8 minute read

In den Sätteln der Welt

Next Article
NPZ-Stipendium

NPZ-Stipendium

Die Domestikation des Pferdes und seine universelle Nutzung hat auf die Geschichte und Geschicke der Menschheit nachhaltigen Einfluss gehabt. Die Beherrschung der Pferde und ihr vielseitiger Einsatz als Tragtier, Zugtier und Reittier wurde durch die Erfindung von Zaumzeug, Gebiss, Steigbügel und Sattel und nicht zuletzt vom Hufschutz ermöglicht. Die Entwicklung dieser Hilfsmittel sind kulturgeschichtliche Leistungen von geschichtsschreibendem Ausmass.

von Ewald Isenbügel

Advertisement

Auf meinen Materialsammlungsreisen mit Ursula Bruns und Jean Claude Dysli zu den Pferden und der Reiterei der Welt bin ich den unterschiedlichsten Sätteln, Anspannungen, Zaumzeugen, Gebis sen und Peitschen begegnet und habe einig e davon in meine Sammlung heimgebracht. Jedes Sammlungsstück

und jeder Sattel hat dabei eine Geschichte.

Rodeo Far West In den siebziger Jahren gastierte im Hallenstadion in Zürich die Rodeo Far West Show mit damals noch weitge hend bei uns unbekannten Pferderassen wie Quarter Horse, Apaloosa und

Foto: zVg Paints. Allen Jacob war Chef der Trup pe, die allabendlich viel Publikum mit R eigning, Cutting und Bucking Horses anzog. JC Dysli und ich waren jeden Tag dabei und es entspann sich bald eine F reundschaft mit Allen. Doch die unbekannten Reitstile, die Ausrüstung und vor allem die Vorfüh rung der Rodeo Bucking Horses liess sc hnell Kritik aufkommen und man redete von elektrisierenden Zügeln und Sporen, welche die Pferde zum Buckeln veranlassen sollten. Der da malige Kantonstierarzt A. Marthaler beauf tragte mich aus Tierschutzgründen, der Sache nachzugehen. So bezog ic h jeden Abend mit dem Kantonstierarzt Posten neben den Shoots, aus denen nach vorsichtigem Besteigen vom Gitt er der Startboxen die Pferde für ihren kurzen, spektakulären Galopp in die Arena katapultiert wurden. Zum Abschied schenkte mir Allen ei nen prächtigen neuen Westernsattel und Zubehör wie Bosal, Hac kamore, Rope, Chaps und verschiedene Kopf stücke. Sie waren der Grundstock der Satt elsammlung.

Aber es gab noch ein unerwartetes Nachspiel. Die Showtruppe zog weiter nach Mailand. Auf der Autobahn er eignete sich ein Unfall und zwei verletzte Pferde kamen zurück in das Zür cher Tierspital, wo ich damals als Pferdetierarzt arbeitete. Ein Pferd, ein kleiner nussbrauner Quarter, konnte nach einigen Nähten der Truppe nachreisen. Das andere Pferd, ein Buckskin, hatte sich an der Innenseite der rechten Hintergliedmasse schwer verletzt und sollte eingeschläfert wer

Diesen Westernsattel mit Zubehör erhielt Isenbügel von Allen Jacob in den Siebzigern.

den. Es gelang mir, Allen Jakob zu überzeugen, mir das wunderschöne Pferd zum Metzgerpreis zu überlas sen. Mit Hilfe des damaligen amerikanischen Oberarztes der Pferdeklinik, Bud F ackelmann, gelang nach mehreren Hauttransplantationen und langer Rekonvaleszenz die Gesundung des Pf erdes. So war ich auf unerwartete Weise zu einem Pferd für meine amerikanisc hen Ausrüstungsgegenstände gekommen.

Der Sattel des Sultans 1982 waren Ursula Bruns und ich einmal mehr in Marokko, um Eindrücke für ein Pferdebuch im Albert Müller Verlag zu sammeln. Eine wertvolle Hil fe war uns dabei der deutsche Konsul S tammer in Rabatt, Araberzüchter und über die Pferde ein Vertrauter von Kö nig Hassan. Er verschaffte uns Zugang zu den Gar destallungen, Gestüten und der königlichen Sattelkammer.

Unvergessen bleibt der Besuch des Gestütes in Marrakesch. Weisse Mauern, von roten Wasserfällen blühender Boug ainville überrankt, blaue Stalltüren und mit bunten Kacheln verkleidete Stallwände. Zwei Gestütswärter br achten mir einen zierlichen, energiesprühenden Araberhengst und forderten mich gestenreich auf, ihn zu reiten. Selt en habe ich in so kurzer Zeit ein so beglückendes Zusammenfinden erlebt. Im Wechsel von Sonnenlicht und Tama riskenschatten tanzte der Hengst im w eiten Rund des Reitplatzes.

Es fiel schwer, mich von ihm zu verabschieden. Im Stalltor erschienen zw ei Männer in Dschelabas und trugen einen gold- und silberbestickten Pr unksattel und ein Kopfstück mit der arabischen Ringkandare. Ein dritter Mann in Uniform überreichte mir auf einem Tablet eine mit dem Wappen des Sultans geprägte Karte mit folgen dem Text: «Der Sultan hat dich und den Hengs t gesehen, der Sultan hat sich gefreut.» Da stand ich nun mit kleinstem Gepäck auf der Reise mit diesem fürstlich-grossen Geschenk. Den Sultan selber habe ich nie gese hen. Jedes Mal, wenn ich den Sattel betr achte, denke ich an den tanzenden Hengst in Marrakesch.

Ein fürstliches Geschenk des Sultans von Marrakesch.

Paso olé Im Frühling 1971 waren wir wieder unterwegs in den USA auf den Spuren der Gangartenpferderassen. In Kalifor nien machten wir Station bei Jean Claudes Lehr er, dem «Californien Hackamoor Reinsman George Rose». Wir fuhren den Highway Number 1 hinab und trafen auf der WestwindFarm einer ungarischen Gräfin Linda Tellington-Jones, mit der mich bis heute eine engagierte lebenslange Ar beitsfreundschaft verbindet.

Am Sc hluss der ereignisreichen, von so viel Pferde- und Reiterlebnissen geprägten Reise trafen wir in Scottsdale, Arizona, auf den Präsidenten der Peruvian Paso Züchtervereinigung Bud Brown. Die langen Gesprächs abende über Peruvian Paso, Paso Fino, Zuc hten, Reitstile, Gänge in dieser engagierten Runde sind unvergessen und Bud und seine Frau Isabel mit ihrem Columbian Paso wurden schnell zu F reunden.

Der Peruvian Tack von Dolce. (links)

Zu Besuch in der Mongolei, 2012. (unten)

Peruanischer Tölt am Flughafen Es war aber nicht absehbar, dass Bud uns seinen Zuchtstock brachte. Der Traum wurde Wirklichkeit: In einer nebligen Novembernacht 1972 landeten in Kloten zehn Peruanerstuten und der Hengst Dolce Sueno, mehrfacher Champion und in Lima auf dem Concurso National als Campeon de Campeones gekört. Bud persönlich brachte sie im Western-Outfi t, schob den Grenzveterinär, der die Pferde vor dem Ausladen inspizieren wollte, mit einem «get away boy, here they come» zur Seite, töltete den Hengst an der Hand im Flutlicht vor der Maschine entlang und übergab mir unter Tränen die Zügel. Das war dann der Beginn der Peruaner Zuchtgenossenschaft Schweiz. Die herzliche Verbindung mit Bud und Isabel Brown blieb bis zu ihrem Tode, sie ritten nach der Europameisterschaft der Islandpferde 1972 von St. Moritz über die Alpen mit mir nach Chur und waren in Island Gäste am Landespferdetreffen. Der Peruvian Tack von Dolce erinnert mich an diese erlebnisreiche Zeit.

Mongolei Seit Jahrzehnten faszinierten uns die Steppenreiter der Mongolei, Haltung und Einsatz ihrer Pferde, die seit Dschingis Khans Zeiten vom Sattel aus die halbe Welt in Atem hielten. Der Traum «Kühles Grasland Mongolei» erhielt noch einmal eine ganz neue Wendung, als ich über 20 Jahre als Tierarzt im Wildpark Langenberg die Wildpferde und die Vorbereitungen zur Wiederansiedlung des in seiner Heimat ausgerotteten Przewalski-Pferdes betreute. Der Wildpark Langenberg in Langnau ist heute Sitz der ITG, der «International Tachi (mong. für Wildpferd) Group», und betreibt zusammen mit der mongolischen Regierung seit 20 Jahren die erfolgreiche Wiederansiedlung der Wildpferde mit Hilfe der Basler «Werner Stamm Stiftung» für bedrohte Einhufer. 2012 konnte ich endlich eine Reise zu meinen Tachis unternehmen. Die abenteuerliche Reise von Ulan Bator durch die Taklamakan – Wüste ohne Wiederkehr – war eine unvergessliche Begegnung mit einer atemberaubenden Landschaft, mit Pferde- und Kamelzüchtern und dem Wiedertreffen

der Tachi-Gruppen in der unendlichen Weite der Steppe.

Die erhoffte Ausbeute an pferdekundlichem Wissen und Ausrüstungsgegenständen dagegen entsprach in keinster Weise der legendären Tradition des Reitervolkes. Am eindrücklichsten bleibt mir die Beurteilung der Kondition der Rennpferde für das Nadam-Fest in Erinnerung. Mit dem Oberschnabel des Pelikans als Schweissmesser prüfen die Mongolen anhand von Geruch, Geschmack, Tropfkonsistenz und Farbe den Trainingszustand ihrer Pferde, die spätere Überprüfung anhand von Muskelbiopsieproben am Tierspital ergab eine verblüffende Übereinstimmung.

Aus Platzgründen muss ich mich leider nun von meiner Sammlung an Sätteln, Zaumzeugen, Steigbügeln, Peitschen und weiterem Zubehör trennen. Interessenten können sich gern bei mir melden: ewald.isenbuegel@bluewin.ch. Ewald Isenbügel, Greifensee, März 2020

Vom geschundenen Arbeitsgerät zum artgerecht gehaltenen Equiden

Seit mehreren Jahrzehnten schon kämpft der Schweizer Tierschutz (STS) für eine artgerechte Haltung der Pferde. Die Geschichte des Tierschutzes in der Schweiz wurde nun in einer neuen Broschüre aufgearbeitet.

textMonika Zech

Bis ins 20. Jahrhundert hinein war das Pferd ein geschundenes Kriegs- und Arbeitsgerät. Die Tiere wurden zum Ziehen von schweren Fuhrwerken, zum Bestellen von Äckern und anderen schweren Arbeiten eingesetzt. Und bis zur Motorisierung kam keine Armee der Welt ohne Pferde aus. Der Zweite Weltkrieg gilt als der «grösste Pferdekrieg der Geschichte». Allein auf deutscher Seite wurden 2 800 000 Pferde eingesetzt, unzählige starben in diesem Krieg. Auch die Schweizer Armee rüstete damals ihren Pferdebestand massiv auf; nach dem Krieg wurden viele «entsorgt», weil sie nicht mehr gebraucht wurden.

Misshandlungen im Pferdesport In den 1990er-Jahren wurden einige Skandale rund um den Pferdesport publik. «Im harten Kampf um Ehre und Gold», schrieb 1986 die «Schweizer Illustrierte», «ist das Pferd für manche zur Maschine geworden.» Es ging um terpentingetränkte Pferdebandagen im einen Fall, um Flaschendeckel unter den Bandagen in einem anderen. 1997 deckte der STS zusammen mit dem Filmemacher Mark Rissi einen weiteren Skandal im Trabrennsport auf: Den Pferden wurden die Zungen angebunden, die Köpfe hochgezogen und die Ohren mit Pfropfen zugestöpselt – alles, damit die Tiere schneller liefen. 1997 gelangte der STS mit einer Petition mit über 70 000 Unterschriften an den Bundesrat. Thema: die vergessenen Tiere. Darin forderte der STS den Bundesrat auf, umgehend Vorschriften zur Haltung von Pferden, Schafen und Ziegen zu erlassen. Der Grund: Diese Tiere waren bei der damaligen Revision der Tierschutzverordnung übergangen worden. Bei den Pferden forderte der STS, dass Folgendes verboten würde: Anbindehaltung, Einzelhaltung ohne Sozialkontakt, das Barren, das Durchführen kosmetischer Operationen, das Abschneiden der Tasthaare, übermässige Beanspruchung, Strafen durch übermässiges Schlagen, Schläge auf den Kopf und grober Sporeneinsatz.

2008 Anbindehaltung, 2014 Rollkur verboten Doch erst bei der Gesamtrevision im Jahr 2008, nach mehreren Interventionen des STS, wurden erstmals spezifi -

sche Bestimmungen über den Umgang mit Pferden in die Tierschutzgesetzgebung aufgenommen. Unter anderem wurden endlich die Anbindehaltung und das Abschneiden der Tasthaare verboten sowie ein kleiner Auslauf pro Woche festgelegt, aber konkrete Vorschriften zum Umgang mit Pferden an Pferdesportveranstaltungen und im Training fehlten immer noch. 2014 schliesslich wurde den Forderungen des STS zumindest teilweise entsprochen, Rollkur und Barren wurden verboten.

Zur Broschüre (PDF): www.kavallo.ch/qkv5

This article is from: