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Suche und finde, Folge 15

Suche und finde

Kunst im öffentlichen Raum, Folge 15: Thomas Burhenne, Kopf des Verlierers, 1983

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TEXT: THOMAS GEORG BLANK | FOTO: JAN EHLERS

Welchen Kampf oder welches Spiel dieser Mann aus Bronze verloren hat, weiß nur der Künstler selbst. Wir müssen allerdings davon ausgehen, dass der Dargestellte die Niederlage nicht gut weggesteckt hat.

Der verhärmte Gesichtsausdruck lässt eine gewisse Bitterkeit erahnen und so erkennt man in dem körperlosen Haufen plötzlich eine Zeitbombe. Tatsächlich gibt es wenige Dinge, die so gefährlich sind wie ein gekränktes Ego. Ein Paradebeispiel dafür ist der schwerlich scheidende Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Auch auf dessen Schultern schwelt der Kopf eines Verlierers und seit Jahren hält die Welt nun schon den Atem an bei jedem Schritt, den er zielsicher in die falsche Richtung geht.

Wenn derartige Persönlichkeiten eine Ausnahme darstellen würden, dann gäbe es keinen weiteren Grund zur Besorgnis. Es scheint allerdings ein globales Phänomen zu sein, dass die Köpfe schlechter Verlierer in Machtpositionen geraten. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die Persönlichkeitsstruktur eben jener Menschen ihnen einen sehr gefährlichen Satz ganz besonders laut in den eigenen Geist grölt: Das steht mir zu! Gefährlich ist der Satz aus verschiedenen Gründen. Einer davon ist, dass er dem eigenen Ego zu viel Raum gibt. Wem die negative Konnotation des Wortes „aufgeblasen“ bekannt ist, versteht das Problem.

Ein weiterer Grund ist, dass wir ihn alle ständig denken. Ein Lösungsansatz könnte sein, eben jenen Satz mit einem anderen Satz zu kontern: Das steht auch allen anderen zu! Wenn wir das häufiger praktizieren würden, dann befänden sich derartige Köpfe vielleicht häufiger in abgelegenen Ecken und seltener im Oval Office. ❉

Kunst im öffentlichen Raum — Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jeden sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.

P-scherung auf Abstand

Erst recht in diesem vermaledeiten Jahr 2020 ist P-scherungszeit in Darmstadts netten Läden!

TEXT: LISA MATTIS + CEM TEVETOG ˇ LU | FOTOS: JAN EHLERS

Vieles ist anders 2020, eines bleibt gleich: Unsere, nein, Eure P-scherung! Wir haben es uns auch dieses Jahr nicht nehmen lassen, zusammen mit 28 Weihnachtswichteln tolle Geschenke für Euch zu sammeln und schicken Euch wieder für ein kleines Rätsel quer durch die Stadt.

Wie jedes Jahr findet Ihr bei einem Spaziergang durch Darmstadts winterliche Straßen in den Schaufenstern von 27 netten Läden ein SpezialCover unseres kleinen Magazins, versehen mit einem Lösungsbuchstaben und einer Zahl. Richtig kombiniert ergeben diese 28 Buchstaben einen Lösungssatz, den selbst Christian Drosten nicht erraten könnte. Und wenn Ihr diesen Satz fristgerecht auf die Postkarte auf Seite 25 schreibt und bei uns einwerft, könnt Ihr eines der 28 hochwertigen, mit Liebe von Euren Einzelhändlern ausgesuchten Präsente gewinnen. Entweder für Euch oder für Eure Lieben – das könnt Ihr selbst entscheiden. Zeitlich seid Ihr dabei wieder ziemlich flexibel, denn egal, an welchem Tag Ihr wo vorbeikommt: Ihr werdet an allen 22 Dezembertagen bis zur finalen Verlosung am Abend des 22. Dezembers fündig.

Doch nicht nur die Gewinner sind Sieger – denn auf der P-scherungs-Schnitzeljagd entdeckt Ihr ganz gewiss das ein oder andere GeschenkeShopping-Kleinod, das Ihr noch gar nicht auf dem Schirm hattet. So entzerrt sich der Geschenkekauf und wird zu einer ganz entspannten Sache beim Spaziergang quer durch die Stadt. Und, seien wir mal ehrlich: Wer freut sich zwischen pandemiebedingtem Homeoffice und generellem Weltschmerz nicht über einen Motivator, vor die Tür zu gehen und frische Luft zu schnappen? Durch die Maske versteht sich, denn die P-scherung ist nur dann in unser aller Sinn, wenn wir dabei Hygiene- und Abstandsregeln beachten. Deshalb haben wir dieses Jahr auch alle Läden dazu eingeladen, das Lösungs-P im Schaufenster zu platzieren. So muss niemand in einen vollen Laden, sondern kann sich alles. in Ruhe von draußen anschauen.

Und so funktioniert das Ganze:

1. Wir suchen einen kompletten P-scherungs-Lösungssatz! Dieser Satz besteht aus 28 Buchstaben. In den Schaufenstern der 27 teilnehmenden Läden steht vom 01. bis 22. Dezember je ein mit einer Positionszahl versehener Buchstabe, wenn Ihr dort nach dem Dezember-P-Cover Ausschau haltet. Beispiel: „R 5“ auf dem Cover bedeutet, dass der fünfte Buchstabe des Lösungssatzes ein „R“ ist. Also besucht die 27 Läden, schaut in ihre Fenster und findet alle Buchstaben! Ausnahme 2020: Im Goldmarmor in der Wilhelminenstraße sind diesmal ausnahmsweise zwei Buchstaben versteckt, da es hier zwei edle, jeweils für sich stehende Gewinne gibt. Alljährliche Besonderheit: In beiden Unverpackt-Läden liegt derselbe Buchstabe aus, Gleiches gilt für die zwei Lejla’s-Vintage-Shops und alle drei P2-Filialen. 2. Tragt alle 28 Buchstaben des Lösungssatzes auf dem Vordruck auf Seite 25 ein, schneidet diese Karte aus und schickt sie an: P Stadtkulturmagazin, Schlossgartenplatz 13, 64289 Darmstadt. Oder werft sie hier direkt in den Briefkasten. Bis Dienstag, 22. Dezember, um 22 Uhr habt Ihr dazu Zeit. Das Los entscheidet, es gibt 28 Preise für 28 unterschiedliche Gewinner. Auf der Postkarte findet Ihr auch eine Zeile, in der Ihr Euren P-scherungs-Favoriten eintragen könnt – wir versuchen, diesen zu berücksichtigen, garantieren aber für nix! 3. Noch am 23. Dezember werden morgens die Gewinner gezogen und telefonisch benachrichtigt – Handynummer auf der Postkarte also unbedingt angeben! So können Geschenke direkt am Tag vor Heiligabend bei uns abgeholt werden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Alle angegebenen persönlichen Daten werden natürlich vertraulich behandelt. Die Geschenke sind vom Umtausch ausgeschlossen.

So schade es ist ... P’ler dürfen auch diesmal leider nicht teilnehmen. Wir wünschen viel Spaß beim Entdecken unserer netten Läden – haltet Abstand, seid lieb und rücksichtsvoll zueinander. /*Dann kann Weihnachten kommen!

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Die 27 P-scherungs-Läden von A bis W – und ihre 28 schönen Geschenke:

1 AGC Asphaltgold Club

Ein rotes Asphaltgold-Beanie aus 100 Prozent Schurwolle made in Germany + ein 50-Euro-Gutschein. Ludwigsplatz 8 A, Innenstadt | asphaltgold.com

2 Atelier Aufschnitt

Zeitreise-Modus: on! Restaurierter und gepimpter „Game-Boy“, kontrastreiches Farbdisplay, RetroPixelmodus (wie früher!), coronakompatibel mit „Doktor Mario bekämpft das Virus“-Spiel. Kaupstraße 42, Martinsviertel | atelier-aufschnitt.de

3 Bernds Weinquelle

Eine Kiste „Mathilde“-Secco. Cheerio, Miss Mathilde! Bleichstraße 10, Innenstadt | bernds-weinquelle.de

4 Buchhandlung Lesezeichen

Ein Fotoband „Unverloren – Hommage an Weimar Porzellan Thüringen“ der Ex-Darmstädterin Susanne Katzenberg plus eine reproduzierte Vase „Tini“ aus türkisem Porzellan.

5 Büchergilde Buchhandlung am Markt

Kaffeeliebe zum Lesen – und zum frisch Aufbrühen! Das gleichnamige Buch von Britta Heithoff verspricht Infos zu Espresso-, Brüh- und Filtertechniken. Passend dazu: eine hübsche SlowCoffee-Maschine „Coffee for One“ von Könitz. Marktplatz 10, Innenstadt | buch-am-markt.com

6 Chez Freunde Pop-up-Store

Kultbar-Feeling nach Hause holen? Kein Problem: Eine Flasche „Chez Sommer“ mit zwei Flaschen Tonic – die Drinks serviert Ihr am besten in den formschönen Chez-Tumblern, von denen es zwei Kirchstraße 8 (am Cityring), Innenstadt | chezfreunde.de

dazu gibt. Heinheimer Straße 82, Martinsviertel lesezeichen-darmstadt.de

7 DJ Chromo's Musik als Hilfe

Fünfer-CD-Package des Declaration-of-Santo-Geheimtipps „Ferien vom Ich“. Album-Titel, die nachhallen: „Im Herzen da da“, „Sportmädel“, „Halbe zwei Jahre“, „Drakula Musik“ und „Alimente für den Planeten“. Pallaswiesenstraße 21, Johannesviertel | dj-chromo.de

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8 Comic Cosmos

Wir sind Fans von „Bei mir zuhause“, der aktuellen Graphic Novel von Wahl-Darmstädterin Paulina Stulin. Noch mehr Heiner-Stoff für die Augen gibt es mit Warren Ellis' & Marek Oleksickis „Frankensteins Schoß“. Saalbaustraße 5, Innenstadt | naamanscomiccosmos.com

9 Funktion Möbel

Wir servieren, äh, präsentieren: Vitra's Classic Tray im ikonischen Punktemuster von Charles & Ray Eames und Alexander Girard. Ein echter Designklassiker aus laminiertem Schichtholz. Friedensplatz 8, Innenstadt | funktionmoebel.de

10 Friedrich!

Ein Paar vergoldete Mini-Kreolen mit baumelnder Münze und eine golden-blaue Steinkette vom Haus- und Hoflabel Paniewa. Bessunger Straße 47, Bessungen instagram.com/friedrich_darmstadt

11 Goldmarmor

Das sinnliche „Molecule 1“ von Escentric Molecules duftet an Männlein wie Weiblein und allen da-

zwischen gleich gut und ist deshalb ein absoluter Verkaufsschlager im Hause Goldmarmor. Wilhelminenstraße 4, Innenstadt | goldmarmor-shop.de

12 Grüner Salon

Die „neue Einfachheit“: Große Milchkochkanne aus Emaille von Riess, handmade in Austria, dank des Eisenkerns auch für Induktionherde geeignet. Dazu ein Schöpfkelle aus Emaille und eine Spülbürste aus Naturfaser. Robert-Schneider-Straße 20, Martinsviertel www.gruenersalon.de

13 Hanna Marie Gropper (@Goldmarmor)

Die „Branch Necklace Gold“-Kette der Darmstädter Goldschmiedin ist 45 Zentimeter lang, der organische Anhänger hat einen Durchmesser von 18 Millimetern. Das 935er Silber ist mit 18-karätigem Gold veredelt – ein echtes Schmuckstück! Im Goldmarmor, Wilhelminenstraße 4, Innenstadt

de.hannamariegropper.com

14 Heckmann

Tee muss nicht immer heiß und aus der Kanne kommen! Concept-Store Heckmann verschenkt

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eine stylische Filter-in-Bottle für Cold Brewed Tea von Hario. Dazu gibt es die Premium-IngwerEssenz „Gimber“, die mit mehr als 40 Prozent Ingwer kaltes und warmes Wasser, Cocktails und Mocktails bereichert. Schulstraße 5, Innenstadt | heckmannstore.eu

15 Heimat Store

Besonders praktisch für die graue Jahreszeit, da wasserfest: Das „Hajo Backpack“ von Ucon Acrobatics in edlem Dunkelgrau. Der Rucksack fasst 16 Liter, wiegt 800 Gramm und ist damit der optimale Alltagsbegleiter. Marktplatz 9, Innenstadt | heimatstore.com

16 Hifi Profis

Die hochwertigen „Hybrid Dual Driver Wireless“Headphones von Bowers & Wilkins halten mit einer kurzen Ladung bis zu acht Stunden lang – und sehen noch dazu richtig gut aus. Grafenstraße 29, Innenstadt | hifi-profis-da.de

17 Klar

Minimalistisch-hochwertig: Dieses exklusive Brillenetui aus schwarzem Leder mit rosa Innenleben entstand in Kooperation mit dem japanischen Brillenaccessoires-Label Diffuser Tokyo und schützt Lese- oder Sonnenbrille gleichermaßen vor Kratzern. Schulstraße 4, Innenstadt | klar-augenoptik.de

18 Kleine Fluchten

Lifesaver: Ein professioneller Klettergurt „Corax“ von Petzl in zeitlosem Hellgrau. Magdalenenstraße 3, Martinsviertel kleinefluchtenoutdoor.de

19 Lejla's 59 + 63

Eine Lounge-Lampe „Urban style“ von Noor Living, filigran dreibeinig, mattschwarz, mit goldener Glühbirnenfassung. Liebfrauenstraße 59 + 63, Martinsviertel vintage-darmstadt.de

20 Lilien-Fanshop City

Allez, allez! Ein von der 1. Mannschaft signiertes Lilien-Trikot in Deiner Wunschgröße. Friedensplatz 4, Innenstadt facebook.com/LilienFanshop

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21 Ulli Lindemann

Üppiges Geschmeide für die Feiertage: Ein festliches Klunkerarmband mit rauchquarzigen Glassteinen. Dazu die passende Aufbewahrung: eine Glasdose mit Prägezierblech. Müllerstraße 8, Martinsviertel | ulli-lindemann.de

22 P2

Ein kuschelweicher Schal aus Kaschmir und Micromodal von Re-branded, hellgrau, unisex. Hügelstraße 71 + Schulstraße 1 + Luisencenter (1. OG), Innenstadt | p2-darmstadt.de

23 Schmuckmanufaktur Kneist

Heinerfest-Hommage für die Ohren! Kettenkarussell-Ohrschmuck aus Sterlingsilber mit Mini-Figuren (Kleinserie mit immer wechselnden Figuren, 10 Euro je Verkauf gehen als Spende an den Förderverein Darmstädter Heiner). Magdalenenstraße 29, Martinsviertel schmuckmanufaktur-kneist.de

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24 Soulid

Blau-schwarz geringelter Klassiker: Ein dünnes Baumwoll-Longsleeve vom Fair-Fashion-Label Armed Angels in Größe M. Basic style! Schulstraße 5, Innenstadt | soulid.de

25 Spielwaren Faix

Winterzeit ist Spielezeit, während Corona noch viel mehr! Ein guter Anlass, es sich zu Hause gemütlich zu machen mit „Die Insel der Katzen“, einem Brettspiel für ein bis vier Spieler ab acht Jahren, mit fantasievollen Grafiken. Elisabethenstraße 1-3, Innenstadt | faix.de

26 Unverpackt

Mit dem hübschen Schraubglas kann es gleich losgehen mit dem unverpackten Einkaufen: Den dazugehörigen 50-Euro-Gutschein könnt Ihr direkt einlösen – sowohl im Martinsviertel als auch im neuen Bessunger Laden. Gutenbergstraße 5 b, Martinsviertel + Karlstraße 98, Bessungen | unverpacktdarmstadt.com

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27 Wildes.

Wild und weich: Ein rosa Dreieckstuch aus italienischer Mohair-Seide-Wolle der Darmstädter Designerin Eva Wilde umschmeichelt den Hals! Jahnstraße 70, Bessungen | wildes-darmstadt.com

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28 Woodberg

Der „Hydra-Gel Hand Sanitizer“ von Grown Alchemist desinfiziert die Hände, ohne sie auszutrocknen – dazu gibt's einen „Pink Clay Cleansing Bar“ von Herbivore Botanicals, eine sanfte Seife für Gesicht, Hände und Körper. Schulstraße 11, Innenstadt | woodberg.de

Einsendeschluss: Di, 22.12.2020, 22 Uhr

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Mein P-scherungs-Favorit:

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Straße, Hausnummer

PLZ Stadt Alter An: P Stadtkulturmagazin Schlossgartenplatz 13 64289 Darmstadt

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»OHNE UNS BLEIBT’S STILL!«

Darmstadts Kulturgesichter

TEXT: MATIN NAWABI | FOTOS: JO HENKER

130 Milliarden Euro erwirtschaftet die Kulturbranche hierzulande jährlich und ist damit der sechstgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands. Ihre 1,5 Millionen Beschäftigten waren im Frühjahr die ersten, die ihre Arbeit wegen Corona niederlegen mussten und werden wohl die letzten sein, die ihren Beruf wieder uneingeschränkt ausüben dürfen. Irgendwann.

Während auch in diesem Stadtkulturmagazin bereits mehrfach über die prekäre Situation Kulturschaffender berichtet wurde, scheint die Misere in der Politik jedoch weiterhin keine besonders hohe Priorität zu genießen – gerade im Vergleich zu den Mitteln und dem Echo für Tourismus, Einzelhandel und Industrie. Auf den Weg gebrachte Förder- und Rettungsmittel federten mitunter nur kurzfristige Nöte ab – statt zu versuchen, langfristig in der gesamten Breite der leidenden Branche zu wirken.

Ein Versuch, das Ausmaß der kritischen Lage abzubilden, ist die Initiative „Kulturgesichter 06151“. Sie ist Teil der Kampagne „#ohneunsistesstill“. Nach Hannover, Bremen, Stuttgart und Osnabrück haben sich jetzt auch Kulturschaffende aus dem Raum Darmstadt an dieser beteiligt. Über 80 Personen ließen sich hierfür vom Darmstädter Fotograf Jo Henker ablichten.

In Schwarz-Weiß-Optik blicken einem unter anderem Lichttechnikerin, Booker, Caterer, Veranstaltungskauffrau und Tonmeister nüchtern entgegen. Dass die bundesweite Aktion visuell so mitunter an die Fotoserie „Long Time No See“ von P-Fotograf Jan „Nouki“ Ehlers (siehe P #127, September 2020) erinnert: reiner Zufall. Unter den Portraitierten sind viele, die sonst eher hinter den Kulissen dafür sorgen, dass Musikerinnen, Schauspieler und Artisten im Scheinwerferlicht stehen können. Sie alle verbindet eine höchst bedrohliche Perspektive: „Wir sind so viele Betroffene – und ein Ende dieser Situation ist nicht in Sicht. Doch bald haben unsere Existenzen ein Ende. Und ohne uns bleibt's still!“ ❉

instagram.com/kulturgesichter06151

Unterstützung für Kultur — Eine Übersicht zu Förder- und Hilfsprogrammen von Bund, Land, Kommune und privaten Stiftungen findet Ihr online unter: p-stadtkultur.de/neustart-kultur

Darüber hinaus empfiehlt sich, bei LieblingsClubs, -Bands, -Musikerinnen oder -Künstlern nach Soli-Aktionen oder Spendenkonten zu fragen und sich nach Möglichkeit Tickets für abgesagte und verschobene Veranstaltungen nicht erstatten zu lassen. Weststadtcafé, Chez, Uppercut Club und Bedouin könnt Ihr zudem auf dieser Gutschein-Plattform unterstützen: wowshare.de

STAY THE LOVE HOME!

Darmstädter Wohnkultur, Folge 2: In der Waldspirale

TEXT + FOTOS: CORA TRINKAUS | ILLUSTRATIONEN: LISA ZEISSLER

Zwischen all den geradlinigen Wohnblocks im Bürgerparkviertel sticht ein Haus besonders hervor. Es scheint nicht von dieser Welt, vielmehr scheint es einer kindlichen Fantasie entsprungen. Farbenfroh ragt der u-förmige Wohnkomplex, der 105 Wohnungen umfasst, mit seinen tanzenden Fenstern und goldenen Kuppeln zwischen den modernen Häuserblöcken hervor: die Waldspirale – entworfen vom Künstler Friedensreich Hundertwasser. Gerade Linien waren dem Künstler ein Graus. Er verteufelte sie gar als „ungöttlich und unmoralisch“. „Die gerade Linie ist eine nicht existierende Linie, die sich der Mensch mit dem Lineal ausgedacht hat. Sie hat nichts Göttliches. Sie ist die einzige Linie, die nicht kreativ ist. Die einzige unschöpferische Linie“, so Hundertwasser. Die Waldspirale, die wie der Name schon sagt, einer Spirale nachempfunden ist, weist äußerlich nicht eine einzige gerade Linie auf. Das „Hundertwasserhaus“ steht für den Künstler für den endlos immer wiederkehrenden Kreislauf des Lebens und der Natur. Der bunte Anstrich der Außenfassade wurde den Sedimentschichten der Erde nachempfunden.

„Ob es im Inneren der Waldspirale wohl genauso bunt und verspielt aussieht?", hat sich bestimmt schon so manch ein Betrachter gefragt. Doch wer das denkt, wird leider enttäuscht. Im Inneren von Birtes und Konrads Drei-Zimmer-Wohnung, die wir besuchen durften, sieht es überraschend gewöhnlich aus – von Hundertwasser kaum eine Spur. Lediglich das Badfenster, die beiden Glasbausteine

der Badezimmerwand und die rund gebogene Wand des Gäste-WCs fallen ins Auge. In anderen Wohnungen finden sich kleine Details wie bunte Fliesen oder eine der insgesamt 79 farbigen Keramiksäulen, die im Haus verbaut wurden, wieder.

Von Ostfriesland zurück nach Darmstadt

Birte und Konrad wohnen seit zwei Jahren mit Hündin Wilma auf 72 Quadratmetern im Erdgeschoss der Waldspirale. Eher durch Zufall landete das junge Paar im Hundertwasserhaus. Beide studierten wenige Jahre zuvor in Darmstadt. Die Arbeit von Konrad verschlug die beiden kurzfristig nach Ostfriesland. In Aurich arbeitete er als Softwareentwickler im Bereich der erneuerbaren Energien für Windenergieanlagen. Gute zwei Jahre lebten die beiden dort gemeinsam in einem Einfamilienhaus mit Garage und Werkstatt. Dass es irgendwann wieder zurückgehen soll ins RheinMain-Gebiet, war von Anfang an klar. Dass es aber erneut Darmstadt wird, entschied schlussendlich ein Jobangebot für Konrad. Birte, die zu diesem Zeitpunkt in Wiesbaden ihr Referendariat machte, unterrichtet nun Deutsch und Biologie an der Justus-Liebig-Schule in Darmstadt. Ein Kriterium bei der Wohnungssuche war für die beiden Hundeliebhaber eine ebenerdige Wohnung mit Garten. Da kam die Wohnungsanzeige aus der Waldspirale genau zum richtigen Zeitpunkt und überzeugte sofort gegenüber den anderen Angeboten. Von der Terrasse aus haben Birte und Konrad direkten Zugang zum Innenhof, der nur den Bewohnern vorbehalten ist. Hier erschließt sich eine kleine idyllische Welt voll bunter Wände, Säulen und ungewöhnlicher Fenster in allen erdenklichen Formen. Keines der insgesamt 1.048 Fenster gleicht dem anderen. Auch scheinen sie sich an keiner klaren Linie zu orientieren.

Leben in einem Kunstwerk

Im Inneren des Hofs ist ein großflächiger Rasen angelegt mit einigen Büschen, Sträuchern und Bäumen. In der Mitte der Wiese: ein kleiner Pavillon – sowie ein Kinderspielplatz. Im zweiten deutlich kleineren Innenhof, der durch eine Brücke verbunden ist, befindet sich ein kleiner künstlich angelegter Teich inklusive Bachlauf. Dem Teich ist es wohl zu verdanken, dass sich seit einigen Jahren immer wieder Entenfamilien im Innenhof ansiedeln. Da kommt es auch schon einmal vor, dass einen eine Ente frech durchs Fenster anschaut, während sie mitten im Salatbeet steht, erzählt Birte lachend. Dieses Jahr verbrachten die beiden coronabedingt vermehrt im Garten. Ein kleines Gemüsebeet wurde angelegt und ein Planschbecken zur Abkühlung aufgestellt. Der Garten „war schon unsere kleine Oase“, schwärmt Birte. Von den selbst gepflanzten Erdbeeren hätten Birte und Konrad allerdings nicht viel gehabt – und auch das Planschbecken durften sie sich zeitweise mit den Enten teilen.

Im Einklang mit der Natur

„Der Mensch im Einklang mit der Natur“ – ganz nach Hundertwassers Idealen. Zeit seines Lebens setzte der Künstler sich für den Umweltschutz ein

und propagierte eine natur- und menschen- >

gerechte Architektur. Die Natur sollte in die Architektur mit einbezogen werden – zum Beispiel mittels begrünter Dächer oder „Baummieter“, wie der Künstler Bäume bezeichnete, die aus den Fenstern wachsen. „Überall dort, wo im Winter der Schnee oder Regen hinfällt, soll es im Sommer grün sein. Alles, was waagrecht ist und in der freien Natur, sollte grün sein und muss für die Natur reserviert sein“, bekundete Hundertwasser bereits 1972 in der österreichischen Fernsehshow „Wünsch dir was“, wo er auch erstmals seine architektonischen Modelle mit Dachbegrünung vorstellte. Auch das Dach der Waldspirale in Darmstadt ist komplett begrünt mit heimischen Gewächsen wie Linden, Buchen und Ahornbäumen. Der u-förmige Bau weist an seiner tiefsten Stelle zwei Stockwerke auf und hangelt sich von dort aus hoch auf ganze zwölf Etagen. Ein paar wenige Bewohner der obersten Etage dürfen sich an einer privaten Dachterrasse erfreuen. Das restliche Dach ist nicht zugänglich, hier kann sich die Natur frei entfalten.

Wie Hundertwasser versuchen auch Birte und Konrad, ein möglichst umweltbewusstes Leben

zu führen. Sie sind Mitglied bei der Solidarischen Landwirtschaft Darmstadt, versuchen weitestgehend auf Plastik zu verzichten und zur Arbeit geht es mit dem Fahrrad oder Bus statt mit dem Auto. „Nur fünf Minuten mit dem Fahrrad bis zur Arbeit“, freut sich Birte. Auch in ihrem Beruf als Lehrerin versucht sie umweltbewusstes Denken und Handeln an ihre Schüler weiterzuvermitteln und es so an die nächste Generation weiterzugeben.

An Darmstadt schätzen sie, dass alles so kompakt und gut zu erreichen ist. „Es ist eine angenehme Stadt. Es gibt Stellen, die sind wunderschön – an anderen Stellen weiß man dann auch, warum Darmstadt als nicht so schöne Stadt bezeichnet wird. Aber das macht den Charme auch irgendwie aus. Man kommt schnell ins Grüne, in die Natur. Was auch super ist für unseren Hund.“

Die Fertigstellung der Waldspirale im Jahr 2000 erlebte der Künstler nicht mehr. Er starb nur wenige Monate zuvor. Doch seine Ideale einer natur- und menschengerechten Architektur, die die Schönheit und die Natur zurück in die Städte bringt, lebt im Darmstädter Hundertwasserhaus weiter und wird auch künftig viele Besucher anlocken, faszinieren und verzaubern. ❉

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