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SCHNEESPORT – NICHT NUR EIN VERGNÜGEN?

MYTHEN UND WAS DAVON NACH WISSENSCHAFTLICHER BETRACHTUNG ÜBRIG BLEIBT

Skifahren, Snowboarden, Langlauf –Schneesport ist vielseitig und nicht nur bei den SAS-Mitgliedern sehr beliebt. Dabei verwundert es nicht, dass viele Mythen zu Sicherheit und Gesundheit dieser Sportarten kursieren. Aber sind sie auch wahr? Prof. Dr. med. Johannes Scherr, Leiter der Sportmedizin an der Universitätsklinik Balgrist, klärte mit einem spannenden Vortrag am SAS Season Opening 2023 in Zermatt anhand sportmedizinischer Fakten auf, was Mythos und was Realität ist. Gestützt werden seine Aussagen unter anderem durch wissenschaftliche Erkenntnisse seines Kollegen PD Dr. Jörg Spörri, Leiter Forschung Sportmedizin am Balgrist.

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Kreuzbandrissen ist Skifahren eine Sportart mit relativ hohen Verletzungsraten. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass sich beim Skifahren 0,23 Kreuzbandrisse pro 1000 Skitage ereignen. Wenn ein Skitag auf sechs Stunden umgerechnet wird, sind es im Vergleich zum Fussball allerdings weniger Verletzungen am Kreuzband“, sagt Scherr. Gemessen an 1000 Stunden der Sportausübung, werden im Fussball 0,17 Kreuzbandverletzungen gezählt. Die Zahlen im Leistungssport Ski Alpin zeigen jedoch ein anderes Bild: Pro Saison verletzten sich Athletinnen und Athleten durchschnittlich 1,84 Mal. Das Risiko für eine Kreuzbandverletzung während einer Saison liegt im Leistungssport Ski Alpin je nach Studie bei 5–15 %.

Conclusio der Experten: Das Verletzungsrisiko im Freizeitskilauf ist relativ gering und das im Leistungsskisport eher hoch.

Wie gefährlich – oder gesund – ist Schneesport tatsächlich?

Mythos 1: Skifahren ist eine der gefährlichsten Wintersportarten überhaupt Skifahren wird als eine risikoreiche und verletzungsanfällige Sportart angesehen. Das scheinen auch die vielen Sturzvideos in den Sportsendungen zu bestätigen. „Im Hinblick auf die Häufigkeit von

Mythos 2: Frauen sind häufiger von einem Kreuzbandriss betroffen als Männer Frauen verletzen sich häufiger am Kreuzband als Männer. Warum ist das so? Die Wissenschaft kennt mittlerweile mehrere Gründe, warum das Kreuzband bei Frauen häufiger reisst. „Ausschlaggebend ist u.a. die Anatomie der Frau. Die Beinachse, die von Natur aus bei Frauen eher eine X-Stellung aufweist und die sich daraus ergebende X-Bein-Bewegung und ein breiter gebautes Becken können durch die Beweglichkeit und Krafteinwirkung eher zu einem Kreuzbandriss prädispositionieren. Aber auch die geringere Muskelmasse und hierdurch geringere Stabilität spielen eine Rolle“, erklärt Scherr. Im Leistungssport Ski Alpin jedoch ist kein Geschlechterunterschied zu beobachten.

Mythos 3: Wenn ein Sturz unausweichlich ist, dann sollte man sich entspannen und es geschehen lassen. Was ist der typische Unfallmechanismus für eine Verletzung am Kreuzband? Beim Skifahren oder bei einem Sturz kann das Knie stark belastet werden, indem sich entweder der Unterschenkel gegenüber dem Oberschenkel nach vorne verschiebt, oder es zu einem seitlichen Einknicken (X-Beinstellung) kombiniert mit Innenrotation des Unterschenkels kommt. Studien zeigen, dass richtiges Verhalten nach dem Fallen oft Schlimmeres verhindert.

Tipp: Während eines Sturzes nicht unmittelbar aufrichten, sondern so sanft wie möglich fallen – bis es zu einem Stillstand kommt. So können weitere, das Knie gefährdende Belastungen verhindert werden.

Mythos 4: Alle Langläufer/innen sind Asthmatiker/innen Asthmatische Probleme sind im Langlaufsport tatsächlich mehr verbreitet als in der Allgemeinbevölkerung. Üblicherweise tritt Asthma bereits in der frühen Kindheit auf – anders bei Langläufern: hier geschieht dies meist zeitverzögert im Alter von 10 bis 17 Jahren. Der Grund? Mit zunehmendem Training wird ein grösseres Atemvolumen benötigt, was eine vermehrte Irritation der Atemwege auslösen kann. Hinzu kommt, dass im Winter die trockene und kalte Luft die Atemwege mehr belastet.

„ Eine gute körperliche Fitness ist auch bei Kindern die optimale Verletzungsprävention: vorbeugen ist besser als behandeln. Man kann Kindern bereits ab fünf Jahren ein begleitendes physisches Training zumuten, wie beispielsweise Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht. “

PD Dr. Jörg Spörri

Sie wollen ein bestimmtes

Trainingsziel erreichen oder nach einer Verletzung wieder trainieren?

Das Universitäre Zentrum für Prävention und Sportmedizin an der Universitätsklinik Balgrist bietet ein komplett auf Sie abgestimmtes Programm an. Weitere Informationen rund um Spitzenmedizin am Bewegungsapparat und zum medizinischen Angebot finden Sie unter www.balgrist.ch.

Prof. Dr. med. Johannes Scherr, Chefarzt und Leiter des Universitären Zentrum für Sportmedizin und Prävention

Aufgewachsen im Schwarzwald und selbst passionierter Alpinsportler verfügt

Johannes Scherr über eine langjährige Erfahrung als verantwortlicher Arzt von Nationalmannschaften bei verschiedenen Olympischen Winterspielen und Skiweltmeisterschaften. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Sport- und Ernährungsmedizin und anerkannter universitärer Sportmediziner.

Mythos 5: Eine überdurchschnittliche körperliche Fitness kann Verletzungen vorbeugen wohingegen Kinder nicht überlastet werden sollen. Es ist richtig, dass regelmässiger Sport die Muskelkraft, die Ausdauer und die Kraft verbessert. Eine Studie zusammen mit Swiss-Ski hat ergeben, dass sich bei regelmässigem, einmal wöchentlichem präventiven Training die Verletzungsrate bei U16-Nachwuchsskirennfahrern pro Saison um ein Drittel reduziert. Es wurden 33 % weniger traumatische Knieverletzungen, 53,8 % weniger Überbelastungen am Knie und sogar 77,9 % weniger Rückenbeschwerden verzeichnet.

Tipp: Für sicheren Schneesport speziell die hintere Beinmuskulatur und die Rumpfstabilität stärken und die Beinachsenstabilität trainieren, wie es im ISPA Präventionsprogramm von Swiss-Ski beschrieben wird (www.swiss-ski.ch/events/ summer-challenge/off-snow-training).

PD Dr. Jörg Spörri, Leiter Forschung Sportmedizin

Er war selbst Leistungssportler in der Sportart Ski Alpin, früheres Kadermitglied von Swiss-Ski und ist langjähriges SAS-Mitglied. Jörg Spörris Forschung konzentriert sich auf die Prävention und Rehabilitation von Sportverletzungen und Entwicklung modernster Diagnose- und Rehabilitationskonzepte. Seine Forschungserkenntnisse dienen sowohl dem Breitensportler, aber auch führenden nationalen und internationalen Sportverbänden wie z.B. Swiss-Ski oder dem Internationalen Ski- und Snowboardverband FIS.