3 minute read

Ein Abschied in Raten – Prof. Ernst Oestreicher geht in Ruhestand

Foto: Andrea Rückert

Zum Ende des Schuljahres 2020/2021 verabschiedete sich der langjährige Schulleiter der Berufsfachschule für Musik Bad Königshofen, Prof. Ernst Oestreicher, offiziell von seinen früheren KollegInnen und den diesjährigen AbsolventInnen, nachdem er zum Schulhalbjahr Mitte Februar seine aktive Tätigkeit an dieser Institution beendete. Bereits im März 2020 hatte er zum Abschiedskonzert eingeladen, und zum Ende desselben Schuljahres sollte das Ausscheiden aus dem Schuldienst folgen, doch ein völlig überraschender Rückzug des designierten Nachfolgers bewog ihn, den Ruhestand noch um ein halbes Schuljahr aufzuschieben. Glück im Unglück für die Schule, denn so konnte er das neue Auswahlverfahren moderieren und dann sein Amt nicht nur geordnet übergeben, sondern dem neuen Schulleiter Elmar Sebastian Koch noch einige Wochen beratend zur Seite stehen. Diese Entscheidung steht beispielhaft für Oestreichers Verbundenheit und Verantwortungsbewusstsein für seine Schule. Er war es, der diese wie kein anderer prägte, der nicht nur die Berufsfachschule für Musik in Bad Königshofen zu einer weit über die Region hinaus be- und geachteten Adresse machte, sondern auch wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung dieses Schultyps insgesamt gab. Seine fachliche Kompetenz, seine Überzeugungsarbeit in den Verbänden und die guten Kontakte in die Politik sorgten maßgeblich dafür, dass die anfängliche Skepsis, die den Berufsfachschulen in ihren Anfangsjahren entgegenschlug, allmählich abgebaut wurde. Heute gelten sie als unverzichtbare Säule der beruflichen Musikausbildung in Bayern, ihr Anziehungskraft reicht ins ganze Bundesgebiet und sogar darüber hinaus. Nachdem Gerhard Jenemann ab 1982 wertvolle Aufbauarbeit geleistet hatte, übernahm Oestreicher- bis dahin am benachbarten Gymnasium als Musiklehrer tätig - 1989 sowohl die Schulleitung als auch den Unterricht im Fach Ensembleleitung. Die SchülerInnenzahl wuchs bald von knapp 40 auf die derzeitige Kapazitätsgrenze von ca. 65. Wichtige Wegmarken während seiner Schulleitung waren die Einführung zunächst eines Pädagogischen, später auch Künstlerischen Aufbaujahres, die Einrichtung eines repräsentativen Konzertsaales mitsamt großer Orgel, die Errichtung eines Schlagzeughauses und zuletzt der Neubau des Hauptgebäudes, das zu Beginn des neuen Schuljahres noch im September bezogen wird. (Diese Baumaßnahmen zeugen auch von der Wertschätzung, die der Berufsfachschule für Musik von ihren TrägerInnen, dem Landkreis Rhön-Grabfeld und dem Bezirk Unterfranken entgegengebracht wird.)

Advertisement

Da Ernst Oestreicher von seinem Vorgänger auch die Führung von Chor und Orchester übernommen hatte, galten die großen Oratorienaufführungen als Höhepunkte einer insgesamt regen Konzerttätigkeit, mit der die Berufsfachschule das kulturelle Leben der Region enorm bereicherte und nach der Corona-Pause auch weiterhin bereichern wird. Auf seine Initiative und unter seiner Leitung entstand in Kooperation mit dem Landkreis 2009 die „Junge Philharmonie Rhön-Grabfeld“, die unter anderem die eindrucksvollen OpenAir-Konzerte auf der Salzburg in Bad Neustadt bestreitet. Nicht nur bei solchen Großprojekten konnte er stets auf die Unterstützung einer loyalen und hochmotivierten Schulfamilie setzen. Dazu zählten neben Kollegium und aktueller SchülerInnenschaft auch die vielen Ehemaligen, die sich bei Bedarf nicht einfach nur engagieren ließen, sondern mit Begeisterung nach Bad Königshofen zurückkamen. Viele SchülerInnengenerationen hatten in seiner Zeit wichtige, prägende und glückliche Jahre an der Berufsfachschule verbracht, die immer auch mit seinem Namen verbunden wurden, mit ihrem „Oe“, wie er von allen liebevoll genannt wurde. Dies wurde eindrucksvoll sicht- und hörbar, als er wie bereits erwähnt im März 2020 zu seinem eigenen Abschiedskonzert einlud und ihm mit Haydns Schöpfung – selbstverständlich unter seiner Leitung - in der brechend vollen Stadtpfarrkirche noch einmal ein würdiges Denkmal gesetzt wurde. Geliebt und geschätzt, aber auch geachtet war er nicht nur in Bad Königshofen, denn seine fachliche Autorität war und bleibt weithin anerkannt. Diese stellte er auch außerhalb der Berufsfachschule vielerorts unter Beweis, vor allem als Bundesdirigent beim Nordbayerischen Musikbund, wo er mit dem von ihm 1988 gegründeten Jugendblasorchester zahlreiche Preise gewinnen konnte sowie ab 2012 als Initiator und Leiter des Masterstudienganges Blasorchesterleitung an der Hochschule für Musik Würzburg. Dafür erfuhr er eine besondere Würdigung, als er 2017 vom Freistaat Bayern zum Honorarprofessor bestellt wurde, kurz vor der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes im Jahr 2018. Diese Ehrung galt vorrangig seinem vielfältigen ehrenamtlichen Engagement in Verbänden und Gremien. Erwähnt seien hier nur die Mitgliedschaften im Präsidium des Bayerischen Musikrates, im Projektbeirat Deutscher Orchesterwettbewerb und im Vorstand der Bayerischen Musikakademie Hammelburg sowie das Amt des Vizepräsidenten der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände. Diese Ehrenämter übt Prof. Oestreicher weiterhin auch im „Ruhestand“ aus, ebenso wie die Lehrtätigkeit an der Musikhochschule Würzburg.

Die Berufsfachschule für Musik Bad Königshofen wird immer in besonderer Weise mit dem Namen Ernst Oestreicher verbunden bleiben. Das Kollegium ist ihm für die in 32 Jahren geleistete Arbeit, seine Verdienste um die Schulentwicklung, die vertrauensvolle und freundschaftliche Führung und Zusammenarbeit zu großer Dankbarkeit verpflichtet. ۞

BFD Abschiedskonzert Foto: Hanns Friedrich