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PAUL THOMAS ANDERSON: HOLLYWOOD-WUNDERKIND
The Master The Master

2011 stufte “Entertainment Weekly” den Amerikaner Paul Thomas Anderson als den zehntgrößten derzeit arbeitenden Regisseur ein und bezeichnete ihn als „einen der dynamischsten Regisseure der letzten zwanzig Jahre“. 2012 wurde Anderson vom „Guardian“ auf Platz 1 ihrer Liste der besten zeitgenössischen Filmregisseure der Welt gesetzt. Zitat: „Seine Hingabe an seine Kunst hat sich verschärft und mit seiner Verachtung für PR und Berühmtheit macht ihn das zum überzeugendsten Filmemacher seiner Generation.“ Wer aber ist dieser Paul Thomas Anderson?
Paul Thomas Anderson erblickte das Licht der Welt am 26. Juni 1970 in Studio City, Kalifornien. Für ihn gab es nie wirklich eine Alternative zum Wunsch, Filmregisseur zu werden. Mit zwölf drehte er mit einer Betamax-Videokamera, als Teenager begann er zu schreiben und mit siebzehn experimentierte er mit einer Bolex-16-mm-Kamera. Mit dem Reinigen von Käfigen in einer Zoohandlung verdiente er sich als HighschoolSchüler Geld für seine erste richtige Produktion, die 30minütige Mockumentary „The Dirk Diggler Story“, über einen männlichen Pornodarsteller. Inspiriert wurde er für seinen Kurzfilm durch die Porno-Legende John Holmes, die später auch Inspiration für seinen Film „Boogie Nights“ war. Anderson besuchte nie eine Filmschule, sondern lernte sein Handwerk, indem er sich die Filme seiner Lieblingsregisseure anschaute, Bücher und Magazine über die technische Seite des Filmemachens las und sich Filme mit dem Audiokommentar der Regisseure ansah. Nach zwei Semestern Anglistik und nur zwei Tagen an der New York University, begann er seine Karriere als Produktionsassistent für Fernsehfilme, Musikvideos und Gameshows in Los Angeles und New York. Mit etwas Geld aus Glücksspielen, der Kreditkarte seiner Freundin und 10.000 US-Dollar, die ihm sein Vater für das College zur Seite legte, drehte er den 20minütigen Kurzfilm „Cigarettes & Coffee“, den er als sein „College“ bezeichnete und der 1993 auf dem Sundance Film Festival gezeigt wurde. Anderson entschied sich, den Kurzfilm zu einem abendfüllenden Spielfilm zu erweitern und wurde infolgedessen ein Jahr später vom Sundance Institute zu einer Art Filmemacher-Workshop eingeladen.


Magnolia Magnolia


Boogie Nights

Während des Sundance Film Festivals hatte Anderson bereits die Übereinkunft mit Rysher Entertainment getroffen, seinen ersten Spielfilm zu drehen, welcher 1996 als „Last Exit Reno“ veröffentlicht wurde und Anderson die Tür für seine weitere Karriere öffnete.

Während der Produktion von „Last Exit Reno“ begann Anderson bereits das Drehbuch für seinen nächsten Film zu schreiben: “Boogie Nights”. Der Film wurde 1997 in die Kinos gebracht und war sowohl kommerziell als auch künstlerisch ein großer Erfolg. Der Film belebte die Karriere von Burt Reynolds wieder und bedeutete den Durchbruch für Mark Wahlberg und Julianne Moore.
Nach dem Erfolg von „Boogie Nights“ wurde Anderson von New Line zugesichert, dass er bei seinem nächsten Film machen könne, was er wolle und die volle kreative Kontrolle hätte. Was ursprünglich ein intimer und minimalistischer Film werden Inherent Vice – Natürliche Mängel

Inherent Vice – Natürliche Mängel
There Will Be Blood

Punch-Drunk Love Punch-Drunk Love



Punch-Drunk Love

Meine Ausbildung als Regisseur bestand daraus, herauszufinden, welche Filme meine Lieblingsregisseure mochten und diese dann anzuschauen. (…) Man lernt wesentlich mehr (…) als bei 20jährigem Studium auf der Filmschule.

Der seidene Faden
Der seidene Faden
sollte, entwickelte sich schließlich zum Ensemblewerk „Magnolia“, welches die eigentümliche Wechselwirkung zwischen den Leben von mehreren Personen in San Fernando Valley erzählt. Basis und Inspiration für den Film war die Musik von Aimee Mann, der Anderson den Auftrag gab, acht weitere Songs zu schreiben. „Magnolia“ erhielt drei Oscar-Nominierungen, für den besten Nebendarsteller (Tom Cruise), den besten Originalsong („Save Me“) von Aimee Mann und für das beste Originaldrehbuch. In einem Interview nach Veröffentlichung des Films wurde Anderson mit folgenden Worten zitiert: „…was ich wirklich fühle, ist, dass „Magnolia“, wohl oder übel, der beste Film ist, den ich je machen werde.“
Spätestens jetzt wurde Anderson in Hollywood als Wunderkind gehandelt, als eines der großen Talente der Traumfabrik. Komplexe, vielschichtige Handlungen und eine große Anzahl von Figuren wurden zum Markenzeichen seiner Filme. Nach „Magnolia“ wollte Anderson gerne einmal mit Adam Sandler arbeiten und erfüllte sich diesen Wunsch 2002 mit der romantischen Komödie „Punch-Drunk Love“. Darin geht es um einen Kleinunternehmer mit Wutproblemen und sieben dominanten Schwestern. Sandler erhielt viele positive Kritiken für seine erste ernste Rolle abseits der MainstreamKomödien, welche ihn zum Star machten.
Mit „There Will Be Blood“ folgte 2007 Andersons erste Zusammenarbeit mit Daniel Day-Lewis, der für seine Rolle als Ölsucher den Oscar als Bester Hauptdarteller einheimste. „There Will Be Blood“ wurde von den Kritikern als einer der größten Filme des Jahrzehnts betrachtet und von einigen sogar zu einem der besten amerikanischen Filme, die je gemacht wurden, gekürt.
Fünf Jahre später lieferte Anderson mit „The Master“ ein Drama über einen charismatischen Intellektuellen, der in den 1950er Jahren eine neue Religion gründet. „The Master“ war der erste Film in Andersons Karriere, der nicht nur mit 65mm Negativ aufgenommen, sondern neben der Digitalfassung auch mit 70mm-Kopien in die Kinos gebracht wurde. Anderson etablierte sich damit als einer der Verfechter des analogen Kinos, zu denen auch Quentin Tarantino und Christopher Nolan gehören. Er sorgte dafür, dass auch alle weiteren Filme unter seiner Regie analog aufgenommen wurden und mit einer Handvoll 70mm-Kopien in die Kinos gelangten. Auch wir haben diese Kopien hier in der Schauburg im Rahmen unseres jährlichen „ToddAO 70mm Film Festivals“ gezeigt. Neben „The Master“ waren das die Thomas Pynchon Adaption „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ sowie „Der seidene Faden“, mit Daniel Day-Lewis als exzentrischem Modeschöpfer. Auch Andersons neuester Film „Licorice Pizza“ wurde auf 70mm kopiert und wird bei uns in diesem Format zur Aufführung kommen.
(Wolfram Hannemann)