohlmarkts aus dem 18. Jahrhundert ansieht. Anhand der Garderobe der abgebildeten Damen und Herren sieht man sofort, dass es sich hier um die feinere Gesellschaft Wiens handelte. Die Nähe zur Hofburg und zum Kaiser waren damals bestimmende Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Handelsadresse. Bis heute bildet das Erbe Österreichs die Basis einer einzigartigen Kulturund Tourismusinfrastruktur, die jedes Jahr Millionen von Menschen anzieht und somit, gemeinsam mit dem lokalen Publikum, den Handel im Luxussegment von Kohlmarkt, Graben und Tuchlauben wachsen lässt.

SS: Wohin wird die Luxus-Reise gehen?

PL: Das hängt sehr stark von der Dynamik der nächsten Jahre ab. Wir spüren in Wien trotz Krise eine unerschütterliche Nachfrage nach Topstandorten wie dem Kohlmarkt, aber auch zunehmend dem Graben. Je mehr Marken aus dem Luxussegment das Premiumsegment ablösen, desto leistungsfähiger wird Wien als Luxusdestination. Die Verdichtung lässt Synergien wachsen, die den Standort für einige Luxushändler noch interessanter machen. Dieser Effekt, unterstützt vom supplementierenden Kultur- und Hotel- beziehungsweise Gastronomieangebot, verfestigt die konsumatorische Luxusposition. Wien hat gegenüber anderen europäischen Städten, die ebenfalls eine beeindruckende Tradition vorweisen können, einen großen Vorteil: Die Stadt ist sicher und sauber, ohne an Authentizität einzubüßen.

SS: Was sind Faktoren, die den Standort begünstigen?

PL: Aus Makrosicht ist es sicherlich die Internationalität Wiens mit seinem kulturellen und infrastrukturellen Angebot, das die Rahmenbedingungen für die Ansiedlung von Luxuskonzepten setzt. Lokal betrachtet, sind es die Kundengruppen aus lokalem und touristischem Publikum sowie aus altem und neuem Geld, die den bestimmenden Faktor für den Erfolg des stationären Handels im Luxussegment darstellen. Nachdem robuste Umsatzzahlen für jeden Händler sehr wichtig sind und in Wien gut funktionieren, zieht das weitere Marken der großen Konzerne an beziehungsweise lässt bei bestehenden Marken den Wunsch nach mehr Verkaufsfläche stetig wachsen. Diese Dynamik ist momentan das begünstigende Element für den Standort Wien.

SS: Was sind Faktoren, die diesen Standort bedrohen?

PL: Global gesehen ist es sicherlich das Wachstum der G7, die auch die Leistungsfähigkeit am Standort Wien stark bestimmen. Wien hat als Luxusstandort wohl oder übel globales Niveau erreicht und wird somit auch von globalen Aspekten getragen. Als lokale Bedrohung kann man das österreichische Mietrecht im Vollanwendungsbereich sehen, das manchmal den freien Wettbewerb verzerrt und nicht mehr dem ursprünglichen Gedanken des aufrichtigen Mieterschutzes dient. Der Denkmalschutz ist aus meiner Wahrnehmung eher ein Vorteil denn ein Nachteil, da das BDA sehr verständnisvoll ist und unterstützend helfen kann, internationale Designkonzepte der Luxusmarken in den historischen Kontext der Stadt zu setzen. So manchem Stararchitekten ist schnell klar geworden, dass ein Shop in Wien nicht wie Florida, Dubai oder Tokio aussehen und man baukulturelles Erbe auch integrieren kann. Davon profitieren alle Stakeholder.

SS: Was erwarten die großen Luxusmarken vom Standort Wien?

PL: Neben den guten Umsätzen, die in Wien erzielbar sind, ist es sicherlich das gelebte Einzugsgebiet in den Osten bis nach Asien. Das macht Wien nachhaltig sehr interessant. Die Anwesenheit von großen und starken Marken mit Strahlkraft ist eine weitere Erwartung, die Wien zunehmend erfüllt. Die großen Luxusmarken haben mit ihren Flaggschiffen angelegt und werden Nischen durch individuellere Luxuskonzepte befüllen.

Primetime: Der Kohlmarkt zählt zu den exklusivsten Geschäftsflächen Wiens. Van Cleef & Arpels sind direkt neben Cartier eingezogen, beide gehören zur Richemont Gruppe. Die Fassaden wurden auf Geschäftsebene sanft „geliftet“ und erfreuen nun zum einen den Denkmalschutz und zum anderen die Kunden.

SS: Wie bewegen sich die Mietpreise in Toplagen im Moment und wie hat sich das in den letzten 5 Jahren entwickelt? Ist noch Luft nach oben, und wenn ja –wie viel und wovon wird der Preis getrieben?

PL: Die Mieten haben durch Inflation in den letzten Jahren einen enormen Schub nach oben bekommen, was im Luxussegment eigentlich kein Problem sein sollte. Grund dafür ist der zeitliche Versatz bei Preissteigerungen im Luxussegment: Die starke Nachfrage nach beispielsweise teuren Uhren hat deren Preisentwicklung schon ein paar Jahre früher nach oben getrieben – früher, als man dies im statistischen Warenkorb gesehen hatte – und war somit neben Immobilien ein Vorbote steigender Inflation. Die damit zusammenhängenden Umsatzsteigerungen führen zu einer höheren Leistungsfähigkeit bei den Mieten und lassen in Wien Spitzenmieten von 600 bis 800 Euro pro Quadratmeter zu – mit klarer Tendenz nach oben.

