1 minute read

RÄUBERHÄNDE

AB 2. SEPTEMBER RÄUBERHÄNDE

DRAMA | DEUTSCHLAND 2020

Mit seinem Roman traf Finn-Ole Heinrich den Sound der Jugend: frech, lässig, locker. Jetzt hat İlker Çatak im freien Umgang mit der Vorlage ein flottes, sexuell unverblümtes Abenteuer um eine große, prägende Jungsfreundschaft inszeniert.

Eine Holzhütte am Waldrand: Garten, Schlafplatz, freier Blick über grüne Hügel. Draußen pflanzt Samu (Mekyas Mulugeta) einen Feigenbaum, drinnen knutscht Janik (Emil von Schönfels) mit seiner Freundin. „Salam aleikum“, sagt Samu, als er den Vorhang vor dem Bett des Paares zurückzieht und die Intimität stört. Nur um sein Hemd zu holen? Oder aus Eifersucht? Das muss offen bleiben in der sommerlichsinnlichen Szene. Die Freundin jedenfalls ist pikiert, als Janik das Liebesspiel wieder aufnehmen will. „Mach‘ doch mit Samu rum“, protestiert sie und geht. Tatsächlich sieht man die beiden Jungs herumtollen, raufen, einander wie selbstverständlich anfassen. Alles scheint möglich für die frisch gebackenen Abiturienten, denen die Welt offensteht. Nach Istanbul wollen sie, wo Samu seinen unbekannten Vater vermutet. Die vibrierende Stadt erkunden, vielleicht auch einen Teil der eigenen Wurzeln, jedenfalls frei sein, sich erkunden jenseits aller Grenzen. Ist die enge Beziehung der Brüder im Geiste homoerotisch aufgeladen? Könnte sein. Es interessiert aber nicht und bleibt ungeklärt, weder im Film noch in der Buchvorlage gleichen Titels, dem erfolgreichen Jugendroman von Finn-Ole Heinrich. Was interessiert, ist der Stellenwert von Freundschaft, die im Falle von Samu und Janik einen tiefen, beinahe nicht zu kittenden Bruch erleidet und die die beiden trotz allem zu retten versuchen. Das ist umso bemerkenswerter, als die sozialen und familiären Hintergründe kaum unterschiedlicher sein könnten. „Räuberhände“ verzichtet auf die verschachtelte Erzählstruktur des Romans mit seinen Rückblenden und Parallelmontagen. Regisseur İlker Çatak entschlackt die Vorlage zugunsten eines geradlinigen Aufbaus, der Tempo und Action begünstigt. Das macht die ab 16 freigegebene Literaturverfilmung besonders für Jugendliche und Kinder (dann in Begleitung ihrer Eltern) attraktiv. Da in der Geschichte aber auch Themen wie Migration, Identität und Familienstrukturen mitschwingen, funktioniert das mit leichter Hand inszenierte Sommerabenteuer auch für Erwach-

sene. PROGRAMMKINO.DE / PETER GUTTING

REGIE İlker Çatak DREHBUCH Gabriele Simon, Finn-Ole Heinrich DARSTELLER Emil von Schönfels, Mekyas Mulugeta, Katharina Behrens, Nicole Marischka, Godehard Giese LAUFZEIT 92 Minuten FSK 16

This article is from: