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Im Porträt: Sophie Bartels, s. S

Mit feiner Komik in der Welt der Objekte

Sophie Bartels in „sans papiers“

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„Wenn ich Objekte sehe, dann schlägt mein Herz höher“, sagt Sophie Bartels. „Denn in den Dingen schlummern Geschichten. Und ich bin neugierig darauf, was passiert, wenn ich mit ihnen in Interaktion trete, was sie in mir auslösen und was ich einem Publikum mit ihnen erzählen kann.“

Durch ihren ganz eigenen Stil von Objekttheater und ihr Gespür für besonders feine Komik hat sich die 38-jährige Wahl-Berlinerin einen Namen in der Figurentheaterszene gemacht, trat mit ihren Stücken unter anderem auf Festivals in Estland und Frankreich und auf der Fidena in Bochum auf. Mit ihrem Kinderstück „Die Schuhe der Meerjungfrau “ und als Regisseurin der Science-Fiction-Objekttheater-Dystopie „Das Institut der Dinge“ mit Spieltrieb, dem Jugendclub des Schauspiel Duisburg, ist die Arbeit von Sophie Bartels nun erstmals am Theater Duisburg zu erleben.

Erst mit Anfang 20 stößt die gebürtige Magdeburgerin auf die Welt des Figurentheaters, die inzwischen zu ihrer Heimat geworden ist. Dass sie jedoch die Künstlerin in einer Familie mit vielen Ärzt*innen werden würde, ist ihr schon früh klar: „Mit ungefähr 13 Jahren habe ich das ziemlich klar geäußert. “ Ihr Berufswunsch zunächst: klassische Schauspielerin zu werden.

Ihre ersten Bühnenerfahrungen macht Sophie Bartels in der Theater AG an der Schule und in verschiedenen Magdeburger Theater-Jugendclubs. Dabei ist sie nie die typische „Rampensau“. „Ich

war eher schüchtern, aber auf der Bühne zu stehen, war für mich ein guter Weg, mich selbst auszudrücken“, erzählt sie. „Aber die hübschen Prinzessinnen haben die anderen gespielt, ich war eher die schmutzige Wärterin oder der Junge mit den Halluzinationen.“

Gegen Ende ihrer Schulzeit verbringt Bartels fast jede freie Minute im Theater, mit den Leuten, die sie als viel freier und offener wahrnimmt, ist auch immer wieder Statistin in Großproduktionen. Doch mit ihrem Ziel, es an eine Schauspielschule zu schaffen, scheitert sie zunächst und beginnt mit einem Studium der Theater- und Medienwissenschaften. „Ich habe versucht, mir schönzureden, dass auch ein Plan B, etwa als Theaterpädagogin, ganz okay wäre – aber tief im Herzen wollte ich schon unbedingt auf der Bühne stehen. “

Der Wendepunkt für Sophie Bartels kommt schließlich kurz vor Abschluss ihres Studiums: In den Semesterferien übernimmt sie eine Hospitanz am Puppentheater Magdeburg. Dort wird sie schnell zu einem wichtigen Mitglied des Teams, und als eine Spielerin krankheitsbedingt ausfällt, steht sie plötzlich selbst auf der Bühne. „Das war für mich wie eine Initialzündung“, beschreibt sie. „Ich habe gemerkt, da spiele ich ja auch – nur über Bande. Und mit dem Material hat es sich für mich sofort irgendwie einfacher, verspielter, echter angefühlt.“

Sie bewirbt sich für einen Studienplatz für Puppenspielkunst an der renommierten Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Dort wird sie nicht nur sofort aufgenommen, sondern auch direkt auf ein besonderes Talent hingewiesen: ihre Fähigkeit, auf der Bühne komisch zu sein: „Vorher war das mit dem Schauspiel immer eine ziemlich ernste Angelegenheit für mich, aber dort ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, dass es völlig okay ist, auf der Bühne lustig oder schräg zu sein.“

An der Schule lernt sie die unterschiedlichsten Disziplinen, vom Marionettenspiel zum Puppenbau. Doch erst im dritten Studienjahr macht es so richtig „Klick“, als Objekttheater auf dem Unterrichtsplan steht: „Das hat für mich sofort total funktioniert, in dieser Richtung wollte ich weiterschauen.“

Nach einem Auslandssemester im finnischen Turku, wo sie noch einmal ganz anderen, freieren Zugängen zum Figurentheater begegnet, kristallisiert sich auch heraus, welche inhaltlichen Themen Sophie Bartels für ihre Theaterarbeit besonders interessieren. „Meine Figuren sind oft Frauenfiguren, die irgendwie auf der Suche sind. Die ihre Identität erforschen, oft auch mit sich hadern, dabei aber immer auch starke Persönlichkeiten sind“, beschreibt sie.

