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IM PORTRÄT: Sina Ebell & Alina Rank . . . . . . . . . . . . S

Im Porträt Sina Ebell und Alina rank

THEATER-KINDER SIND ERWACHSEN GEWORDEN

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In den 15 Jahren, seit Intendant Michael Steindl den Jugendclub „Spieltrieb“ am Schauspiel Duisburg gegründet hat, wurden rund 40 junge Menschen aus der Region so von der Leidenschaft zum Theater gepackt, dass sie beschlossen haben, diese zu ihrem Beruf zu machen. In der Inszenierung von Witold Gombrowicz' „Yvonne, Prinzessin von Burgund“ , stehen nun mit Sina Ebell und Alina Rank zwei Schauspielerinnen gemeinsam auf der Bühne, die zur ersten Generation zählen, die Steindl vor rund 20 Jahren auf diesen Weg gebracht hat, damals noch als Dramaturg am Schauspiel Essen. Rank und Ebell erinnern sich gut daran, was für eine einschneidende Erfahrung die Zeit im Essener Jugendclub für sie war. Beide zogen als Kinder ins Ruhrgebiet, die eine aus Rumänien, die andere aus der ehemaligen DDR, wuchsen mit nur einem Elternteil auf, berichten von Mobbing. „Beim Essener ‚Spieltrieb‘ habe ich dann eine Erfahrung gemacht, die ich so noch nicht kannte: Im Projekt ‚Out of Paradise‘ waren 28 Jugendliche am Start, und alle wurden so akzeptiert, wie sie waren“ , so Ebell. „Und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Bestätigung für ein Talent erfahren, von dem ich vorher noch nichts wusste.“ Für sie, die nach der 10. Klasse die Schule abgebrochen hatte, wurde das Schauspiel Essen zu einem zweiten Zuhause. Neben den Jugendclub-Projekten hospitierte sie in der Kostümabteilung, spielte kleine Rollen in Profi-Inszenierungen. „Ich habe mein ‚Abitur‘ am Grillo-Theater gemacht“ , sagt sie heute. Aufgrund ihrer besonderen Begabung wurde sie dann für ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart aufgenommen. Für Alina Rank hingegen hätten nach einem Einser-Abitur sämtliche berufliche Wege offen gestanden. Doch auch für sie war nach der JugendclubErfahrung klar, dass ihr Weg einfach ans Theater führen müsse: „Der frühe Tod meiner Mutter hat mich gezwungen, schnell erwachsen zu werden. Im Theater durfte ich plötzlich wieder spielen, in Regionen meines Selbst gehen, die im Alltag wenig Raum erfahren hatten. Kopf, Körper, Emotionen – auf der Bühne hat sich für mich alles zusammengefügt“, beschreibt sie. Doch ohne ihre Willensstärke wäre es nie so weit gekommen: „Über zwei Jahre hinweg war ich bei über 50 Vorsprechen an Schauspielschulen, bin oft von einer Stadt zur anderen gefahren, ohne zu wissen, wo ich übernachten werde.“ Schließlich wurde sie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt angenommen, war Elevin am Schauspiel Frankfurt und wurde noch vor ihrem Diplom Teil des Ensembles am Staatstheater Kassel. Acht Jahre blieb sie dort, konnte zahlreiche Hauptrollen spielen, in Stücken wie

Sina Ebell in „Iphigenia“, s. S. 16

„Drei Schwestern“ oder „Fräulein Julie“ . Für ihre besondere Wandlungsfähigkeit erhielt sie den Nachwuchspreis der Fördergesellschaft Staatstheater Kassel. „Kassel ist für mich zu einem beruflichen Elternhaus geworden, und ich kehre immer wieder gerne dorthin zurück“ , berichtet sie. „So widersprüchlich das klingen mag: Das Festengagement bot mir die Möglichkeit, auf der Bühne mein Sicherheitsbedürfnis loszulassen, mich weiterzuentwickeln, und den Mut zu finden, etwas zu riskieren. “

Nach zwei Jahren im Ensemble am Jungen Schauspielhaus Düsseldorf war Sina Ebell neugierig darauf, was ihr die Welt an anderen Aufgaben noch so bieten könnte. Mit Karlsruher Kunststudierenden gründete sie das Kollektiv „Die Happy Few “ , mit dem sie bundesweit partizipative, interdisziplinäre und politische Theaterprojekte entwickelt. Dazu zählt die Theateraktion „Reise 107.8“ in Berlin-Neukölln, eine installative Mischung aus Occupy-Camp, Jazz-JamSession und Bernward-Vesper-Lesung, oder „Es war einmal in Westdeutschland“ in Detmold, das sich mit der deutschen Liebe zum Automobil und der Mobilität der Zukunft auseinandersetzte. „Ich möchte Theater machen, das in alle Richtungen offen ist; ein Theater, das politisch ist, und in dem sich Künstler*innen verschiedenster Disziplinen begegnen – und besonders wichtig ist mir dabei, immer ganz nahe am Publikum zu sein, in Dialog zu treten“, beschreibt sie. Die enge Freundschaft zwischen Alina Rank und Sina Ebell hält bis heute, man tauscht sich aus, besucht sich zu Vorstellungen. Als Rank 2016 nach Berlin zieht, um dort als freischaffende Schauspielerin tätig zu sein, steht sie in ihrem ersten Projekt gemeinsam mit Ebell auf der Bühne, „Gutmenschendämmerung“ , eine gesellschaftspolitische Stückentwicklung mit Motiven aus Houellebecqs „Die Unterwerfung“ und Genets „Die Zofen“. Während Rank weiterhin dort lebt, an verschiedenen Theatern im deutschsprachigen Raum gastiert und zuletzt an der eigenproduzierten Serie „Wodkavariationen" arbeitete, ist Ebell nach einigen Jahren in Berlin inzwischen zurück im Ruhrgebiet. Mit dem Monolog „Iphigenia“ über eine junge Frau am Rande der Gesellschaft, deren Leben sich durch eine Schwangerschaft radikal verändert, ist sie jetzt auch am Schauspiel Duisburg zu sehen: „Es ist meine anstrengendste und vielleicht bisher beste Performance. “

Bei „Yvonne, Prinzessin von Burgund“ sind Rank und Ebell am Schauspiel Duisburg auf einen Regisseur getroffen, den sie beide gut kennen: Unter der Regie von Martin Schulze spielte Alina Rank bereits mehrmals in Kassel und zuletzt in Stuttgart die Titelrolle in Schillers „Maria Stuart“ . Sie beschreibt ihn als Regisseur, der Schauspielführung wie kein anderer beherrsche, „weil er nie versucht, einen zu verändern, sondern sich auf die Leute einlässt und sie in ihrer Arbeit befördert“ . Ebell erlebte Schulze noch als Regiehospitantin am Schauspiel Essen und erinnert sich daran, von ihm zu hören: „Wir treffen uns wieder, wenn du erwachsen bist. “ Erwachsen geworden, das sind Sina Ebell und Alina Rank inzwischen – doch ohne etwas von ihrer großen Theaterleidenschaft, Spielfreude und dem Kampfgeist zu verlieren, der sie dazu gebracht hat, ihren erfolgreichen und steinigen Weg im Theatergeschäft zu gehen.

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