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«Bereits 2019 hat eine KI ein neues Antibiotikum entdeckt»
Ein Gespräch mit dem Leiter des ICAI Inter disciplinary Center for Artificial Intelligence an der OST, Prof. Dr. Guido Schuster.
Sie sind davon überzeugt, dass KI eine Grundlagenkompetenz in allen Fachbereichen werden muss. Warum sollten nicht nur KI-Fachleute KI-Knowhow haben?
Weil KI Dinge kann, die sich reine KI-Fachleute nicht ausdenken können, wenn sie nicht mit Experten aus anderen Disziplinen zusammenarbeiten. KI ist immer nur so gut wie das Problem, auf das sie angesetzt wird, und wie das Expertenwissen, mit dem sie trainiert wird. Dieses Wissen haben vor allem Fachleute aus Bereichen, die heute mit KI selten zu tun haben.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Halicin ist ein Antibiotikum. Es wurde bereits 2019 von einer künstlichen Intelligenz entdeckt. Vor der Entdeckung trainierten Forschende des Massachusetts Institute of Technology die KI mit Daten der US-amerikanischen Lebensmittelbehörde. Die KI identifizierte nur auf der Grundlage von digitalen Daten Halicin als potenziell hochwirksames Antibiotikum gegen einige der laut der Weltgesundheitsorganisation gefährlichsten Bakterienstämme weltweit. Das wurde in nachfolgenden Tests mit Bakterien im Labor bestätigt. Vor der KI-Analyse wurde Halicin nur als Diabetesmedikament untersucht, war aber nie zugelassen, und seitdem praktisch Datenmüll. Die KI hat also als irrelevant markierte Daten aus vergangener Forschung neu interpretiert und ein hochwirksames Antibiotikum entdeckt, das menschliche Forschende bisher übersehen hatten. Und das Beste: Weitere Forschungen haben gezeigt, dass die KI ein Antibiotikum entdeckt hat, gegen das Bakterien voraussichtlich nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit eine Resistenz entwickeln können.
Gut, das ist aber Grundlagenforschung auf Spitzenniveau. Wieso brauchen alle Bachelor-Absolvierenden KI-Knowhow?
Unsere Absolvierenden gehen nach dem Studium häufig in Unternehmen, die überzeugt sind, ihr Potenzial für Verbesserungen bereits ausgeschöpft zu haben. Viele kleine und mittlere Unternehmen würden staunen, wenn sie wüssten, was für ein Gewinn zum Beispiel eine Bauingenieurin mit KI-Wissen darstellen kann.
Nämlich?
In vielen Gemeinden kommen etwa Sanierungen oder Ausbauprojekte für die Infrastruktur, sagen wir in der Abwasserbehandlung oder bei Verkehrs - projekten, nicht voran, weil es auf dem Arbeitsmarkt zu wenige spezialisierte Planerinnen und Planer gibt. KI wird heute bereits in der Landschaftsarchitektur eingesetzt, um auf Basis von Building-Information-Modeling-Daten automatisierte Gestaltungsvorschläge für das Abwassermanagement erstellen zu lassen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass das nicht auch für andere Planungsaufgaben funktionieren sollte. Dafür braucht es Baufachleute, die wissen, wie sie eine KI dafür einsetzen können. Statt jeden Plan mit hohem Zeitaufwand von Grund auf zu erstellen, könnten sie aus automatisierten KI-Vorschlägen den vielversprechendsten aussuchen und sich anschliessend auf die Feinarbeit konzentrieren.
Das klingt fast zu einfach.
Im Detail ist es auch komplex. Aber genau deshalb investieren wir in die interdisziplinäre KI-Ausbildung in allen Studiengängen. Wir möchten erreichen, dass unsere Absolvierenden nach der Ausbildung fähig sind, KI in ihren Fachgebieten als Werkzeug für beeindruckende Quantensprünge anzuwenden, die weit über die heute eher konservativen Innovationsmethoden hinausgehen. KI soll bei uns kein Papiertiger im Curriculum sein, sondern ein nützliches Werkzeug, das die Studierenden nach ihrem Abschluss anwenden können. — MeWi
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