Im Anschluss an ihr Studium lernt sie jedoch zunächst den Theateralltag als Ensemblemitglied kennen. In den Puppenspielsparten der Theater in Zwickau und Chemnitz spielt sie unzählige Vorstellungen, hauptsächlich für Kinder, ist oft auf Abstechern unterwegs. „Im Winter stand man dann um sechs Uhr morgens auf der Matte und war erst mal ne Stunde unterwegs nach Glauchau“, berichtet sie. Im Nachhinein betrachtet war diese Zeit für Sophie Bartels der richtige Weg: „Durch das viele Spielen vor Publikum bekommt man eine gewisse

Souveränität auf der Bühne, was mir heute noch sehr hilft. “ Am Theater Chemnitz entsteht auch ihr Solo „Die Schuhe der Meerjungfrau “ , das nach Auftritten auf zahlreichen Festivals für den „Juni der Figuren“ nach Duisburg kommt.

Nach fünf Jahren in festen Ensembles wagt Sophie Bartels 2016 schließlich den Sprung ins kalte Wasser: Als freie Figurenspielerin hat sie nun kein festes Gehalt mehr, sondern ist darauf angewiesen, Projekte zu finden oder selbst zu kreieren. Zu Beginn wird sie oft in einer Doppelfunktion als Schauspielerin und Puppenspielerin oder -coach engagiert. Besonderes Highlight ist für sie die Produktion „Revolution: Alles wird gut!“ mit dem Brachland-Ensemble über Weltverbesserer*innen, für die sie eine Recherchereise nach Ghana unternimmt, um dort die Arbeit einer Philosophin kennenzulernen, die sich für Frauenbildung und Sexualaufklärung einsetzt.

Schließlich wagt sie sich auch an die ersten eigenen Projektanträge – und ist gleich mit ihren ersten beiden Konzepten erfolgreich. In „#LADY CLOWN“ und „sans papiers“ kann sie sich voll auf ihre Leidenschaft des Objekttheaters konzentrieren, von starken Frauen erzählen und ihr komisches Talent voll zur Geltung bringen. Die Protagonistin von „#LADY CLOWN“ ist eine außerirdische Clowninfigur aus einer feministischen Idealwelt, die durch ihr Erscheinen den Vortrag eines menschlich-männlichen Professors völlig über den Haufen wirft. In „sans papiers“ erzählt Bartels unter Zuhilfenahme verschiedenster Objekte und Unmengen von Papier die Geschichte der Widerstandskämpferin Lisa Fittko und des Philosophen Walter Benjamin, die während des Zweiten Weltkriegs versuchen, ohne Ausweispapiere über die Pyrenäen zu fliehen.

„Das Institut der Dinge“ mit dem Duisburger „Spieltrieb“ ist nun das erste Regieprojekt von Sophie Bartels mit einer größeren Gruppe. In dieser Science-Fiction-Dystopie soll eine Gruppe von Forscher*innen eine von Dingen überfüllte Welt dadurch retten, dass sie möglichst viel davon vernichten – bis die Dinge ein Eigenleben bekommen und es zum Aufstand kommt.

„Mich hat schon beim ersten Workshop begeistert, wie offen die jungen Spieler*innen waren und sich voll auf das Spiel mit den Objekten eingelassen haben“ , schwärmt Bartels. Man darf gespannt sein, für wie viele junge Duisburger*innen dieses Projekt eine Initialzündung sein könnte, um wie Sophie Bartels noch viel tiefer in die Welt des Figurentheaters einzutauchen ...

von Florian Götz

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