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Es bleibt nicht viel Zeit

UMBAU IN RICHTUNG NACHHALTIGKEIT UND DIE ROLLE DER BAUWIRTSCHAFT

Unter welchen Bedingungen gelingt die Transformation unserer Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit? Und was muss die Bauwirtschaft tun, um auch künftig erfolgreich zu sein? Das folgende Interview mit Dr. Björn Müller, Dozent an der Universität St. Gallen und Keynote-Speaker am Swissbau Innovation Lab on Tour vom 17. November 2022 beantwortet nicht nur diese beiden Fragen.

INTERVIEW MIT DR. BJÖRN MÜLLER VON SANDRA AEBERHARD

Der «Earth Overshoot Day» war am 28. Juli.

GESCHÄFTSFÜHRER*IN BASEL: Welches sind

die grössten Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf unsere Gesellschaft zukommen werden?

Dr.Björn Müller: Schon heute haben wir mit den riesigen Baustellen der fünf «D» zu tun: Dekarbonisierung, (Bio-)Diversität, Digitalisierung, Demokratie, Demografie. Dazu kommt ein die Weltordnung bedrohender Krieg in unserer Nachbarschaft mit Potenzial für einen Flächenbrand. Von der Pandemie ganz zu schweigen. Es sind grosse Themen, und sie sind in vielem miteinander verbunden. Das macht es nicht einfacher.

In wenigen Sätzen: Was muss man sich unter gesellschaftlicher Transformation vorstellen?

Gesellschaftliche Transformation meint den bewussten und gewollten Wandel von alltäglichen, meist gewohnheitsmässigen Arten und Weisen, wie wir zum Beispiel bauen, wohnen, reisen, Nahrungsmittel erzeugen oder essen. Wieso? Weil wir so nicht weitermachen können. Unsere Art zu leben gefährdet inzwischen nach nur zwei bis drei Generationen, also gut 150 bis 200Jahren, die Lebensgrundlage der gesamten Menschheit. Es geht also um die Frage, wie ganze Gesellschaften auf demokratische Art und Weise den Wandel hin zu einer klimagerechten Lebens- und Arbeitsweise gestalten können. Ob dies überhaupt gelingen kann, ist unsicher. Eine solche Herausforderung gab es bislang noch nie. Das Problem dabei: «Die Menschheit» oder «die Gesellschaft» ist kein handlungsfähiges Subjekt. Also sind wir alle gefragt, wie wir dazu beitragen können, dass es für uns, unsere Kinder und möglichst alle Menschen die Chance auf ein gutes und gerechtes Leben im Rahmen planetarer Grenzen geben wird.

In welche Richtung muss sich denn unsere Gesellschaft verändern?

Wir sind mitten in einer Zeitenwende. Ein Teil davon ist «natürlicher Wandel». Vielleicht könnte man sagen, dass mit dem Tod der Queen, die wie niemand sonst über die letzten 70Jahre eine Konstanz verkörpert hat, die ab den 1980er-Jahren zunehmend instabilere Nachkriegsepoche zu einem Ende kommt. Dazu kommen zwei fundamentale Bedrohungen: Neue Imperialismen recken ihre Häupter und stellen die Welt(wirtschafts) ordnung infrage. Schon im Rahmen der Pandemie war spürbar, dass Abhängigkeiten von globalen Lieferketten und fossilen Energieträgern wirtschaftlich und politisch gefährlich sind. Dazu bröckelt eine Säule unserer Demokratien: Demokratische Gesellschaften funktionieren durch den Glauben an Fortschritt und ein Wachstum, das vor allem durch technische Innovationen für immer mehr Menschen ein immer besseres Leben verspricht. Doch die Energiekrise und der Klimawandel lassen keinen Zweifel, dass unsere auf fossile Energie gestützte Lebens- und Wirtschaftsweise nicht zukunftsfähig ist. Die Richtung der Transformation ist teilweise durch wissenschaftlich fundiertes, politisch legitimiertes und quantifizierbares Zielwissen – beispielsweise durch das internationale 1.5-Grad-