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www.redbulletin.com

Ein fast unabhängiges Monatsmagazin / september 2009

Quentin Tarantino Großes Kino: Hollywoods schrägster Regisseur gibt uns wieder was aufzulösen.


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Bullhorn

Unter Oberflächen Den hübschesten Satz hat keiner der Autoren zu diesem Red Bulletin bei­ gesteuert, sondern der frühere holländische Fußballprofi René van der Gijp, der in den 1980ern mit Huub Stevens bei PSV Eindhoven spielte: „Wenn Huub seinem Hund ‚Sitz!‘ b ­ efohlen hat, haben sich alle Hunde in der Straße hingesetzt.“ Auch dem Trainer Huub Stevens eilt nicht unbedingt der Ruf voraus, die ihm Anvertrauten der Gefahr der Verweichlichung auszusetzen. Dennoch verbirgt sich hinter der grimmigen Fassade des neuen Mannes auf der Trainer­ bank von Red Bull Salzburg eine vielschichtige, sensible Persönlichkeit mit erfrischendem Hang zur Ambivalenz: Huub Stevens im Porträt, Seite 30.

coverbild: Nicolas Guerin/Corbis; bilder: gepa-pctures, Jörg WIESSMANN

Weil wir schon bei entschlosseneren Charakteren sind, zwei Hinweise auf gewissermaßen Seelenverwandte von Stevens in diesem Heft: Quentin Tarantino, der sich selbst als Romantiker sieht, würde im Fall entsprechender Notwendigkeit das Bein eines Kontrahenten lieber selbst brechen, als jemand anderen dafür zu bezahlen. (Das komplette Interview mit dem für Sentimen­ talitäten so empfänglichen Regisseur ab Seite 44.) Und Christian „Chrigel“ Maurer sammelte auf dem Weg von Salzburg nach Monte Carlo stattliche eineinhalb Tage (exakt: 33 Stunden, 22 Minuten) Vorsprung auf den Zweit­ platzierten der Red Bull X-Alps, mit unbeugsamem Durchsetzungsvermögen und unglaublicher Leidens­fähigkeit. Und weil seinem Betreuer im richtigen Moment dann eine geradezu buddhistische Idee kam: Red Bull X-Alps, die Story, ab Seite 70. Während die Motorsportwelt atemlos dem Formel-1-Comeback des sieben­ fachen Weltmeisters entgegenfieberte und nach der Absage deswegen ein wenig nach Luft rang, suchte Red Bulletin-Autor Werner Jessner einen ­tiefgründigeren Zugang zum Thema, weit über das Warum-tut-sich-so-einerso-was-an? hinaus: Was treibt Michael Schumacher tatsächlich an? Ist es das pure Racing, das ihn fasziniert, oder doch das Drumherum aus Ruhm und Reichtum? Und: Wie geht einer als Rookie an etwas Neues heran, wenn er den ganzen Weg vom Kartknirps zum größten Rennfahrer aller Zeiten schon hinter sich hat? Jessner setzte sich also in aller Ruhe mit Martin Bauer zusammen, ­Schumachers Teamleader und Lehrmeister bei Holzhauer Racing Promotion in der Superbike-IDM – und kam mit einer Story heim, die mehr über Michael Schumacher verrät als viele Heldenporträts. „Und so haben wir einen neuen K ­ ollegen bekommen“, ab Seite 40.

Quentin Tarantino, Bild oben, bei fachgerechter Stärkung als Gast von Red Bull Racing. In unserem Interview spricht er nicht nur über seinen neuen Film „Inglourious Basterds“. – Der Herr, der auf dem unteren Bild die Nummer 1 trägt, hat dem Herrn mit der Nummer 77 einiges beigebracht: Was, das erfahren Sie ab Seite 40.

Viel Spaß dabei! Die Redaktion PS: Besonders herzlich begrüßen wir diesmal die Leserinnen und Leser der „Kurier“-Stammausgabe, Sie erhalten Ihr Red Bulletin ab dieser Ausgabe an jedem ersten Dienstag im Monat. Die Auflage des Red Bulletin erhöht sich damit inklusive der Ausgaben in Deutschland und Großbritannien auf nunmehr rund 2,3 Millionen Exemplare pro Monat.

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i n h a lt

Willkommen in der Welt von Red Bull … in herbstlicher Vielfalt, vom Punk-Model über eine gladiatorenhafte Spielart des Fußballs bis zu schottischen Indie-Newcomern.

Bullevard

06 Weltmeisterfrage Was Chrigel Maurer gegen Blasenbildung rät. 08 fotos des monats 14 Hans-Jürgen Abt Sechs Fragen, sechs Antworten zur DTM. 16 méga-Man & meine welt René Wildhaber und Angelina Jolie. 18 Einst und Jetzt: DJ Kit Beats per years, sozusagen. 20 Mode (Wien) & Schuster (Genf) Als Catwalk des Vienna Fashion Observatory dient das Internet. Philipp Schuster obsiegte. 21 Mein Körper und ich Andreu Lacondeguy, Mountainbike-Freerider. 22 formelsammlung Wie die Formel 1 Aquaplaning überlistet. 24 Pinnwand Kurz & dennoch einzigartig. 26 Zahlen des Monats Rund um die London Fashion Week.

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Heroes

30 Huub Stevens Der neue Trainer von Red Bull Salzburg vermählt holländische Fußball-Kreativität mit deutschen Tugenden. 34 Steve Fisher Der Südafrikaner überwindet in seinem Kajak Wasserfälle, Stromschnellen und mächtige Wellen auf atemberaubende Weise. 38 Agyness Deyn Sehr kühl, sehr schön, sehr angesagt: Englands punkigstes Topmodel mischt die Modeszene auf.

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40 Michael Schumacher Mit oder ohne Formel-1-Comeback: Schumi ist ein Hero. Dank seines einzigartigen Racing Spirit, der sich auf zwei Rädern ebenso offenbart wie auf vier. 44 Quentin Tarantino Unser Mann in Hollywood: das Regie-Genie im Interview über seine „Inglourious Basterds“, Sentimentalitäten und Frauen. 4

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i n h a lt

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Action

52 downhill-Roadtrip Eine Woche im schwarzen DoppeldeckerTourbus von Max Stöckls MountainbikeDownhill-Team MS Evil Racing. 58 Twin Atlantic Die Schotten spielen bei „T in the Park“. Und bringen eine CD heraus. Und tragen im Gesicht einen wirksamen Schutz gegen das Wetter von Glasgow. 64 Calcio Storico Wenn in Florenz „Calcio Storico“ gespielt wird, hat das, trotz des Namens, nur sehr entfernt mit Fußball zu tun.

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bilder: ben rayner, corbis, gian paul lozza, Jon Kopaloff/FilmMagic, jürgen skarwan, Rex Features, red bull photofiles

70 Red Bull X-Alps Die abenteuerlichste Art, von Salzburg nach Monte Carlo zu gelangen, besteht aus zwei Fortbewegungsarten: Paragleiten und Laufen.

More Body & Mind

78 Shaggy im Hangar-7 Yo, Mann, hier spricht Mr. Boombastic, Massive Satisfaction garantiert. 80 Get the Gear: Rennradeln Was ein stilvolles Rennrad und seinen dezenten Betreter ausmacht. 82 Red Bull Dolomitenmann Den Härtesten unter der Sonne zusehen. 84 Hot spots Was rund um die Welt los ist. 86 Die Macht der Nacht Diesmal: Jazzanova zeigt uns Berlin, Rapper Dendemann im Word-Rap, im Green Room mit Black Box Revelation. 94 Satire Ganz im Stil des „Simplicissimus“. 96 Read Bull Oliver Uschmann war so nett. 98 Geist mit Körper Christian Ankowitschs Kolumne belebt. Red Bulletin täglich neu: www.redbulletin.com 5


leserbriefe

Briefe an die Redaktion Menge Möglichkeiten – wir halten die Ohren offen! Sara Springer, per E-Mail

Mein Mann und ich haben das Allstate-400-NASCAR-Rennen in Indianapolis besucht, und es war ein verblüffendes Vergnügen, dort Noisia zu hören und die Musiker Wolfgang Krsek und Gernot Ursin zu treffen. Danke an Red Bull, dass man es den beiden ermöglicht hat, das Beat Car zu bauen und den Rest der Welt teilhaben zu lassen an ihrer erstaunlichen Musik. Es war brillant! In der Geschichte über die beiden steht, dass sie keine CDs produzieren; deshalb streife ich momentan durch das Internet, um so viel wie möglich von ihnen zu h ­ ören. Bitte schickt die beiden nicht nur zu NASCARRennen! Die übrige Welt soll auch etwas von ihnen haben! Wir wohnen in Cleveland, und ein Konzert vor der Rock and Roll Hall of Fame würde phantastisch sein. Es gäbe da jede

Nun: An ein Konzert vor der Rock ’n’ Roll Hall of Fame ist im Moment noch nicht gedacht, aber danke für die Idee. Wir werden gleich in einer Spielpause mit Wolfgang und Gernot Kontakt aufnehmen. Die Red. Anlässlich der Übernahme des Vereins Austria Salzburg hat Dietrich Mateschitz das Ziel ausgegeben, dass Red Bull Salzburg mittelfristig zu den zehn besten Klubs Europas ­gehören soll. Mit der heurigen Einkaufspolitik erscheint mir dieses Ziel unerreichbar. Wir haben zwar sehr viele Mittel­ feldspieler, aber ein echter Spielmacher ist nicht dabei. Dabei hätte man heuer die große Chance gehabt, den Brasilianer Zé Roberto ablösefrei von Bayern München zu bekommen. Er hat jetzt in Hamburg einen Zweijahresvertrag mit Option auf ein drittes Jahr erhalten. Walter Kreuzbichler, D-83435 Bad Reichenhall Ich verfolge mit Spannung jede Ausgabe Eures Magazins:

Respekt, es ist eines der schönsten. Ich fahr Muni (Einrad fürs Gelände) – eventuell schon was darüber gehört,

­ elesen, gesehen oder es sogar g schon live miterlebt? –, und da hab mir gedacht: Es wäre doch spannend, über diese (kommende) Trendsportart einen Artikel im Red Bulletin zu lesen. Zum Vorgeschmack hier ein Foto … Florian Kaiser, D-81735 München Kompliment für die äußerst interessanten und vorzüglich recherchierten Reportagen! Das Feature über den Tradi­ tionsverein ZSKA Moskau hat bei mir zudem Erinnerungen geweckt. Ich befand mich in Kanada, als die Sowjetunion im September 1972 gegen die Kanadier – die sich für un-

schlagbar hielten, weshalb im Land nur über die Höhe des zu erwartenden Sieges diskutiert wurde – drei von vier Spielen gewann (bei einem Unentschieden). Dieses Ergebnis löste bei meinen kanadischen Freunden einen Schock aus, das ganze Land schien – so was kann man sich heutzutage kaum noch vorstellen – regelrecht paralysiert zu sein. Die Zeitungen quollen über mit Meldungen, die von einer nationalen Schande sprachen. Karl Roitmeier, D-82131 Gauting Leserbriefe an The Red Bulletin richten Sie bitte per Fax an die Nummer +43 (0)1 90221-28809, per E-Mail an leserbriefe@at.redbulletin.com oder an die Postadresse Heinrich-Collin-Straße 1, 1140 Wien. Leserreaktionen werden nur veröffentlicht, wenn sie Name, Adresse und Telefonnummer bzw. E-Mail-Adresse enthalten. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor, wenn es Länge und Klarheit erfordern.

Wie vermeidet man beim Wandern Blasen? Der heurige Red Bull X-AlpsSieger Chrigel Maurer aus der Schweiz marschierte und flog binnen zehn Tagen von Salzburg ins Ziel in Monte Carlo – und ist der richtige Mann für diese Expertise. Auf jede Frage antwortet der passende Weltmeister. E-Mails an: weltmeister-antworten@at.redbulletin.com

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Seltsam: Während des Trainings bekam ich nie Blasen an den Füßen, jedoch gleich am ersten Renntag. Die musste ich mit ­einem Tapeverband verarzten. Am Ende meines 380-Kilometer-Marschs (87 Stunden, 35.520 Höhenmeter inklusive) waren meine Füße an die Strapazen gewöhnt. Wichtig bei langen Touren sind die richtigen, ans Gelände angepassten Schuhe. Ich verwendete sechs verschiedene Paar: weiche, sehr leichte für die Straße und auf Wanderwegen, in den Bergen aber etwas härtere (wasserdicht, gelüftet), welche die Fußmuskulatur nicht so schnell ermüden

lassen. Um Blasen zu vermeiden, müssen die Schuhe einge­gangen sein und exakt passen – zu enge schnüren ein, in zu weiten rutscht man. „Doppelte“ Socken beugen Blasen ebenfalls vor, und zur Regeneration benutzt man Kompressionssocken. Auf längeren Märschen ist es ratsam, zwischendurch feuchte Socken zu wechseln und die Füße kalt zu waschen. Was tun nach der Wanderung? Muskeln dehnen, vielleicht ein bisschen schwimmen und Beine und Füße kalt duschen. Weltmeister-Tipps: redbulletin.com/deinefrage/de

bilder: anita vogl, Dean Treml/Red Bull Photofiles, getty images

l e s e r f r a g e n , w e lt m e i s t e r a n t w o r t e n


K a i n r at h s k a l e n d e r b l at t

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Bullevard Befl端geltes in kleinen Dosen.


C r i sto R e d e n to r d e lo s A n d e s, c h i

Einmal im Leben Für den Südtiroler Mountainbike-Profi Roland Stauder war es die ­Erfüllung eines Lebenstraums: Er wollte mit seinem Bike dem 6992 Meter hohen Aconcagua so nahe wie möglich kommen. Gemeinsam mit Markus Troger und Thomas Mitterdorfer war er nach Chile aufgebrochen. Akklimatisieren bis auf 5000 Meter über null, das Bike immer dabei: „Anfangs hatte ich ein ungutes Gefühl den Bergsteigern gegenüber. Aber wo mir mein Bike ein hilfreiches Weiterkomen bot, war es einfach nur noch bärig, vor allem bergab.“ Schließlich der Versuch, dem Berg der Träume näher zu kommen, ein viertägiges Unternehmen. Der Aconcagua ist für seine Wetterkapriolen berüchtigt, so auch diesmal: Das Wetter war schön – leider einen Tag zu früh. ­Unternehmen abgebrochen, jedoch menschlich gewachsen: „Der Weg auf den Berg war mein Ziel. Die Natur war ein zu großer Gegner. Ich habe den Gipfel zwar nicht erreicht, aber ich bin um eine unvergessliche Erfahrung reicher“, so Roland nach seiner Heimkehr.

bild: Thomas Mitterdorfer

Mehr Infos zur Aconcagua-Action auf: www.roland-stauder.com Bullevard-Pics downloaden: redbulletin.com/wallpaper/de

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credit


Lo s A n g e l e s, U SA

toilet paper roll „Woran haben Sie die letzten zwei Jahre gearbeitet, Herr Pastrana?“ – „Ach wissen Sie, ich bin ja schon in Frühpension. Ich sehe das heute nicht mehr so eng. Ich nenne mein neues Ding hier Klopapierrolle. Nicht, dass die Menschen glauben, es wäre etwas Besonderes. Ist eigentlich nur ein 720 Corkscrew.“ – „Wie, nichts Besonderes? Zwei Rotationen um die Längs- und die Querachse in einem Move, das hat bis jetzt noch keiner gebracht!“ – „Nun ja, im Alter habe ich jetzt Zeit für meine Hobbys.“ – „Dann gute Fahrt, Mister Pastrana!“ Travis’ Auftritt im „Best Trick“-Contest bei der 15. Ausgabe der X Games war von jener Würde und jenem Wahnsinn, wozu nur der Mann mit der Nummer 199 fähig ist. Ein wenig Unter-Rotation verhinderte, dass er den Trick stand. Ein paar Kratzer bei der Landung (man kann sich’s vorstellen) verhinderten einen zweiten Versuch. So musste er sich mit einer Medaille in seiner eigentlichen Sportart, der Rallye, begnügen.

bild: Christian Pondella/Red Bull Photofiles

Die besten Videos mit den Red Bull X-Fighters: redbulletin.com/redbullxfighters/de

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K l ag e n f u rt, AU T

beachparty Volles Haus im Strandbad Klagenfurt, doch keiner ist im Wasser? Kein Wunder, sondern die jüngste Auflage des Beachvolleyball Grand Slam. Unser Bild von einem Sommer (Sand, blauer Himmel, gute Stimmung, schöne Menschen) zeigt die eine Hälfte des siegreichen brasi­ lianischen Duos Juliana Felisberta Silva/Larissa Franca in ihrem Match gegen Barbara Hansel vom Öster­ reicherinnen-Duo mit Sara Monta­ gnolli. Endscore: 21:18 und 21:19 für die Brasilianerinnen. Sieger: der Beachvolleyball.

bild: imago sportfotodienst

Die besten Beachvolleyball-Blogs: redbulletin.com/beachvolleyball/de

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DEIN ACTIONSPORT-

INTERNETPORTAL SEIT 1997.

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© Foto Tom Körber

TÄGLICH NEU NEWS•RIDER• FOTOS•VIDEOS


b u l l e va r d

Sechs Fragen, sechs Antworten

Hans-Jürgen Abt

Der Abt-Sportsline-Geschäftsführer und Teamchef der Titelkandidaten Ekström und Scheider über Gegenwart und Zukunft der DTM.

Zwischenbilanz der heurigen Saison? Sehr gut, sowohl aus unserer Audi/AbtSicht als auch aus Sicht der DTM. Wir haben viele gute und spannende Rennen gesehen, die Show ist gut, die Zuschauer danken uns das. Auch das Rahmenprogramm passt. Die DTM ist sicher die familienfreundlichste Rennserie. Und im TV gehen die Quoten nach einem kleinen Hänger auch wieder steil nach oben. 2010 wird das Reglement eingefroren. Eine gute Entscheidung? Im Sinne der Kostenreduktion auf jeden Fall. Man muss ein Zeichen setzen. Außerdem ist es gut für den Sport: Nächstes Jahr haben wir drei Generationen von Fahrzeugen auf sehr ähnlichem technischem Standard am Start. Das heißt, wir werden viele unterschiedliche Autos vorn sehen. Schmerzt es den Techniker nicht, wenn er nicht mehr am Auto weiterbasteln darf?

Ein bissl was geht schon noch. Man wird sich in Zukunft mehr mit Set-up und Reifen beschäftigen müssen, um sich einen Vorteil zu erarbeiten. 2011 kommt ein komplett neues Reglement. Wie wird es aussehen? Die endgültigen Details sind noch nicht fixiert. V8-Motoren werden wohl bleiben, allerdings wird es bei der Aero­ dynamik Einschnitte geben. Das soll die DTM einerseits noch kosteneffizienter, andererseits Überholen leichter machen. Und, ganz wichtig: Jeder wird bei null beginnen müssen. Wir von Audi, Mercedes, aber auch jeder neue Hersteller, der in die DTM will. Vielleicht nutzt ja BMW nach dem Formel-1-Ausstieg die Chance und kommt. Die Autos der nächsten DTM-Generation werden auf jeden Fall wieder ganz nah am klassischen Tourenwagen sein. Wer wird das neue Auto für Ekström und Co entwickeln? Audi Sport entwickelt und baut, Abt testet und entwickelt weiter. Das ist ein Prozess, bei dem die beiden Firmen Hand in Hand gehen. Ich bin überzeugt, dass wir so gut aufgestellt sind. Wer wird heuer Meister? Auf Mercedes-Seite hat wohl Gary Paffett die besten Chancen, bei uns kämpfen Mattias Ekström und Timo Scheider um den Titel. Weil der Timo im Vorjahr gewonnen hat, sag ich, heuer packt’s wieder der Mattias. DTM 2009, 8. Rennen: 18. – 20. 9. 2009, Barcelona, Spanien

Bilder des Monats

Moment mal!

Szenen aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser. Einfach hochladen auf: www.redbulletin.com

Unter den Einsendern der veröffentlichten Fotos wird eine Red Bull MOBILE Oakley-Sonnenbrille mit integriertem Bluetooth verlost. Man kann die Brille mit iPod oder Handy koppeln und kabellos telefonieren und Musik hören. Gewinnerin aus Heft 8/2009: Maria Haider. Wer nicht gewinnt: Die Brille gibt’s um 249 Euro exklusiv im Red Bull MOBILE Online Shop unter http://shop.redbullmobile.at/

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Vancouver Geschüttelt, gerührt und auf Eis gelegt. In allen Varianten ist Red Bull hervorragend geeignet. Raj Taneja, Battle of the Bottle, Juli ’09


b u l l e va r d

iphone, x-fight

DTM: Die Audi-Jungs ­ kström, Rockenfeller E und Scheider innen gegen die Mercedes-Gang.

bilder: imago sportfotodienst (2)

Ein neues Kultspiel für das Kult-Phone.

Wien Die Beachpaare Doppler/Mellitzer, Salgado/ Jyväskylä Sebastian Vettel besucht seine RennfahrerSalgado und Kolodinsky/Barsouk spielten in der kollegen vom Citroën-Werksteam, Dani Sordo (links) und Strandbar Hermann auf. Rutger Pauw, Juli 2009 Sébastien Loeb (rechts). Marie Rossi, August 2009

Dieser Tage kommt Red Bull XFighters für iPhone und iPod touch auf den Markt. Dieses Game hat das Zeug, die höchstpersönliche Red Bull X-Fighters-Saison 2009 praktisch ins Unendliche zu verlängern. Acht Arenen, 64 Levels, zwanzig Stunts und verschiedene Game-Modi versprechen langen Spielspaß, 3-D-Grafik ist selbstverständlich. Gesteuert wird durch Kippen des iPhone, Stunts kon­ trolliert man via Touchscreen – oder auch nicht. Im Replay-Modus kann man seine Jumps analysieren, die gelungenen wie die gecrashten. Unser Demo-Testteam sagt, dass es hilfreich ist, beim Spielen einen Helm zu tragen, weil das Game so realistisch geraten ist. Wie kommt man dazu? Einfach im App Store downloaden, schon kann’s losgehen. Viel Spaß! Zum Ausprobieren: http://itunes.com/ apps/redbullxfighters

Chicago

BMX-Biker Daniel Dhers wurde ein exklusiver Blick hinter die Kulissen der „Playboy“Fotoshootings gewährt. Nicholas Schrunk, Juli 2009

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Carpe Diem Lesepreis

Der Schweizer Downhill-Profi René Wildhaber über seinen neunten Start beim Mégavalanche in l’Alpe d’Huez. „1800 Starter waren es heuer, die sich dem größten und wichtigsten Downhill-Marathon der Welt stellten. Wir fahren traditionell am Gipfel des Pic Blanc (3330 Meter über null) los, queren l’Alpe d’Huez und ­finishen zwei Täler weiter in Altimont auf 650 Metern. Das Rennen dauert für die Schnellsten rund 50 Minuten, die Langsamsten sind mehr als zwei Stunden unterwegs. Der Veranstalter hat sich zur 15. Auflage des Downhill-Klassikers einen neuen Mittelteil ausgedacht. Heuer kurbelten wir ohne Höhenmetergewinn oder -verlust über zehn Minuten lang oberhalb der Alpe d’Huez über Skipisten. Ich bin zwar Schweizer Cross-Country-Meister bei den Masters, das Tretstück hat sich aber doch

Salzburg Am grünen (Kunst)rasen ist CricketStar Andrew Flintoff gegenüber Formel-1-Pilot Mark Webber klar im Vorteil. Darren Jacklin, Juli 2009 16

mächtig reingehängt. Nach dieser Passage konnte Rémy Absalon zu mir aufschließen, und er hat sich von der Treterei schneller ­erholt als ich. Wenn du nach einer halben Stunde Puls 180 und mächtig Laktat in den Muskeln volles Programm in einen Singletrail einbiegen musst, kannst du dich auf deine Feinmotorik nicht mehr besonders verlassen. Prompt habe ich mich einmal rausgebremst, und Rémy konnte an mir vorbeischlüpfen. Dritter wurde Nico Vouilloz, neunfacher Downhill-Weltmeister und amtierender IRC-Rallye-Champion. Auch wenn ich meinen siebten Méga-Sieg heuer verpasst habe, nennen mich meine französischen Freunde längst liebevoll Méga-Man. Diesen Herbst werde ich 33, komme also langsam ins richtige Alter für Downhill-Marathons. Nein, Scherz. Mein zehnter Start 2010 ist aber fix.“

Alle Infos auf: www.hs-veranstaltungen.de/lesungen

bilder: jozef kubica (2)

Méga-man

Ob Schreiber oder Zuhörer: Das Thema „Hunger“ betrifft uns alle. Deshalb haben h+s veranstaltungen es als Gegenstand ihres nächsten Leseevents am 7. November ausgewählt. Und genau Ihr Text könnte dort im Mittelpunkt stehen. Senden Sie ihn elektronisch (zwischen 11.000 und 13.000 Zeichen) als WordDokument spätestens bis zum 15. Oktober an lesung@hs-veranstaltungen. de. Eine Jury wählt aus den Einsen­ dungen (pro Person bitte nur eine) die besten vier Geschichten aus, die dann beim Event (Location wird noch bekannt ­gegeben) von einem Schauspieler vorgetragen werden. Vorher wird der Text musikalisch (live) eingeführt und nach dem Lesen durch einen bekannten Koch in einem Menügang interpretiert. Nach dem Dessert kürt das Publikum den Sieger: Zu gewinnen gibt es 1000 Euro sowie eine Reise in ein Top-Hotel auf Einladung von Carpe Diem. Eine Belohnung gibt es noch: Der Gewinnertext wird im DezemberRed Bulletin abgedruckt.

MaxiAvalanche: 3./4. Oktober 2009, Flims-Laax www.renewildhaber.ch

Pikes Peak

Der Neuseeländer Rhys Millen sicherte sich beim International Hill Climb mit seinem Hyundai Genesis den 2WD-Streckenrekord. Daniel Tirado, Juli 2009

Jamaika

Fliegerbrillen sind von gestern. Das ist der modische Trend für Sonnenbrillen im nächsten Sommer. Gregory Campbell, Art of the Can Exhibition, Juli ’09


b u l l e va r d

meine welt

Angelina  Jolie

Sie hat sich den begehrtesten Schönling der Welt geangelt, ist der einflussreichste Star Hollywoods und eine Weltverbesserin. Aber wussten Sie auch, wer ihr Patenonkel und ihre ersten beiden Ehemänner waren? im st er ne nl ic ht

Geboren wurde Angelina Jolie Voight am 4. Juni 1975 in Los Ang eles als Tochter der beiden Schaus pieler Jon Voight und Marcheline Ber trand. Das Voight im Namen ver lor sie offiziell erst 2002. Und als Pat entochter der Schauspiel-Stars Jac queline Bisset und Maximilian Sch ell war eigentlich klar, dass auch sie einmal im ­Rampenlicht landen mu sste.

M am m a m ia

ht auch als Das Paar Jolie/Pitt ste enen und eig i dre mit ie mil ßfa Gro im n der Kin drei adoptierten samerk fm Au der m tru Zen ie bislang keit. In Filmen trat Jol rell in „AlexFar lin Co von ma als Ma n Glover in spi Cri ander“ und von ng. Dabei inu che Ers in “ ulf ow „Be r älter als Jah ein pp ist sie nur kna in fast erh imm um und rell Far ver. Glo als ger elf Jahre jün

Rote Lippen soll man  … Naomi Klein, bekennende ­Feministin, Schriftstellerin und Journalistin, attestierte Jolie heuer im Juni, so auszusehen, wie alle Frauen sich das wünschen. Hauptsächlich wegen ihrer wahnsinnig gepolsterten Lippen. Der Vollständigkeit ­halber möchten wir noch hinzufügen, dass die Schauspielerin sowohl 2005 als auch 2008 bei den MTV Movie Awards für „Best Kiss“ nominiert war.

illustration: lie-ins and tigers

Lie be ssz en e, 3.  Kl ap pe

die Ihre Liebes- und Ehepartner fand -Drehs: Beauty vorzugsweise bei Film Netz 1995 traf sie bei „Hackers“ („Im Ehedes FBI“) ihren späteren ersten te Billy mann Jonny Lee Miller; 1999 folg („TurBob Thornton bei „Pushing Tin“ n“) phe stro Kata re nde a ­ und bulenzen i. Und als künftiger Gatte Nummer zwe „Mr. & 2005 schließlich funkte es bei ihr Mrs. Smith“ ganz heftig zwischen Brad en bub Herz ellen aktu m und ihre dankbar. Pitt. Die Boulevard­presse war er als bess ach einf sich liest lina“ „Brange . lina“ rnge „Joliemiller“ oder „Tho

Ru f! Mi ch! An!

Auch andere Stars mögen vielleicht Jolies Look, ihr Gel d, ihre Auszeichnungen und – wie in „Wanted“ demonstriert – die Gabe haben, um die Ecke zu sch ießen. Keiner aber hat so eine Stim me! Bestes Beispiel: ihre rauchig -zarte Synchronstimme im Tric kfilm „Shark Tale“ („Große Hai e – Kleine ­Fische“). „It’s my phonesex voice“, sagte sie dazu. Und zwar ganz genau mit dieser Stim me.

Härtefall Gleich nachdem sie 2005 ihren Flugschein bestanden hatte, kaufte sich Jolie eine Cirrus SR22 – einen einmotorigen Flieger mit vier Sitzen. Über ihre Flugausbildung sagte sie später: „Das war das Härteste, was ich jemals gemacht habe!“ Noch härter stellen wir uns jedoch vor, wenn sie drei von ihren sechs Sprösslingen sagen muss, dass sie nicht mitfliegen können und den Bus nehmen sollen.

Sc hw er es Meta ll

r oder Wie schon vor ihr Liv Tyle h Jolie Courteney Cox machte auc ling Rol die Für . mit os ide in Musikv hafte Stones gab sie eine knaben eads Stripperin, für die Lemonh Cabrioklemmte sie sich hinter ein Roll Lenkrad, und in „Rock and fand sie Dreams Come Through“ r ver­ Meat Loaf gefangen in eine die lassenen LKW-Kabine vor, ierte. lod exp auf dar z kur obendrein

Mada m Ambas sador

Wer solche Lippen hat, hat auch Geld – an die zehn Millionen Euro Gage verdient Jolie locker für einen Film. Doch im Hause Jolie/Pitt wird Charity ganz groß geschrieben, darum werden immer wieder Millionenbeträge an wohltätige Organisationen gespendet. Die kolportierten 9,8 Millionen Euro zum Beispiel, die das Paar vom US-Magazin „People“ für Fotos der Zwillinge Knox Léon und Vivienne Marche­line kassiert hatte, gingen laut eigenen Angaben sofort in Spenden auf. Vermutlich für Flüchtlinge, da sich Jolie als Sonderbotschafterin ­aktiv für das UNO-Flüchtlings­ kommissariat UNHCR engagiert.

Jo liewo od

9 zum Vom „Forbes“-Magazin 200 oodstar lyw Hol en hst reic luss einf Frühjahr ­geadelt, hat Jolie heuer im (Kinolt“ „Sa Film en est neu n ihre t. Darin reh ged ig fert start: Juli 2010) rin, die eite tarb -Mi CIA eine sie t gib pelagenman verdächtigt, eine Dop hätte Tom ich ngl prü Urs . sein zu tin sollen, der Cruise diese Rolle spielen fand aber winkte ab. Jolie jedoch Buch das de wur also , das Skript gut für sie umgeschrieben. er. DAS nennt man echte Pow

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EINST UND JETZT

SoundMaschinen

Während das Urmodell noch fast esoterisch anmutet, erinnert die neueste musikelektronische Innovation an ein Spielzeug. Eine Spurensuche in der Welt der Pieptöne.

Good Vibrations Theremin, 1920 Es war vermutlich das erste elektronische Musikgerät überhaupt, das Professor Léon Theremin (geboren als Lew Sergejewitsch ­Termen) damals in St. Petersburg einer staunenden Öffentlichkeit präsentierte. Der russische Physiker und Elektrobastler hatte einen Apparat erfunden, der durch einen bestimmten Abstand b ­ eider Hände zu zwei ­Antennen gänzlich ohne Berührung gespielt werden kann. Durch die Bewegung der einen Hand wird die Tonhöhe verändert, mit der anderen lässt sich die Lautstärke kontrollieren. Während das Original Eclipse Theremin noch mit Röhrenoszillatoren ausgestattet war, arbeiten moderne Theremins mit Transistor-Oszillatoren. Weiter­entwickelt hat das Instrument Robert Moog, der auch den Moog-Synthesizer erfand. Jake Rothman wiederum erzeugte in Handarbeit ein Eclipse Theremin, das jenen wabernden Sound – der stark an Sci‑Fi-Soundtracks und die psychedelische Popmusik der sechziger Jahre erinnert – von, um nur einige zu nennen, den Beach Boys, E ­ lvis Costello oder Goldfrapp erst ermöglichte. 18


B u l l e va r d

Es sieht eigentlich mehr nach Spielzeug denn nach einem Musik­ instrument aus. Was nicht weiter verwundert, hält sein Erfinder, der japanische Künstler Toshio Iwai, doch einige Computerspiel-Rekorde und forscht an der Schnittstelle zwischen Musik, Elektronik und Licht. Sein Tenori-On ist ein äußerst intuitives Instrument, auf d ­ essen Oberfläche die Sounds in eine Lichtshow transformiert ­werden. Der Musiker bedient 256 kleine LEDs sowie die Knöpfchen am Rand in Echtzeit, um Tracks zu basteln. Künster wie Björk oder Four Tet schwören auf das Tenori-On, das Electro-Sternchen Little Boots hat dem blinkenden Board mit ihren YouTube-Clips zu weltweitem Glanz verholfen. 19

Bild: luke kirwan

Electric Light Orchestra Yamaha Tenori-On, 2005


B u l l e va r d b

knips die knirpse Ein Fotograf holt den „Best Trick Award“ bei der Skate-EM in Basel.

Achtung, Kamera! In Wien ­werden derzeit modische Helden des Alltags geknipst. Als Catwalk dient das Internet. „Den Wienern muss man gleich sagen, was man will. Wegen eines einfachen ‚’tschuldigung!‘ bleibt hier niemand ­stehen.“ Fotograf Daniel Gebhart de ­Koekkoek hat bereits dazugelernt. Seit Mitte Juli sind er und seine 24 Kollegen in der österreichischen Hauptstadt unterwegs, um den Alltagslook der Wiener bildlich festzuhalten. Das tägliche Ergebnis kann man dann im Internet bewundern oder die dazugehörige Ausstellung im Wiener Museumsquartier besuchen. „Für einen Streetstyle-Fotografen sind Ausdauer und Geduld das Wichtigste“, erklärt die Berlinerin Mary Scherpe. Sie muss es wissen, denn die Kunststudentin hat 2006 mit ihrem Online-FotografieProjekt „Stil in Berlin“ einen richtigen Boom ausgelöst. Mit einem ganz einfachen Konzept: Junge Menschen fotografieren andere junge Menschen in hippen Outfits, die Fotos werden auf der Website ver­ öffentlicht. Seither hat sich StreetstyleBlogging von einer kleinen Web-Spielerei zu einem regelrechten Trend ausgewachsen, der weltweit in allen ­großen Metro20

polen praktiziert wird. Nicht weniger als 3000 Menschen greifen täglich auf Scherpes modische Stadtstreifzüge zu. Und jetzt also auch Wien, wo man sich bitte nicht gleich von Paparazzi verfolgt fühlen soll, wenn jemand freundlich um ein Foto bittet. Immer schön höflich bleiben – aber dazu scheinen die Wiener eh grad in Stimmung zu sein. „Bis jetzt hat keiner ein Foto abgelehnt“, sagt Francesco Vezzola aus Mailand, der auf der Suche nach jungen ­Menschen ist, deren Kleidung aus dem Groß­stadt-Einer­ lei heraussticht. Wie gut das aussehen kann, sieht man am Foto oben mit Patrizia. Andere Fotografen wie zum Beispiel de Koekkoek suchen sich ihre Models am liebsten in Arbeitskleidung aus. Vom ­Bademeister bis zum Ticketverkäufer im Mozartkostüm – sie alle repräsentieren den Stil von Wien. Die Foto-Truppe ist noch bis 20. September rund um die Uhr in allen Wiener Bezirken unterwegs. Das Vienna Fashion Observatory im Freiraum im MQ und auf: theviennafashionobservatory.com

Die EM-Blogs von Philipp Schuster: redbulletin.com/schuster/de

Jürgen Horrwath

Bilder: www.theviennafashionobservatory.com (3), Philipp Schuster

Stil in wien

Nun, das ist nur die halbe Wahrheit. In der Tat ist Philipp Schuster ein toller Fotograf, allerdings ist er ein mindestens so guter Skater. Sein Tailslide 270 Out war gut genug, um dem Europameister von 2006 heuer den Preis für den besten Trick zu sichern. Somit blieb dem 24-jährigen Wiener ausreichend Zeit, um die Kamera von der Leine zu lassen und die anderen Jungs und Mädels (immerhin: 300 ­waren am Start) abzuschießen. Einen kleinen Beweis seines Talents findet ihr unten: Jürgen Horrwath war in Basel bester deutschsprachiger Rider. Sportlich war die EM in Basel vor allem für den Belgier Axel Cruysberghs ein Erfolg, der das Street-Finale vor seinem Landsmann Phil Zwijsen gewann und in der Miniramp sein zweites Gold holte. Wem der Name Cruysberghs noch nicht sooo geläufig ist: Der Junge wird heuer im Oktober erst 15 Jahre alt. ­Dagegen ist Philipp Schuster ja schon richtig alt, und wir kapieren, dass er sich nach einem Hobby fürs Altenteil umsehen muss. Thumbs up, Philipp!


B u l l e va r d

mein Körper und ich

Andreu Lacondeguy Stürze gehören für den zwanzigjährigen Mountainbike-Freeride-Helden aus Spanien zur täglichen Routine. Verletzungen, sagt er, machen nur stärker.

Bru chl an dun g

Erst kürzlich habe ich mir das Kahn bein gebrochen, als ich einen 360er geüb t habe. Ich hatte mir den Sprung zwar vorh er ausgerechnet, hatte dann aber zu wenig Spee d und stürzte kopfüber vom Bike. Klar hatte ich die Hände ausgestreckt, und dann war’s schon passiert. Der Doktor meinte, ich hätte beide Hände gebrochen, es tat mir aber nur eine weh. Die wurde dann operiert und zur Fixie rung des Knochens eine Schraube einge setzt. Zwei Monate, sagte mein Arzt, wird die Heilu ng dauern. Ich saß aber bereits nach zwei Wochen wieder auf meinem Bike.

Sch ulte rsc hlu ss

Meine Schultern habe ich mir schon oft gebrochen, das letzte Mal vor zwei Jahren in Laguna Seca in Kalifornien. Ordentlich viel Wind dort, was ganz schön gefährlich ist. Ich crashte jedenfalls, renkte mir die Schulter aus und riss mir obendrein alle Bänder. Schlimmer geht’s kaum, es dauert Ewig­keiten, bis so was r heilt. Wir versuchen ja bei einem Sturz imme die sind darum n, lande zu auf der Seite Schultern besonders anfällig für Verletzungen. Bei einem Contest letztes Wochenende fielen gleich drei Biker wegen ­kaputter Schulter aus.

Nac hde nkpaus e

rst, kann dir manchmal Wenn du beim Mountainbiken neue Tricks probie wir jedes Wochenende en mach style Slope Beim en. komm ten das Fürch unterschiedlich ist. Kurs jeder und ampf andere Sachen, weil jeder Wettk n, das blockiert dich nur. Stürze ans nicht du t denks Fahrt der nd Währe näher ans Limit zu gehen. Ich versuche immer besser zu werden, noch Triple Backflip lernen, den einen ich te möch iel Beisp zum r Winte n Diese mich nicht sehr oft, und ich ze verlet tlich hat noch keiner geschafft. Eigen ich nach ein paar Wenn n. gkeite Kleini nur das sind dann doch, wenn r. Vermutlich, weil vorhe als r besse ich bin Wochen Pause zurückkomme, en. ich so viel Zeit hatte, übers Biken nachzudenk

Hau tko nta kt

Ich liebe Tattoos. Schon mit siebzehn habe ich mir den ganzen rechten Ärmel tätow ieren lassen. Mit Rosen und sonstigen Blum en, mit meinem Namen, Pik-Assen als Glüc ksbringern und allem möglichen Zeug , das mir gefällt. Lustig ist auch der Schn urrbart, den ich mir auf einen Finger stechen ließ. Als Nächstes wird mein linker Arm tätow iert, dann kommt die Brust oder ein ande rer Körperteil dran. Normale Haut finde ich einfach langweilig.

Bild: john gibson

Fit mac h mit

Im Fitness-Studio war ich ganze vier Mal. Superlangweilig! Beim Mountainbiken brauchst du das Workout ja nur, um Stürze richtig abzufedern. Je kräftiger du bist, umso weniger wirst du verletzt. Um mich zu verbessern, trainiere ich lieber am Bike selbst. Ich mache auch gerne Party. Weil aber nur wenige Menschen biken können, mach ich meine Party am liebsten mit dem Bike. Mehr Freeride-Mountainbike-Action: redbulletin.com/mountainbike/de

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b u l l e va r d

Formelsammlung

Kraft  ist nicht  alles

Ein Formel-1-Bolide hat über den Daumen eine Leistung von 590 kW (800 PS). Das Problem ist nun, die entstehenden Kräfte auf die Straße zu bringen. Denn Kraft ist nicht alles, es kommt auch auf die Reibung an. Die Reibungskraft (FR ) zwischen Reifen und Boden ist der leistungslimitierende Faktor, und die Antriebskraft kann FR niemals überschreiten. Nehmen Sie als Extrem­ beispiel, der Bolide stünde auf blankem Eis. Er würde sich aufgrund der fehlenden Reibung nicht vom Fleck rühren. Reibungskraft ist Reibungskoeffizient mal Gewicht, also FR = µG. Das Gewicht ist wiederum Masse mal Erdbeschleunigung (g = 9,81 m/s²), also G = mg. Daraus folgt FR = µmg. Ein allgemeiner Zusammenhang zwischen auftretender Kraft, F, und daraus resultierender Beschleunigung, a, wird durch das 2. Newtonsche Grundgesetz beschrieben und lautet F = ma. Wenn Sie diese Gleichung umformen, sehen Sie – nebenbei erwähnt – sofort, warum mit der Tankfüllung im Grand Prix geknausert wird, denn die Beschleunigung ist indirekt proportional zur Masse: je kleiner die Masse, desto größer die Beschleunigung. Setzt man beide Formeln für die Kraft gleich (F = FR ), erhält man für die maximale Beschleunigung a = µg. Die Beschleu­nigung ist also proportional zum Reibungskoeffizienten. Für ­Gummi und trockenen Asphalt beträgt dieser im Extremfall 1,1. Man kann daher für die Beschleunigung 1,1g oder a = 10,8 m/s² berechnen, das bedeutet von 0 auf 100 km/h (27,8 m/s) in 2,6 Sekunden. Für höhere Beschleunigungen muss man tricksen. In der Formel 1 wird durch Heck- und Seitenflügel ein aerodynamischer Abtrieb erzeugt, der quasi das Gewicht und somit auch die Reibung erhöht. Wasser auf der Fahrbahn wirkt sich sehr unangenehm aus, denn dadurch sinkt µ auf etwa 0,8 ab. Das bedeutet ein Absinken der Reibung und somit der Beschleunigung um rund 30 Prozent. Weil die Kurvengeschwindigkeit proportional zur Wurzel aus µ ist (vgl. Red Bulletin 02/09), muss man diese bei Nässe um etwa 15 Prozent reduzieren – oder man erzeugt mehr Abtrieb. Wenn auf der Strecke Wasserlachen stehen, muss man von den profillosen Slicks auf Regenreifen umsteigen. Diese haben zwar im Trockenen eine schlechtere Haftung, ihre Rillen leiten aber das Wasser zur Seite ab und verhindern somit Aquaplaning. * Mag. DDr. Martin Apolin, 44, ist promovierter Physiker und Sportwissenschafter. Apolin arbeitet als AHS-Lehrer (Physik, Sportkunde) und Lektor am Institut für Sportwissenschaft in Wien und ist mehrfacher Buchautor.

Formel-1-Grand-Prix von Italien: 13. September 2009, Monza www.redbullracing.com Alle Formeln auf: redbulletin.com/formel/de

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bild: Getty Images/Red Bull Photofiles; illustration: mandy fischer

Man muss sie auch auf den Boden bringen. Mit aerodynamischen Kniffen und unterschiedlichen Reifen holt sich die Formel 1 im Regen jenen Grip zurück, den ihr die Physik wegnimmt.



b u l l e va r d

kurz & dennoch einzigartig Ladies and Gentlemen: Auf diese Leistungen könnt ihr wahrhaftig stolz sein!

Brian Vickers (USA) gewinnt das Carfax 400 am Michigan International Speedway. Es war der erste Sieg von Red Bull Racing, exakt 903 Tage nach dem Einstieg in die NASCAR Sprint Cup Series.

Ashley Fiolek (USA) Die Achtzehnjährige aus Florida holte sich gleich bei ihrem ersten X-GamesStart die Goldmedaille im Super X. Das wäre an sich schon höchst bemerkenswert. Vollends unpackbar wird die Leistung, wenn man weiß, dass Ashley von Geburt an taub ist. Fetten Respekt, Ashley!

Maya Gabeira (BRA) Die Big-Wave-Surferin erhielt den ESPY Award, das sportliche Äquivalent zum ­Oscar, in der Kategorie „Best Female ­Action Sports Athlete“. Bei der Zeremonie war die 22-Jährige ungewohnt nervös: Gastgeber der Show war nämlich kein ­Geringerer als Samuel L. Jackson.

Bilder: Getty Images, Picturedesk.com, Red Bull Photofiles; Illustration: dietmar kainrath

Phil Dalhausser/Todd Rogers all(USA) heißt das Beachvolleyb en Duo dieses Sommers. Die beid US‑Boys holten sich nach ihrem e ­bejubelten Sieg in Klagenfurt (sieh oBild) gleich den nächsten in Herm t sa Beach, Kalifornien. Insgesam jetzt r iege pias Olym en beid sind die schon vier Turniere in Serie ohne Niederlage.

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Toiletten-Sitzplätze gibt es auf der Wiesn Prozent aller Wiesn-Besucher kommen wieder Euro gibt jeder Wiesn-Besucher im Schnitt aus

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B u l l e va r d

zahlen des monats

London fashion Week Paris ist nobel, New York recht konventionell, Mailand extravagant. Bei der London Fashion Week jedoch wird gezeigt, wie durchgeknallt man sich demnächst auf die Straße wagen kann.

Seiten bedrucktes Zeitungspapier brachte die vor Ort produzierte Gazette „The Daily“ bei der London Fashion Week für die FrühjahrsSommer-Kollektionen 2008 zustande. Täglich wurde acht Seiten gedruckt, mit so wunderbaren Storys wie „Das Kleid des Tages“, „Beauty Spot“ oder „Die Politik in der Mode“. Ein Schelm also, wer denkt, dass in der Modewelt nur billiger Tratsch regiert.

40 Millionen britische Pfund werden jedes Jahr bei den Fashion Weeks umgesetzt. Das sind an die 20 Millionen pro Woche, mit denen man locker jede Menge neuer roter Teppiche und Blitzlichtgewitter fürs nächste Mal finanzieren könnte. Klar, Mailand ist etwas extravaganter als die britische Hauptstadt. Trotzdem muss man auch hier bis zu 600.000 Pfund für eine Fashion-Show samt aufwendiger Beleuchtung, Kameras und Backstage-Helfern, die zirka 40 Models im 10Minuten-Takt neu stylen müssen, hin­blättern.

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Designer der heurigen LFW waren bereits 1984 dabei: Jasper Conran, Betty Jackson, Caroline Charles und Paul Costelloe schicken im September 2009 ihre Models wie vor 25 Jahren auf den Catwalk. Nur die Mode hat sich sehr geändert. Seinerzeit setzte Katharine Hamnett mit ihren Schwarzweiß-T-Shirts samt Anti-Kriegs-Sprüchen den Megatrend.

1 Britisches Pfund = 1,16 Euro (Stand 17.08.2009)

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britische Pfund wird eine Fashion-Redakteurin für ihre Taxirechnungen hinblättern müssen. Eine durchschnittliche Fahrt mit einem Londoner Cab kostet derzeit 11,22 Pfund. Die LFW findet vom 18. bis 23. September und somit sechs Tage lang statt. Wir rechnen daher: täglich vom Hotel nach Somerset House, dem Headquarter der LFW. Von dort zu drei in der Stadt verteilten Shows, dann zurück zum Hauptquarter und später zu zwei Partys pro Abend, bevor man im Taxi zum Hotel endlich die brennenden Fußsohlen von den High Heels befreien kann. Ergibt summa summarum: £ 605,88. Bleiben 12 Pence – äh, fürs Trinkgeld?

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Meter lang war der längste Laufsteg in der Geschichte der London Fashion Week. Heuer im Februar zeigte das britische Label PPQ seine Kollektion in der Burlington Arcade auf dem Piccadilly. In der ältesten IndoorShopping-Meile Großbritanniens rauchen normalerweise in den Boutiquen auf einer Länge von 183 Metern die Kreditkarten. Die Läden waren natürlich geschlossen, doch alleine die Laufmeter zwischen dem Backstage-Bereich am einen Ende und der Bar am anderen bescherten Models wie Daisy Lowe, Alice Dellal und Pixie Geldof den ausschreitendsten Job ihres Lebens.

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Jahre gibt es die London Fashion Week bereits. 1984 beschloss das neu formierte „British Fashion Council“ erstmals, gemeinsam neue Kollektionen über den Laufsteg zu schicken. Hauptmotiv: Man wollte den erfolgreichen Shows in New York, Paris und Mailand Paroli bieten. Seither findet der Londoner CatwalkEvent zweimal jährlich, im Februar und im September, statt. Im Herbst gibt es die Frühlings- und Sommer­ kollektionen des kommenden Jahres zu sehen, im Winter werden Highlights der kommenden Herbstund Wintermode präsentiert. Alles klar?

Bilder: Getty images (3), REx features (2)

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kunde Team Abu Dhabi Triathlon

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TRAIN SMARTER

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Heroes Helden und ihre Taten: Wer uns diesen Monat bewegt.

bild: Desre Pickers/Red Bull Photofiles

30 Huub Stevens 34 Steve Fisher 38 Agyness Deyn 40 Michael Schumacher 44 Quentin Tarantino

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Wo ein imposanter Wasserfall ist, kann der Südafrikaner Steve Fisher nicht weit sein. In diesem Fall im isländischen Hochland, am 20 Meter in die Tiefe stürzenden Aldeyjarfoss, berühmt für seine Basaltformationen.

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Heroes

Huub Stevens

ist der neue Trainer von Red Bull Salzburg. Er vereint holländische Fußballkunst mit dem, was man „deutsche Tugenden“ nennt. Und formt aus Mannschaften Familien, mit väterlicher Härte. Text: Simon Kuper, Bild: Jürgen Skarwan

Name Huub Stevens Geburtsdatum/-ort 29. November 1953, Sittard, Limburg, Niederlande Beruf Trainer Stationen als Spieler Fortuna Sittard (1965–1975), PSV Eindhoven (1975–1986) Stationen als Trainer Roda JC Kerkrade (1993–1996), FC Schalke 04 (1996–2002), Hertha BSC (2002/2003), 1. FC Köln (2004/2005), Roda JC Kerkrade (2005–2007), Hamburger SV (2007/2008), PSV Eindhoven (2008/2009), FC Red Bull Salzburg (seit 1. Juli 2009) Erfolge UEFA-Cup-Sieger 1997 mit FC Schalke 04, 2001 und 2002 Deutscher Pokalsieger mit FC Schalke 04, Ligapokal-Sieger 2002 mit Hertha BSC Berlin

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Ein Alphatier unter Alphatieren: Groß gewachsen, von mächtiger Gestalt, mit grauen Bartstoppeln im Gesicht, lümmelt Huub Stevens, 55, auf dem Sofa wie ein großer, gut gelaunter Löwe. Er scherzt, lacht laut, begrüßt jeden, der den Raum im Trainingszen­trum der Red Bulls Salzburg in Taxham betritt, in seinem rollend holländischen Deutsch. Wenn er mit jemandem spricht, beugt er sich dem Gesprächspartner entgegen und bohrt ihm seinen Blick in die Augen. Nichts an diesem Konzentrat an Männlichkeit erinnert an den Mann, der noch vor wenigen Monaten seine Karriere an den Nagel hängen wollte. Huub Stevens ist Holländer und neu hier, der neue Mann auf der Trainerbank von Red Bull Salzburg. Aber er stammt, und das ist für einen holländischen Fußballtrainer wesentlich, nicht aus dem weltoffenen, fröhlichen Amsterdam, das in den 1960er Jahren den „totalen Fußball“ hervorbrachte, diese große holländische, konsequent an Kreativität und Offensive orientierte Fußballphilosophie. Aus jenem Amsterdam, das auch die meisten der großen niederländischen Trainer hervor brachte: Rinus Michels, Johan Cruijff, Louis van Gaal, Frank Rijkaard, auch Co Adriaanse, Stevens’ Vorgänger bei Red Bull Salzburg. Huub Stevens stammt aus Sittard, einer grauen Bergbaustadt im Südosten der Niederlande, nah der deutschen Grenze. Stevens’ Vater war Minenarbeiter. „Er war Hauer in der Nachtschicht“, sagt Stevens, „der härteste Job, den man sich vorstellen kann. Ich habe schon als Kind gewusst: Ich werde, so hart ich nur irgendwie kann, arbeiten, damit ich nicht das tun muss, was mein Vater tagtäglich tun muss. Ein Nachbar von uns starb, weil er langsam am Staub in seinen Lungen erstickte.“ Stevens und seine vier Brüder wuchsen in einer Gegend auf, die sogar im rauen Sittard „Chicago“ ­genannt wurde. Was man hier als Erstes lernte, war, sich durchzusetzen, in jeder Situation. Mit sechzehn hatte er sich einen Platz in der Kampfmannschaft seines Klubs Fortuna Sittard erkämpft. Ein Jahr später starb Stevens’ Vater bei einem Autounfall. „Ich bin

oben gesessen, bei meinen Hausaufgaben. Er hat gesagt, er fährt nur kurz weg. Ich kann ihn immer noch hören, wie er ‚Bis später‘ sagt.“ Stevens wuchs zu einem knochenharten Verteidiger heran, zu einem „Fußballer mit Überschuss an Charakter“, wie er sagt. 1975, er war 21, wechselte er zu PSV Eindhoven, 1978 gewann PSV den UEFA-Cup. Die Erinnerungen, die man in Eindhoven mit dem Fußballer Stevens verbindet, haben aber weniger mit den sportlichen Erfolgen jener Zeit zu tun als mit Aggressivität und Härte: etwa dass Stevens und der PSV-Torhüter einander wütend anbrüllten, wenn der Gegner ein Tor erzielt hatte. Oder dass er dem eleganten Stürmer Pier Tol einen Tritt verpasste, wie als ­Bestrafung für einen Torschuss. Oder dass Stevens auch im Training dafür bekannt war, weder sich noch seine Teamkollegen zu schonen – und ein Zweikampfverhalten an den Tag legte, das manchmal durchaus für Irritation sorgte. Wenn bei einem Heimspiel ein PSV-Spieler gefoult wurde, kam ein forderndes „Huubke, Huubke!“ von den Rängen. Stevens wusste dann, was zu tun war. Stevens war gefürchtet, bei Gegnern ebenso wie bei Mitspielern. „Wenn Huub seinem Hund ‚Sitz!‘ ­befohlen hat“, sagte einmal PSV-Mannschaftskollege René van der Gijp, „haben sich alle Hunde in der Straße hingesetzt.“ Stevens’ beste Jahre als Fußballer lagen zwischen den besten Jahren von Hollands Fußball: Er debütierte 1979 im Nationalteam, wenige Monate nachdem Holland sein letztes WM-Finale verloren hatte. Zum 18. und letzten Mal trug er 1985 den National­dress, kurz bevor sich die Generation Gullit-van Basten-Rijkaard aufmachte, Europas Fußball zu dominieren, mit dem Gewinn der Europameisterschaft 1988 als Krönung. Stevens war 32, als er vom Spieler zum Trainer wurde. Wie viele holländische Coaches arbeitete er zunächst im Nachwuchs, in seinem Fall sieben Jahre lang. Manchmal störte ihn, dass den Kindern, mit ­denen er arbeitete, vieles leichtgemacht wurde, und


Man könnte sagen: Huub Stevens übersetzt die nicht immer von Humor geprägte deutsche Philosophie des Fußballspielens mit einem holländischen Augen­ zwinkern in die Praxis.


Heroes

„Wenn Huub seinem Hund ,Sitz!‘ befohlen hat, haben sich alle Hunde in der Straße hingesetzt.“

18-mal Oranje: Stevens spielte von 1979 bis 1985 im Nationalteam (hier gegen Polen).

er achtete erfolgreich darauf, niemanden zu verwöhnen. Sein Stil war für die Niederlande unüblich militaristisch und autoritär: Wenn er sich ärgerte, traten seine Augen hervor, seine Stimme erhob sich, sein Zeigefinger bohrte sich in die Brust seines Opfers. Auf der anderen Seite, vielleicht weil er so früh den Vater verloren hatte, war Stevens emotionaler als die meisten anderen. Er wollte seine Teams immer zu „einer großen Familie“ formen, wie er sagt, suchte nach dem „Menschen hinter dem Fußballer“. Als Trainer stand Stevens für die Verbindung deutscher und holländischer Fußballphilosophien: Er hielt viel davon, Probleme zu diskutieren, durchaus auch ausführlich, wie bei holländischen Coaches ü ­ blich. Und er teilte die Amsterdamer Ansicht, dass Fußball vor allem von zwei Dingen geprägt ist: techniek und tactiek. Aber Stevens glaubte auch an Arbeit, Härte, Disziplin, die „deutschen Tugenden“. 1993 trat Stevens seinen ersten Job als Headcoach an, beim Mittelständler Roda Kerkrade, den er 1995 zu einem sensationellen zweiten Platz in der niederländischen Liga führte. Niemand im Verein hatte es leicht mit Stevens, wie sich Servé Kuijer erinnert, damals Rodas Präsident: „Stevens bedeutet Krieg. Er braucht Krieg. Und wenn es keinen gibt, erfindet er einen.“ Barry van Galen, damals Rodas Spielmacher, erinnert sich an Stevens als den besten Coach, den er jemals hatte: „Er hat einen Mann aus mir gemacht. Und mir gezeigt, dass Fußball mehr ist als ein Spiel.“ 1996, wenige Wochen nachdem Roda im UEFACup gegen Schalke ausgeschieden war, verpflichteten die Deutschen den unkonventionellen Holländer. 32

Gelsenkirchen, eine Stadt mit großer Bergbautradi­tion, wurde schnell zu einer Art zweitem Zuhause für den Nobody aus den Niederlanden. Seine Interpretation der „deutschen Tugenden“ übertraf sogar die Maßstäbe der Deutschen Bundesliga: Stevens, der täglich pünktlich um 7.30 Uhr im Büro erschien, erwarb sich einen Ruf als „der harte Hund“. Der aber hinter den Kulissen auch den familiären Zusammenhalt der Mannschaft förderte: „Ich wollte es zur Gewohnheit machen“, sagt er, „dass die Spieler nach dem Spiel beieinander bleiben, über das Spiel reden. Und ich wollte, dass die Familien der Spieler dabei sind, dass die Kinder daneben spielen. Diese ­familiäre Atmosphäre war mir wichtig.“ Mit seinem eigentümlichen Mix aus Härte und Warmherzigkeit führte er Schalke in seinen sechs Jahren dort zum UEFA-Cup-Sieg 1997; 2001 trennten ihn nur Sekunden von seinem (übrigens bis heute) einzigen Titel: Schalkes Fans feierten in Gelsenkirchen ­bereits die deutsche Meisterschaft, als mitten in den Jubel die Nachricht aus Hamburg platzte: In der ­allerletzten Minute der Saison hatte Bayern München doch noch das entscheidende Tor geschafft. Tor-

„Stevens war der beste Trainer meiner Karriere. Er hat einen Mann aus mir gemacht.“


Heroes

Bilder: picturedesk (3)

Bei PSV Eindhoven machte sich Stevens einen Namen als beispielhaft entschlossener Verteidiger. Bei Schalke 04 wählten ihn die Fans zum „Trainer des Jahrhunderts“.

schütze war der schwedische Nationalspieler Patrik Andersson. An jene vier Minuten, die er bangend vor dem TV-Gerät verbrachte und die letzten Spielminuten der Bayern in Hamburg verfolgte, erinnert sich Stevens heute noch: „Eine solche Erfahrung trägt man ein Leben lang mit sich. Diese vier Minuten haben mich verändert.“ Nachdem Stevens Schalke verlassen hatte, wählten ihn die Fans zum „Trainer des Jahrhunderts“. Es folgten (erfolgreiche) Stationen in Köln und Hamburg und eine (weniger erfolgreiche) in Berlin. In all den deutschen Jahren lebte er getrennt von der Familie, die in Eindhoven geblieben war. Es war deswegen besonders hart, weil Stevens’ Frau Toos an Morbus Crohn leidet, einer schmerzhaften, chronischentzündlichen Darmerkrankung. Stevens und seine Frau verbrachten, wenn der Mann daheim war, einen großen Teil der gemeinsamen Zeit in Krankenhäusern. Als er letztes Jahr in die Niederlande zurückkehrte, zu PSV Eindhoven, war das aber nicht nur in familiärer Hinsicht ein Heimkommen: Bei PSV hatte er elf Saisonen lang gespielt. Die Heimkehr in die Niederlande war ein Fehler, auch wenn Stevens sich das nicht eingestehen möchte. Die Spieler bei PSV und er fanden keinen Draht zueinander, die Resultate waren schwach. Im Januar zog er mit einem überraschenden Rücktritt die Konsequenzen. (Wie er übrigens immer Wert darauf legte, den Verlauf seiner Karriere selbst zu bestimmen.) Wer Stevens heute gegenübersitzt, diesem Block aus Selbstbewusstsein und Entschlossenheit, hält es für unmöglich – aber nach der Trennung von seinem

„Stevens bedeutet Krieg. Er braucht Krieg. Und wenn es keinen gibt, erfindet er einen.“ Heimklub zog sich dieser polternde, autoritäre Mann ganz leise zurück. Er verbrachte das Frühjahr damit, seinen Pool sauber zu halten und seine Pflanzen im Garten zu pflegen. „Ich hatte genug vom Fußball. Ich war leer. Wenn man bedenkt, dass es privat nicht immer leicht war (er spricht die Krankheit seiner Frau an, Anm.), dass die Zeit beim HSV viel Kraft gekostet hat, all das sammelte sich über die Jahre an. Und an einem gewissen Punkt habe ich bemerkt: Jetzt ist es genug.“ Huub Stevens’ Auszeit dauerte nur wenige Monate: Im Sommer unterschrieb er bei den Red Bulls in Salzburg. Er war wieder zurück, der Junge aus der Bergbaustadt, der beinharte Arbeiter mit dem weichen Herzen und seinem ganz eigenen Mix aus techniek und tactiek und dem, was man „deutsche Tugenden“ nennt. FC Red Bull Salzburg – SK Puntigamer Sturm: 23. September 2009, Red Bull Arena, Wals-Siezenheim, Salzburg; www.redbulls.com

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Heroes

Steve Fisher

Der beste Kajaker der Welt fürchtet sich nicht vor den Elementen. Nur dass ihm einmal die Herausforderungen ausgehen könnten, ­vermag ihn ernsthaft zu beunruhigen. Text: Uschi Korda, Bild: Gian Paul Lozza

Name Stephen Grant Fisher Geburtsdatum/-ort 18. Februar 1976, Estcourt, Südafrika Beruf Whitewater-Kajaker, spezialisiert auf Steep Creek, Freestyle und Deep Water Ist seit sieben Jahren mit der südafrikanischen Fotografin Desre ­Pickers liiert, die auch seine spektakulä­ren Moves dokumentiert. Hat eine Insel auf dem Weißen Nil in Uganda, auf der er lebt, wenn er nicht gerade mit seinem Kajak die Welt erforscht. Gleich ums Eck von seinem Anwesen: eine der spektakulärsten ganzjährigen Wellen, die dem Profi zum Trainieren dient. Web www.stevefisher.net

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„Na, hat’s euch gefallen?“ Wir stehen im hintersten Winkel eines finsteren Schweizer Bergtales, und Steve Fisher – von Experten gerne als bester Wildwasser­ kanute der Welt tituliert – hat soeben dreimal en suite einen 17-Meter-Wasserfall erledigt. Ja, richtig, er ihn und nicht umgekehrt. Das, was für unsereins vom relativ sicheren, aber ziemlich steilen Ufergelände wie ein relaxter Spazier­ gang mit Paddel und Boot aussah, war natürlich prä­ zise vorbereitet. Dutzende Male hat Fisher die Stelle vorher besucht, den Wasserlauf beobachtet, sich eine Linie zurechtgelegt. Das Einzige, was sich seiner Kon­ trolle entziehen kann, ist vermutlich das Wetter. Dass nach einer grimmigen Unwetternacht das fröhlich plätschernde Bächlein zu einem reißenden Gebirgsbach angeschwollen war, in den der Normal­ sterbliche besser nicht hineinfallen sollte, beunruhigte Fisher hingegen nicht: „Wenn du nur einen Wasserfall machst, ist das egal. Der hat unten einen natürlichen Pool, in dem du sicher landest und ans Ufer paddelst.“ Gefährlicher wären an solchen Tagen mehrstufige Stromschnellen, weil sich das Wasser da nicht so leicht berechnen lässt. Als Jungspund habe ihn so was auch nicht abgeschreckt, heute, als Dreiunddreißigjähriger, sei er im Rückblick froh, dass er manche HarakiriAktion irgendwie überlebt habe. „Wir mussten viel experimentieren, denn der Sport steckte in den acht­ ziger Jahren ja noch in den Kinderschuhen. Es gab kaum jemanden, der uns sagen konnte, was drinnen ist und was nicht.“ Bereits als Sechsjähriger zwängte sich der Südafri­ kaner das erste Mal in ein Kanu. Das hatte ihm das ­österreichische Kajak-Team zurückgelassen, das im Winter immer vier Monate auf dem Bushman’s River trainierte, der durch die Farm von Fishers Eltern in Estcourt floss. Steve spannte für die Slalom-Kajaker Seile übers Wasser, kümmerte sich um die Torstangen und besserte damit sein Taschengeld auf. Und er ­verstand es schnell, sich mit dem Boot im unruhigen Wasser zu bewegen, als wäre es sein zweites Zuhause. Nichtsdestotrotz lernte ihn die Welt zunächst nicht als

Creeker – das sind die, die sich durch Wildbäche mit oft mehr Steinen als Wasser stürzen – kennen, son­ dern als Flachwasser-Sprinter. Reine Notwehr, sagt Fisher, den der südafrikanische Verband als seinen schnellsten Slalom-Kajaker 1992 nicht zu den Olym­ pischen Spielen nach Barcelona reisen ließ. Begrün­ dung: Er sei mit 16 Jahren noch Junior. Doch Fisher wollte etwas von der Welt sehen. Jetzt endlich. Denn zum ersten Mal wurden damals die Reise­sanktionen für Südafrikaner gelockert, die Staatsbürger waren nicht mehr Gefangene im eigenen Land. Also sprin­ tete er im Flachwasser ins Team und durfte 1994 erst­ mals ins Ausland, nach Holland. Fremde Welten entdecken, neue, unbekannte Ge­ biete, das hat sich für Fisher seither zur Leidenschaft entwickelt. Die sich optimal mit seinem Sport verbin­ den lässt. So war er auch mit im fünfköpfigen Team, das zu Beginn des Jahrtausends nach Myanmar (ehe­ mals Burma) aufbrach, um die Oberläufe des Irra­ waddy zu erforschen. Lange Strecken eskortiert vom Militär, bevor es an die 160 Kilometer und sechs ­Wochen lang durch unwegsames Gelände ging, wo die Männer zwischen den Kajak-Touren ihre Ausrüs­ tung und Nahrung selbst auf einem Floss durch den Dschungel und über Stromschnellen transportieren mussten. „Bei kurzen Trips tragen wir ja unser Essen direkt im Kajak“, sagt Fisher. „Das geht aber maximal zehn Tage. Dann wirst du ziemlich hungrig.“ Ganze zwei Monate lang war Fisher auf seiner bis­ lang spannendsten Expedition unterwegs: Sieben ­Kajaker brachen 2002 nach Tibet auf, um im Norden des Himalaja den Ursprung des Yarlung Tsangpo – der tausende Kilometer später als Brahmaputra durch Indien fließt – per Boot zu erkunden. Moderne Aben­ teurer könnte man sagen, doch mit „Schatzinsel“Romantik haben solche Unterfangen kaum was zu tun: Acht Jahre lang dauerten die Vorbereitungen zu ­einer Zeit, in der Google Earth noch nicht erfunden war und eine Satellitenbilder-Company den Fluss für das Team zunächst einmal abfotografierte. „Dann ­waren es nochmals eineinhalb Jahre, bis wir alles


Heroes

Zitat Head: Zitat.Velis exer suscipsusto dion ut loborer ostiniamet in henisse vero exero odigna facipsusto corero

30 Meter war der höchste Wasserfall, den Steve Fisher mit seinem Kajak je in der Falllinie nahm. Easy, sagt er dazu. So richtig gefährlich sind mehrstufige Strom­ schnellen.


Die Stromschnelle Sainte-Ursule, Québec, Kanada, hat Fisher bislang als einziger Kanute bewältigt. Jetzt ist er bestrebt, nicht einmal mehr in deren Nähe zu kommen. Zu groß wäre die Versuchung, es noch mal zu riskieren. Die ­Gefahr, übermütig zu sein, jedoch auch.

Die Elite der FreestyleKajaker ist noch bis 6. September 2009 in der Schweiz damit befasst, ihren Weltmeister zu küren. Dabei wird auch Steve Fisher, den die neue Generation ehrfürchtig als ihren „Godfather“ bezeichnet, allgegenwärtig sein: Immerhin hat er knapp ein Dutzend Moves – vom Helix über den Airscrew bis zum Freewheel – ­er-funden. Sie gehören heute zum Repertoire jedes Kajakers, der an der Spitze mitmischen will.

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beisammenhatten.“ Allein 200.000 US-Dollar waren für Genehmigungen und Gebühren zu berappen, dazu kamen sechzig Mann, die das Notwendigste zu Fuß durch das höchste Bergmassiv der Welt trugen. Das Wichtigste jedoch sei, so Fisher, dass das Kajak-Team in solchen Extremsituationen in eine Richtung denke. Monatelang lebten und arbeiteten deshalb auserwähl­ te Paddler rund um die Uhr in Kalifornien zusammen, bis die endgültige Crew fixiert war. „Da brauchst du viel Erfahrung in Gruppendynamik, und auch die Rollen müssen bereits vor der Reise festgelegt werden.“ Fisher, an sich ein klassischer Leader, wurde in ­Tibet zum stellvertretenden Chef erkoren. „Und ich war fürs Filmen und die Sicherheit zuständig. Gibt man mir keine Pflichten, versuche ich der Anführer zu sein. Dann beginnen die Kämpfe.“ Auch nicht ­unwesentlich: die Zahl der Kajaker. „Es geht nur fünf oder sieben. Nie sechs oder acht, weil im Fall einer Abstimmung sonst keine Mehrheit zustande kommt.“ Auf neuen Spuren zu wandeln, das gilt für den Mann mit seinem Kajak nicht nur für die noch uner­

forschten Gegenden dieser Erde. Es macht ihm auch Spaß, optimalere Linien für bereits befahrene Wasser­ wege samt ihren Wasserfällen zu finden. Oder sich an Spots heranzuwagen, um die selbst die Besten der Besten einen ehrfürchtigen Bogen machen. In Kanada gibt es einige davon, so auch die Chutes Sainte-Ursule, eine fast 100 Meter lange mehrstufige Stromschnelle mit einer Höhendifferenz von 46 Metern. „Die haben sich vor mir schon viele angeschaut und nach mir auch. Aber ich bin der Einzige, der sie gepackt hat.“ Zwei Wochen lang probierte er unermüdlich ein­ zelne Abschnitte aus, stückelte sie im Kopf zusammen, bis er eine Gesamtlinie abgespeichert hatte. „Ich hätte den Lauf mit geschlossenen Augen machen können. Das musste ich auch, denn ich war die halbe Zeit unter Wasser.“ Was jetzt nicht heißt, dass er die Luft länger anhalten kann als andere. Aber er hat sich im Laufe der Jahre eine mentale Stärke erworben, die es ihm ermöglicht, mit dem Kopf unter Wasser ruhig zu blei­ ben. „Wenn du nervös wirst, hast du verloren.“ Zwei Jahre ist der Ritt, den er als seinen allergefährlichsten bezeichnet, jetzt her, und Fisher ist seit damals nie wieder auch nur in die Nähe der Stelle gefahren. Aus ­reinem Selbstschutz. „Ich weiß, ich würde es ­sofort wieder machen wollen. Nur eine winzige Unsicher­ heit nach dem Start könnte aber mein Leben in zehn ­Sekunden komplett verändern. Ich würde mich ­überschlagen, und dann ginge es im Schneeball­system so weiter.“ Da hätte ihm auch seine ganze Erfahrung nichts geholfen, die er heute sowieso lieber in die Verbesse­ rung der Ausrüstung einbringt. Richtig lachen muss Fisher, wenn er an die schweren, zigarrenförmigen Boote seiner Frühzeit denkt. Mit Hilfe seiner Inputs hat sich die Ausrüstung stark verbessert und in der Folge auch der ganze Style. Nicht mehr Randsport, sondern Trendsport, vor allem in den Disziplinen „Big Water“, „Steep Creek“ und „Freestyle“. In allen dreien wird der Südafrikaner als Pionier und Kultstar ge­fei­ ert, allein im Freestyle hat er zehn bis zwölf Moves erfunden – so genau weiß er das gar nicht mehr. Die zwei spektakulärsten sind jedenfalls der Airscrew und der Helix. Bei beiden braucht man eine große Welle zum Surfen, um sich dann in der Luft zu drehen. Beim Helix sogar kopfüber und über zwei Achsen. Gibt es eigentlich irgendetwas, das diesen Mann von seinem Kajak trennen könnte? „Nasse, schwere Anzüge, die einem ständig am Körper kleben“, scherzt Fisher. Um etwas ernsthafter nachzuschieben, dass ihm eventuell einmal die Herausforderungen aus­ gehen könnten. Doch für diesen Punkt ist vorgesorgt, Fisher hat nämlich jetzt Paragliden für sich entdeckt. „Super! Luft verhält sich ähnlich wie Wasser, und da kenne ich mich aus. Außerdem kann ich von oben aus viel besser neue Stellen zum Kajaken erspähen.“ Über Berg und Tal wandern, durch wilde Wasser flitzen und in der Luft segeln – fehlt jetzt nur noch, dass er auch durchs Feuer läuft. „Hab ich noch nie probiert, aber einmal wird es so weit sein. Wenn ich dann alles an einem Tag mache, werde ich diesen meinen perfekten A-plus-Tag nennen.“ ICF Freestyle World Championships: 31. 8. – 6. 9. 2009, Thun (SUI) Das Action-Video mit den Kajak-Profis: redbulletin.com/stevefisher/de

Bild: Desre Pickers

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AGYNESS DEYN wird in der Modeszene seit geraumer Zeit als legitime ­Nachfolgerin von Kate Moss gehypt. Sollte klappen, nicht nur wegen der wechselnden Rockmusiker an ihrer Seite. Text: Uschi Korda, Bild: David Slijper/Corbis Outline

Name Agyness Deyn Geboren 16. Februar 1983 oder 1986 in Failsworth, Greater Manchester Heißt im wirklichen Leben Laura Hollins. Ihr eher schwer auszusprechender Künstler(vor)name entstand in zwei Schritten: Zunächst nahm sie als Hommage an ihre Großmutter deren Name Agnes an, in den ihre esoterikbewegte Mutter die beiden Buchstaben y und s zwecks besseren Karmas hineinreklamierte. Erfolge „Model of the Year 2007“ der London Fashion Week; Coverstar sämtlicher Modemagazine von der US-„Vogue“ über „Elle“ bis zum ­japanischen „Dazed & Confused“; Muse von Henry Holland (House of Holland). Deyn war 2008 das Gesicht von Burberry und ist heuer das Gesicht von Anna Sui. Am Cover der September-Ausgabe von „Harper’s Bazaar“ ist sie als Michael-JacksonLookalike abgebildet.

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„Mein Idol ist die Queen. Mit ihr würde ich gerne einmal Tee und Gebäck nehmen.“ Schon möglich, dass dieser offene Wunsch des britischen Supermodels Agyness Deyn einmal wahr wird. Immerhin hat das Oberhaupt des englischen Königshauses schon so alte Rockhaudegen wie Mick Jagger zum Ritter geschlagen oder mit den Kickern vom FC Arsenal parliert. Da könnte ein Plauderstündchen mit der a ­ ktuellen Catwalk-Queen wohl ebenso amüsant sein. Vor ihrem Besuch bei Königs müsste die britische Schönheit allerdings ein paar Ungereimtheiten in ihrer Biografie klären. Genauer gesagt sind es zwei Punkte, über die man sich in der fabelhaften Welt der Fashionistas nicht einig ist. Erstens: Deyns Alter – ein wunder Punkt in einer Branche, in der Zwanzigjährige mit dem Attribut „alt“ bedacht werden. Offizielles Geburtsjahr ist 1986, gemunkelt wird jedoch, dass sie drei Jahre ­älter sei, also bereits 26. Die Einzige, die das aufklären könnte, ist Deyns Mutter, eine alleinerziehende Krankenschwester aus Failsworth bei Manchester. Doch die kennt zu diesem Thema nur zwei Worte: „Kein Kommentar!“ Zweitens: Wurde das androgyne Model mit dem strohblonden Pixie-Haarschnitt von einem Scout in einem Londoner Hamburgerladen entdeckt? Oder wurde sie von ihrer Oma bei einem Model-Contest avisiert, den sie souverän gewann? Beides Geschichten, die man in der schnatternden Branche ebenso gerne produziert wie neue Stoffe, Muster und Schnitte. Die auffallendste Erscheinung mittendrin, Agyness Deyn, wird sich jedoch hüten, Aufklärendes dazu beizutragen. Nur wer ein Geheimnis bewahrt, ist interessant, da kann die Wahrheit nur Schaden anrichten. Trotzdem ist der schlaksigen Schönen vor vier Jahren das gelungen, was vor ihr nur Ausnahmeerscheinung Kate Moss adelte: Sie enterte die Modewelt mit einem unkonventionellen, punkigen Look. Während klassische Schönheiten wie Bar Refaeli oder Gisele Bündchen nur durch Nuancen voneinander zu unterscheiden sind und Heidi Klum angestrengt versucht, ihre Biederkeit mit der Suche nach Lookalikes via TV als Trend zu manifestieren, hebt sich die Britin einfach

als erfrischend anders von diesem Einheitsbrei ab. Stiefelt privat in orangefarbenen Doc Martens durch die Gegend, kombiniert sich quer durch ihren Kleiderkasten. „Mein Stil“, sagt sie, „hängt von meiner Stimmung ab. Ein bisschen punky, ein bisschen weiblich. Eigentlich schmeiß ich einfach nur zusammen, was gerade sauber ist.“ Da wird wohl einiges zusammenkommen, wenn man für so klingende Designer-Namen wie Gal­ liano, Gaultier, Armani oder Westwood modelt. Und als Muse von Henry Holland gilt, dessen T-Shirts mit Sprüchen im Stil der achtziger Jahre nicht zuletzt dank Deyn zu Kultobjekten wurden. Ikone Moss abgelöst hat sie vor zwei Jahren als neues Gesicht von Burberry. Was dann folgte, war ein Deyn-Hype, der darin gipfelte, dass die britische Fashion-Bibel „i-D“ dem Model eine ganze ­Ausgabe widmete. Zum ersten Mal in seiner fast dreißigjährigen Geschichte! Als Quit­tung für ihre Omnipräsenz wählte die BBC Deyn 2008 wenig charmant zur „Most Annoying Person of the Year“. Egal, denn ein lustiges Leben macht sich die eigenwillige Person sowieso selber. Vier Jahre war sie mit Josh Hubbard, dem Gitarristen der Band The Paddingtons, liiert. Dem folgte ein achtmonatiges Intermezzo mit Strokes-Star Albert Hammond. Ihr aktueller Boyfriend ist mit Miles Kane von The Last Shadow Puppets ebenfalls Musiker. Und auch selbst zeigt das Model, das mittlerweile im New Yorker East Village lebt, rockige Ambitionen. Ihre erste Band Lucky Knitwear war wohl nur Insidern ein Begriff, ihre vor ein paar Monaten gegründete Gruppe Gene Jacket wie­ derum blieb musikalische Beweise vorerst schuldig. Dazwischen aber griff Deyn medienwirksam für die Five O’Clock Heroes zur Gitarre. Als Schauspielerin soll sie sich an der Seite von Jake Hoffman, dem Sohn von Dustin, in „The Right Side of My Exultant Brain“ versucht haben. Darüber wird jedoch nach vollmundiger Ankündigung gerade ­eisern geschwiegen. Egal. Denn – siehe Kate Moss – einmal zur unkonventionellen Stil-Ikone erklärt, überlebt man kleine Niederlagen mit links. Und mit Stil. London Fashion Week: 18. bis 23. September 2009, England


Die Britin Agyness Deyn, das Postergirl der eklektischen Stilelemente, nennt man etwas eingängiger auch „Lady Punk“ oder „Rock ’n’ Roll-Model“ .


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Michael Schumacher Keinen hätte sein Comeback in der Formel 1 gewundert: Der siebenfache Weltmeister ist Racer durch und durch. Wie sehr, wird erst klar, wenn man seine Bike-Karriere mit den Augen seines Team-Leaders Martin Bauer betrachtet. Text: Werner Jessner, Bild: Matthias Schneider

Eine kleine Meldung auf seiner Homepage sorgte für mehr Wirbel als die milliardenschwere Entscheidung eines Weltkonzerns. BMW zieht sich aus der Formel 1 zurück? Wen interessiert’s, wenn am selben Tag der größte Rennfahrer der Geschichte sein Comeback ankündigt? Eine kleine Meldung auf seiner Homepage zwei Wochen später stürzte tausende Menschen, die sich seinetwegen Tickets für den Grand Prix in Valencia gekauft hatten, in Verzweiflung: Kein Comeback, die Probleme mit dem Nacken sind zu gravierend. Beim Training im Vorfeld der heurigen IDM-Meisterschaft war er im Februar vom Motorrad gefallen und hatte sich den 7. Nackenwirbel gebrochen. Darüber hinaus hatte der Atlas was abgekriegt, jener Punkt des Schädels, der auf der Wirbelsäule aufliegt. Genau hier begann es im F1-Auto aufgrund der Fliehkäfte zu zwicken. Das konnte man nicht wissen, man ­konnte die Belastung auch nicht vorher simulieren. „Gereizt hätte es ihn sicher“, meint Martin Bauer, 33, zweifacher IDM-Champion, „zu sehen, wie sich Autofahren nach drei Jahren Pause anfühlt. Aber hätten Ferrari und Ecclestone ihn nicht zu einem Comeback gepusht, wäre er die Saison heuer sowieso bei uns zu Ende gefahren und nicht bei Ferrari.“ Bei uns: Damit meint Martin das kleine Team Holzhauer Racing Promotion, gegründet von einem HondaHändler aus Wittenberge im deutschen Bundesland Brandenburg und einem Rennfahrer aus Eggenberg in Niederösterreich. HRP hat gerade eine Handvoll Mitarbeiter, hier wird selber Hand angelegt. Nichtsdestotrotz ist HRP das erfolgreichste Team in der hochangesehenen Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft mit Superbikes. In den letzten zwei Jahren hat die verschworene Crew mit dem 33-jährigen Brillenträger im Sattel jeweils den Titel geholt. Bekannter wurden die charakteristisch rot-weißen Hondas aber durch Gastfahrer Schumacher. Der war nach einer Tandemfahrt auf einem umgebauten ­MotoGP-Zweisitzer mit Randy Mamola auf den BikeGeschmack gekommen. Eins kam zum anderen, schließlich wollte Schumi eine rennfertige Honda Fireblade von Holzhauer kaufen, weil Martin Bauer in der Meisterschaft führte und ein Schumacher 40

zwangsläufig bei den Besten zu suchen beginnt. „Da haben wir ihn gefragt, ob er sie nicht vorher ausprobieren will, und einen Test am Pannoniaring organisiert, wo er in Ruhe Spaß haben konnte, ohne dass hundert Journalisten Wind von der Sache kriegen. Und so haben wir einen neuen Kollegen bekommen.“ Martin und Michael fanden in der Box rasch die gemeinsame Sprache der Technik. Martin ist Diplomingenieur, geht Probleme rational an und hat außerdem didaktische Qualitäten: Auch bei seinen Fahrtechnik-Trainings zerteilt er Motorradfahren für seine Schüler in theoretische Häppchen. „Außerdem hatten wir sofort Spaß miteinander, die Chemie hat gepasst. Ihm imponiert, wie zielstrebig ich mein Rennfahren betreibe. Da hat er wohl Parallelen gesehen.“ Aus einem Test wurden mehrere, schließlich die ersten Rennen, mittlerweile ist Schumi ein selbst­ verständlicher Teil des Teams, „wir behandeln ihn so, wie wir jeden anderen Piloten behandeln würden. Er kriegt nix geschenkt, es gibt keine Extrawürste, aber wir nehmen ihn als Sportler ernst. Michael hatte Angebote von allen großen Teams. In jedem Werksteam wäre er mit offenen Armen aufgenommen worden, aber er hat die Nestwärme bei uns vorgezogen.“ Richtiges Racing. Für die heurige IDM-Saison hatte sich Schumi viel vorgenommen, „körperlich war er mindestens so fit wie in seiner Formel-1-Zeit“. Dann kam der Unfall. Aus Sicherheitsgründen musste er im Frühling und Sommer pausieren, nur wurde so nix aus dem IDM-Angriff. Wo er denn stünde? Bauer attestiert Schumacher das Potenzial, an einem guten Tag tatsächlich hie und da in die Spitze reinzufahren. „Irre ehrgeizig ist er ja. Und genauso talentiert: Der Mann wäre in jeder Art von Motorsport Weltklasse geworden. Ich kenne keinen, der nach zwei Jahren Motorradfahren so knapp an unsere Zeiten rangekommen wäre wie er.“ Nachsatz: „Vorher war er ja lediglich mit Harleys rumgegurkt.“ Schumacher auf den Spuren von John Surtees, dem einzigen Weltmeister auf zwei und vier Rädern? Bauer: „Man muss realistisch bleiben: Schon ein Laufsieg in der IDM wäre eine gigantische Leistung.“

Name Michael Schumacher Geboren 3. Januar 1969 in Hürth-Hermülheim, Nordrhein-Westfalen Beruf Rennfahrer Laufbahn Kart ab vier Jahren, ­erster Sieg mit fünf. 1985 Junioren-Vize­ weltmeister Kart. 1987 deutscher Meister und Europameister Kart Klasse A/100. 1988 deutscher Vizemeister Formel Ford. 1990 deutscher Meister Formel 3. 1991 Platz 5 in Le Mans (Sauber-Mercedes), erster Formel-1-Start (Jordan, Benetton). 1994 und 1995 F1-Welt­ meister auf Benetton. 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004 F1-Weltmeister auf Ferrari. Rekorde in der F1 WM-Titel (7), Siege (91), Pole-Positions (68), schnellste Runden (76), WM-Punkte (1369), Podestplätze (154), Führungskilometer (24.130) Web michaelschumacher.de



IDM Die Internationale Deutsche Motorradmeisterschaft ist eine nationale Rennserie mit internationalem Anspruch. 2009 umfasst sie acht Rennwochenenden in Deutschland, den Niederlanden (Assen) und Österreich (Salzburgring). Gefahren wird in vier Klassen: 125, Seitenwagen, Supersport (600 ccm) und der Königsklasse Superbike. Hier sind die seriennahen (nicht zu verwechseln mit serien­ mäßigen) Geräte der 1000-ccm-Liga daheim. www.idm.de

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Man soll die IDM nicht gering schätzen. Die Bikes haben über 200 PS bei weniger als 170 Kilo, man fährt mit Slicks, echten Rennfahrwerken, es gibt Telemetrie und ehrfurchtgebietende Zeiten an der Spitze. Jungs wie Bauer, der Deutsche Jörg Teuchert oder der Österreicher Andi Meklau sind, wenn Material und Vor­ bereitung passen, auch in der WM jederzeit für eine Top-10-Platzierung gut. Warum Schumi gerade hier gelandet ist? Die Serie ist einerseits professionell genug, um selbst den Ansprüchen eines siebenfachen F1-Weltmeisters zu genügen, andererseits ist der Druck nicht so hoch, dass die negativen Aspekte die Freude am Eisenreiten auffressen würden. Ein Schumacher ist in seinem Leben schon genug im Flieger gesessen, hat genug Briefings und Debriefings erlebt und zu viele Mikrofone unter der Nase gehabt. In der IDM hat er im Fahrerlager Ruhe, hie und da fragt ihn einer um ein Autogramm oder bietet ihm abends ein Bier an. „Er erzählt oft von seinen Kart-Zeiten, wo man auch selber schraubt, eigenes Geld investiert, sich ­gegenseitig hilft und nur draußen auf der Strecke Gegner ist. Michael fühlt sich in der Motorradwelt sichtlich wohl.“ Positiver Nebeneffekt: Weil er es ist, der hier am Bike sitzt, einer der bekanntesten Menschen der Welt, gibt es weltweite Motorrad-Schlagzeilen, bei denen es nicht darum geht, dass jemand versucht hat, mitten durch ein Auto durchzufahren, oder mit 300 km/h ins Radar geholzt ist. Bauer: „Höchstens wenn der Papst bei uns fahren würde, hätten wir mehr Schlagzeilen.“ Und Schumi denkt nach dem Crash nicht daran, das Biken aufzugeben.

Das Bild des superreichen F1-Stars, der sich einfach kauft, was er zu brauchen glaubt, relativiert sich in der hemdsärmeligen Welt eines Motorrad-Fahrerlagers: „Er hat sich ein großes Wohnmobil angeschaut, eigentlich perfekt, um auch mit seinem Sohn Kart fahren zu gehen, ein Superding. Die 500.000 Euro dafür schienen ihm allerdings nicht angemessen. Darum hat er darauf verzichtet.“ Geld wird dort ausgegeben, wo es das Leben erleichtert. Wenn die anderen mit dem Auto anreisen, kommt Schumi mit dem Hubschrauber. „Nur am Nürburgring konnte er wegen Nebel nicht landen, drum ist er für die letzten Kilometer auf einer Raststation vom Hubschrauber ins Auto umgestiegen.“ Mit der Linken malen. Das etwas verkrampfte Bild, das Schumacher in der Öffentlichkeit oft abgab, kann Bauer im persönlichen Umgang nicht teilen: „Bei uns geht Michael abends nicht als Erster ins Bett.“ Allerdings nimmer er die ­Telemetrie-Ausdrucke von sich selbst und Martin abends mit ins Zimmer, das schon. Hier kommt der harte Arbeiter Schumacher durch, der alles ernst nimmt, was er betreibt. Ist es früher um Sekunden ­gegangen, die zu finden waren, ist er binnen zweier Jahre in der Höhenluft der Zehntel angelangt. „Die letzte Sekunde ist immer die schwerste, vor allem in einer so eng umkämpften Serie. Eine Zehntel pro Runde können im Rennen drei Plätze sein.“ Gewisse feinmotorische Fähigkeiten entwickelt man erst mit der Erfahrung: Wie reagiere ich, wenn das Vorderrad auf diese oder jene Art wegrutscht? Profis wie Bauer ha-


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Weil die Motivation von ganz tief drinnen kommt. In seiner Art zu lernen blitzte immer wieder Genie durch. Schumacher saugte Informationen auf, lernte durch Nachfahren, stellte Zusammenhänge her und reflektierte sein Fahren. Stellte Fragen. Bald wurde er effizient, brauchte weniger Kraft, um am Bock zu bleiben, führte das Bike konstant ans Limit, anstatt Ausreißer nach oben und unten zu produzieren, wie das New­ comer eben tun. Entspannt sein bedeutet schnell sein. Das kann man wissen, muss es aber auch umsetzen können.

Bild: SPORTFOTO WIESSMANN (2)

Weit davon entfernt, ein Hinter­ bänkler zu sein: Michael Schu­ macher auf der Holzhauer-Honda (77) im Fight mit der Kollegenschaft. Rechts trägt er Teamkollegen Martin Bauer auf Händen.

ben diese Muster dank ihrer hunderttausenden Kilometer am Bike verinnerlicht, sie können sie unter allen Umständen abrufen. „In dieser Phase ist er gerade.“ Zuvor aber musste Michael Schumacher seinen Fahrstil völlig umstellen. Die Erfahrung von 249 Grands Prix war plötzlich nichts mehr wert. Das, was Martin Bauer seinem Schützling heute als „runden, sanften Fahrstil“ attestiert, würde in der Formel 1 als unmögliches Gehacke disqualifiziert. Am Motorrad fährt man Kurven nicht so bauchig an, sondern sticht rein, legt um und beschleunigt möglichst früh und brutal wieder raus. Im Auto nimmt man Schwung mit. Bremspunkte waren nicht mehr da, wo Schumi sie vermutete, sondern viel früher. Außerdem musste er lernen, seinen Körper einzusetzen und mit Gewicht zu lenken, im Auto ein aussichtsloses Vorhaben. Nicht einmal die Warnsignale seines Geräts konnte er am Anfang deuten: „Achtung, Limit!“ artikuliert ein Formel-1-Auto anders als ein IDM-Bike. Schumacher hat das neue Vokabular schnell gelernt, schneller als jeder andere. Nur auf der Uhr wäre die Umstellung unter Umständen gar nicht aufgefallen: „Er war von Anfang an schnell, bloß ist er grausam in der Gegend rumgefahren.“ Diese Herausforderung anzunehmen, alles neu, und zwar gründlich, von Anfang an zu lernen, das ist mühsam. Stellen Sie sich vor, Sie wären ein rechtshändiger Maler und dürften den Pinsel ab sofort nur mehr mit der Linken führen: Genau das hat Michael Schumacher, ein Mann, der mehr erreicht hatte als alle anderen, statt seiner Pension gemacht. Warum? Weil es Spaß macht. Das ist das ganze Geheimnis.

Was bringt’s? Materialtests macht er inzwischen mit der Routine eines Profis: „Wenn Michael sagt, dass dieser oder jener Reifen nix bringt, dann weiß ich, dass ich ihn nicht mehr probieren muss. Nur wenn er unsicher ist, bilde ich mir eine eigene Meinung. Er versucht immer, das Maximum aus jedem Testtag, aus jeder Testsession zu holen, und will das Bike so weit wie möglich bringen.“ Im Rennen begann er bald, nicht defensiv nach hinten zu schauen und seine Position gegen die Langsameren zu verteidigen, sondern pushte nach vorn. Einmal Racer, immer Racer. In der Formel 1 war Schumacher gewohnt, die Nummer 1 im Team zu sein. Bei Holzhauer ist er es nicht. Akzeptiert er das? „Klar hat er das Ziel, mich ­eines Tages zu schlagen. Aber natürlich akzeptiert er, dass ich momentan schneller bin, wenn ich nicht gerade verletzt bin, um die Meisterschaft kämpfe und daher Vorrang habe. Er ist es, der sagt, bringt zuerst euren Kram in Ordnung. Wenn dann noch Zeit ist, kümmert euch um mich. Michael ist als Teamkollege Sportler, nicht Politiker. Der Schnellere hat das Anrecht auf das bessere Material, so sieht er das.“ Außerdem bringt der siebenfache Weltmeister Anregungen aus seiner Welt ein: „Er will viel vom Lenker aus ändern können, wie er es aus der F1 gewohnt ist. Auf seine Idee hin haben wir eine Verstellung der Zugstufe des Dämpfers per Handrad vom Lenker aus konstruiert. Das funktioniert, und du musst nicht in die Box, um das Setting zu verändern. Wir hätten diese Idee aus Betriebsblindheit nicht gehabt.“ Erfolg ist die Summe von Kleinigkeiten, wer wüsste das besser als er. Wäre Schumacher in die F1 zurückgekehrt, hätte er einiges aus der IDM eingebracht: „Er hat gesehen, wie sicher die Formel 1 ist. Ich könnte mir vorstellen, dass seine Risikobereitschaft dadurch gestiegen ist. Er musste in Silverstone im Auto mit 200 in die Reifenstapel einschlagen, um sich das Bein zu brechen. Am Motorrad schaffst du das, wenn du mit 50 km/h runterpurzelst und blöd fällst.“ Wäre er durch sein Motorrad-Engagement ein besserer Formel-1-Fahrer geworden? „Er hat bei uns sicher nix gesehen, was völlig neu für ihn gewesen wäre. Vielleicht hat sich seine Betrachtungsweise geändert. Ich glaube schon, dass ihn das Motorradfahren lockerer gemacht hat. Und dass es seinen Alterungsprozess verlangsamt hat.“ Hätte er Schumi gern wieder in der F1 gesehen? Martin Bauer: „Wer hätte das nicht?“

Name Martin Bauer Geboren 30. Dezember 1975 in Mödling, Nieder­ österreich Wohnort Eggendorf/NÖ Beruf Rennfahrer, Motorradshop-Besitzer Laufbahn HTL, Fachhochschule, erstes Rennen 1997 (Pannoniaring). Kawasaki-Cup, ÖM Superstock, IDM Superstock. 2001 bis 2004 IDM Supersport. Ab 2005 IDM Superbike, IDM-Superbike-Meister 2007 und 2008. 2009 rekonvaleszent nach Sturz mit Kahnund Mondbeinbruch. Web www.bauerracing.at

Sebastian Vettel und die F1-Stars: redbulletin.com/f1/de

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Quentin Tarantino gilt als intellektuelles Enfant terrible Hollywoods. Sein jüngster Film „Inglourious Basterds“ bestätigt dieses Klischee. Tut er das wirklich? Interview: Christian Aust, Bild: Nicolas Guerin/Corbis

Name Quentin Jerome Tarantino Geburtsdatum/-ort 27. März 1963, Knoxville, Tennessee Wohnort Los Angeles Beruf Regisseur, Schauspieler, Autor, Produzent IQ 160 Erfolge Oscar, Golden Globe, Goldene Palme. Nominiert für Emmy und Grammy Web www.inglourious­ basterds-movie.com

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RED BULLETIN: „Inglourious Basterds“ eilt die Anekdote voraus, er wäre ohne den österreichischen Schauspieler Christoph Waltz nie entstanden. Stimmt das wirklich? QUENTIN TARANTINO: Das stimmt. Ein paar Tage vor Drehbeginn hatte ich immer noch keinen Schau­ spieler gefunden, der diese Figur spielen konnte. Aber diese Rolle ist die Schlüsselfigur des ganzen Films! Ich war kurz davor, die ganze Sache abzu­ blasen und mein Script als Buch zu veröffentlichen. Bis dahin hatte ich nur mein eigenes Geld investiert. Das Filmstudio hätte keinen Schaden erlitten. Dann kam Christoph praktisch in letzter Sekunde zum ­Casting. Und wir wussten sofort: Das ist er! Jetzt ­können wir loslegen. Am letzten Drehtag sind Sie, noch während die Kamera lief, um die letzte Szene zu filmen, auf mysteriöse Weise verschwunden. Sie flogen ­zurück in die USA. Zurück blieb ein Ensemble ­aufgelöster und unglücklicher Schauspieler. Was haben Sie sich denn dabei gedacht? Wissen Sie, ich kann mich einfach sehr schlecht ver­ abschieden. Ich mag es nicht, Lebewohl zu sagen. ­Besonders wenn ich mit einer Gruppe von Menschen ein so einzigartiges Abenteuer erlebt habe. Ich wünschte, Dreharbeiten würden nie aufhören und wir könnten am Ende feiern, als sei es eine ganz ­normale Feier und kein Abschied. Bei Ihren Dreharbeiten wird angeblich sowieso viel gefeiert. Nicht nur zum Abschied. Ja, wir feiern am Ende jeder Woche eine Party. Das ist Tradition. Aber eine Abschiedsparty? Das kann ich überhaupt nicht. Vielleicht bin ich ein emotionaler Krüppel. Oder sagen wir besser: emotional unreif. Wenn ich in solche intensiven sentimentalen Situa­ tionen gerate, weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Dann gehe ich lieber, bevor mich am Ende noch jemand weinen sieht. Haben Sie im Flugzeug ein paar Tränen ver­gossen? Könnte schon sein. Aber wie hört sich das denn an, wenn ich es Ihnen hier erzähle? Ich mag es auch

nicht, am Ende Bilanz zu ziehen. Diese Dreharbeiten waren so reich an tollen, intensiven Gefühlen. Ich bin dann überfordert. Zumal wir bis fünf Uhr mor­ gens gearbeitet hatten. Eine andere Variante ist die, dass ich vom Drehort verschwinde und dann später – ganz spät – auf der Abschiedsparty auftauche, ­obwohl es mir schwerfällt. Aber das ging diesmal nicht. Ich bin nicht stolz darauf, glauben Sie mir. Ich wünschte, ich wäre etwas erwachsener, um stil­ voll damit um­zugehen. Ich hasse einfach das Ende von Dingen. Wer hätte gedacht, dass Sie so sensibel sind? Sie hätten mich mal bei der ersten Filmvorführung von „Inglourious Basterds“ für die Filmcrew sehen ­sollen. Da war ich auch sehr gerührt. Aber da war es okay, weil es nicht das Ende war. Wie ist Quentin Tarantino dann erst, wenn er verliebt ist? Wie kommen Sie denn jetzt darauf? Wenn Sie bei Ihren Filmen schon so leidenschaftlich und voll von Gefühlen sind, wie ist es dann, wenn Sie eine Frau anbeten? Oh, wenn ich verliebt bin, bin ich sehr leidenschaft­ lich. Und am allerglücklichsten bin ich, wenn ich ­verliebt bin. Sind Sie gerade verliebt? Kein Kommentar … (Lacht.) Im Vergleich zu den wilden Gewaltorgien Ihrer früheren Filme ist dieser hier regelrecht soft. ­Werden Sie mit dem Alter etwa langsam milde? Kein bisschen. Und ich habe auch vorher nie einen Film mit dem Vorsatz begonnen, ihn möglichst brutal zu inszenieren. Das ergab sich einfach so ganz orga­ nisch aus der Geschichte. Meine Figuren mussten ­erledigen, was zu tun war, wenn Sie verstehen, was ich meine. Der Grad an Gewalt in meinen Filmen war immer absolut angemessen für das, was ich erzählen wollte. Und ausgerechnet Ihr Kriegsfilm wird dann ­weniger brutal? Ich wollte unbedingt die üblichen Kriegsfilmklischees


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Wovon  träumen Sie? Ich möchte einmal für das Kino so bedeutsam sein wie Bob Dylan für die Musik und das Songwriting.

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credits

Ihre  Filme  sind ziemlich  brutal. Wie  sind  Sie  im wirklichen  Leben? Wenn mir jemand blöd kommt, kann ich ganz schön gewalttätig werden.

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bilder: Universal/dfd-images (2)

„Inglourious Basterds“ spielt im besetzten Frankreich während des Zweiten Weltkrieges. Weibliche Racheengel, jüdische Killerkomman­ dos, durchgeknallte Offiziere, Schund, Dra­ ma und große Themen. Mit Brad Pitt (ganz re.), Christoph Waltz (li.), Michael Fassbender, Da­ niel Brühl, Til Schweiger und Diane Kruger.

vermeiden. Und so ganz ohne Gewalt geht es in ­diesem Film ja nun auch nicht. Es hört sich ja bei­ nahe so an, als hätte ich eine romantische Komödie gemacht … Ich weiß auch nicht. Wenn ich schreibe, bewege ich mich auf einer Art metaphorischem ­Highway. Da gibt es Abzweigungen, Umwege oder Abkürzungen. In vielen Genrefilmen existieren aber vor allen Dingen Straßensperren. Es heißt dann: In diese Richtung können wir unmöglich fahren, die Konsequenzen aus dieser Handlung wären untrag­ bar. In meinen Filmen existieren diese Straßen­ sperren nicht. Ich habe sie immer ignoriert. Meine ­Charaktere führen mich. Ich folge ihnen, wo immer sie auch hinmarschieren. In Berlin hat man jetzt eine Straße nach Ihnen ­benannt. Wie fühlt sich das an? Na toll natürlich! In meiner Heimat ist mir so eine Ehre noch nicht zuteil geworden. Ich bin sehr stolz, weil ganz in der Nähe auch der Billy-Wilder-Platz liegt. Nach Billy Wilder ist in Babelsberg sogar eine Hamburgerbude benannt worden. Zuerst glaubte ich, es sei eine ganze Hamburgerkette. Und ich dachte: Wie grandios sind denn diese Deutschen – benennen eine ganze Hamburgerkette nach Wilder … (Lacht.) Man hat den Eindruck, Sie atmen, essen, leben Film 24 Stunden am Tag. Bleibt da überhaupt noch Raum für andere Dinge in Ihrem Leben? In meinem Leben passieren sogar sehr viele Dinge, die nichts mit Kino zu tun haben. Die Frage impliziert ja so ein bisschen, ich sei oberflächlich und interes­ sierte mich für nichts anderes. Aber erstens bin ich ein Künstler, und mein Ausdrucksmittel ist Kino. Und zweitens bin ich ein Filmexperte, ein Autodidakt zwar, aber ein Experte. Und Sie haben ja recht. Da stellt sich die Frage: Bleibt da noch Zeit für anderes Leben? Darauf kann ich nur antworten: Kino ist mein Leben. Und für mich ist es ein wundervolles Leben. Sie haben keine bizarren Hobbys? All meine Hobbys haben etwas mit Film zu tun. Ich bin ein Sammler. Ich sammle Filmposter, Filmkopien

und Schallplatten. Aber das ist Ihnen bestimmt nicht bizarr genug. Neulich fragte mich mal eine spanische Journalistin, was die beiden letzten Dinge seien, die ich tue, bevor ich zu Bett gehe. Und ich musste rich­ tig lange darüber nachdenken. Das eine ist nämlich Schweinekram, und das konnte ich ihr ja schlecht ­erzählen … (Lacht.) Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich mir die Zähne putze, aber meistens schlafe ich vor dem Fernseher ein. Aber es gibt eine Sache, die ich garantiert jeden Morgen erledige: Ich gehe ins Bad, um zu pinkeln. Für die kultverdächtigen Soundtracks Ihrer Filme verwenden Sie ausschließlich Titel aus Ihrer ­legendären Schallplattensammlung. Haben Sie ­inzwischen ein eigenes Haus für die Sammlung angemietet? Meine geliebte Schallplattensammlung! Sie ist ­wirklich großartig. Ich habe tatsächlich ein ganzes Zimmer in meinem Haus, in dem ich ausschließlich Schallplatten lagere. Wie andere Menschen eine ­Bibliothek einrichten, habe ich mir eben ein Schall­ plattenzimmer eingerichtet. Ich habe es wie einen Second-Hand-Schallplattenladen gestaltet. Und da sitze ich dann und sehe mir mit leuchtenden Augen meine Schätze an. Gibt es etwas, was Sie in letzter Zeit im Kino beeindruckt hat? Ich saß neulich in einem sehr traurigen Film. Und als ich mich im Dunkeln so umsah, merkte ich, dass viele Zuschauer weinten. Sie liebten die Protagonistin so sehr, dass sie Tränen vergossen! Das hat mich wieder einmal beeindruckt. Es ist immer ein ganz besonderes Erlebnis, so was zu sehen. Wenn Ihnen das so gut gefällt, sollten Sie vielleicht auch einmal einen richtig traurigen Film drehen. Na ja, es gab Menschen, die am Ende von „Kill Bill: Vol. 2“ geweint haben, als David Carradine stirbt. Ich habe also auch schon Zuschauer zum Weinen ­gebracht!

Filmographie Reservoir Dogs (1992) Rhythm ’n’ Blues, abge­ säbelte Ohren und eine farbenfrohe GangsterGang. Tarantinos erste eigene Regiearbeit, nach der jeder mit dem Independent-Genie arbeiten wollte. True Romance (1993) Eine Kino-Perle der Neunziger von Tony Scott. Das Drehbuch aus Quentins Feder zeigt bereits zentrale Koordinaten seines Referenzkosmos: Elvis, Comics und Kung-Fu. Natural Born Killers (1994) Das Drehbuch schrieb Tarantino gemeinsam mit Jugendfreund Roger Avary, distanzierte sich aber später von Regis­ seur Oliver Stones psy­ chedelischer Blutoper. Pulp Fiction (1994) Der Knüller. Nonlineare Erzählweise, sorgfältig selektierter Surf-undSoul-Soundtrack, mes­ serscharfe Dialoge. Ausgezeichnet mit sieben Oscars und Goldener Palme.

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Death Proof, 2007 True Romance, 1993

Pulp Fiction, 1994 Reservoir Dogs, 1992

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Kill Bill II, 2004

Jackie Brown, 1997

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Heroes

bilder: Cinetext Bildarchiv (3), defd (2), gepa-pictures, Rex Features, Süddeutsche zeitung/Rue des Archives,

„Meine Hobbys haben alle mit Film zu tun“, spricht der Meister. Seine Mitarbeit bei den Taurus World Stunt Awards muss dann wohl als Hobby gelten. Was war dann der Besuch bei der Formel 1 als Gast von Red Bull Racing?

Je länger man sich mit Ihnen unterhält, desto mehr gewinnt man den Eindruck, hinter der wilden Fassade von Quentin Tarantino schlummert ein echter Romantiker. Ein wilder Romantiker. Niemand wird es mir glauben, aber es gibt tatsächlich auch noch andere Dinge in meinem Leben als Film und Musik. Na ja, nicht viele, aber sie existieren. Wenn ich in Paris bin, gehe ich zum Beispiel unheimlich gern ins Museum. Und mein Lieblingsmuseum ist das Rodin-Museum. Kann Kino die Welt retten? Auf jeden Fall! Und in meinem neuen Film „Inglouri­ ous Basterds“ ganz konkret. Sie werden schon sehen. Mehr will ich hier aber noch nicht verraten. Ihre Filme sind ziemlich brutal. Wie gewalttätig sind Sie eigentlich im wirklichen Leben? Was ist das denn wieder für eine Frage?! Wenn mir jemand blöd kommt, kann ich ganz schön brutal ­werden. Sie brechen Ihren Kontrahenten Beine? So weit gehe ich nicht. Aber wenn es ein Bein zu ­brechen gäbe, würde ich es wahrscheinlich eher selbst tun, als irgendwelche Gorillas zu bezahlen, ­damit sie den Auftrag für mich erledigen … (Lacht.) Ist es ein schönes oder ein unangenehmes Gefühl, einen neuen Film in die Kinos zu bringen? Einen Film in die Kinos zu bringen ist immer ein wenig so, als würde ich mich von einer Freundin trennen. Danach muss ich mich erst einmal wieder erholen, um bereit für die neue Freundin zu sein, also mit einem neuen Projekt loszulegen. Als Sie vor vielen Jahren in Videotheken jobbten und von einer Karriere als Regisseur träumten, war der Traum so groß wie der, den Sie jetzt ­leben? Es klingt verwegen, aber ich war mir sicher, dass ich künstlerisch bis zu diesem Punkt kommen würde, an dem ich mich jetzt befinde. Ich war mir nur nicht sicher, ob ich auch Erfolg haben würde. Natürlich war genau das meine große Hoffnung. Wissen Sie, eine der

wichtigsten Inspirationsquellen in meinem Leben war immer Bob Dylan. Ich saß damals in der Videothek und dachte: Ich möchte einmal für das Kino so bedeutsam sein wie Bob Dylan für die Musik und das Songwriting. Und, sind Sie es? Das habe ich nicht gesagt. Gut, ich neige zu Über­ treibungen. Aber das wäre ja wirklich etwas vermes­ sen. Was ich sagen will, ist: Ich wollte mehr sein als nur ein arbeitender Regisseur. Obwohl ich damals davon ausgehen musste, nur Cineasten ein Begriff zu sein, wenn ich Glück hätte. Mein konkretes Ziel war, so bekannt zu werden, wie Brian De Palma in den Siebzigern war. Aber natürlich träumte ich von sehr viel mehr. Vielleicht war ich ein bisschen größenwahnsinnig. Die Heldinnen in Ihren Filmen sind häufig Frauen, die sich grausam an Männern rächen. Wann sind Sie das letzte Mal von einer Frau verprügelt worden? (Lacht laut.) Ich bin noch nie von einer Frau ver­ prügelt worden! Jedenfalls von keiner Frau, die ich nicht dafür bezahlt hätte, mir den Hintern zu ver­ sohlen …(Kichert.) Kleiner Scherz. Nein, ich hatte keine Raufereien mit Frauen. Nicht einmal in der Schulzeit. Und das, obwohl ich in Los Angeles auf eine Schule in einem gewaltdominierten Stadtteil ­gegangen bin. Ich kann Ihnen sagen, einige meiner Klassenkameradinnen waren riesig für ihr Alter und echt furchteinflößend. Trotz der ganzen Gewalt in Ihren Filmen sieht man sehr deutlich, wie sehr Sie Frauen verehren. Ich liebe Frauen! Fragen Sie jede Person, die mich näher kennt, und man wird Ihnen bestätigen, dass ich ein echter Gentleman bin. Und ich finde weibliche Hauptdarstellerinnen viel spannender als männliche. Und ich persönlich sehe sie auch viel lieber auf der Leinwand. Sie sind viel aufregender und cooler.

Four Rooms (1995) Exaltierter Episoden­ film, der mittlerweile „Dinner for One“ als Silvester-Film den Rang abläuft. In „The Man from Hollywood“ schwingt Quentin selbst das Hackebeil. Jackie Brown (1997) Elegante Fingerübun­ gen an der Stilform des BlaxploitationKinos. Kostbar: Pam Griers (ehedem „Foxy Brown“-Titelheldin) unangestrengtes Spiel in Tarantinos kühlem Genre-Remix. Kill Bill I + II (2003, 2004) Meditationen über die Rache mit Uma Thurman, Taran­tinos „Marlene Dietrich“. Makabrer ­Italo-Eastern, elegisches Antihelden­ epos und womöglich sein Meisterwerk. Death Proof (2007) Hommage an die BMovies der Siebziger. Ursprünglich geplant als Kombipack-Release „Grindhouse“, im Verein mit „Planet Terror“ von Partner in Crime Robert Rodriguez („From Dusk Till Dawn“, „Sin City“). Brutal lustig.

Inglourious Basterds zum Hineinschnuppern: redbulletin.com/tarantino/de

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Action Ganz schÜn was los: Was uns diesen Monat bewegt.

bild: Olivier Laugero/Red Bull Photofiles

52 MTB-Downhill-Roadtrip 58 Schottenrock mit Twin Atlantic 64 Historischer Fussball 70 Red Bull X-Alps


Im Anflug auf Monte Carlo: Fast genau 240 Stunden nach dem Start in Salzburg kommt der Sieger Christian „Chrigel“ Maurer per Gleitschirm am Ziel der Red Bull X-Alps an.

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Action

on/off Road Trip Das Leben eines Downhill-Profis stellt man sich in etwa so vor: Racing, Party, Chicks, immer das neueste Material, Gratis-Liftkarten, und am Sonntag 足jubeln einem alle zu. Wir 端berpr端fen das Klischee und gehen eine Woche lang mit dem schwarzen DoppeldeckerBus von MS Evil Racing auf Tour. Unser Roadtrip f端hrt von Maribor nach Schladming, weiter zum Feuerkogel bei Ebensee, um zum Schluss den Semmering unsicher zu machen. Anstelle des Original-Teamriders Filip Polc ist die kanadische Freeride-Legende Thomas Vanderham mit von der Partie. Begleiten Sie uns auf einer Woche on the road zwischen Racing, Chillen, Grillen und einem Kartenspiel namens Asshole.

Steve Smith (CAN)

Matti Lehikoinen (FIN)

Bilder: Mattias Fredriksson

Thomas Vanderham (CAN)

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Stevie @ Maribor

Der Jüngste im Team holt mit Platz 7 das beste Ergebnis für MS Evil, sieben Hundertstel vor Teamkollege Matti Lehikoinen. Tausende Zuseher säumen den Hausberg Pohorje, am Rock Garden herrscht Konzert-­ Atmosphäre. Die Leute hier lieben Stevies Style. Mit noch nicht einmal zwanzig Jahren ist er bereits am Weg zum Publikumsliebling.


Action

Thomas @ Feuerkogel

Bei Ebensee hat eine Handvoll enthusiastischer Locals einen Berg befahrbar gemacht. Der Trail ist steil und steinig, im Regen oft an der Grenze der Fahrbarkeit. Thomas Vanderham, kanadische Freeride-Legende und Star in über zwanzig Videos, ist hier in seinem Element. Matti und Stevie irritiert die Fahrzeit von gut und gern 15 Minuten, das sind sie einfach nicht gewohnt. Thomas’ Respekt vor den Racern ist dennoch enorm: „Sie zwingen mich, ihr Tempo zu gehen.“ In Maribor hatte ­Thomas die Final-Quali nur um einen einzigen Platz verpasst. Er gilt mit Fug und Recht als einer der besten Allrounder des Planeten.


MS Evil @ Bus

Christian „Woodman“ Schandl, bärtige Seele des bösen Busses. Offizieller Titel: Chefmechaniker. Das aber beschreibt nur einen geringen Teil seiner Arbeit. Christian ist das Funktionieren. Seine „Prinzessinnen“ spielen derweil im Obergeschoss Ass­hole. Genau das möchte man bei diesem Kartenspiel eher nicht werden, sondern lieber President, Vice-President oder wenigstens ViceAsshole. Während der Woche werden die Positionen mehrfach wechseln. Am Montag hat es zu regnen begonnen, ein geplanter Abstecher zum Schöckl fällt ins Wasser. Schladming ist eine gigantische Schlammschlacht. Dennoch haben die Jungs so viel Spaß wie schon lange nicht. Matti spricht überhaupt vom „lustigsten Tag des ganzen Sommers“. Wie sich’s für brave Buben gehört, wird beim Abwaschen zusammengeholfen.

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Action

Ride & Drive

In Schladming wohnen wir bei Maria, einer Downhill-Mum reinsten Wassers. Tochter und jüngerer Sohn fahren beide selbst. HardcoreSchmutzwäsche? Kostet sie ein Lächeln. Frühstück? Perfekt. Die Jungs am Feuerkogel hingegen empfangen uns mit einem 53er-VWBus und kaltem Bier. Wohin wir auch kommen, freuen sich die Menschen und hängen sich lose an. Jeder ist willkommen, die Liebe zu diesem wunderbaren Sport eint Profis und Ama­teure. Im Teambus machen sich allmählich erste Gerüche breit.

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Matti @ Semmering

Endlich wieder Wireless LAN, endlich wieder Facebook, endlich Mails checken, ohne USB-Modems schnorren zu müssen. Der Downhiller ist ein Kosmopolit, kein Wunder bei jährlich 25 Rennen auf fünf Kontinenten. Gestern sind wir nach einem ausgedehnten Barbecue bei RooX-André in Gmunden noch in der Nacht auf den Zauberberg gefahren, Ankunft zwei Uhr früh. Der Regen lässt nach, langsam wird es trocken. Matti kennt den Semmering sehr gut, sein Streckenrekord vom Austria Extreme Cup aus dem Vorjahr ist noch aufrecht. Der Tag endet, wie Tage hier heroben am Berg gern enden: spät in der Zauberbar.

MS Evil Racing beim UCI Mountainbike World Cup: 18. bis 20. September 2009, Schladming, Österreich


Action

Schottenrock mit  Bart Bei Schottlands legendärem „T in the Park“-Festival durchlebten Twin Atlantic aus Glasgow in diesem Sommer ein triumphales Heimspiel. Eine Geschichte über Blut, Schweiß und üppiges Gesichtshaar einer Band, die den Karriere­ sprung von wohlwollend bemerkten Underdogs zu umjubelten Helden geschafft hat. Text: Tom Hall, Bilder: James Pearson-Howes

I

m Queen’s Park an Glasgows Südseite künden ausgewaschene Ziegel und erodierter Sandstein von einem Versprechen, das die Wolken zuverlässig halten. Es regnet. Es regnet viel in Glasgow. Die Entschlossenheit des heutigen Niederschlags scheint aber sogar die Einheimischen zu überraschen. Vier magere Figuren, alle frühe zwanzig, hetzen die weiten Straßen entlang, von Vordach zu Vordach, von Hauseingang zu Hauseingang. Kapuzenpullis und Lederjacken sind rund um desorientiertes Haupthaar und – bei z­ weien von ihnen – um wuchsfreudige Vollbärte arrangiert. In Kombination mit den meteorologisch nicht hundertprozentig begründbaren RayBans erinnern sie an eine Spezialeinheit schlecht verkleideter ­Indie-Geheimagenten, freilich eine wenig furchteinflößende. Es ist nicht ganz der Start unserer Minitour durch Glasgow, den wir geplant hatten. Aber wohl der, den wir hätten erwarten sollen. „Der Bart ist keine Stilfrage“, erläutert Gitarrist Barry McKenna, nur halb im Scherz, „er hält dich bei Glasgow-Wetter warm.“ In seiner brummigen Teddybärigkeit ist er die Antithese zum ­unterernährt-anämischen Leadsänger Sam McTrusty, dessen ­modische Hauptaccessoires tiefgründige Blicke und die perfekt fallende Frisur sind. Auf der Flucht vor dem Regen treffen Barry und Sam in einer lokalen Kaschemme Bassist Ross McNae und Drummer Craig Kneale. McNae, kein großer Redner, verbirgt sich hinter strähnigen Locken und dem bereits erwähnten Bart. Kneale konterkariert die animalische Energie, die er bei „T in the Park“ aus seinem Drumset geprügelt hat, mit feinem, selbstironischem Humor. Rückblende: Zwei Tage vor ihrem Auftritt bei T in the Park liegt die Band in den untypisch trockenen Wiesen von Balado ­herum, einem Ort in der Nähe von Kinross, Schottland. Von Hügeln eingerahmt, bietet die malerische Landschaft bei angenehmem Wetter ein zauberhaftes Panorama, das jedermann dazu einlädt, darin bis zum Kotzen Partys zu feiern. „T in the Park hat ein bisschen was von einem Flüchtlings­ lager“, sagt ein schläfriger McNae, „nur dass alle besoffen sind und Unmengen Geld ausgeben.“ Die Band ist gerade 450 Meilen (rund 725 Kilometer) in einem vollgestopften Minivan von Guildford hierher gefahren – in einer Nacht. Überflüssig zu er58

wähnen, dass nicht jeder richtig wach ist. Andererseits ist Craig Kneale auch nicht jeder. „Backstage kriegt man einen Gratishaarschnitt und eine Massage. Da müssen wir hin!“, sagt er, ganz hibbelig vor lauter Enthusiasmus. Die luxuriösen Ausschweifungen des Rockstar­lebens erreichen eine Band wie Twin Atlantic, die erst den äußersten Zipfel des großen Mainstream-Ruhms zu fassen bekam, vorerst nur in homöopathischen Dosen. Dabei hat ihr Hardcore-getränkter Pop-Punk für Behirnte durchaus jenes gewisse Etwas, das die breite Masse in ihren Bann zieht – diese Balance aus mächtigen Refrains und doppelbödigen Lyrics, deren Sinn sich erst beim dritten oder vierten Anhören ­erschließt. Ihr eingängiger Sound, eigen­ständig und doch vertraut wirkend, wird im breitesten schottischen Slang dargebracht und führt dazu, dass sie man sie beim Festival wie heimkehrende Helden begrüßt. McTrusty ist der Posterboy, der die kleine Gruppe von Fans in kollektive Verzückung versetzt. Während er von der Seite der Bühne aus seinen schottischen Landsleuten Sucioperro zusieht, kommen Teenager in Twin-Atlantic-T-Shirts, um ihm High Five anzubieten. Ein paar Burschen wollen wissen, wer für ihn die ­allerbeste schottische Band aller Zeiten ist. „Irgendwas zwischen Mogwai und Biffy …“, antwortet er. Die Mädels deponieren ihre Bestellungen für die Show. „Grüß Aberdeen“, betteln sie über den Zaun. McTrusty gibt sich kumpelhaft. Es ist spürbar, dass das bizarre Anbetungsritual ihn befremdet und ihm zugleich schmeichelt. „Ich hoffe, das wird nie selbstverständlich für mich sein. Ich hoffe, ich werde immer …“ „… die Hosen voll haben?“, hilft McNae aus. „Nein, ich hoffe, ich werde immer so aufgeregt sein“, sagt er, in Gedanken schon beim 19.45-Uhr-Termin auf der Red Bull Bed­ room Jam Futures Stage. Ist die Show heute Abend also etwas Besonderes im Vergleich zu anderen Auftritten? „Na ja, so viele schottische Landsleute wie bei T in the Park hat man eben selten um sich. Darum herrscht hier auch so eine Partyatmosphäre, und darum sprengt sich auch jeder so weg. Es ist genau dieses eine Mal im Jahr, wo alle Welt zu uns kommt.“


Im Hintergrund: das beste Eisgesch채ft Glasgows. Im Vordergrund: die dazupassende Band. Von links nach rechts: Craig Kneale, Ross McNae, Sam McTrusty und Barry McKenna.


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„Der Bart ist keine Stilfrage“, erläutert Gitarrist Barry McKenna, einer der beiden üppig Gesichtsbehaarten der Vier-Mann-Band, „er hält dich bei Glasgow-Wetter warm.“

Der Backstagebereich hat mit erdiger Heimatverbundenheit nur am Rande zu tun. Im Cateringzelt steigt sich die Pop-Upperclass auf die Zehen. Die Veteranen von The Specials b ­ ilden einen elitären Zirkel, dessen Exklusivität durch mit „Specials“ beschriftete Trainingsjacken unterstrichen wird. Ein etwas reserviert wirkender Brandon Flowers von The Killers hat sich unter die Massen gemischt, unbehaglich wie ein Junge, dem das Geld für das Mittagessen geklaut wurde. Und Katy Perry zeigt größeres Interesse am Buffet als an der von allen Beobachtern herbeigesehnten Konfrontation mit der ebenfalls anwesenden Lady Gaga. Zuerst kommt das Essen, Zickenkriege können warten. Alles ist neu und aufregend, doch Twin Atlantic sind gut darin, einen Gang hinaufzuschalten, wenn es die Situation erfordert. Schon kurz nach ihrer Gründung 2007 entwickelte sich die Band zu Favoriten der Glasgower Szene. Noch zu Weihnachten desselben Jahres erschien ihre Debütsingle. Es folgten Auftritte als Vorband von The Subways und Biffy Clyro, ehe sie von den Smashing Pumpkins persönlich als Support Act für deren Show im Glasgower SECC ausgewählt wurden. Im Februar 2009 unterschrieb die Band bei Red Bull Records und begab sich nach L. A., um dort ihr Mini-Debütalbum „Vivarium“ aufzunehmen. Der ­Titel bezieht sich, erklärt Sam, auf eine künstlich geschaffene und doch organische Umwelt – so wie sie im Glashaus oder in ­einem Aquarium herrscht. „Anfangs fanden wir nur das Wort cool. Aber es war auch mit einer Bedeutung für uns als Band aufgeladen: Wir haben uns ja eine Art künstlicher Umgebung geschaffen, in der unsere Musik wachsen kann. Das Artwork zeigt ein Vivarium, das jemand in Stücke geschlagen hat. Denn dieses Album ist auch für uns so ­etwas wie ein Neustart. Wir hatten Songs über Freundinnen und dergleichen satt und wollten lieber Nummern mit tiefgründiger Story und universelleren Themen schreiben.“ Ein Blick auf die Track List bestätigt diese Behauptung: „Human After All“ ist eine Tirade gegen die Diskriminierung von Frauen, während „You’re Turning into John Wayne“ die Amerikanisierung der Popkultur aufs Korn nimmt. Und worum geht es in „Caribbean War Syndrome“? 60

„Öhm, nun ja, einige unserer Songs haben ihre Wurzeln in ­ lbernen Insider-Witzen. Es gab da einen Gitarrenriff, den Barry a nicht richtig hinbekam. Ich habe dann spontan ,If you like the Caribbean‘ dazugesungen. Das hat vom Rhythmus her gepasst, und ihm hat es als Gedächtnisstütze geholfen. Das fand ich so witzig, dass ich dann einen ganzen Song drum­herum geschrieben habe. Ich hatte gerade Ernest Hemingways ,In einem anderen Land‘ gelesen, in dem sich alles um Krieg dreht. Aus­ gelesen habe ich es aber nicht … das geht mir immer so mit Büchern.“ Als sich die Showtime nähert, trägt die Band grüne Gesichtsfarbe für den Gig auf – eine Referenz an das grüngefärbte Cover ihres demnächst erscheinenden Albums. „Sollte das jetzt so ­rüberkommen, als wäre es eine total kranke Idee, die uns gerade

Vivarium „Step back!“, schleudert Sänger Sam McTrusty den Hörern gleich zu Beginn der CD „Vivarium“ um die Ohren. Eine Begrüßung der anderen Art. Das Schlagzeug rumpelt, die Gitarre jault. Doch schon innerhalb weniger Sekunden transformiert Letztere das Feedback in ein eingängiges Riff, das Herzen zu spalten vermag. So sind Twin Atlantic nun mal. Ständig balancierend zwischen jugendlicher Wut und harmonischer Wonne, zwischen Härte und Herzschmerz. Ein stimmiger Drahtseilakt, den die schottische Band in ihrer erst zweijährigen Bandgeschichte bereits erstaunlich weit entwickelt hat. Ein vollendetes Wechselspiel, für dessen Entwicklung ähnlich gesinnte Acts wie The Get Up Kids deutlich länger gebraucht haben. Die acht Tracks lange Reise führt das Quartett von Emo-Hymnen wie „You’re Turning into John Wayne“, das selbst Jimmy Eat World gut zu Gesicht stehen würde, über den adrenalingeschwängerten Power-Rock von „What Is Light? Where Is Laughter?“. Bis hin zum großen Finale „Better Weather“, einer euphorischen Ballade. „This is not a dream. It couldn’t get any better“, schmachtet McTrusty am Ende des Albums. Und recht hat er. Ein Hoch auf das Leben, ein Hoch auf die Jugend!


Und warum das adrette Grün im Gesicht? „Sollte es jetzt so rüberkommen, als wäre das eine total kranke Idee, die uns gerade mal fünf Minuten vorm Gig eingefallen ist, liegt das daran, dass es so ist.“ Aha.


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Was folgt, ist eine wunderbar chaotische Ehrenrunde durch ihr Repertoire, begleitet von einer enthusiasmierten Masse, die jedes einzelne Wort auswendig mitsingt.

mal fünf Minuten vor dem Gig eingefallen ist“, stellt Barry klar, „liegt das daran, dass es so ist.“ „Warum auch nicht?“, witzelt McNae. „Warum nicht, wird sich noch zeigen“, kontert McTrusty scheinbar todernst. Die Band sieht jetzt aus wie eine psychedelische Version nervöser „Braveheart“-Komparsen. Als sie die Red Bull Stage betreten, weicht die Befürchtung, ein leeres Zelt vorzufinden, der nackten Panik angesichts von dreitausend ausflippenden Fans, die allein auf ihre Show warten. Jetzt geht es ums Ganze. „T in the Park … Schottland! Das ist scheiß-unglaublich“, grölt McTrusty zum Intro ihres ersten Songs „Lightspeed“. Was folgt, ist eine wunderbar chaotische Ehrenrunde durch ihr Repertoire, begleitet von einer enthusiasmierten Masse, die jedes einzelne Wort auswendig mitsingt. Die Band spielt mit ­inbrünstigem Einsatz, auf McTrustys weißer Gitarre werden Blutspritzer aus wundgerissenen Fingerspitzen sichtbar, und in die blutunterlaufenen Augen läuft eine giftige Cuvée aus Schweiß und grüner Farbe. Beim unplugged vorgetragenen „Crash Land“ wechselt McKenna zum Cello, ein Beweis, dass er auch für die subtilen Töne ein gutes Händchen hat. Der Gig endet im Chaos, als McNae ins Publikum springt und von der Security für einen Fan ­gehalten wird. Es folgt eine Rauferei im Fotografengraben, ­während die letzten Akkorde des Schlusssongs „Audience and Audio“ gespielt werden. Nicht exakt das Finale, das sich die Band vorgestellt hatte, aber die Fans haben ihren Spaß daran. Im Anschluss ist die Stimmung gereizt. Das eine oder andere Bandmitglied neigt zu extremer Selbstkritik, die erst am nächsten Tag von der Konzertbesprechung einer großen Boulevard­ zeitung gemildert wird, die fünf von fünf Sternen vergibt. Montagabend quetscht sich die Band, inzwischen zurück in Glasgow, ins Mekka der lokalen Musikszene, das Nicensleazy. Ein paar Mitglieder der Kollegen von Frightened Rabbit sind vorbeigekommen, um sich vom Wochenende erzählen zu lassen. Die Stimmung ist gemütlich, McTrusty hat zuvor ein paar Akustik-Nummern für die Twin-Atlantic-Fans gegeben, die die Open62

Mic-Nacht hergelockt hat. Die Performance vom vergangenen Samstag ist aber noch immer in aller Munde. „Ganz ehrlich? Ich fand, es lief erbärmlich. Der schlechteste Gig, den wir je gespielt haben“, lacht Kneale. „Meiner Meinung nach war es der beste, den wir je gespielt haben“, sagt McTrusty. Barry vergleicht die Meinungsverschiedenheit mit Blur, den Headlinern von T in the Park. „Blur haben neun Jahre lang aufgehört, eine Band zu sein, weil sie einander nicht riechen konnten. Die haben sich bis aufs Blut gehasst, bis sie als Band gescheitert sind. Bei uns ist das anders. In jeder Band sollte das anders sein. Du musst dir gegenseitig Mut machen.“ Nach der letzten Runde wappnen sich die Jungs erneut mit Jacken und Hoodies gegen die harschen Glasgower Elemente. Kneale räumt ein, dass er wohl immer das Haar in der Suppe ­suchen muss. „Wir sind vielleicht nicht in allen Punkten einer Meinung, aber wir schauen immer nach vorne“, sagt er optimistisch. Und tritt hinaus in den Regen. Die Twin Atlantic-CD „Vivarium“ ist ab 14. September 2009 als Download auf www.twinatlantic.com erhältlich.

Red Bull Records Santa Monica (Los Angeles), Heimat großer Musiker wie Bob Dylan oder Stephen Malkmus, hat seit 2007 ein besonderes Biotop für kreative Ideen mehr. Das Red Bull Studio steht jungen Künstlern offen, die ihren eigenen Weg gehen und für ihre Albumproduktion technisch aus dem Vollen schöpfen wollen. So haben bereits Bands wie MSTRKRFT, Bayside oder die USRocker Human Abstract mit dem Produzenten Toby Wright (Metallica, Slayer) ihre Platten dort aufgenommen. Seit letztem Jahr verfügt das ­Studio obendrein über ein hauseigenes Label, Red Bull Records. Die erste Veröffentlichung, „Detroit“ von dem New Yorker Indie-Duo Black Gold, war iTunes-Single der Woche, das Album „Rush“ heimste hervorragende Kritiken ein. Der zweite Act im Labelstall heißt Twin Atlantic: Das Mini-Album der Schotten namens ­„Vivarium“ erscheint Mitte September.


Im Bild: „Der schlechteste Gig, den wir je gesehen haben“ (Neale). „Der beste, den wir je gespielt haben“ (McTrusty).

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kick antik

Calcio heißt auf Italienisch Fußball. Jener Calcio, der alljährlich in Florenz ausgetragen wird, hat damit nur wenig zu tun. Dafür steht er in einer historischen Tradition, die bis zu den alten Römern zurückreicht. Text: Norman Howell, Bilder: Niels Ahlmann Olesen


M it geballten Fäusten gehen die beiden Männer schreiend aufeinander los. Muskeln prallen auf Muskeln, eine rasche Bewegung, dann hat der eine den anderen ausgehebelt. Sand spritzt, als die beiden am Boden weiterkämpfen. Ein betagter, nobel wirkender Mann tritt heran und legt dem Überlegenen eine Hand auf die Schulter. Beide hören auf der Stelle auf zu kämpfen. Der eigentümliche Zweikampf geht vor malerischer Kulisse über die Bühne: rechts die florentinische Franziskanerbasilika Santa Croce, schön, streng, einschüchternd in ihrer marmornen Unverrückbarkeit. Michelangelo liegt hier begraben, G ­ alilei, Macchiavelli und Rossini. Vis-à-vis ragen Palazzi in die Höhe, in der Mitte bedeckt grober Sand die Pflastersteine, auf ihm drängen sich 57 Calcianti, „Kicker“. Sie schubsen und rempeln einander, sie sprinten und raufen, sie stürzen und bringen einander zu Fall, und der Grund für all das ist ein Ball, versteckt irgendwo im Durcheinander. Er soll ins Tor befördert werden, das sich zwar bequem über die gesamte Breite des Spielfelds erstreckt, aber nur einen tückischen Meter hoch ist. Die Mannschaft, die ihn im Netz platziert, erhält einen Punkt. Schießt sie ihn über das Netz, geht ein halber Punkt an die Gegner. Drei Schiedsrichter und zwei Non-Playing Captains – einer davon der weißhaarige Grandseigneur, von dem eingangs die Rede war – haben die Aufgabe, das Geschehen in einiger­maßen geregelte Bahnen zu lenken. Es handelt es sich hierbei um den Calcio Storico Fiorentino zwischen den Roten und den Weißen. Die Farben stehen für die Stadtbezirke Santa Maria Novella und Santo Spirito, die Begegnung für ein mit Herzblut ausgetragenes Kräftemessen. Jedes Jahr kämpfen vier florentinische Viertel – die beiden anderen sind Santa Croce (blau) und San Giovanni (grün) – um den Siegespreis, der nach dem Finale vergeben wird: eine vitella, eine lebende Kalbin, die von den verdreckten, verschrammten Spielern des siegreichen Teams in Empfang genommen wird. Die Spieler werden ihren Sieg bis tief in die Nacht hinein feiern. Das Rind wird daran etwas kürzer beteiligt sein. Das erste Mal fand der Calcio 1530 statt, als hochmütige Verhöhnung kaiserlicher Truppen, die damals die Stadt belagerten. Die ­Ursprünge des Sports reichen aber noch viel weiter zurück. Schon die römischen Legionäre hielten sich mit Harpastum fit, was so viel wie „schnell an sich reißen“ bedeutet. Die Florentiner behielten die klassische Schlachtfeldformation der römischen Legionen bei, die vier parallelen, horizontalen Reihen sind auch heute noch zu erkennen: 15 leichtgewichtige, bewegliche Spieler bilden die Corridori (Läufer), vier Kampfmaschinen die Pusher und Blocker, die die Reihen für die Corridori durchbrechen. Vier weitere Mannschaftsmitglieder haben die Aufgabe, den Ball zu den Corridori zu passen, die letzte Verteidigungslinie besteht aus einer weiteren Dreierreihe von Spielern. Ein Spiel dauert fünfzig Minuten. Pausen sind keine vorgesehen, von der Versorgung Verletzter abgesehen. (Und Fouls sind 66

Das Spiel beginnt auf der Piazza Santa Croce nach dem Ende der historischen Prozession, an der auch die Spieler teilnehmen (Bild unten links), denen man die Vorfreude auf das Spektakel freilich ansieht. Unter der Spielkleidung verbirgt sich naturgemäß das eine oder andere wesentliche Utensil (Bild unten Mitte), zumal bei den im Zweikampf besonders geforderten Spielern.


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Die Schiedsrichter mĂźssen 57 potenzielle Unruhestifter zugleich im Auge behalten. Eine schier unlĂśsbare Aufgabe.

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jederzeit gern gesehen.) Das Spiel wird dadurch fortgesetzt, dass der Schiedsrichter den Ball in die Höhe wirft. Jener Corridore, der ihn im Getümmel erhascht, bricht mit dem Ball aus, flankiert von ein paar weiteren Läufern und den wenigen Blockern, die gerade nicht in ihre Gegenspieler verhakt sind. Mit jedem zurückgelegten Schritt wird einer seiner Bodyguards gefällt, bis er gänzlich ungeschützt läuft. Mit ein bisschen Glück kommt er noch ­etwas näher ans gegnerische Tor. Mit ein bisschen weniger Glück stoppt ihn die Mauer der Gegenspieler: Treten, Beinstellen und Festhalten gehören auf der Piazza Santa Croce zum guten Ton. Zutage tritt während des Spiels die Verwandtschaft mit Fußball (die 4-4-2-Formation mit linkem und rechtem Verteidiger sowie Tormann), Rugby (das Tackling, das Zu-Boden-Reißen und das Abspielen) und American Football (die Blocker, die Kämpfe ohne Ball, das Vorwärts-Passen und Laufen). Einigen Teams merkt man den Background ihrer Trainer an. Die Blauen werden beispielsweise von ortsansässigen Rugby-Coaches vor­ bereitet, die Weißen bauen dagegen in ihr Spiel mehr Lauf-, Boxund Wrestling-Elemente ein. Seit Oktober trainieren die meisten Calcianti dreimal pro Woche, was die Mehrzahl von ihnen mit gemeißelten Oberkörpern und makellos definierten Sixpacks belegt. Doch auch ihre besser im Futter stehenden Mitstreiter zeigen keine Schwäche, sprinten kurze Strecken und stürzen sich auf ihre ebenso raumfüllend gebauten Gegner, um sie zu Boden zu ringen. Der Platz hinter den Toren ist für die Anhänger des jeweiligen Teams reserviert. Auf den Längsseiten darf sich die allgemeine Öffentlichkeit breitmachen. Allzu viele Touristen sind nicht ­darunter, was damit zu tun hat, dass die Stadtverwaltung ein ambivalentes Verhältnis zum Calcio Storico pflegt. Einerseits ist 68


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Tempo und Beweglichkeit sind ebenso wichtig wie Körperkraft.

er lokale Tradition, die, ähnlich dem Palio-Pferderennen in S ­ iena, leicht zehntausende Touristen in die Stadt locken könnte. Andererseits mindern die wenig familienfreundlichen Schlägereien rund um den Calcio die touristische Attraktivität erheblich. Rund hundert Anzeigen wegen Körperverletzung gingen in den vergangenen drei Jahren rund um das Spiel ein. Im Vorjahr sagte man ihn deshalb lieber gleich ab. Heuer versuchte man ihn mit Hilfe einiger Einschränkungen zu domestizieren. Dabei ging es auch früher rau zu. „Der Calcio war schon ­immer ein soziales Ventil“, erklärt Gianfranco Franchi, 87, seit sechzig Jahren Zeremonienmeister des Calcio Storico. In den 1930er Jahren nahm sich die Faschistische Jugendbewegung der Spiele an, in den 1970er Jahren dienten sie Links- und Rechts­ extremen als Vorwand für Schlagabtausche. Szenenwechsel: Ein paar Stunden zuvor führt eine farben­ frohe traditionelle Prozession von der Santa Maria Novella zur Santa Croce, 550 Figuranti, Kostümierte, prachtvoll anzusehen in ihren Renaissance-Kleidern, an ihrer Seite Säbel, samt Kanonen und Pferden. Die Honoratioren sehen aus, als wären sie gerade einem Gemälde von Giotto entstiegen. Dann kommen die Spieler, die sich zuvor am Novoli eingefunden hatten, wo sonst der Obst- und Gemüsemarkt zu finden ist. Die Weißen sind die Ersten am Platz, sie tragen weiße Unterhemden, weite mittelalterliche Beinkleider, lange Socken und Sportschuhe. Die meisten von ihnen sind kahlrasiert, ziemlich jung, mager und tätowiert. Aber es sind auch ein paar Schwergewichte darunter, gewaltige Schränke, Türstehertypen. Selbstbewusst tragen sie gewaltige Bäuche vor sich her. Bis zum Spielbeginn ist es noch eine Stunde. Die Fläche ist jetzt voll mit Figuranti, und der Platzsprecher ergeht sich in lan-

gen Beschreibungen der Geschichte der Kostüme und der militärischen Verbände. In ihren Ständen sind die Jungs in Rot und Weiß indessen schon am Aufwärmen, sie ringen, und sie stretchen sich, sie plaudern, ein paar ziehen an Zigaretten. Mario Morelli ist der Coach des weißen Teams. Er trägt weiße Hosen, weißes T-Shirt und, ein Stilbruch, schwarze CamperSchuhe. „Meine Burschen sind topfit“, sagt er, „aber wir werden trotzdem nur einen Abklatsch von früher sehen.“ Denn um die Spiele nach der Absage im Vorjahr retten zu können, ließen sich die Veranstalter zu schmerzhaften Zugeständnissen herab: Dass man nur noch junge Spieler ohne dickes Straftatenregister als Spieler zuließ, war ja noch zu verschmerzen. Doch um den überbordenden Lokalpatriotismus zu dämpfen, wurden heuer auch erstmals die Teams durchmischt. „Für die Weißen werden also auch ein paar Rote spielen“, sagt Morelli mit mühsam unterdrücktem Zorn, „und ein paar von den anderen Farben werden auch dabei sein. Meiner Meinung nach ist das falsch, aber es ist der einzige Weg, um den Calcio zu retten, also gehen wir ihn.“ Dass viele ältere, erfahrene Spieler nicht teilnehmen dürfen, empört Antonio Scana, zufällig ein älterer, erfahrener Spieler. „Man braucht uns, um am Feld eine Situation zu beruhigen, weil die Jungen schnell überhitzen können“, ärgert sich Scana. Als das Spiel unter dem Gegröle der Menge beginnt, entlädt sich trotzdem die ganze Leidenschaft, für die der Calcio Storico von ganz Florenz geliebt wird. Und die Hoffnung jedes Menschen vor der malerischen Kulisse der Piazza Santa Croce wird spürbar: dass dieses anachronistische, mit Herzblut ausgetra­ gene Spektakel noch viele Jahre lang weiterleben darf. Alle Infos zu den Roten Bullen auf: redbulletin.com/fussball/de

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red bull

X-alps

Ein Abenteuer wie kein zweites: Dreißig Athleten überqueren die Alpen von Salzburg bis Monaco. Erlaubt: Laufen und Fliegen. Verboten: alles andere. 818 Kilometer Herausforderung, Entbehrungen – und unglaubliche Schönheit. Text: Christian Seiler

BildeR: Red BUll Photofiles (2)

Die ankunft Als sich über den rostbraunen Felskonturen des Mont Gros ein weißer Fleck löst, ertönt im Hafen von Monaco ein merkwürdiges Geräusch. ­Kabumm, kabumm, dübeldumm, kabumm. Die Badegäste, die sich eine Liege für den Sandstrand geleistet haben, um einen perfekten Sommertag vor den Türmen des monegassischen Fürstentums zu verbringen, werfen einen irritierten Blick über ihre Sonnengläser. Sie sehen drei stämmige Männer in kurzen Hosen, die sich auf der Kaimauer aufgestellt haben und dem weißen Fleck vom Mont Gros dabei zuschauen, wie er Form annimmt, zu einem Menschen wird, der an einem weißen Schirm hängt, kabumm, dübeldumm. Die Männer schwenken glänzende, bunt geschmückte Kuhglocken, so groß wie Kühlschränke, und sie lachen und sie hüpfen vor Freude, so gut man mit einem Kühlschrank um den Hals halt hüpfen kann. Denn ihr Mann, der Schweizer Para­gliding-Champion Christian Maurer, den sie zärtlich „Chrigel“ nennen, schickt sich an, auf dem blauen Floß im Hafenbecken zu landen und damit die vierte Ausgabe der Red Bull X-Alps zu gewinnen, des anspruchsvollsten Abenteuerrennens der Welt. Aber da irren sie sich gleich doppelt. Denn der weiße Fleck, der sich nun materialisiert, ist nicht Chrigel Maurer, sondern Thomas Theurillat, Chrigels Supporter, und Chrigel Maurer ist erst der zweite Fleck, der jetzt vom Mont Gros startet, dübeldumm, und er absolviert zwar ein paar grandiose Kunststücke im Anflug auf das Zielfloß, aber am Schluss verpasst er das Ziel um ein paar Meter und landet im leuchtend blauen Wasser der Côte d’Azur, so dass nicht nur die Fans, sondern auch die Lifeguards zu ihrem Einsatz kommen. Aber dann steht er auf dem Floß, nass wie eine Katze, lachend, seinen Supporter Thomas, ebenfalls nass, im Arm und strahlt. Dübeldumm. Was für ein Vorsprung. Was für ein Rennen. Was für ein Sieger. Chrigel Maurer (links) feiert den Sieg bei den Red Bull X-Alps mit seinem Supporter Thomas Theurillat auf dem Ponton vor der Plage du Lavotto in Monaco.

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Action

deutschland

Salzburg

österreich

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schweiz

Die strecke Quer durch die Alpen, Luftlinie 818 Kilometer. Sieben Gipfel, die die Route vorgeben. Unterschiedliche Strategien (siehe farbige Routen). Ein überragender Sieger.

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3

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Gaisberg Watzmann

Grossglockner

Marmolata

5 Matterhorn

Mont Blanc

i ta l i e n

1. Christian Maurer, CH 2. Alex Hofer, CH 3. Honza Rejmanek, USA 4. Aidan Toase, GB 5. Evgeny Gryaznov, RUS

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Monaco

Das rennen

Die teilnehmer

Chrigel Maurer gewann ein Rennen, wie es selektiver nicht sein konnte. Die Strecke führte von der Salzburger Innenstadt nach Monaco, 818 Kilometer Luftlinie, sieben zu passierende Turnpoints: Gaisberg, Watzmann, Großglockner, Marmolada, Matterhorn, Mont Blanc, zuletzt der Mont Gros oberhalb Monacos. Die dreißig Sportler, aus einer Unzahl von Bewerbungen von den ­Organisatoren, dem Red Bull Air Race-Piloten Hannes Arch und dem Gleitschirm-Weltmeister Steve Cox, herausselektiert, durften sich nur auf zwei Weisen voranbewegen: zu Fuß oder mit ­ihren Gleitschirmen, die sie laut Reglement stets bei sich tragen mussten. Maurer bewältigte die multiplen Schwierigkeiten – ­unwegsames Gelände, riesige Höhenunterschiede, unwirtliches Wetter, schwierige Peilung, außergewöhnliche Anforderungen an Physis und Psyche – mit der Akkuratesse eines Uhrwerks. Er kombinierte seine speziellen Flugfähigkeiten mit einer aufwendigen, ausgeklügelten Vorbereitung und distanzierte den Zweiten, seinen Landsmann Alex Hofer, immerhin zweimaliger Sieger der Red Bull X-Alps, um nicht weniger als eineinhalb Tage.

Um das Abenteuer Red Bull X-Alps bewältigen zu können, reicht es nicht, fit zu sein oder wild oder entschlossen. Die Aufgabe erfordert eine spezielle Mischung aus körperlicher und geistiger Fitness. Ein Athlet muss zum Beispiel die Fähigkeit haben, bei entsprechender Wettervorhersage und dem richtigen Gespür warten zu können: der Wind, der morgen früh drehen wird, trägt ihn nämlich weiter, als er während einer ganzen Nacht laufen könnte. Der Bedarf nach ruhigen Entscheidungen und kaltblütiger Kreativität bringt es mit sich, dass nicht nur blutjunge, kraftstrotzende Athleten am Start sind. Der Älteste im Feld war der Japaner Kaoru Ogisawa, 49, der das Rennen als Dreizehnter ­beendete, 297 Kilometer vom Ziel entfernt (das Rennen endete 48 Stunden nach dem Eintreffen des Siegers in Monaco). Chrigel Maurer, 27, kombinierte die Energie der ­Jugend und die Abgeklärtheit des routinierten Fliegers. Er legte 72 Prozent der Strecke in der Luft zurück. Und der Deutsche Michael Gebert, 28, am Ende hervorragender Sechster, profitierte vom Wissen seiner Starts bei den Red Bull X-Alps in den Jahren 2005 und 2007.

Titelverteidiger Alex Hofer: Schaffte es als einer von zwei Athleten bis nach Monaco.

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Kaoru Ogisawa: Mischung aus Ausdauer, Disziplin und Intelligenz.

Organisator Hannes Arch: happy über die unglaubliche Qualität des Rennens.

BildeR: Red BUll Photofiles (3); illustration: sascha bierl

frankreich

Mont Gros


„Wenn du schnell sein willst, musst du einen Umweg machen.“ Chrigel Maurer auf dem Weg zu einem idealen Startplatz. Er legte 72 Prozent der ­ trecke in der Luft zurück. S

Die Strategie Hannes Arch

Bild: Red BUll Photofiles

Hannes Arch stand im Schatten der Dining-Zone des Strandclubs „Le Note Bleu“, wo das provisorische Pressezentrum der Red Bull X-Alps untergebracht war, und schüttelte den Kopf. Der ehemalige BASE-Jumper, Test­ pilot und amtierende Red Bull Air Race-Weltmeister, der in der Organisation des Rennens von Beginn an eine ­wesentliche Rolle spielt, trug eine Dreiviertelhose mit ­Camouflage-Muster und Flip-Flops, und er telefonierte und telefonierte. Berichte von der Strecke, Presseanfragen, kurze Abstimmung mit den anderen Organisatoren. RED BULLETIN: Zufrieden mit dem Rennen? HANNES ARCH: Extrem happy. Was gefällt Ihnen besonders an den Siegern? Dass sie nicht nur schnell, sondern auch smart sind. Das Schweizer Team hat das Niveau dieses Rennens auf eine neue Stufe gehoben. Die wichtigsten Veränderungen, seit es das Rennen gibt? Dass es uns gelungen ist, eine Sportart, die früher nur wenigen vorbehalten war, mit den Mitteln moderner Technik und professioneller Kommunikation auf ­Mainstream-Niveau zu bringen – man muss sich nur ­anschauen, wie viele Menschen dieses Jahr via Live­ tracking im Internet dabei waren. Was zeichnet die Teilnehmer an diesem Rennen aus? Sie sind die Besten. Wir haben schließlich aus vielen, ­vielen Bewerbungen die dreißig Athleten mit den besten Fähigkeiten ausgesucht. Sie sind mit Herz und Seele ­dabei. Echte Soulsportler. Sie sind selbst seit vielen Jahren Extremsportler. Was beeindruckt Sie an diesen Ahtleten? Ihr Spirit. Sie sind in guter Stimmung, auch wenn sie ­etwas enorm Anstrengendes und Gefährliches unter­ nehmen. Wie groß ist die Gefahr? Groß. Jeder Tag sieht wenigstens fünf kritische Situationen. Wann waren Sie das erste Mal entspannt? Als das Rennen zu Ende und der letzte Athlet am Boden war.

Sieben Monate vor dem Rennen begann Chrigel Maurer mit gezieltem Fitnesstraining. Gleichzeitig testete er Nahrungsmittel: Wann war es richtig, zu essen, was, wie viel? Welcher Power-Bar lässt sich gut ­verzehren, wenn man ausgepumpt ist? Was isst man am besten in der Luft? Welche isotonischen Getränke beruhigen, welche über­ säuern den Magen? Er überprüfte jedes Detail seiner Ausrüstung. Welche Kleidung fürs Hiken, welche fürs Fliegen optimal war. Wie sich der Faktor Gewicht zum Faktor Effizienz verhielt. Maurer, Testpilot für die Gleitschirmmanufaktur „Advance“, betrachtete auch sein wichtigstes Sportgerät, den Schirm, unter dieser Voraussetzung. Er ließ sich nicht weniger als drei Prototypen entwickeln, ehe der vierte den Ansprüchen für das Abenteuer Red Bull X-Alps genügte: spezieller Radius, effiziente Leistung bei möglichst niedrigem Gewicht. Schließlich muss der Athlet seinen Schirm permanent tragen – wenn nicht dieser ihn trägt. Auf dem Landeplatz in Mürren im Kanton Bern lernte Maurer Thomas Theurillat kennen, einen flugbegeisterten Bergführer und Sportpsychologen. Chrigel gewann Thomas als Supporter. Die Aussicht auf „das gemeinsame Abenteuer“ motivierte die beiden, eine Vorbereitung von bisher ungekannter Gründlichkeit in Angriff zu nehmen. Sie dachten das Rennen vom Start bis zum Ziel durch, sortierten Eventualitäten, bereiteten sich minutiös darauf vor, dass die eigenen Entscheidungen auch unter extremen Bedingungen – Stress, Müdigkeit, Schlechtwetter – funktionieren würden. Sie testeten eine Woche auf der Strecke und entwarfen ein psychologisch motiviertes Roadbook, „die Story vom idealen Rennen“, das sich nicht an den Etappen der Strecke orientierte, sondern an sechs „Kapiteln“, die der Psychologe Theurillat definiert hatte. Zuerst starten und den Rhythmus finden – Zell am See – italienische Grenze – Bozen – Domodossola – Chamonix – Südwärts. „Das war“, sagte Theurillat, „unser ­eigener Film. Wir konnten jedes Ziel abhaken und hatten nicht ­einmal, sondern sechsmal Erfolg.“ Maurer, Europameister 2004 und Sieger im Paragliding World Cup 2007, wusste, dass seine Stärken ihm erlauben würden, einen möglichst großen Teil der Strecke in der Luft zurückzulegen. Er wusste auch, dass nächtelange Fußmärsche nicht seine Sache sind. Darauf war die Strategie ausgerichtet, doch wie ausgeklügelt das psychologische Unterfutter war, zeigte sich erst, als Maurer einen seiner raren Fehler machte und sich verlief. Die Anweisung des ­Supporters war geradezu buddhistisch, nach der Methode „Wenn du schnell sein willst, musst du einen Umweg machen“: „Gerade in ­Krisensituationen ist es wichtig, die Motivation mit erreichbaren ­Zielen zu stärken. Also gab ich für den Tag das Ziel aus, um zehn Uhr abends in einer Hütte zu sitzen und Bier zu trinken.“ Am nächsten Tag ging alles doppelt so schnell. 73


Action

Es warteten Erlebnisse, die frustrierend und mühselig waren, aber auch von ungeheurer Schönheit.

Thermik über dem Sellajoch in den Dolomiten, über der Gemeinde Canazei.

Die Einsamkeit

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Die Ausrüstung Das Reglement des Rennens schreibt vor, dass die Ath­ leten ihre Ausrüstung stets bei sich tragen müssen. Ein leistungsfähiger Schirm wird nach der Landung zum Ballast, er muss daher möglichst leicht sein. Der Schirm des Siegers wog nach etlichen Entwicklungsdurchläufen des Herstellers keine vier Kilo mehr, das Liegegurtzeug mit Speedbag und einfachem Protektor zwei Kilo. Dazu kommen Kleidung, GPS-System, Handy mit cleverer Freisprecheinrichtung (etwa die als Oakley-Brille getarnte von Red Bull Mobile), detaillierte Gelände­ karten, ­diverse Accessoires wie Sonnenbrille, Sonnencreme, Taschenlampe und die nötigsten Nahrungsmittel. Für die Versorgung des Athleten an den Tagesrändern, für seine psychologische und physiologische Betreuung ist der Supporter zuständig, der zweite Mann des Teams.

Aidan Toase mit Freisprech-Telefonier-Brille (links), Sortieren der Ausrüstung vor dem Absprung auf einem möglichen Startplatz.

BildeR: Red BUll Photofiles (3)

Als die dreißig Athleten in ihr Abenteuer starteten, war der Himmel über dem Salzburger Mozartplatz verhangen, und aus den Boxen der Begleitfahrzeuge strömte energische Musik. Als sie eine gute Stunde später den ersten Wendepunkt auf dem Gaisberg erreichten, herrschte dort Volksfeststimmung. In Bussen waren Fans und Schaulustige auf den Salzburger Hausberg ­gefahren, um die Athleten beim ersten Flug auf ihrem Weg in den Süden zu beobachten. Es regnete. Hubschrauber kreisten. Die Besucher packten ihre Kameras aus, während die Athleten in ihren türkisen Funktionsshirts den Aufstieg bewältigten. Mit ruhigen Händen breiteten sie ihre Schirme aus. Anlauf, ein Ruf, ein Winken, ein Witz, dann schob der Wind sie nach Süden, wo ihr Ziel lag, nicht aber der nächste Wendepunkt. Dieser, der Watzmann, lag im Westen der Stadt Salzburg, der von hier oben puppenhaft kleinen Stadt, aus deren Mitte die Festung herauswuchs wie eine optische Täuschung. Der erste Flug war kurz, einige Sportler fanden auf den Straßen wieder zusammen zu einem kleinen Pulk. Man schwätzte, scherzte, aber man wusste, dass die wirklichen Herausforderungen noch nicht begonnen hatten. Spätestens nach dem nächsten Aufstieg, als der Wind günstig war, trennten sich die besseren Flieger von den besseren Läufern, manifestierten sich die verschiedenen Strategien, die den Sportlern den Weg dorthin wiesen, wo sie die nächsten Tage verbringen mussten, bevor das Ziel in Sicht kam: In die Einsamkeit. In den intensiven Dialog mit den eigenen Schwächen und Ängsten. In das Erleben von Natur, wie sie niemand erlebt, der nicht bei Tagesanbruch die Täler wechselt und auf Thermik wartet. Es warteten Erlebnisse, die frustrierend und mühselig waren, aber auch von ungeheurer Schönheit. ­Chrigel Maurer erzählt von einem Moment in den Schweizer ­Alpen, als die Sonne über der Nebeldecke unterging und eine so heilige Ruhe über die Landschaft breitete, dass er auf das Rennen vergaß und einfach sitzen blieb, bevor ihm nach einer halben Stunde einfiel, dass er gar keine Zeit zu verschenken hatte.


action

Der sieger

Neun Tage, 23 Stunden, 54 Minuten

Supporter Thomas Theurillat, von Beruf Bergführer, führt Chrigel Maurer nach einem langen Flug über die Dolomiten zum Startplatz für den nächsten Morgen.

BildeR: Red BUll Photofiles (2)

Die Supporter Sie fahren die Camper, in denen die völlig ausgepumpten Athleten ein paar Stunden schlafen, bevor in der Morgendämmerung wieder der Wecker schrillt (falls die Athleten den Camper finden oder der Camper dorthin fahren kann, wo die Athleten übernachten wollen). Sie kochen auf einer Flamme Spaghetti, damit der Partner etwas Warmes in den Bauch kriegt, sie verarzten seine Blasen an den Füßen, waschen die durchgeschwitzte Kleidung und sorgen dafür, dass morgens früh trockene Kleider zur Verfügung stehen und der Kaffee rechtzeitig fertig ist. Sie sind Fahrer, Köche, Pfarrer, Psychologen und Blitzableiter. „Wenn ich erschöpft bin“, sagte etwa der deutsche Athlet Michael Gebert, „kann ich mich unheimlich darüber aufregen, dass der Wagen nicht dort wartet, wo wir es ausgemacht haben, sondern hundert Meter weiter. Dann kracht es schon einmal.“ Thomas Theurillat, Supporter von Chrigel Maurer, Bergführer und ausgebildeter Psychologe, bereitete mit seinem Athleten selbst den Abfluss negativer Energien vor. Er entwarf für das perfekte Rennen ein schönes Bild: einen Holzzuber, der aus vierzehn, fünfzehn Brettern zusammengesetzt wird, Ausrüstung, Strategie, Kommunikation etc. Der Inhalt dieses Zubers, so Theurillat, wird von dem Brett bestimmt, das am kürzesten ist. Entsprechend sorgfältig wurde auch das Agieren unter Stress und Müdigkeit vorbereitet, aber auch das Abbauen von Aggressionen. Im Bus hing eine Checkliste, was abends zu tun ist („Sind alle Geräte am Stecker?“) und worauf in der Früh beim hastigen Aufbruch nicht vergessen werden darf („Karten?“, „Regenjacke?“), so dass die Fehler vermieden werden, die leicht zu vermeiden sind.

Chrigel Maurer sitzt bloßfüßig in seinem Stuhl, im Hinnach dem Start: Chrigel Maurer tergrund klappern monegassische Kellner mit den Telfindet es “schade, dass es so lern, Maurer zeigt schnell vorbei war.”seine Füße. „Keine Blasen“, sagt er zufrieden, und das ist nicht selbstverständlich, schließlich ist er in zehn Tagen immerhin 380 Kilometer zu Fuß gegangen, beinah eine Marathondistanz von 42 Kilometern täglich. Aber er ist nie zu weit gegangen, er hat den Ratschlag seines Supporters befolgt, zu rasten, bevor er zu müde ist, um sich schnell zu erholen. Er lag bald in Führung, und das Gefühl, voran zu liegen, motivierte ihn, kühne Dinge auszuprobieren, zum Beispiel den Start auf dem Weisstorpass, das Matterhorn bereits in Sichtweite. Dort zog Thomas Theurillat ein Seil hinter sich her, an dem Chrigel Maurer hing wie ein Drache, aufstieg, abhob, flog, auf und davon, dem Süden entgegen. Sein Gesicht ist vom Wetter gegerbt. Die Augen liegen tief, aber die Spuren der letzten zehn Tage dominieren nicht das Gesicht des Siegers, sondern sein Lachen, noch nicht ausgelassen, aber das wird schon, morgen, gleich nach dem Ausschlafen. Chrigel bestellt sich Pasta, was sonst. Schaut hinaus auf das blaue Meer, schüttelt unmerklich den Kopf und sagt: „Eigentlich schade, dass es so schnell vorbei war.“ Neun Tage, 23 Stunden, 54 Minuten nach dem Start: Chrigel Maurer findet es „schade, dass es so schnell vorbei war“.

Die Hero-Blogs, das Highlight-Video: redbulletin.com/redbullxalps/de

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­ rügges Blues-Rocker B Black Box Revelation legen sich auf der Bühne mächtig ins Zeug – und wir waren­ in der Reihe „Green Room“ backstage ­ dabei, ab Seite 92.

Bild: Ben Rayner

More Body&Mind Belebendes für Körper und Geist.

78 Shaggy im Hangar-7 80 Bike-Ausrüstung 82 Red Bull Dolomitenmann 84 Tag & Nacht 94 Red Bull Dog 96 Read Bull 98 Kolumne 77


more body & mind

Hangar-7-Interview

Shaggy Er mixt Jamaika-Grooves so elegant mit Pop-Elementen wie Barbecue-Sauce mit Ahornsirup: Shaggy liebt Experimente. Offenbar auch abseits der Bühne. Text: Florian Obkircher

Er ist müde. Ein Leben auf Tour ist eben kein Wellness-Trip. Tagelang im Bus, von Stadt zu Stadt, von Hotel zu Hotel. Doch Shaggy ist dieses Leben gewohnt. Und würde wohl um nichts in der Welt tauschen wollen, denn die Bühne, das ist ­seine Welt. Als der Dancehall-Maestro an diesem Nachmittag im Salzburger Hangar-7 ankommt, scheint die Müdigkeit für kurze Zeit wie weggeblasen. Neugierig betrachtet er die historischen Flugzeuge und starken Boliden. Staunend lüpft er die großen schwarzen Sonnenbrillen. Und während unseres Interviews kann er den Blick kaum von den Motorkolossen im Hintergrund abwenden. RED BULLETIN: Bist du zum ersten Mal hier in Salzburg? SHAGGY: Ja, bisher bin ich bei meinen ­Österreich-Konzerten meistens in Wien abgestiegen. Gut, mal was anderes zu ­sehen. Und der Hangar-7 ist schon sehr beeindruckend! Schon einmal in einem Gebäude wie diesem hier live gespielt? In Glashallen: ja, wahrscheinlich aber noch nie in einer so speziellen. Könnte ­allerdings etwas schwierig werden mit der Akustik hier. Aber ich habe die besten Sound-Jungs der Welt mit auf Tour, die kriegen das schon hin. Ich bin da ganz entspannt. Hast du ein Faible für alte Flieger? Prinzipiell tendiere ich dazu, mir nur Leidenschaften zuzulegen, die ich mir auch leisten kann. Aber die Flugzeuge hier sehen schon toll aus. Ich hab sogar einmal darüber nachgedacht, den Pilotenschein zu machen. Das wäre doch cool, dachte ich, von Auftritt zu Auftritt zu jetten. John Travolta macht das ja auch so. Wie steht’s mit Oldtimern? Ähnlich. Ich bin kein Sammler. Das Ding ist, wenn du ein altes Auto kaufst, kannst du dir gleich einen guten Mechaniker dazunehmen. So schön die Schlitten auch 78

sind, so leicht gehen sie kaputt. Außerdem finde ich das Fahrgefühl in neuen Wagen besser. Na komm, Mr. Boombastic hat doch ­sicher einen alten Chevy in der Garage stehen! Nein, gar nicht. Ich fahre ein BentleyCabrio. Auch nicht übel … Eben! Neu und sehr komfortabel. Wo wir gerade bei Leidenschaften sind: Aus deiner Feder stammt die letztjährige EURO-Hymne „Feel the Rush“. Bist du ein guter Kicker? Klar, ich bin mit Fußball aufgewachsen! Wie fast jeder in Jamaika. Entweder du spielst dort Cricket oder Fußball. Schon in der Volksschule hab ich jeden Tag ­gespielt. Ich muss aber zugeben, dass ich die Kickerei in den letzten Jahren ­etwas aus den Augen verloren hatte. ­Deshalb war es schön, als die Verbindung durch „Feel the Rush“ wieder hergestellt wurde. Warst du auch im Stadion live dabei? Ich hab mir das Finale angeschaut, und es war super, die Energie zu spüren, mitzujubeln.

Abends ließ Shaggy den Hangar-7 vibrieren. Mit viel Charme und Sex-Appeal intonierte „Mr. Lover Lover“ seine Hits wie „Oh Carolina“ und „It Wasn’t Me“.

Auf welcher Seite warst du: Deutschland oder Spanien? Hmmm … um ehrlich zu sein, habe ich zu Spanien gehalten, weil sie schon länger nicht mehr gewonnen hatten und ich gern auf der Seite des Underdogs bin. Ich hab mir das Spiel mit Enrique Iglesias angeschaut, der war klarerweise voll für Spanien. Da hab ich mir sogar kurz überlegt, Deutschland anzufeuern. Nur um ihn zu ärgern. Wie lange bist du jetzt auf Tour? Wir sind seit anderthalb Monaten on the road. Hauptsächlich durch Europa, dann geht’s rüber nach Kanada und wahrscheinlich weiter nach Australien. Ich ­liebe es einfach, auf Tour zu sein. LiveShows sind überhaupt der Grund, warum ich mit dem Musikmachen begonnen habe. Ich bekomme auch regelmäßig Filmangebote, aber das interessiert mich nicht wirklich. Ich will auf der Bühne ­stehen und die Fans begeistern. Geht diese Leidenschaft so weit, dass dir der Tourstress gar nichts ausmacht? Die vielen Stunden im Bus zehren natürlich schon. Aber es ist okay. Ich bin ein unkomplizierter Typ, und solange es gute DVDs gibt, bin ich zufrieden. Ich schlafe ohnehin die meiste Zeit. Momentan ist das allerdings mehr ein Versuch, weil ich seit einigen Tagen an Schlafstörungen ­leide. Doch wenn’s mir einmal nicht gutgeht, sorgen meine Jungs immer für gute Witze im Bus. Wir sind ein wirklich ein­ geschworenes Team. Habt ihr auch ein Gruppenritual, bevor ihr auf die Bühne geht? Eigentlich nicht. Ich lege mich meistens vor den Konzerten noch kurz hin, um mich und meine Stimme auszuruhen. So was wie im Kreis aufstellen und ein Gebet sprechen, das gibt’s bei uns nicht. Wenn ich das bei anderen Bands sehe, fühl ich mich zwar immer ein wenig schlecht und denke mir, oh Mann, wir sind so hedonistisch. Wir gehen einfach rauf und legen


Bilder: Regine Hendrich (3), Helge Kirchberger

„Phantastischer Wagen! Ich liebe deutsche Autos!“, ruft Shaggy beim Anblick des umgebauten BMW Z4, mit dem u. a. Dieter Quester durch die Gegend brauste.

los. Allerdings nie ohne einen kleinen Happen vorher. Darf nicht zu deftig sein, sonst drückt der Magen. Nur eine Kleinigkeit halt. Apropos Essen: Kennst du die österreichische Küche? Ja. Ich liebe Wiener Schnitzel! Das bestelle ich regelmäßig, wenn ich hier bin, vielleicht auch heute. Und da gibt’s noch diese Mehlspeise in der Pfanne, wie hieß die noch gleich … Kaiserschmarren! Wie steht’s um deine Kochkünste? Ich koche leidenschaftlich gerne! Meine Spezialität ist Red Snapper. Gerade hab ich mir in meinem Haus in Miami eine neue Küche eingerichtet. Nur Viking-Geschirr, Riesentöpfe aus rostfreiem Stahl, drei lange Tresen und einen großen Herd

in Feuerwehrrot. Einfach unglaublich. Ein Ort, an dem man auch hervorragend mit Gerichten experimentieren kann. Meine neueste Kreation: Ich hab Ahornsirup mit Barbecue-Sauce gemixt. Na ja, ich weiß nicht so recht … Klingt seltsam, ich weiß. Aber es schmeckt wirklich ausgezeichnet! Die Sauce bekommt dann so einen Räuchergeschmack, etwas süß, fast wie Teriyaki. Hast du schon einmal Erdnussbutter mit Sojasauce gemischt? Das schmeckt vielleicht toll … Oh Gott, das klingt echt krank. Aber warum eigentlich nicht? Wie schauen deine Pläne nach dem Konzert aus? Gibt’s einen Mitternachtssnack?

Nein, nein, ich werde mich gleich hinlegen. Gar kein Partyhengst mehr, Mr. Boombastic? Oh doch, und was für einer! Aber ich schlafe eben derzeit so schlecht, da bin ich für jede Stunde dankbar. Natürlichen Schlaf wohlgemerkt, Pillen möchte ich keine nehmen. Schon einmal heiße Milch mit Honig versucht? Nein, meine Mutter hat mir als Kind, wenn ich nicht einschlafen konnte, immer Kamillentee gemacht. Das werde ich heute probieren. Ist wohl auch ein gesünderer Mitternachtssnack als Wiener Schnitzel. Aktuelle News vom Hangar-7: redbulletin.com/hangar-7/de

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more body & mind

Straßenkind

Voilà, der Beweis: Man kann Rennrad fahren, ohne dabei auszusehen wie die Papageien bei der Tour de France.

Bilder: kingsley barker

Im Uhrzeigersinn von rechts oben: Oakley Jawbone Sonnenbrille, € 195,– (www.oakley.com) Rapha Stowaway Jacket, € 195,– (www.rapha.cc)

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Park Tool Schlüsselsortiment, auch zum Grillen verwendbar, € 39,– (www.parktool.com) Rapha Shorts, € 135,– (www.rapha.cc)

Rapha ultraleichtes Trikot, € 115,– (www.rapha.cc) Rapha Condor Team-LeggeroStraßenrad (Maßanfertigung), € 3961,– (www.condorcycles.com)

Gore Bike Wear Handschuhe im RetroLook, € 35,90 (www.gorebikewear.de) Giro Helm Saros Livestrong Ltd. Edition, € 139,– (www.giro.com) Dromarti Radschuhe, € 175,37 (www.dromarti.com)


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Unterwegs mit allen vieren Athleten beim Schwitzen zuschauen: Nichts ist dafür geeigneter als der Red Bull Dolomitenmann in Lienz.

das rennen … 22. Red Bull Dolomitenmann: Start 12. September 2009, 10 Uhr, Hauptplatz Lienz/Osttirol. … und die partys Open-Air-Ö3-Disco am 11. September ab 20 Uhr, Siegerehrung und Ö3 Rocknight (mit MyExcellece, V.E.R.A. und Morton) am 12. September ab 19 Uhr (jeweils ­Lienzer Hauptplatz), Jazzbrunch und BandNachwuchswettbewerb „Dolomitenmania“ am 13. September ab 10 Uhr am Haidenhof/Lienz.

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Wer es noch nicht wusste: Der Red Bull Dolomitenmann ist „das härteste Staffelrennen unter der Sonne“ – so bezeichnet vom ehemaligen Ski-Ass und Erfinder des Events, Werner Grissmann. 110 Quartette aus 15 Ländern starten heuer bei der 22. Auflage, und auf die vier Teammitglieder warten echte Strapazen: Der Berg­ läufer muss auf das 2441 Meter hohe Kühbodentörl (11 km Laufstrecke, Höhendifferenz: 1950 m), der Para­gleiter wieder ins Tal (inklusive kleiner Bergaufpassage zu Fuß). Der Paddler hat nach einem Klippenstart aus sieben Meter Höhe selektive Abschnitte der Flüsse Drau und Isel zu absolvie­ ren, ehe der Mountainbiker als Schlussmann auf das Hochsteinkreuz (2062 Meter) klettert und

dann ins Ziel nach Lienz brettert. Die besten Teams erledigen diese Strapazen in knapp vier Stunden, doch glauben Sie uns: Hobby­ sportler können mit den vier Etappen locker (oder vielmehr: verkrampft) vier Tage verbringen. Also vielleicht doch lieber zu­ schauen? Die Bequemen begeben sich zu Start (10 Uhr) und Zieleinlauf (ab etwa 13.45 Uhr) auf den Lienzer Hauptplatz. Nordic-Walking-Typen mar­schieren auf die Moos­alm: Vom Bergrestaurant aus beobachtet man entspannt die Paragleiter (ab ca. 11.30 Uhr), die hier eine Zwischenlandung ein­ legen, und die Mountainbiker (ab etwa 12.30 Uhr). Hurtige haben da­nach noch eine Mini-Chance, den Zieleinlauf in Lienz zu erleben. Radler können die Wildwasserpaddler am Ufer von Drau und Isel begleiten, wo die von Slalom-, Aufwärts- und Tragepassagen gefordert werden. Oder sie machen sich auf zum Hochsteinkreuz, zu dem nicht nur eine wilde Quer­ feldeinpassage führt (welche die Athleten ­nehmen), sondern auch ein asphaltierter Güterweg. Wer in der Früh losfährt, applaudiert

bereits erholt den Bikern. Dazu hat er die Chance, Lienz mit den Siegern zu errei­chen (halt auf einem anderen Weg). Nur den Härtesten empfehlen wir den Marsch aufs Kühbodentörl. Fünf Stunden in der Direttissima, die Streckenrekord­halter Jonathan Wyatt in 1:21:38 absolviert hat. Der mehrfache neuseeländische Berglauf-Weltmeister zeigte sich oben übrigens unbeein­ druckt: „Wo geht’s hier weiter?“, fragte er einmal Werner Grissmann, der per Helikopter auf den Gipfel gebracht worden war. Interessant wird das Match zweier Promiteams: „Wings for Life“ mit Ex-Skispringer Andreas Goldberger, X-Alps-Starter Helmut Eichholzer, Padd­el-Star Steve Fi­ sher und Snow­board-Weltmeister Benjamin Karl matcht sich mit „Walek and Friends“. Letzteres hat der in Österreich bekannte „Mikro­ mann“ und Hobbysportler Tom Walek, der im Rundfunksender Ö3 als Interviewer Menschen aufs Glatteis führt, zusammengestellt. 22. Red Bull Dolomitenmann: 12. September 2009, Lienz/Osttirol www.redbulldolomitenmann.com

Bild: Red Bull Photofiles

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Kostenlose Schaltung.

“Ich habe Fortschritte gesehen, für die ich vor 20 Jahren für verrückt erklärt worden wäre.”

kunde

Prof. Dr. rer. nat. Sam David.

Fakultät für Neurowissenschaftliche Forschung, Mc Gill Universität, Montreal, Canada. Mitglied des Wings for Life Beratergremiums.

Lange Zeit galt die Heilung einer Rückenmarksverletzung als unmöglich. In wissenschaftlichen Experimenten ist es jedoch gelungen, verletzte Nervenzellen zu regenerieren – und damit die vermeintliche Unheilbarkeit zu widerlegen. Basierend auf dieser revolutionären Erkenntnis in der Grundlagenforschung ist es heute medizinisch-wissenschaftlicher Konsens, dass Querschnittslähmung beim Menschen eines Tages heilbar sein wird. Es bedarf jedoch noch intensiver Forschungsarbeit, um den Durchbruch in der Humanmedizin erreichen zu können. Um diesem Ziel ein Stück näher zu kommen, arbeitet die Wings for Life Stiftung mit den weltweit renommiertesten Wissenschaftlern zusammen. Durch Selektion und Unterstützung der besten Forschungsprojekte auf höchstem Niveau investiert Wings for Life gezielt in den Fortschritt – und somit in eine Zukunft ohne Querschnittslähmung.

Jede Spende zählt. Wings for Life - Rückenmarksforschung e.V. Bayrische Landesbank München. Kontonummer 11911. Bankleitzahl 700 500 00.

www.wingsforlife.com


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hot SPOTS Die besten Events des Monats rund um die Welt.

UCI Mountain bike and Trials World Championships 2009 1. – 6. 9. 2009 Bei der 22. Mountainbike-WM erwarten die Zuschauer atem­ beraubende Geschwindigkeit und packende Rad-an-Rad-Duelle in den Bewerben Cross Country, Downhill, Four Cross und Trial. Stromlo Forest Park, Canberra, Australien

MTel Beach Masters 4. – 6. 9. 2009 In der vierteiligen bulgarischen Beachvolleyball-Serie geht es jetzt um den Turniersieg. National Palace of Culture, Sofia, Bulgarien

WRC Australia Rally 4. – 6. 9. 2009 Entscheidende Phase in einer wahrlich spannenden Rallye-WM: Vor dem letzten Saison-Viertel liegt Titelverteidiger Sébastien Loeb drei Punkte hinter dem Finnen Mikko Hirvonen. New South Wales, Australien

Red Bull Cliff Diving Series 5. 9. 2009

Bilder: Red BUll Photofiles (4)

Präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. So sollten die zwölf Cliff Diver ihre Salti und Schrauben ausführen, ehe sie aus fast 30 Metern mit den Füßen voran in den Vierwaldstättersee eintauchen. Sisikon, Schweiz

Red Bull Street Style 5. 9. 2009 Dass die Russen begabte Fußballtechniker sind, bewiesen sie bei der EURO 08 mit dem Einzug ins Halbfinale. Für die Teilnehmer in Wolgograd geht es um die Qualifikation fürs nationale Finale in St. Petersburg im Oktober. Wolgograd, Russland

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Red Bull Air Race World Championship 2009 12./13. 9. 2009 Hier legte Hannes Arch 2008 den Grundstein zu seinem späteren Weltmeistertitel. Porto, Portugal

Moto-Grand-Prix von San Marino 6. 9. 2009 Im Vorjahr triumphierten hier Valentino Rossi (MotoGP), Álvaro Bautista (250 ccm) und Gábor Talmácsi (125 ccm). Misano World Circuit, San Marino

European Bike Week 8. – 13. 9. 2009 Europas beste und größte Harley-Party steigt wieder am Faaker See – mit Expo-Zelt, vielen Tradern, umfassendem Entertainmentprogramm, Testfahrten und Touren sowie Custom Bike Shows. Faak am See, Österreich

EC KAC – EC Red Bull Salzburg 10. 9. 2009 Zur Saisoneröffnung müssen die Roten Bullen auswärts beim amtierenden österreichischen Meister aus Klagenfurt bestehen. Stadthalle Klagenfurt, Österreich

22. Red Bull Dolomitenmann 11./12. 9. 2009 22. Auflage des Extrem-OutdoorWettbewerbs für die „Härtesten unter der Sonne“. Pro Team kämpfen sich ein Bergläufer, ein Paragleiter, ein Wildwasser­ kanute und ein Mountainbiker durchs widrige Gelände. Lienz, Österreich

Red Bull Urban Hill 11. – 13. 9. 2009 Der etwas andere MountainbikeDownhill-Bewerb wird inmitten einer pittoresken Altstadt ausgetragen, gespickt mit Hindernissen und Sprüngen. Veliko Tyrnovo, Bulgarien

Red Bull Balineras Race 6. 9. 2009 Das Seifenkistenrennen auf kolumbianisch. 70 Teams rasen in kreativen Vehikeln eine 800 Meter lange Rennstrecke hinunter. Medellín, Kolumbien


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Wings & Wheels 11. – 13. 9. 2009

Event der British Kite Surfing Association 25. – 27. 9. 2009 Die vorletzte Station der Serie mit Freestyle-, Course-Racing-, Buggy- und Landboard-Bewerben. Littlehampton, West Sussex, Großbritannien

Ein Wochenende ganz im Zeichen historischer Flug- und Fahrzeuge. Die Flying Bulls sind mit der Lockheed P-38 Lightning und einer Chance Vought F4U-4 Corsair vertreten. Münster/Osnabrück, Deutschland

Red Bull Salzburg – SK Puntigamer Sturm Graz 23. 9. 2009

Red Bull Upstream 12. 9. 2009

IFSC Climbing Worldcup 25./26. 9. 2009

Im Normalfall tummeln sich Wakeboarder im „Flachwasser“. Hier kämpfen die Brettartisten gegen die Strömungen der Save an, die sonst für Kajak-Wildwasser-Slaloms genutzt wird. Laibach, Slowenien

Red Bull Flow Combo 13. 9. 2009 Jedes deutsche Bundesland nominiert ein Team aus einem BMX-Flatland-Pro und einem Rookie. Diese kämpfen um den Titel des BMX-Bundes-Duos, um dann im November beim KOG Contest in Japan anzutreten. Koblenz, Deutschland

FIM Motocross World Championship 13. 9. 2009 Die Motocross-Elite verlässt für den letzten Saison-Grand-Prix der Klassen MX1 und MX2 den europäischen Kontinent. Canelinha, Brasilien

Formel-1-Grand-Prix von Italien 13. 9. 2009 Im Vorjahr holte sich hier der jetzige Red Bull-Pilot Sebastian Vettel auf Toro Rosso im strömenden Regen seinen ersten Grand-Prix-Sieg. Monza, Italien

Red Bull X-Ray 17. – 20. 9. 2009 Der Freestyle-Motocross-Star Mat Rebeaud ist bei einem gemeinsamen Trainingscamp mit 12- bis 14-jährigen Talenten auf der Suche nach einem möglichen nationalen Nachfolger. Payerne, Schweiz

Red Bull Cliff Diving Series 20. 9. 2009 Das Saisonfinale der weltbesten Cliff Diver an einem Ort, um den sich viele Mythen und Geschichten ranken. Vouliagmeni-See, Athen, Griechenland

UCI Mountainbike Weltcup 18. – 20. 9. 2009 Saisonfinale mit einem CrossCountry- und Downhill-Bewerb. Highlight: ein Four-CrossContest auf der mit Flutlicht erhellten Planai. Planai, Schladming, Österreich

Das Spitzenspiel der achten Runde der heimischen Bundesliga. Red Bull Arena, Salzburg, Österreich

Im Vorjahr kamen über 2000 Fans, um die weltbesten LeadKletterer live zu sehen. Die Titelverteidiger: Maja Vidmar (Slowenien) und Ramón Puigblanque (Spanien). Puurs, Belgien

Trial Festival 09 25. – 27. 9. 2009 Österreichische Trialmeisterschaften mit umfangreichem Rahmenprogramm und einem starken Starterfeld mit internationalen Stars, u. a. Adam Raga. Saalbach-Hinterglemm, Österreich

Ride with Roczen 25. – 27. 9. 2009 Der 15-jährige MX-Shootingstar Ken Roczen lädt zu einem Trainingslager der besonderen Art. Auf 15 Kids warten drei Tage lang eine private Trainingsstrecke, Mechaniker aus Kens Team, Fahrstilanalysen sowie viele persönliche Tipps und Tricks des Junioren-Weltmeisters 2007. Mattstedt, Deutschland

Red Bull Flugtag 27. 9. 2009 40 Teams werden sich in ihren eigenwilligen Fluggeräten von einer sechs Meter hohen Startrampe in die Luft erheben, um nach wenigen Metern garantiert im Mittelmeer notzuwassern. Plage du Prado, Marseille, Frankreich

Red Bull Air Race World Championship 2009 3./4. 10. 2009 Noch einmal müssen die 15 Piloten durch Gates, Schikanen oder Quadros fliegen und dabei Belastungen bis zu 10g aushalten. Danach wissen wir, wer sich Red Bull Air Race World Champion 2009 nennen darf. Barcelona, Spanien Mehr Hot Spots auf: www.redbulletin.com

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die macht der nacht Mehr als einmal um die Welt für alle, die nie müde werden.

Jazzanova Der Berliner Alex Barck liebt seine Stadt. Wo er sie am freundlichsten und authentischsten findet, hat er uns gezeigt (S. 88). Berlin, Deutschland

Adam Freeland & Carl Cox 1. 9. 2009 Vom renommierten Musikmagazin „Mixmag“ wurde er unlängst zum besten DJ der letzten 25 Jahre gekürt, im legendären Space Club auf Ibiza hostet er seit sieben Jahren die Dienstagnacht. Und diesmal lädt HouseZampano Carl Cox niemand Geringeren als den britischen Breakbeat-Spezialisten Adam Freeland zu sich hinter die Plattenspieler. Space, Ibiza, Spanien

Bilder: Getty Images, Norman Konrad, Ben Rayner, Red Bull Photofiles

Two Days a Week Festival 4./5. 9. 2009 Bevor die Schule wieder beginnt, dürfen die Emos und Punks noch einmal ordentlich die Iros schütteln. Von Altmeistern wie Die Toten Hosen, The Offspring oder Millencolin bis hin zu Frischfleisch wie Itchy Poopzkid: Wiesen steht an diesem Wochenende im Zeichen der DreiAkkord-Wunder. Wiesen, Österreich

DJ Harvey @ Sunday Best 4. 9. 2009 Wenn’s jemanden gibt, der von sich behaupten könnte, mit Disco-Sounds den Mars missioniert zu haben, dann der in Kalifornien lebende Surfer DJ Harvey. Kosmisch ist sein Wellenritt, psychedelisch seine Plattenwahl. Hang loose! The BKLYN Yard, New York, USA

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Electric Picnic 4. – 6. 9. 2009 Spoken-Word-Bühnen, der Fossetts Circus, massig Kunstinstallationen und ein Chat-Room, in dem man die Festival-Protagonisten selbst interviewen kann: Das alles macht das Electric Picnic zum speziellsten und sympathischsten Festival Irlands. Neben der Musik natürlich: Denn vor allem die kann sich mit Headlinern wie Flaming Lips und den Althelden Madness sehen lassen. Stradbally, Irland

Disco 3000 4. – 6. 9. 2009 „Music makes the people come together“, hat Madonna einmal gesungen, das Disco 3000 Festival macht’s wahr. Die hippsten DJ-Teams aus der ganzen Welt werden eingeladen, um an der kroatischen Küste den Sonnenuntergang in einen -aufgang zu verwandeln. Von den französischen Château Flight bis zum deutschen Move D, vom Briten Trus’me bis zum amerikanischen DFA-Abgesandten Jacques Renault. Petrcane, Kroatien

Black Box Revelation Die blutjungen belgischen BluesRocker elektrisieren ihre Fans. Wir waren backstage mit von der Partie (S. 92). Brügge, Belgien


more body & mind Dam-Funk./Benji B 9. 9. 2009 Der britische Beat-Botschafter Benji B ist mit der Ein-Mann-Rakete aus Kalifornien auf Tour in Japan. Im Gepäck: erdiger Funk, der zwingend tanzbar ist. Tokio, Japan

Numusic Festival 2009 9. – 13. 9. 2009

Auch im Herbst tourt der Bus durch die Lande und stoppt erstmals auf Wiens exklusivster Outdoor-Location mitten in der City. Als Headliner treten die Hamburger Gitarren-Popper Tomte auf. Karlsplatz, Wien

Diese norwegische FestivalHochburg – der Name verrät es schon – hat die Zukunft der Popmusik im Visier. Vor zehn Jahren hieß das noch „Elektronic sounds only“, heute finden sich neben Laptop-Brutzlern wie Fennesz, Múm oder Philip Jeck auch spannende Gitarren-Acts wie Deerhoof im Line-up. Stavanger, Norwegen

MJ Cole with Laura Vane and Digga 5. 9. 2009

Manhattan Jazz Quintet 10. 9. 2009

UK Garage und vor allem 2 Step sind ja in unseren Breiten recht schnell etwas aus der Mode gekommen. Schade eigentlich, denn MJ Cole war mit seinem Hit „Sincere“ 1996 der Protago­ nist dieser britischen HouseSpielart. Umso schöner, dass der Altmeister nun mit neuem Programm im nahen Bratislava vorbeischaut. Bratislava, Slowakei

Klassischer Jazz aus dem großen Apfel. Am Piano der Mann, der James Browns Arrangements komponiert hat: Dave Matthews. The Catwalk, Hachinohe, Japan

red bull Tourbus 5. 9. 2009

Green & Blue 6. 9. 2009 Saisonschluss-Party für den Techno-Sommer. Alljährlich lädt DJ-Bademeister Sven Väth dafür ins heimelige Waldschwimmbad in Obertshausen, wo heuer SIS, Tobi Neumann, Motorcitysoul oder Radio Slave der heißen Jahreszeit Ade sagen. Waldschwimmbad, Obertshausen, Deutschland

„Neverland“Filmtour 8. – 12. 9. 2009

Parklife Festival 26./27. 9. 2009 Großartiges Open-Air-Spektakel auf Tour in Australien. Mit Acts wie A-Trak, Junior Boys, La Roux, Tiga oder MSTRKRFT. 26. 9. Brisbane, 27. 9. Perth, 3. 10. Melbourne, 4. 10. Sydney, 5. 10. Adelaide

Keine Sorge, hat nichts mit einer Michael-Jackson-Gedächtnisveranstaltung zu tun. „Neverland“ ist der zehnte Film der Snowboard-Crew Absinthe, der die besten Jumps des letzten Winters auf Zelluloid Revue passieren lässt. Eine PremierenTour mit den Stars des Films und anderen. 8. 9. Kino Corso, Zürich, 11. 9. Forum Kino, München, 11. 9. Månefisken, Oslo, 12. 9. Postgarage, Graz

Caribou Vibration Ensemble 10. 9. 2009 Früher nannte sich Daniel V. Snaith ja einmal Manitoba und bastelte aus Samples psychedelisch-elektronische SoundLandschaften. Heute nennt sich der Kanadier Caribou, und seine Tracks sind immer noch süßlich verspult, nur reist er mittlerweile mit vierzehnköpfiger Band inklusive vier Schlagzeugern durch die Lande. Opera House, Toronto, Kanada

Bestival 11. – 13. 9. 2009 Wem zu Isle of Wight nur Jimi Hendrix einfällt, der hat Nachholbedarf. Denn das Bestival wird seinem Namen seit vier Jahren mehr als gerecht. Bereits dreimal mit den UK Festival Award geadelt, bietet das OpenAir-Spektakel neben Geheimbühnen und Verkleidungspartys vor allem großartige Acts wie Kraftwerk, Soulwax oder Little Boots. Im postapokalyptischen Space von Red Bull wird man dazu noch von Annie Nightingale und Martyn wieder auf die Erde zurückgebeamt. Robin Hill Country Park, Isle of Wight, Großbritannien

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Jazzanova Berlin

Resident Artist

Zwei Herzen, eine Stadt Was Berlin betrifft, schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Ich hatte meine Wohnung in Mitte, schon bevor die Mauer gefallen ist. Ich habe die Veränderung hautnah miterlebt, und das mag ich sehr an der Stadt, dass sie sich eben ständig verändert. Allerdings ist Mitte jetzt an einem Sättigungspunkt angekommen. Ich arbeite hier und kenne die meisten Leute, die hier zu tun haben, nur ist das schon wie eine kleine Blase geworden. Erst kamen die Künstler, da war das noch supersympathisch. Dann kam das Geld. Dann gingen die Mieten und Preise hoch. Und dann war’s irgendwann vorbei. So ist das nun einmal in großen Städten, so war das auch in Mitte. Obwohl wir unser Studio immer noch hier haben, bin ich ganz froh, mittlerweile woanders zu wohnen. Ich hatte eigentlich immer meine Probleme mit Kreuzberg aufgrund dieser alten Hipness, die auf den Achtzigern basiert. Aber meine Frau wollte eine Wohnung kaufen. Macht 88

man ja heute so. In Mitte war’s damals bereits völlig überteuert, da haben wir in Kreuzberg eine gefunden. Erst musste ich mich dran gewöhnen, aber mittlerweile weiß ich’s echt zu schätzen, weil es dort den berühmten Mix gibt. In Mitte siehst du ja abends kaum ältere Menschen auf der Straße. In Kreuzberg aber hast du halt noch so einen richtig normalen Kiez – alte Menschen, Kinder, Ausländer. Ich nenn’s dort beim Prinzenbad dennoch Spießer-Kreuzberg, weil junge Singles lieber zum Schlesischen Tor ziehen, als gesetzter Herr mit Familie wie ich ziehst du aber eher ins ehemalige Kreuzberg 61. Trotzdem verbringe ich viel Zeit in Mitte, schließlich haben wir hier unser JazzanovaStudio. Für Kaffee in den Session-Pausen gibt es nur eine Adresse: Bonanza Coffee Heroes Café (1) – die haben den besten der Stadt. Der Besitzer Yumi Choi betreibt die Kaffeekunst wie Weinliebhaberei. Von der Röstung über die Aufbewahrung bis zum Mahlen – hier wird das

Handwerk wie eine Wissenschaft gepflegt. Und das schmeckt man! Wenn dann der Magen knurrt, schauen wir meist gegenüber in die Oderquelle (2). Ein Restaurant, von dem kulinarische Kenner behaupten, es sei das beste in Berlin. Im Grunde gibt es vorwiegend Hausmannskost wie Roulade, Eisbein, Kartoffelpuffer. In der Oderquelle wird eben Basisarbeit geleistet, aber das auf unglaublich hohem Niveau. Oft gesehene Gäste sind wir auch im Al contandino sotto le stelle (3). Wer einmal ein richtig gutes Entrecote essen will: Es gibt kein besseres in Berlin. Es ist so krass! Ich weiß gar nicht, wie viel die davon am Abend verkaufen. Einmal war ich auch mit dem britischen Musiker Ben Westbeech dort und habe ihm geschworen, dass es das beste Fleisch sein wird, das er je gegessen hat. Er dachte, ich übertreibe. Dann nahm er den ersten Bissen und bekam einen Lachkrampf. Vor Freude! Wirklich, ihm sind fünf Minuten die

Bilder: Norman Konrad, Red Bull Photofiles

Alex Barck von Jazzanova ist ein Urberliner. Täglich pendelt er zwischen Kreuzberg und Mitte, und uns verrät er die besten Spots aus beiden Welten.


ATP Festival 11. – 13. 9. 2009 Das Konzept des Festivals All Tomorrow’s Parties ist so einfach wie genial. Hier stellt nämlich nicht der Veranstalter, sondern eine Ikone des Indie-Rock selbst sein Traum­ programm zusammen. Diesmal sind The Flaming Lips am Zug, und die laden u. a. hochkarätige Kollegen wie Sufjan Stevens, The Jesus Lizard, Crystal Castles oder Black Dice auf die Bühne. Monticello, New York, USA

Outlook Festival 11. – 13. 9. 2009 Tonnenschwere Bässe, leichtfüßige Percussions, verhallte Samples aus Nahost. Das sind die Grundzutaten von Dubstep, diesem britischen Bas(s)tard, dessen Protagonisten wie Mala, Loefah oder Benga an die kroatische Küste tuckern, um den Besuchern des Outlook Festivals die Gebeine durchzuschütteln. Novalja auf der Insel Pag, Kroatien

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Bilder: Brachvogel, Norman Konrad, Oderquelle; Illustration: mandy fischer

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Tränen runtergelaufen, weil ich recht hatte. Obendrein haben die eine krasse Weinkarte. Ein Ort in Berlin, an dem ich immer geerdet werde, ist der Plattenladen Melting Point (4) in der Kastanienallee. Da gibt es einen Typen namens Mitch, der auch House-Vynil für die Berliner DJs Clé, Steve Bug und Phonique bestellt. Zur Haupttierfütterung am Mittwoch, wenn die neuen Lieferungen kommen, taucht dann wirklich die halbe DJ-Szene auf. Außerdem hat Mitch stets gute Geschichten auf Lager und überlässt einem immer mal ein Stück Pizza. Ich mag das Familiäre sehr gern. Clubmäßig hat mich das Tape (5) in letzter Zeit sehr positiv überrascht. Die hatten am Anfang Probleme, die Hütte vollzukriegen, haben sich aber nicht verbogen. Klar, die hätten sofort kommerziellere Acts auftreten lassen können, aber sie sind dem deepen House und Techno treu geblieben. Mittlerweile zahlt sich das aus. Sagen wir es einmal so: Es ist ein Club für Berliner, für den großen Schwall an Party-Touristen ist es zu sehr Underground. Doch das spricht klarerweise für den Club. Einer meiner liebsten Rückzugsorte in Berlin ist das Brachvogel (6) in Kreuzberg. Ein Biergarten, in dem du wirklich das Gefühl

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Westwind Festival 12. 9. 2009

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Kreuzberg und Mitte, das sind die beiden Berliner Viertel, in denen Alex Barck lebt und groovt. Er schwört auf den Kaffee im Bonanza (gr. Bild li.) in der Nähe seines Studios (gr. Bild o.). Und auf die Hausmannskost in der Oderquelle (o. li.). Im Brachvogel (o. re.) kann man ihn auch mit dem Minigolfschläger antreffen.

KREUZBERG Sttr. h r Str. Gitschiner Gi

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1 Bonanza Coffee Heroes, Oderberger Straße 35 2 Oderquelle, Oderberger Straße 27 3 Al contadino sotto le stelle, Auguststraße 34 4 Melting Point, Kastanienallee 55 5 Tape, Heidestraße 14 6 Brachvogel, Carl-Herz-Ufer 34

hast, du bist am Land. Du sitzt am Wasser, bist durch riesige Tannen vom Großstadtlärm abgeschirmt. Sie haben hier einen super Business-Lunch für sieben Euro. Was mir auch immer wichtig ist: Kinder können sich hier auf einem Spielplatz austoben. Und es gibt sogar einen Minigolfplatz. Da kannst du dein Bier nehmen, kriegst einen Schläger, und los geht’s. Herrlich! Es sind genau diese Orte, derentwegen ich mittlerweile sehr froh bin, in Kreuzberg zu wohnen. Jazzanova live: 19. September im Porgy & Bess in Wien. Aktuelles Album: „Of All the Things“.

Mag das Frequency Festival nach St. Pölten übersiedelt sein, die Salzburger Musikszene lässt sich davon nicht beirren. Mit dem Westwind scharrt heuer ein frisches Open-AirSpektakel in den Startlöchern. Am Residenzplatz – laut Lenny Kravitz die beste Location, die er jemals bespielen durfte – legen sich Herbstrock, Dendemann und Ich + Ich ins Zeug. Residenzplatz, Salzburg, Österreich

Festival de Saint-Nolff 12. 9. 2009 Das Festival an der westfranzösischen Küste bietet nicht nur idyllische Dorfatmosphäre. Es reisen mit Peter Doherty, Keziah Jones und Patrice auch drei gleichermaßen charismatische wie unterschiedliche Gitarristen an. Saint-Nolff, Frankreich

Scopitone Festival 16. 9. 2009 Als Scopitone bezeichnete man in den siebziger Jahren Jukeboxen, die nicht nur Musik, sondern auch vertonte Filme abspielen konnten. Das gleichnamige Festival – heuer mit Who Made Who, DJ Feadz, Dan Deacon oder Buraka Som Sistema prominent besetzt –sieht sich ganz in dieser Tradition und setzt Videokunst auf Augenhöhe mit dem Musikprogramm. Nantes, Frankreich

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Mit der Rotzbremse des australischen Musikers hätte sogar Burt Reynolds seine Freude, seine besäuselten Easy-Listening-Spielereien entzücken weltweit Elektronik-Fans mit gutem Humor. Northcote Social Club, Melbourne, Australien

Jazzanova 19. 9. 2009 Vom Berliner DJ-Kollektiv zur achtköpfigen Live-Band: Dazwischen liegt das phantastische Album „Of All the Things“, das Jazzanova in Wien erstmals mit dem Detroiter Sänger Paul Randolph auf die Bühne bringt. Porgy & Bess, Wien, Österreich

Nomo 19. 9. 2009 Sie lieben die Krautrocker Can, den kosmischen Jazzer Sun Ra und den Afrofunk-Gott Fela Kuti. Und das hört man. Sowohl auf ihrer aktuellen Platte „Invisible Cities“ als auch auf den Konzerten des US-amerikanischen Sextetts. LOLA – London Ontario Live Arts, London, Kanada

Mad Professor 19. 9. 2009 Dub ist nicht nur Reggae minus Gesang, es ist die Musik, die das Mischpult zum Hauptinstrument erhebt. Und wenn Mad Professor seine Finger auf die Regler legt, wird jeder ReggaeTrack zur Space Odyssey. So hat der Dub-König bereits Acts wie Primal Scream in den Astronautenanzug geholfen. Incubate, Tilburg, Niederlande

Appleblim 22. 9. 2009 Der Meister der Totenkopf-Disco im Land der aufgehenden Sonne: Appleblim hat Dubstep mit seinem Label Skull Disco zum Durchbruch verholfen und exportiert die bass­ gewaltige Clubmusik nun nach Japan. Osaka, Japan

Arthur’s Day 24. 9. 2009 Zum 250. Geburtstag des irischen Nationalgetränkes und zu Ehren von Arthur Guinness wird in Pubs und sämtlichen Veranstaltungsorten der Stadt die Crème de la Crème des Musikbusiness live ihr Bestes geben. Die A-Liste der Gäste beinhaltet u. a. Tom Jones, Kasabian, The Kooks, Calvin Harris, Sigababes, Estelle, Reverend & The Makers und, und, und. Dublin, Irland

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Eins, zwo … Los geht’s mit der Wortakrobatik Wir luden Dendemann, a.k.a. MC Volker Racho, zum Word-Rap. Und wissen jetzt, was Smudo alles besser kann, bei welchem Fight er k. o. ging und was Yvonne Catterfeld mit Will Smith gemeinsam hat. Niemals werde ich … ein Freund von B-Plänen. Die Zeit, in der wir leben ist … doch grade erst halb um.

Das kann Smudo von Fanta4 besser als ich: fliegen, Auto fahren, schwimmen, reiten, lesen.

dendemann Salzburg

Ein Ereignis der HipHop-History mit Gruselfaktor? Flavor Flav und Brigitte Nielsen

Was schreckt mich am meisten von der Liebe ab? Drüber reden. Neonazis haben … schlechtes Karma und kleine Glieder. Die Längste Zeit, die du um eine Frau gekämpft hast? Elf Runden, technischer K. o.

Yvonne Catterfeld als Romy Schneider ist wie … Will Smith als Barack Obama.

Mein persön­ licher Held: Adriano Celentano.

Harald Schmidt ist Deutschlands … Larry David.

Dendemann, Ich + Ich, Clueso und noch mehr Acts sind am 12. September 2009 ab 14 Uhr live beim Westwind Festival am Salzburger Residenzplatz zu sehen und zu hören.

Bild: Yo Mama

Qua 18. 9. 2009


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Upper East an der Elbe Wer New York zum Vorbild hat, darf nicht kleckern. Das weiß man auch hinter der Reeperbahn.

Bilder: East (3)

Uppereast Hamburg

Hamburgs exklusivster KonzeptTempel East verwöhnt das Szenevolk auf mehreren Ebenen: ganz oben der Club Uppereast, darunter das Restaurant samt Sushi-Bar. Wer zwischendurch schauen möchte, ob die Sonne schon aufgegangen ist, versinkt ganz unten in der Garten-Lounge.

„Wir haben uns Luxusclubs in New York und London angesehen und dann versucht, etwas Einmaliges zu machen“, sagt Marc Ciunis, einer der beiden Bosse der Hamburger In‑Location East. Wobei der vor einem Jahr eröffnete Club Uppereast nur mehr das i-Tüpfelchen im Gesamtkonzept war. Bereits seit fünf Jahren gibt es das Designhotel East in einer alten Eisengießerei gleich hinter der Reeperbahn. „Eighties treffen Hanse“, könnte man zum Interieur sagen, das vor den alten Backsteinwänden mit riesigen Elementen in Beige und Orange für extravagante Stimmung sorgt. Vor allem im Restaurant, das man noch dazu über eine imposante Showtreppe betritt. Das richtige Entree für das hanseatische Partyvolk, das sich gerne hier zum Cocktail an der Bar trifft. Oder in lauen Nächten in den DedonLoungemöbeln und weichen Couchgarnituren im Innenhof versinkt. Über die Qualität der ­Fische in der Sushi-Bar braucht man sich in der Hafenstadt wohl kaum Sorgen zu machen, schon gar nicht, seit die Meister Nigma Sherpa und Tashi Tamatsu hier ihre japanischen Messer wetzen. Und jetzt also im vierten Stock noch ein Club, bei dem man allein schon bei der technischen Ausstattung nicht gespart hat. Das Konzept stammt von Set-Designer Florian Wieder, der nahezu alle deutschen TV-Studios einrichtet und im Uppereast technische Tools von „Deutschland sucht den Superstar“ eingebaut hat. Wert: knappe zwei Millionen Euro, die auf 150 Quadratmeter LED-Videowänden im Rhythmus der Beats jedes Zeitgefühl in einem optischen Rausch auflösen. Als Freunde des Hauses stehen hier u. a. die deutschen DJ-Stars Francesco Diaz und Tom Shark an den Plattentellern und locken das Partyvolk von der langen Theke auf die Tanzfläche. Geshakt und gewippt wird aber im gesamten Raum, vorzugsweise mit einem Mojito, ­Russian Standard oder Wodka Red Bull in der Hand. Rein kommt übrigens nur, wer Member ist. Und das wird man nicht mit Geld, sondern über Empfehlung eines der mittlerweile 6000 Uppereastler. Uppereast: Simon-von-Utrecht-Straße 31, 20359 Hamburg; www.east-hamburg.de Die besten Clubs der Welt: redbulletin.com/clubs/de

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Vor drei Jahren haben sich die beiden Musiker von der Band The Mighty Generators getrennt. Da war Frontmann Jan Paternoster (u. re.) gerade mal zarte siebzehn und Drummer Dries Van Dijck (u. li.) überhaupt erst fünfzehn. ­Inzwischen begeistert das blutjunge Duo als Black Box Revelation das Publikum.

Black Box Revelation brügge The Green Room

Brügge Blues Jan Paternoster fehlt. Zwei Stunden bevor die belgischen Blues-Rocker Black Box Revelation am Brügger Cactus Festival auf der Bühne loslegen sollen, ist der Sänger und Gitarrist wie vom Erdboden verschluckt. Und keiner weiß, wo er stecken könnte. Bis auf Dries Van Dijck, den engelhaften Drummer der Band. „Er ist mit seiner Freundin zusammen. Keine Sorge, er wird da sein“, meint dieser ganz ­gelassen. „Willst du ein Bier?“ Eine zuversichtliche und coole Antwort, die Bände spricht über die Beziehung zwischen Frontmann Paternoster und seinem zierlichen Drum-Partner. Als der Sänger schließlich seelenruhig in den Backstageraum schlendert, zwinkert Van Dijck dem erleichterten Tourmanager zu. Der Schlagzeuger hatte keinen Zweifel, denn bei Black Box Revelation gibt es 92

ein starkes Band zwischen den Musikern. Sie plänkeln wie Brüder und bringen einander mit Anekdoten und Geschichten zum Lachen. Seit der Trennung von der Band The Mighty Generators im Jahr 2006 hat sich das zweiköpfige Gespann stetig weiterentwickelt. Die Masse an erwartungsvollen Gesichtern vor der Bühne wird immer größer, die Dichte ihrer Band-T-Shirts in den ersten Reihen ist ein sicherer Indikator für die rasch wachsende Fanbase in Belgien. Trotz der hohen Erwartungen an das blutjunge Duo – Paternoster ist zwanzig, Van Dijck gerade mal achtzehn – scheinen die beiden ihre Köpfe kühl und ihre Füße fest am Boden zu behalten. „Uns ist schon klar, wie wichtig das alles hier ist“, sagt Paternoster in der spärlich eingerichteten Garderobe. „Ein Bier

Bilder: Ben Rayner (5)

Wie es klingt, wenn man die White Stripes und Mick Jagger in einen Mixer wirft? Nach den belgischen Blues-Rockern Black Box Revelation.


more body & mind

trinken wir schon immer vor einer Show, aber wir betrinken uns nicht. Auf der Bühne sind wir nüchtern. Ein-, zweimal waren wir betrunken on stage, das hat gar nicht gut geklappt. Seither gilt: Ein Bier vor der Show, um in ­Stimmung zu kommen, mehr nicht.“ „Genau hier wollen wir sein“, sagt Van Dijck. „Von Anfang an haben wir zueinander gesagt, wir legen’s drauf an und werden berühmt. Und es funktioniert. Aber wir stehen erst am Anfang.“ Er deutet auf das magere Band-Catering als Zeichen für ihre derzeitige Lage. „Wir wollten nur zwei Flaschen Wein, eine Flasche Whisky und genug Bier. Wenn wir richtig berühmt sind, fordern wir vielleicht was Verrücktes vor jeder Show an. Ein Auto zum Beispiel. Wenn sie’s uns besorgen, wissen wir, wie groß wir sind.“ Während sie ihren Nacken lockern und konzentriert in den Startlöchern scharren, prosten sich die beiden Freunde zu, stecken die Köpfe zusammen. Dann geht’s ab Richtung Bühne. Die Atmosphäre ist elektrisiert. Auch wegen einer Serie von Wolkenbrüchen und bedrohlichen Gewitterwolken. Nach einer knappen Aufwärmminute prescht die Band durch ein einstündiges Set: funked-up PunkBlues in illegaler Lautstärke und halsbrecherischer Geschwindigkeit. Der Großteil ihres Debütalbums „Set Your Head on Fire“ wird einer superdynamischen Live-Behandlung unterzogen, in der Van Dijcks Drumsticks mit alarmierender Regelmäßigkeit zersplittern, während sich Paternoster aufbäumt und schreit wie ein besessener junger Jagger und seine ramponierte Gitarre mit überirdischen Riffs quält. Während die White-Stripes- und Black-Rebel-Motorcycle-Club-Vergleiche bezüglich ihrer gehypten Hymnen wie „Love, Love Is on My Mind“ und „Gravity Blues“ Sinn ergeben, ist es ihre Zuneigung zu den Rolling Stones, die bei Crowd-Pleasern wie „Stand Your Ground“ und „I Think I Like You“ zum Vorschein kommt – ein hektisches Freudenfest mit den schönsten Melodien des Teufels. Schlussakkord, tosender Applaus. Doch einen Wimpernschlag später stehen die Jungs nochmals mit ihrer Zugabe, einer dreisten, triumphalen Version von „Fighting with the Truth“, auf der Bühne. Dann geht’s aber schnell ab in den Backstageraum. Klar, dass so eine leidenschaftliche Show ihren Tribut fordert. „Wir müssen diese Soundwand kreieren, nur wir beide, also müssen wir ständig hundert Prozent geben“, schnauft Paternoster, während er verschwitzt Autogramme gibt und sich junge Fans um Van Dijcks Drumsticks raufen. „Das verlangt viel Kraft und Anstrengung. Dries schlägt so hart auf die Trommeln ein, dass ich mich selber manchmal nicht hören kann. Ich muss bis elf hochdrehen, wie bei Spinal Tap eben.“ Soundproben und mehr News auf: redbulletin.com/blackbox/de

Reeperbahn Festival 24. – 26. 9. 2009 103 Bands auf Hamburgs bekanntesten 930 Metern: Für das Reeperbahn Festival wird die berühmt-berüchtigte Rotlichtmeile drei Tage lang in eine Amüsiermeile der anderen Art verwandelt. Dafür sorgen Acts wie Au Revoir Simone, Editors, Kreidler, Prinz Pi oder CSS. Reeperbahn, Hamburg, Deutschland

L’Ososphère Festival 25./26. 9. 2009 Ein Wohnblock wird abgesperrt, mit Visuals in einen bunten Lichtteppich gehüllt und mit überdimensionalen Lautsprechern beschallt. Im Inneren breitet sich das L’Ososphère Festival auf sechs Bühnen aus und offeriert das Beste, was die Elektronikkiste derzeit zu bieten hat: The Orb, Mr. Scruff, Les Tambours du Bronx, Goldie oder Plaid. Straßburg, Frankreich

Osunlade 26. 9. 2009 Als allerorten der Electro-Knarz Einzug in House-Discos nahm, war es Osunlade, der einsam eine Lanze für die Deepness brach. Und er sollte recht behalten. Während Kratzbürsten-Sounds schön langsam wieder verschwinden, sitzt der USAmerikaner mit dem Knochen durch die Nase nun am House-Thron. Paradiso, Amsterdam, Niederlande

Formel-1-Grand-Prix von Singapur 27. 9. 2009 Im Vorjahr wurde erstmals in der Formel-1-Geschichte ein Nachtrennen ausgetragen. Den Sieg auf dem Stadtkurs, der zu 70 Prozent aus normalerweise öffentlichen Straßen besteht, sicherte sich etwas über­ raschend Fernando Alonso. Marina Bay Street Circuit, Singapur

Jesse Saunders 3. 10. 2009 Er ist der Walter Gropius der House Music. Sein Fagus-Werk allerdings ist der Track „On & On“ von 1984, in dem er den Barock von Disco in eine funktionale Form goss. Und obwohl Jesse Saunders schon längst im HouseOlymp sitzt, ist er der DJ-Kunst noch immer nicht müde geworden. SeONE Club, London, Großbritannien Mehr Nacht-Events auf: www.redbulletin.com

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RB_SC_BULL_176x126,5_AD1

02.02.2009

9:32 Uhr

Seite 1

DAS COLAVON RED BULL.

STRONG & NATURAL.

Gipfelstürmer

„Was heißt, du willst im Basislager bleiben? Die EverestBesteigung war immer als Familienurlaub gedacht!“

„Das scheint mir ein guter Platz zu sein, um unsere ­E-Mails zu checken.“

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illustrationen: www.cartoonstock.com (7), dietmar kainrath (1)

Zum Auftakt ein interessanter Gedanke des Komikers Loriot: Wussten Sie schon, dass die Alpen einen ganz erbärmlichen Anblick bieten, wenn man sich die Berge wegdenkt?


more body & mind

Was eine urbane Bergziege auf der Höhe der Zeit sein will, hält sich auch in der Großstadt vorbildlich fit.

RB_SC_BULL_176x126,5_AD2 „Mit ihnen einfach nur schwimmen zu gehen 02.02.2009 mutet heutzutage ­irgendwie einfallslos an …“

9:34 Uhr

Seite 1

Neulich auf dem bislang noch unentdeckten Gipfel: „Ich dachte, du hast die Kamera mitgenommen?!“

STRONG & NATURAL. Cocablatt

Kolanuss

Zitrone/Limette

Nelke

Zimt

Kardamom

Pinie

Ackerminze

Galgant

Vanilleschoten

Ingwer

Muskatblüte

Kakao

Süßholz

Orange

Senfsamen

Das Cola von Red Bull ist eine einzigartige Komposition an Inhaltsstoffen, allesamt

Kolanuss als auch das Cocablatt verwendet. Sein natürlicher, nicht zu

Darüber hinaus enthält das Cola von Red Bull keine Phosphorsäure, keine Konser-

100 % natürlicher Herkunft.

süßer Cola-Geschmack kommt

vierungsstoffe sowie keine

Außerdem ist es das einzige

durch die Verwendung der rich-

künstlichen Farbstoffe und

Cola, das sowohl die Original-

tigen Pflanzenextrakte zustande.

Aromen.

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Read bull

Die Vermittlerin „Da kommt sie wieder“, sagt Martin und zeigt durch das Fenster des Pausenraums auf den Hof. Vor ihm steht eine Tasse mit Red Bull, da sein Arzt ihm den Kaffee und Frau Störenbrauch uns allen das Biertrinken während der Arbeitszeit verboten hat. Die Tasse hat einen Aufdruck von Arminia Bielefeld. Niemand hier in unserer UPS-Filiale in Herne weiß, wie sie hergekommen ist. Kein Mensch aus dem Ruhrpott ist Fan von Arminia Bielefeld. Martin fragt sich, wie man überhaupt Fan von Arminia Bielefeld sein kann, doch ich verstehe das. Arminia Bielefeld ist wie unser Job hier, wie die schmutzige, aber grundstabile Fließbandanlage, wie der Pausenraum mit seiner Sperrmüllküche und seinem schlammbraunen Süßigkeitenautomaten. Bei Arminia Bielefeld spielen Männer wie ­Rüdiger Kauf, Radim Kučera oder Markus Schuler. Malochertypen. Keine Virtuosen. Männer wie wir. Oder besser gesagt: Männer wie wir, bevor die Konzernzentrale von UPS uns Frau Störenbrauch aufgezwungen hat. Nicht mal unser Filialchef konnte sich dagegen wehren. Vorarbeiter Stolle schon gar nicht, der sonst herz­erfrischend herumbrüllt und sich seit einer Woche zusammenreißen muss, damit Frau Störenbrauch endlich das Gefühl hat, etwas erreicht zu haben. Frau Störenbrauch hat früher Philosophie studiert und ist heute dazu da, Firmen zu beraten. Sie ist gekommen, um zu vermitteln. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zwischen Vorarbeiter und normalen Angestellten, zwischen Dauerkräften und Schülerjobbern, zwischen uns allen. Immerfort will sie vermitteln, obwohl es bei uns gar nichts zu vermitteln gibt. Wir verstehen uns gut so, wie’s ist. Das kann Frau Störenbrauch nicht begreifen. Langsam verschwindet sie aus unserem Sichtfeld und betritt die Halle. „Also dann“, sagt Martin, trinkt aus und stößt sich von der Fensterbank ab. „Machen Sie weiter, ich bin gar nicht da“, sagt Frau Störenbrauch, als ich eine halbe Stunde später mein 85. Paket vom Band in den LKW-Anhänger wuchte, in dem Martin aus den Kartons Wände stapelt. „Ich bin gar nicht da.“ Doch freilich ist sie es, sie steht ja direkt neben mir, käme ich mit einem der großen Pakete ins Wanken, könnte ich sie leicht mit der Kartonkante zertrümmern. „Mann, du Vollpfosten, hast du den Arsch offen oder was???!!!“, brüllt Martin, 96

denn während ich mich von Frau Störenbrauch habe ablenken lassen, hat die Kartonkante nicht sie, sondern Martins Schienbein getroffen. Frau Störenbrauch macht einen Schritt vor den LKW-Trailer und hält die Handflächen in Richtung meines Kollegen. „Martin, bitte, wir wollen uns jetzt erst mal beruhigen“, sagt sie, während das Fließband weiterläuft. Ihr Blick hat dabei einen Ausdruck, als habe Martin soeben einen Menschen erschossen. Sie hat eine aufrechte Haltung, es ist nicht so, dass alles Leid der Welt auf ihren Schultern liegt. Vielmehr hat sich das Leid der Welt mit kleinen Angelhaken links und rechts an die Haut neben ihren Augen geheftet und zieht diese nun fortan nach unten. Man kann nicht betroffener aussehen. „Wir müssen lernen, respektvoller miteinander umzugehen“, sagt Frau Störenbrauch, doch Martin sieht über sie hinweg, zeigt auf das Band und schreit: „Mach weiter, du Pflaume!“ Ich wache aus meiner Kurzstarre auf, welche Frau Störenbrauchs Blick bei mir verursacht hat, und greife hektisch in die Paketberge hinein, die an unserem Trailer vorüberziehen. Frau Störenbrauch ­berührt mich leicht an der Schulter und sagt: „Warten Sie, wir müssen diesen Konflikt jetzt erst mal klären.“ Ich packe einen immensen Fernsehkarton an den scharfen Plastikstrapsen, wuchte ihn auf Martins Metallrollenschiene im Truck und antworte schwitzend: „Welchen Konflikt?“ „Na das eben, Ihr Kollege. Die häss­ lichen Worte.“ Sie schüttelt sich fast, als sie das sagt. „Ausgleich“, hat sie bei dem Zwangsseminar neulich an die Tafel geschrieben, Ausgleich sei alles. Ausgleich und Frieden. Sie hat Philosophie studiert. Das hat mein Mitbewohner Hartmut allerdings auch. Bei ihm führt das zu völlig anderen Ergebnissen. „Hören Sie“, sage ich, während eine ganze Ladung eng gebündelter Otto-Kataloge auf uns zukommt, „so redet man nun mal hier, sonst geht es nicht voran. Bei Arminia Bielefeld ruft der Trainer auch

Frau Störenbrauch hat Philosophie studiert und sagt: „Ich bin gar nicht da.“

nicht: ‚Du, Rüdiger, ich fände es schön, wenn du die linke Flanke zumachen würdest, aber nur, wenn dir danach ist.“ Frau Störenbrauch schüttelt den Kopf und sieht mich dabei an, als bemitleide sie mich für mein falsches Bewusstsein. Das ist ihre Art. Sie will uns retten und befreien. Wir sind ihre Kinder. Es kam sogar schon vor, dass sie Martin ihre kleine Hand auf den Kopf gelegt hat, sie wirkte wie ein Mistelzweig auf einem Medizinball, so groß ist Martins Kopf, der mit seinem Bi-

illustration: albert exergian

Von Oliver Uschmann


Read bull

zeps mitwächst und dem man ­zutraut, auch ohne Helm ganze Wände zertrümmern zu können, so wie es damals Ram-Man von den Masters of the Universe möglich war. Ich frage mich, ob Frau Störenbrauch Ram-Man kennt. „Was gehen euch denn da hinten die ganzen Hannover-Pakete durch die Lappen, ihr Flachzangen!“, brüllt jetzt Vor­arbeiter Stolle und läuft dabei auf uns zu, als sei er bereit, uns ohne zu zögern mit aufgekrempelten Ärmeln auf den Betonboden zu boxen. Als er sieht, dass Frau Störenbrauch bei uns steht, bremst er sich ein wenig. Die vermittelnde philosophische Betriebsüberwacherin macht sich eine Notiz. „Ja“, sagt sie, und ihre Augenwinkel senken sich noch ein wenig tiefer, als hätte sie soeben in einem unsicht­baren Ohrknopf von einem neuen Bürgerkrieg in Ruanda gehört, „ich denke, ich muss wohl noch einen Monat zusätzlich bleiben.“ Im Trailer lässt Martin den Fernseher auf seinen Fuß fallen. „Hier“, sagt Hartmut vor dem Rechner in seinem Zimmer, während in seiner Anlage auf meinen Wunsch hin Gangsta-Rap läuft, damit ich die Überdosis Seligkeit von Frau Störenbrauch aus dem Kopf kriege. Er zitiert: „Im Umgang mit Menschen bin ich sehr tolerant. Schon in der Schule war ich Streitschlichterin. Hier beziehe ich auch meinen Vegetarismus mit ein, meine Überzeugung, dass eine Spe­zies einer anderen nicht schaden darf.“ Es ist das Profil von Frau Störenbrauch in einem Freiberuflernetzwerk. Es wurde seit zwei Jahren nicht aktualisiert, aber auf dem Foto sind die Augen-Angelhaken des Weltleidens bereits fest angebracht. Es regt mich alles fürchterlich auf. Sich aufzuregen ist in unserer WG sonst Hartmuts Aufgabe. Ich motze herum: „Huhu, eine Spezies darf einer anderen kein Leid antun. Füttert die ihren Hund mit Grasbüscheln oder was???“ Hartmut sagt: „Hey, sie meint damit doch uns Menschen und …“ „Es ist mir egal, was sie meint!“, erwidere ich. „Da steht ganz klar rosa auf gelb ‚Spezies‘. Nicht Mensch und Tier!“ Ich denke darüber nach, dass sie im Betrieb noch einen Monat lang zwischen Männern vermitteln soll, die sich gut verstehen. Wir gehen sogar mit unserem Chef trinken. Das kann Frau Störenbrauch gar nicht nachvollziehen. In der Stereoanlage teilt Nate Dogg uns mit, dass er soeben mit zwei MGs in den Händen in einer 180-GradDrehung auf Eindringlinge schießt, während jemand seinen Schwanz im Mund hat. „Ich weiß, was wir machen“, sagt Hartmut. Ich sehe ihn an.

„Ich glaube, mir ist heute nicht nach den 2erPostleitzahlen.“ „Du sagst, die Frau geht erst, wenn sie im Betrieb vollkommenen Frieden und Ausgleich nachweisen kann?“ „Ja. So befiehlt es die Konzernleitung.“ „Dann macht es.“ Ich runzele die Stirn. „Macht es“, wiederholt Hartmut. „Gleicht vollkommen aus. Zeigt ihr, was dann passiert.“ Er schaltet den Rechner aus und erklärt mir in Ruhe seinen Plan. Zwei Tage später hocken Martin, ich und die Kollegen wieder im Fenster des Pausenraums und sehen Frau Störenbrauch auf die Halle zuschreiten. „Das kann nach hinten losgehen“, sagt Stolle, aber er will es mit uns durchziehen. Der Chef ist heute nicht da, Geburtstagsfeier im Sauerland. „Also“, sagt Martin wie jeden Tag, und wir gehen alle zum Schichtbeginn in die Halle, in der Frau Störenbrauch ihre Position einnimmt und sagt, sie sei gar nicht da. Das Band läuft an, die Preloader werfen Pakete aus den braunen Wagen aufs Fließband, von welchem wir Reloader sie in die LKWs packen müssen. Nur, dass wir es heute nicht tun. Statt dessen bemühen wir uns um Ausgleich. „Ich glaube, mir ist heute nicht nach den 2er-Postleitzahlen“, sage ich. ­„Martin, wie ist es, dürfte ich dich darum bitten, das heute zu übernehmen?“ Martin starrt aufs Band und legt sanft seinen Arm um mich. „Ach“, sagt er, „wenn ich so in mich hineinhöre und mich frage, was ich heute wirklich will, so als Mensch, dann glaube ich: Mir ist heute nicht nach Packen.“ Frau Störenbrauch schaut sich das Gespräch an. Sie sieht zum Fließband rüber. Berge von Paketen wandern unabgeräumt an den Trailern vorbei und plumpsen am Ende des Bandes in den Überlauf. „Ihr Lieben“, sagt Stolle und muss sich sehr anstrengen, dabei ruhig zu bleiben, „das Band ist angelaufen.“ „Unterdrücke uns nicht“, sagt Martin und zieht eine Schnute. Die Pakete fallen. Ich drehe mich zu Frau Störenbrauch und sage: „Los, tun Sie doch was! Vermitteln Sie!“ Frau Störenbrauchs Augenwinkel wandern nach oben. „Ich, was soll ich, wie soll ich … Sie müssen doch …“ „Mit jedem nicht verladenen Paket verliert der Konzern bares Geld“, sage ich. „Es wäre sogar denkbar, dass es in mehreren Filialen passiert. Womöglich immer

dann, wenn Sie gerade da waren. Ob das der Zentrale gefällt?“ „Aber …“ „Wer bezahlt Sie noch gleich?“, fragt Martin und offenbart dabei seine Zahn­ lücke. „Der Dalai Lama? Ach nee, das war ja die Konzernzentrale.“ Frau Störenbrauch begreift, was hier passiert, und ihre Weltleidaugen füllen sich mit trotzigen Tränen. Ohne ein weiteres Wort macht sie auf der Stelle kehrt und stampft trotz ihres mageren Origamikörpers so laut und grobschlächtig Richtung Hallentor wie die Religionsreferendarin, die wir im neunten Schuljahr vertrieben haben. Kaum, dass sie weg ist, nehmen wir unsere gewohnten Plätze ein, holen die Pakete aus dem Überlauf, werfen, stapeln, schwitzen und schreien uns mit handfesten Schimpfwörtern an, bis vier Stunden später alles verladen ist, als hätte es keine Verzögerung gegeben. Im Pausenraum lassen wir alle Tassen im Schrank, öffnen Bierflaschen, stoßen an und schalten den Fernseher ein. In einer Reportage beugt sich eine Frau mit Störenbrauch-Blick über einen vulgär dreinblickenden Schlägertypen, legt ihm von hinten die Arme auf die Brust, senkt ihren Kopf auf seinen und sagt mit geschlossenen Augen: „Ach, Marco, wir beide schaffen das schon.“ In einer Einblendung steht, dass Marco, 26, schon 13 Menschen zerschlagen hat. Er blickt direkt in die Kamera, als wolle er sagen: „Jetzt hört euch diese Hippie-Schlampe an, was?“ Martin hockt auf der Couch, die Füße auf dem Tisch, das Bier in der Hand und sagt: „Mädel, gib dem Mann ’n Job zum Austoben und ’n Hobby. Wenn er danach immer noch um sich schlägt, gib ihm was aufs Maul.“ „Prost!“, sage ich, und Martin schaltet zum Sportkanal um. Es spielt die Arminia Bielefeld. Rüdiger Kauf macht ein Tor.

Oliver Uschmann,

Jahrgang 1977, wird für seine Romanreihe „Hartmut und ich“ geliebt. Neuestes Werk des deutschen Autors: der satirische MännerRatgeber „Fehlermeldung“ (Gütersloher Verlagshaus). Leser machen Programm Schicken Sie Ihren Text bitte an: readbull@redbulletin.at. Das Thema ist frei, doch irgendwo kann eine Dose versteckt sein. Die besten Texte (maximal 5000 Anschläge) werden ­abwechselnd mit den Storys professioneller Autoren veröffentlicht.

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ko lu m n e

Guten Appetit!

Was tun im Fall von Ärger? Einfach runterschlucken: In zwei Milliarden Jahren ist ohnehin alles vorbei. Wollen Sie sich auf unser heutiges Thema ein wenig einstimmen, denken Sie einfach an etwas richtig Ärgerliches. Wie wäre es mit dem Freund, der hinter Ihrem Rücken ein paar private Dinge ausplaudert? Oder mit der Kollegin, die den Ruhm für Ihr gemeinsames Projekt einsackt? Oder mit Ihrem Lebensgefährten, der zum zweiten Mal Ihren Geburtstag vergessen hat? Nachdem das geschafft wäre und Sie so richtig schön kochen vor Wut, nun meine aktuelle Frage: Was tun? Wie sollten wir uns am besten verhalten: Den Ärger runterschlucken? Oder ihm freien Lauf lassen, indem wir beispielsweise so laut brüllen, dass wir selbst ein bisschen beeindruckt von uns sind? „Welche Frage?“, werden Sie entgegnen, „nur immer raus damit!“ Bis vor ­kurzem hätte ich das auch gesagt, bevor ich auf eine Reihe von Untersuchungen gestoßen bin, die genau zum Gegenteil raten: Runterschlucken, den Ärger! Die Forscher sagen das nicht ohne Grund, denn sie haben festgestellt, dass wir Menschen keine Dampfkessel sind, die Luft ablassen müssen, damit sie nicht explodieren. Vielmehr würden wir uns bloß schaden, wenn wir tun, was wir in unserem Ärger am liebsten anstellen: brüllen, einen Stuhl zerlegen, die anderen beschimpfen. Mal abgesehen vom kaputten Sitzmöbel – wir erhöhen die Gefahr

Übel gelaunte Menschen sind keine Dampfkessel, die Luft ablassen müssen, damit sie nicht explodieren. eines Herzinfarkts, reden uns um Kopf und Kragen und tun Dinge, die uns später leid tun. „Liebe Leute“, sagen also die ­klugen Forscher, „wer explodiert, schadet sich bloß selber! Bleibt also besonnen.“ Nun, das sagt sich leicht, wenn man in einem weißen Kittel steckt, im Labor sitzt und Statistiken auswertet. Daher will ich ein paar kleine Tricks anführen, mit denen wir unser Leben verlängern und unsere Konflikte konstruktiver gestalten könnten. Der wesentliche Kniff besteht darin, unserem eigenen Ärger nicht auf den Leim zu gehen und erst mal ein wenig Fassung zu gewinnen. Anders gesagt: runterzukommen bzw. cool zu werden. Eine meiner Lieblingsmethoden besteht darin, die aktuelle Situation in einem ­größeren Zusammenhang zu sehen. Also beim Anblick des kleinen Kratzers im n ­ agelneuen iPod an etwas zu denken,

das ein wenig größer ist: zum Beispiel ­daran, dass unsere Milchstraße in zirka zwei ­Milliarden Jahren untergehen wird, weil sie mit einer anderen Galaxis ­zusammen­stößt. Eine andere Variante besteht darin, nach dem ärgerlichen Ereignis erst mal ganz bewusst Zeit zu verplempern: ­Haben Sie ein wutentbranntes E-Mail ­verfasst, weil der Handyanbieter Ihre Rechnung mit dem aktuellen Staatshaushalt der Schweiz verwechselt hatte, lassen Sie den Text erst mal ein paar Stunden liegen oder – noch besser – schlafen Sie eine Nacht drüber. Sollten Sie gerade mit jemandem reden, der Sie schrecklich nervt, versuchen Sie, durch ein paar Nachfragen Ihre Fassung wiederzugewinnen. („Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie mir weismachen wollen, angesichts der Tatsache, dass unsere Milch­ straße in zwei Milliarden Jahren kollabiert, sei die Delle in meinem iPod nicht wirklich wichtig?“) Auch schön ist die Variante, sich selber wie einen guten Freund zu betrachten – und dann zu beraten: „Was hat er denn nur? Was könnte ihm jetzt helfen?“ Ziel all dieser Tricks ist es natürlich nicht, von nun an jeden Ärger zu ertragen wie einer dieser graubärtigen Yogis, die im Himalaja selbst bei zwei Grad über null, nur mit einem Lendenschurz be­ kleidet, vor sich hin meditieren. Das ist ein schönes Ideal, aber kaum erreichbar. Es geht vielmehr darum, so ruhig zu werden, dass wir uns richtig ärgern und die ­Ursache des Ärgers abstellen können. Cool, oder? Christian Ankowitsch, 50, ist ein öster­ reichischer Journalist, Schriftsteller und origineller Lebenshelfer. Sein neuestes Buch „Dr. Ankowitschs Kleiner Seelenklempner: Wie Sie sich glücklich durchs Leben impro­ visieren …“ erscheint im Rowohlt Verlag. Ankowitsch lebt mit seiner Familie in Berlin.

Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Stefan Wagner (Stv.) Creative Director Erik Turek Art Director Markus Kietreiber Fotodirektion Susie Forman, Fritz Schuster (Stv.) Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitende Redakteure Werner Jessner, Uschi Korda, Andreas Kornhofer, Nadja Žele Redaktion Ulrich Corazza, Felix Fuchs, Daniel Kudernatsch, Manuel Kurzmann, Florian Obkircher, Lucas Perterer, Christoph Rietner, Simon Schreyer, Clemens Stachel Grafik Claudia Drechsler, Dominik Uhl Fotoredaktion Markus Kucˇera, Valerie Rosenburg Senior Illustrator Dietmar Kainrath Autoren Christian Ankowitsch, Christian Seiler Mitarbeiter Christian Aust, Tom Hall, Norman Howell, Simon Kuper Illustratoren Mandy Fischer, Albert Exergian, Lie-Ins and Tigers, Andreas Posselt Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Christian Graf-Simpson, Nenad Isailovic Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Geschäftsführung Karl Abentheuer, Rudolf Theierl Projektleitung Bernd Fisa Sonderprojekte Boro Petric Finanzen Siegmar Hofstetter Verlagsleitung Joachim Zieger Marketing Barbara Kaiser (Ltg.), Regina Köstler Projektmanagement Jan Cremer, Jürgen Eckstein, Dagmar Kiefer, Sandra Sieder, Sara Varming Anzeigenverkauf Bull Verlags GmbH, Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien; anzeigen@at.redbulletin.com Office Management Martina Bozecsky, Claudia Felicetti Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Redaktionsbüro London 14 Soho Square, W1D 3QG, UK Telefon +44 20 7434-8600 Fax +44 20 7434-8650 Web www.redbulletin.com Erscheinungsweise Das Red Bulletin erscheint jeweils am ersten Dienstag des Monats als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Kurier, Oberösterreichische Nachrichten, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten. In Deutschland: Münchner Merkur, tz. In Großbritannien: The Independent. In Irland: Irish Independent. In Nordirland: Belfast Telegraph. Gesamtauflage 2,3 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com

Das Red Bulletin erscheint jeden ersten Dienstag im Monat. Die nächste Ausgabe gibt es am 6. Oktober 2009.

illustration: albert exergian

Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist


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