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SPONDYLOARTHRITIDEN EINSCHLIESSLICH PSORIASIS-ARTHRITIS Kongressbericht vom ACR 2022

Im Vergleich zum EULAR-Kongress fiel die ACR-Tagung 2022 in Philadelphia im Hinblick auf Neuigkeiten zur axialen Spondyloarthritis (axSpA) inklusive Psoriasis-Arthritis (PsA) etwas ab, das Update der ASAS/EULAR-Empfehlungen sowie Phase-III-Studien zu dem Januskinase (JAK)-Inhibitor Upadacitinib und dem in beiden Indikationen vor der Zulassung stehenden Interleukin (IL)17A/F-Inhibitor Bimekizumab wurden bereits in Kopenhagen präsentiert. Zu letzterem wurden auf dem ACR Convergence positive 52-Wochen-Daten aus Phase-III (axSpA, PsA) vorgestellt, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Von großem Interesse war bei axSpA die mit Spannung erwartete SURPASS-Studie. Aus PROOF stammen neue Daten zu geschlechtsspezifischen Aspekten bei axSpA. Diese wurden bei PsA auch in der MUST-Studie adressiert. Auch gibt es nun Hinweise, dass bei PsA analog zur rheumatoiden Arthritis (RA) nach Versagen eines TNFα-Inhibitors ein Wechsel des Wirkprinzips sinnvoll sein kann.

Prof. Xenofon Baraliakos aus Herne stellte im Rahmen einer Ignite-Session (Kurzvorträge bis 5 min. ohne Q&A) die Primärergebnisse der lang erwarteten SURPASS-Studie vor. Dies ist die erste große, echte Head-to-Head (H2H) Studie, in der die Wirksamkeit von einem IL-17A-Inhibitor (Secukinumab) mit der Wirksamkeit von einem TNF-Inhibitor (Adalimumab) in Bezug auf die radiografische Progression in der Wirbelsäule verglichen wurde.

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AxSpA: Vergleichbar geringe Röntgenprogression unter TNF- und IL-17A-Inhibitor

In dieser Phase-IIIb-Studie wurden Bologika-naive Patienten mit aktiver röntgenologischer axialer SpA (r-axSpA) mit einem Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI) ≥4, einem Rückenschmerz-Score ≥4 (0-10) und C-reaktivem Protein (CRP-Wert) ≥5 mg/l oder ≥1 Syndesmophyt(en) auf dem Röntgenbild der Wirbelsäule im Verhältnis 1:1:1 auf Secukinumab (SEC, 150/300 mg; dosisverblindet) oder ein Adalimumab-Biosimilar (SDZ-ADL, 40 mg; unverblindet) randomisiert. Die Röntgenbilder und MRT-Aufnahmen wurden von drei unabhängigen zentralen Lesern beurteilt, die gegenüber dem Behandlungsarm und der Chronologie der Bilder ver-

SEC 150 mg (n=287)

SEC blindet waren. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten ohne eine radiologische Progression (definiert durch eine Veränderung des modifizierten Stoke Ankylosing Spondylitis Spinal Score [mSASSS] ≤0,5 gegenüber dem Ausgangswert) unter SEC gegenüber SDZ-ADL in Woche 104 (Überlegenheitstest). Zu den sekundären Endpunkten gehörten die mSASSS-Veränderung in Woche 104, der Anteil der Patienten mit ≥1 Syndesmophyt(en) zu Studienbeginn ohne neue Syndesmophyt(en) in Woche 104, ferner Veränderungen in der MRT sowie die Sicherheit.

Abb. 1: SURPASS-Studie: mSASSS-Progression bis Woche 104 unter Secukinumab und Adalimumab-Biosimilar (1)

Insgesamt erhielten 859 Patienten SEC 150 mg (n=287), 300 mg (n=286) oder SDZ-ADL (n=286). Mit 78,5 % männlichen Patienten, einem Durchschnittsalter von 42,1 Jahren, einem mSASSS-Wert von 16,6 zu Baseline, einem BASDAI-Wert von 7,1, einem mittleren CRP-Wert von 20,4 mg/l und 73 % mit ≥1 Syndesmophyt(en) entsprach dieses Studienkollektiv einer typischen Patientenpopulation mit r-axSpA und wies ein hohes Risiko einer röntgenologischen Progression auf. In Woche 104 betrug der Anteil der Patienten ohne radiologische Progression (Veränderung mSASSS ≤0,5) 66,1 %, 66,9 % bzw. 65,6 % in den SEC-Armen 150 mg, 300 mg und unter SDZ-ADL, alle Unterschiede waren statistisch nicht signifikant. Die mittlere mSASSS-Veränderung betrug 0,54, 0,55 bzw. 0,72 in der 150 mg-, 300 mg SEC- bzw. SDZ-ADL-Gruppe. Die mSASSS-Ver- änderungen waren in den drei Gruppen vergleichbar (Abb. 1) Insgesamt entwickelten 56,9 %, 53,8 % bzw. 53,3 % der Patienten in den Gruppen SEC 150 mg, 300 mg und SDZ-ADL mit zu Studienbeginn ≥1 Syndesmophyt(en) bis Woche 104 keine neuen Syndesmophyt(en). Es trat bei 79,7 %, 81,8 % bzw. 84,2 % der Patienten ≥1 unerwünschtes Ereignis (UE) auf, und 14,0 %, 10,2 % bzw. 11,2 % der Patienten im SEC 150 mg-, 300 mg- bzw. SDZ-ADL-Arm hatten schwere UE.

Formell ist die Studie negativ ausgefallen, lieferte allerdings sehr wertvolle Vergleichsdaten zu zwei häufig verwendeten Medikamenten. Mittlerweile ist es bekannt, dass TNFαInhibitoren in der Lage sind, bei einer längeren Exposition (≥4 Jahre) die röntgenologische Progression zu verlangsamen. Mit den Ergebnissen der SURPASS-Studie kann man mit einer großen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass IL-17A-Inhibitoren den gleichen Effekt aufweisen können. Die klinischen Daten der Studie gehörten aufgrund des unverblindeten Studiendesigns nicht zu den wichtigsten Endpunkten und wurden deshalb noch nicht präsentiert. (1)

PROOF: Geschlechtsspezifische Effekte auf das Therapieansprechen bei axSpA

In einer Vortragssession wurden Ergebnisse der prospektiven Beobachtungsstudie PROOF präsentiert. Einige Studien deuten darauf hin, dass bei axSpA die Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolgs bei Frauen im Vergleich zu Männern geringer ist. Ziel der vorgestellten PROOF-Analyse war es, die Wahrscheinlichkeit des Erreichens einer inaktiven Erkrankung (d. h. einer Remission) bei Männern und Frauen mit kürzlich diagnostizierter axSpA zu bewerten. PROOF war eine globale, prospektive Beobachtungsstudie mit einer Laufzeit von 5 Jahren, die in rheumatologischen Praxen in 29 Ländern und 6 geografischen Regionen durchgeführt wurde. Es nahmen Patienten mit kürzlich diagnostizierter (≤12 Monate) axSpA teil, die auch die ASAS-Klassifikationskriterien erfüllten. Die eingeschlossenen Patienten wurden auf der Grundlage der zentralen Auswertung von Röntgenaufnahmen der Sakroiliakalgelenke (SIG) als röntgenologisch (r-axSpA) oder nicht röntgenologisch (nr-axSpA) klassifiziert. Demografische Daten, klinische Krankheitsmerkmale und die Therapie wurden zu Studiembeginn (Baseline) und danach jährlich erfasst. In diese Analyse wurden Patienten einbezogen, für die sowohl Baseline- als auch 1-Jahres-Daten verfügbar waren.

Von 1.612 zentral klassifizierten Patienten lagen für 1.385 (nraxSpA: 477 [34 %], r-axSpA: 908 [66 %]) Baseline- und 1-Jahres-Daten vor. Von den nr-axSpA-Patienten war etwa die Hälfte männlich (n=226 [47%]); bei den r-axSpA-Patienten überwogen die Männer (n=645 [71%)]). Wie erwartet, waren Männer häufiger HLA-B27-positiv und wiesen sowohl bei nr- als auch bei r-axSpA höhere CRP-Werte als Frauen auf. Zu Beginn der Studie hatten Männer sowohl bei nr-axSpA (15 vs. 9 %; p=0,0238) als auch bei r-axSpA (20 vs. 13 %; p=0,0118) häufiger TNFα-Inhibitoren (TNFi) eingenommen. Im Jahr 1 war der TNFi-Einsatz insgesamt gestiegen und blieb bei Männern gegenüber Frauen mit r-axSpA signifikant höher als bei nr-axSpA. Die Krankheitsaktivität verbesserte sich im Allgemeinen von Baseline bis zum Jahr 1 bei Männern und Frauen in beiden Populationen; allerdings erreichten signifikant mehr Männer als Frauen in der nr-axSpA-Population eine inaktive Krankheit, während es in der r-axSpA-Gruppe keine Unterschiede gab. (Abb. 2). In einer multivariablen logistischen Regressionsanalyse (bereinigt um die Verwendung von TNFi und andere Faktoren) war das weibliche Geschlecht unabhängig mit einer signifikant geringeren Wahrscheinlichkeit verbunden, eine inaktive Erkrankung bei nr-axSpA, aber nicht bei r-axSpA zu erreichen.

Somit wurde gezeigt, dass Frauen mit nr-axSpA, nicht aber mit r-axSpA, im Vergleich zu Männern eine geringere Wahrscheinlichkeit aufweisen, im Laufe der Zeit eine Remission zu erreichen. Das kann daran liegen, dass bei Frauen, die mit nraxSpA diagnostiziert wurden, zum Teil andere, nicht-entzündliche Faktoren für die Symptome verantwortlich waren. Bei der r-axSpA ist die Diagnosesicherheit insgesamt größer, weshalb man keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gesehen hat. (2)

MUST: Auch bei PsA Geschlechterunterschiede im Therapieansprechen

Frau Dr. Michaela Köhm aus Frankfurt/M. präsentierte eine Analyse aus der in Deutschland durchgeführten MUST-Studie, die sich ebenfalls mit den Geschlechtsunterschieden beim Therapieansprechen – diesmal allerdings bei Patienten mit PsA beschäftigt hat.

Auch bei der PsA suggerierten Subgruppenanalysen aus verschiedenen klinischen Studien und Daten aus der Praxis, dass es bei weiblichen Patienten Unterschiede bei den klinischen Phänotypen und dem Ansprechen auf die Behandlung im Vergleich zu männlichen Patienten gibt. Die aktuell in Lancet

Abb. 2: PROOF-Studie: Anteil von Patienten, die eine inaktive Erkrankung (ASDAS-ID) zu Beginn und nach 1 Jahr der Beobachtung aufwiesen. (2)

Rheumatology publizierte MUST-Studie war eine randomisierte, placebokontrollierte Studie bei aktiver PsA, die untersucht hat, ob sich die Ergebnisse der Therapie mit dem IL-12/23Inhibitor Ustekinumab (UST) in Kombination mit Methotrexat (MTX) von der alleinigen Behandlung mit UST (+Placebo; PBO) unterscheiden. Von den 166 Patienten, die in diese Subgruppenanalyse einbezogen wurden, waren 41,6 % weiblich. Die demografischen Daten, einschließlich der Jahre seit Beginn der PsA, des Alters und des Body Mass Index (BMI), waren zwischen den Gruppen gut ausgeglichen.

Unterschiede zwischen den Untergruppen der männlichen und weiblichen PsA zeigten sich bei den Patientenmerkmalen und den Profilen des Therapieansprechens: Männliche PsA-Patienten zeigten bei der UST-Monotherapie die größte Verbesserung im Disease Activity in PSoriatic Arthritis (DAPSA)-Score, HAQ-DI, Schmerzen (VAS) und der Gesamtbeurteilung durch Arzt und Patient (VAS). Im Vergleich zur männlichen Kohorte zeigten Frauen unabhängig vom Behandlungsregime ein geringeres Ansprechen bei Schmerzen, Enthesitis, Daktylitis und Gelenken (gemäß den ACR-Ansprechraten). Im Gegensatz zu Männern scheinen Frauen nicht von einer UST+MTX-Kombinationsbehandlung zu profitieren, insbesondere nicht bei der Auflösung der Enthesitis. Bei der Behandlung von Psoriasis zeigten weibliche PsA-Patienten die größte Verbesserung durch eine UST-Monotherapie, während bei männlichen PsAPatienten die Wirkung unabhängig von der Verwendung von UST+MTX oder einer UST-Monotherapie zu sein scheint. (3)

PsA: Nach TNFi-Versagen besser Cyceln oder Switchen?

Die Frage der Wahl des 2. Biologikums nach dem Versagen des 1. ist klinisch relevant, aber bei der SpA und PsA bislang kaum untersucht. Während es bei RA-Patienten Hinweise darauf gibt, dass die Umstellung auf eine Therapie mit einem anderen Wirkmechanismus (Mode of Action, MOA) wirksamer sein kann als ein Wechsel zwischen TNFi nach Absetzen eines Erstlinien-TNFi, liegen solche Daten für SpA bzw. PsA nicht vor.

In der Studie, die von Frau Dr. Alexis Ogdie aus Philadelphia präsentiert wurde, wurden die klinischen Daten von Patienten mit PsA verglichen, die nach dem Absetzen eines ErstlinienTNFi einen zweiten TNFi im Vergleich zu einem Nicht-TNFiBiologikum einnahmen, und zwar unter realen Bedingungen. Eingeschlossen wurden Patienten mit einer klinischen PsADiagnose, die in das CorEvitas-Register für PsA/SpA aufgenommen wurden und zwischen Mai 2013 und Januar 2022 eine Biologika-Zweitlinientherapie (Baseline) nach Absetzen der Erstlinientherapie mit TNFi begonnen hatten. Die teilnahmeberechtigten Patienten wurden 6 Monate nach Beginn der Zweitlinientherapie nachuntersucht. Die Patienten wurden in zwei Kohorten eingeteilt: 1) diejenigen, die eine TNFi-Zweitlinientherapie begannen (Cycler), und 2) diejenigen, die eine Zweitlinientherapie mit einem Nicht-TNFi-Biologikum begannen (Switcher).

Von den 394 in Frage kommenden PsA-Patienten, die eine Zweitlinientherapie begannen, waren 205 (52 %) Cycler und 189 (48 %) Switcher. Die Gruppen waren bei Studienbeginn hinsichtlich des Durchschnittsalters (55 Jahre) und des Geschlechts (54 % Frauen) ähnlich. Die Cycler erhielten die Erstlinien-TNFi-Therapie kürzer als die Switcher (11,4 vs. 14,7 Monate). Bei Studienbeginn wiesen die Switcher einen höheren Schweregrad der Psoriasis (mittlere Körperoberfläche; 6,5 vs. 4,7) und eine schlechtere Krankheitsaktivität auf, mit einem geringeren Anteil an minimaler Krankheitsaktivität (MDA; 22 vs. 28 %) und geringer Krankheitsaktivität (cDAPSA LDA; 26 vs. 30 %) im Vergleich zu den Cyclern, obwohl die Unterschiede gering waren.

Bei der 6-monatigen Nachbeobachtung tendierten die Switcher im Vergleich zu den Cyclern zu einer höheren Wahrscheinlichkeit, gute Therapieergebnisse zu erreichen. Die Daten deuten an, dass Switcher eine um 70 % höhere Wahrscheinlichkeit hatten, eine MDA zu erreichen (RR 1,7, 95% KI 0,9-3,1) und eine fast viermal höhere Wahrscheinlichkeit, einen Spondyloarthritis Research Consortium of Canada (SPARCC) Enthesitis IndexScore ≤1 zu erreichen (RR 3,8, 95% KI 1,1-12,8). Switcher hatten zudem im Vergleich zu Cyclern eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit für einen HAQ-DI ≤0,5 (RR 2,1, 95% KI 1,0-4,8) und eine 30 % höhere Wahrscheinlichkeit, einen SchmerzScore ≤15 (0-100) zu erreichen (RR 1,3, 95% KI 0,6-2,6).

Das sind insgesamt wichtige Daten, die zeigen, dass ein Wechsel des Wirkprinzips beim Versagen des Erstlinien-Biologikums (meist des TNFi) durchaus Vorteile im Alltag haben kann. Jedoch wurde in der Studie (leider) nicht zwischen primärem und dem sekundärem Wirkversagen unterschieden, was durchaus Relevanz für die Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens haben kann. Die Daten sollten daher in einer prospektiven Strategiestudie bestätigt werden. (4) m

Prof. Dr. med. Denis Poddubnyy Leiter der Rheumatologie am Campus Benjamin Franklin –Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin

Quellen:

1 Baraliakos X et al., ACR Convergence 2022, Late breaking

Abstract (Poster L15)

2 Poddubnyy D et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl 9):

Abstract 1614

3 Köhm M et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl 9):

Abstract 1601

4 Ogdie A et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74(Suppl 9):

Abstract 1600