Dass Kunden im Luxussegment im Vergleich zu Kunden in anderen Segmenten nicht sparen müssen, erklärt vielleicht auch die Resilienz echter Luxusmarken in Krisenzeiten. Es ist somit die kontinuierliche Nachfrage auf dieser Kundenseite, die trotz schwachem Umfeld beeindruckende Umsätze generiert und bei limitiertem Flächenangebot die Mieten steigen lässt, da der Onlinehandel in diesem Segment keine Alternative ist.

SS: Welche großen Marken haben Sie bereits persönlich betreut und was waren die großen Learnings? PL: Ich habe mit unterschiedlichen Marken der Kering-,

Cartier-Store, Wien

Van Cleef & Arpels eröffneten im März 2024 ihren ersten Österreich-Standort.

Richemont- oder auch LVMH-Gruppe zu tun gehabt, aber ebenso mit italienischen Luxury Brands, die inhabergeführt sind und Wien sehr schätzen. Was sie alle vereint, ist die Tatsache, dass sie rechnen können und absolute Profis in ihrer Einschätzung sind. Sie probieren selten etwas aus, was nicht durch Zahlen und Fakten belegbar ist. Sie sind harte Verhandler, die, wenn sie einen großen Konzern im Hintergrund haben, meist auch sehr berechenbar und klar agieren. Das schönste Learning ist, dass es die besten und schnellsten Ergebnisse gibt, wenn Mieter und Vermieter die Vision einer Immobilie teilen können.

SS: Welche Marken kommen bald, welche fehlen noch?

PL: Wer bald kommen wird, darf ich derzeit nicht verraten. Bis Jahresende werden noch viele Verträge in Wien abgeschlossen. Was ich verraten kann, ist, dass es in den kommenden Jahren noch einige Baustellen geben wird und dass einiges auf dem Weg ist. Was zurzeit auf jeden Fall fehlt, ist die Möglichkeit, in Wien eine vollständige Kollektion zu zeigen, denn die Shops sind im Vergleich zu Paris oder Mailand teilweise wesentlicher kleiner. Was in Wien ebenfalls fehlt, sind Konzepte wie beispielsweise Ladurée, die definitiv auf hellen Anklang stoßen werden.

SS: Was sind die großen Trends bei den Luxusmarken? Cartier hat bspw. ein Café im Shop. Waren Sie schon mal dort und haben Kaffee getrunken? Geht man dort wirklich nur zum Kaffeetrinken rein oder ist man ein Kunde, der wartet? Was ist da die Hemmschwelle?

PL: Ich persönlich war noch nicht im neuen Shop. Es gibt auch ständig lange Schlangen, und einen Termin zu reservieren, darauf habe ich persönlich beim Einkaufen keine Lust, denn Termine habe ich bereits genug. Ich habe schon mal einen Kaffee bei Cartier getrunken, das war aber vor dem Umbau im Büro bei einer Besprechung. Grundsätzlich ist es schon so, dass auch das Luxussegment eine Journey anbieten muss. Ich durfte lernen, dass die Ausflüge mancher Luxusmarken in die Hotellerie nicht nur ein Ausprobieren sind, so wie man Cross-Selling macht, sondern mehr ein Lernen und Inspirieren durch die Hotelindustrie. Denn vor allem im Luxussegment können Hotels eines: unvergessliche Momente erzeugen. Und das wollen die Händler nachvollziehbarerweise auch.

OBEN: Die Jakobergasse in Wien 1. Die Straßen werden neu gepflastert und verkehrsberuhigt, die Gegend wird kräftig aufpoliert.

LINKS: Lange stand der denkmalgeschützte Jugendstilbau in der Riemergasse, in dem einst das Handelsgericht Wien untergebracht war, leer. Im Sommer 2024 zog das neue Luxushotel „Mandarin Oriental“ in den ehemaligen Verfassungsgerichtshof ein. Hier werden neue Maßstäbe gesetzt. Die teuersten Wohnungen Wiens findet man im Dachgeschoss – mehr als die Hälfte von ihnen wurden bereits erfolgreich verkauft.

SS: Was kann man als Immobilienbesitzer tun, um für Luxusmarken attraktiv zu sein?

PL: Ein Mietobjekt in bester Lage vorweisen sowie kurze Mietvertragslaufzeiten der Vormieter. Umsatzmieten will fast kein Luxuskonzept mehr machen, die Gründe dafür sind vielfältig. Mietverträge sollten keine Tricks beinhalten, sondern so transparent wie möglich sein.

SS: Sind Luxusmarken überhaupt gute Mieter? Ist da ein Zara beispielsweise nicht viel krisensicherer?

PL: Beides ist gut, solange das Unternehmen sich weiterentwickelt. Zara ist nicht wegen seiner Größe gut, sondern aufgrund seiner Innovationskraft. Das gilt für Luxusmarken auch, da sie Sehnsüchte befriedigen – und das ist ein zeitloses Geschäft.

SS: Welche Projekte betreuen Sie im Moment und was kommt Spannendes auf Wien zu?

PL: Ich konnte einen tollen Mietvertrag mit einem spanischen Luxuslabel abschließen, das kommendes Jahr umbauen und eröffnen soll.

This article is from: