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Passeirer Blatt

Adventliche und weihnachtliche Erinnerungen

Aus der Kindheit von Pfarrer Oswald Kuenzer

Orte und Ereignisse der Kindheit haben nicht zuletzt in emotionalen Zeiten wie Advent und Weihnachten das familiäre, dörfliche, kulturelle und religiöse Leben geprägt und damit auch die eigene Identität, das Selbstbewusstsein und das Weltverständnis gebildet. Der Advent war eine Zeit der freudigen Erwartung des Christkinds.

Zu den wichtigsten und aufregendsten Momenten der Vorbereitung auf Weihnachten zählte das Herrichten meiner kleinen „Oberkofler­Krippe“ unter dem Christbaum: Eine Laubsäge­Arbeit, wobei ein dicker Kunstdruckbogen, gemalt vom PriesterKirchen­Maler J. B. Oberkofler aus St. Johann i. A., auf ein dünnes „Sperrbrett“ geklebt, und die einzelnen Figuren mit der Laubsäge sorgfältig ausgeschnitten und auf ausgelegtem Moos aufgestellt wurden.

Ins kindliche, vor allem emotionale Gedächtnis eingebrannt haben sich mir vor allem die NikolausBräuche zu „Nigglas“: die Nikolausbescherung zuhause, in einem Teller im Hausflur, wo wir – im Laufe der Jahre bis zu sechs Kinder, also in bis zu sechs nebeneinander aufgestellten weiß emaillierten Blechtellern – einige Nüsse und Mandarinen vorfanden. In Erinnerung blieben mir auch die auf eine große Rute geknüpften länglichen, roten, gefüllten „Zuckerlein“ in der Volksschule.

Der mit Spannung erwartete schaurige Höhepunkt war aber das „Nigglas­Spiel“, das auch in einigen Dörfern im Pustertal gepflegt wurde und immer noch wird. Auch in meinem Heimatdorf St. Georgen bei Bruneck wurde es in den 1950­Jahren aufgeführt, u. a. auch in unserer Bauernstube daheim, beim „Bartlmair“, im Dorfzentrum, gleich neben der Kirche. Es ist eine Art Welttheater (wie auch „Jedermann“), wo es um Gut und Böse geht, um die Folgen eines auf weltlichen Reichtum, Besitz und Gewinn ausgerichteten Lebenswandels, bei Vernachlässigung der Werke der Barmherzigkeit, sowie der kirchlichen und religiösen Betätigungen.

Im Advent wurde auch der Brief ans „Christkindl“ geschrieben, mit den kindlichen Wünschen. Diese Briefe wurden dann, schön verziert, zwischen die Fenster und die Winterfenster der Stube gelegt. Der absolute Höhepunkt der kindlichen Gefühle aber war der Heiligabend mit all seinem Drum und Dran: Mittagessen, Spaziergang, Weihnachtsgeschichte, Kerzen am Christbaum entzünden, Christkindlbescherung, ein wenig feiern, und dann noch die Mitternachtsmette in der nahen Kirche.

Der Christtag war hochheilig. Da durfte man, außer zu den Weihnachtsgottesdiensten am Vormittag und am Nachmittag, nicht aus dem Haus, nicht zum Rodeln und nicht zum Spielen in die Nachbarschaft.

Am Stefanstag gab es manchmal ein Volkstheater der Heimatbühne. Schauspieler waren die Kirchensänger. Gut erinnern kann ich mich noch an ein Stück, das die Entstehung des Liedes „Stille Nacht“ darstellte. Zwischen Weihnachten und Neujahr ging man zum „Krippeleschaugn“ bei Nachbarn und Verwandten. Eine ganz besonders schöne und kunstvolle Krippe hatte der Bruder meines Firmpaten, der „Radmüller Hermann“. Am Heiligabend zu Mittag, am Neujahrsabend und am „Kinigabend“ ging die ganze Bauernfamilie; Vater, Mutter, die sechs Kinder sowie Knecht (Onkel) und Dirn (Magd) betend zur Hausräucherung in alle Räume und auch um das Haus und Futterhaus.

Ein großes, anstrengendes, aber einträgliches Ereignis war für uns Kinder das „Neujahrschreien“, bei welchem wir am Neujahrstag, von früh bis spät (außer bei den Gottesdiensten) alle Häuser und Wohnungen besuchten und ein Neujahrsgedicht aufsagten, worauf wir Süßigkeiten und mancherorts auch ein wenig Geld erhielten. Den Tag nach Neujahr verbrachten wir aufgeregt mit dem Aufteilen und Aufstapeln der Kekspaktlan und Münzen und kleinen Geldscheine unter uns Geschwistern.

Weihnachten und Neujahr waren Tage, die Kraft spendeten für die kommenden Herausforderungen. Die Feste (Weihnachten, Stefanstag, Neujahr, Dreikönig) waren GUT: für den Leib, alle Sinne ansprechend – und SCHÖN: für die Seele und den Geist; dazu FEIN: Familienfeste, Pfarrfeste, Gemeinschaftsbezug – und FROMM, geistlich: sie hatten Gottesbezug. Gott bzw. das Christkind, das Warten darauf, die Feier seiner Geburt, seine Geschenke … gaben dem Leben einen tiefen Sinn, Freude und Kraft – für das ganze Jahr! Man freute sich das ganze Jahr darauf. Weihnachten war der Kristallisationspunkt aller kindlichen Sehnsüchte, Wünsche und Emotionen. Die Welt war bzw. kam wieder in Ordnung. Die Zeit war und wurde geheiligt.

Oswald Kuenzer, Pfarrer im Hinterpasseier

Ein schauriger Nikolaus-Brauch war das „Nigglas-Spiel“, hier ein Foto aus meinem Heimatdorf St. Georgen bei Bruneck.
Archivfoto: Klaus Graber

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