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Ein Navigationssystem für ein grüneres Internet
Ein Navigations system für ein grüneres Internet
Praktisch alles, was wir heute mit Smartphone, Laptops und Tablets tun, führt zu Datenverkehr im Internet und damit zu hohem Energiebedarf in weltweit verstreuten Rechenzentren. Der Stromverbrauch für diesen Datenverkehr ist so hoch wie der Verbrauch von Kanada und Deutschland zusammen. Datenverkehr lässt sich durch neue Netztechnologien immer besser steuern. Ein Forschungsteam der OST will das nutzen und entwickelt ein Datennavigationssystem, das Daten mit möglichst wenig Stromverbrauch durch das Internet leitet.
Wer heute als normaler Internetuser Daten versendet oder empfängt, hat keine Kontrolle darüber, welchen Weg sie nehmen. «Im weltweiten Netz gibt es für jede Datenübertragung Tausende mögliche Wege. Normalerweise definieren die Internetanbieter den schnellsten und günstigsten Weg für alle Daten in ihren Netzen», sagt Laurent Metzger. Er ist auf moderne Computernetze und Cloud-Technologien spezialisiert und leitet das INS Institute for Networked Solutions an der OST.
Schnell und günstig bedeutet im Internet jedoch auch, dass die besser gelegenen Rechenzentren heiss laufen und überdurchschnittlich viel Strom verbrauchen, während andere abseits der idealen Datenrouten deutlich weniger ausgelastet sind. Das ist nicht nur ineffizient, sondern schadet indirekt auch der Umwelt, weil ein hoher Energieverbrauch immer auch irgendwo in der Energieerzeugung CO2-Emissionen auslöst.
Grüne Datenwege automatisieren
Die Lösung für das Problem sieht Metzger in einer seit wenigen Jahren von den grossen Techfirmen eingesetzten Technologie: Segment Routing. Damit lässt sich der Datenverkehr so einfach wie nie zuvor bis ins kleinste Detail steuern. «Derzeit rüsten immer mehr Internetanbieter ihre Netze auf Segment Routing um. Das gibt uns die Möglichkeit, eine umweltfreundliche Metrik, also eine Art Navigationssystem für energieeffiziente Datentransporte zu entwickeln», so Metzger.
● OST
Laut Metzger benötigen weit über 90 Prozent aller Internetanwendungen nicht immer die schnellste Lösung. Ob ein Filmstream oder ein Video-Call mit wenigen Millisekunden höherer Latenz (Verzögerung) oder geringfügig kleinerer Bandbreite (Übertragungsgeschwindigkeit) bei uns ankommt, merken wir gar nicht. Autonome Autos hingegen sind auf Echtzeitsignale von der Strasse angewiesen und brauchen die schnellstmögliche Internetverbindung mit der höchsten Bandbreite und der kleinstmöglichen Latenz.
Darauf zielt die Green-Routing-Applikation ab, die Metzger und sein Team derzeit entwickeln und testen. «Wenn ein Internetanbieter seinen Kunden grünen Datentransport anbieten möchte, kann er einfach unsere App in seinem Netz installieren und so beispielsweise – wie es heute schon Stromanbieter mit grünen Stromabos machen – grünen Datentransport verkaufen», erklärt Metzger.
Individuelle Regeln für jede Anwendung
Die Möglichkeiten gehen sogar so weit, dass grosse Unternehmen mit eigenen Netzen ihren Datenverkehr optimieren können. Das INS-Forschungsteam will seine Applikation so flexibel machen, dass auch individuelle Optimierungen im Datenverkehr möglich werden. «Das Militär könnte dann mit unserer App beispielsweise im eigenen Netz sicherheits- und zeitkritische Daten anders routen lassen als unkritische Büroanwendungen und damit seinen CO2-Fussabdruck ohne Nachteile für die militärischen Aufgaben verbessern», so Metzger.
zur Einführung von 5G, wo die Antennen physisch aufgerüstet werden müssen», sagt Metzger.
Grosses Interesse bei Studierenden
Aktuell arbeitet das INS-Team an der Fertigstellung der Green-Routing-Applikation. Die Arbeit daran wird aufgeteilt. Nicht nur Informatikforscherinnen und -forscher am INS wirken mit, sondern einzelne Entwicklungen werden auch im Rahmen von Bachelorarbeiten ausgeschrieben. «Ich hatte noch nie in meiner ganzen Zeit als Professor so viele Anfragen wie beim Green Routing. Die InformatikStudierenden wollen unbedingt auch in ihrem Fachbereich einen Beitrag für ein ökologisch verträglicheres Internet leisten», so Metzger. Bei den Forschenden sieht es ähnlich aus. Die Forschungsgruppe «Kompetenzzentrum Cloud Networking» am INS konzentriert sich auf die Entwicklung von Anwendungen, die die Vorteile der SegmentRouting-Technologien nutzen. Die beschriebene Green-Routing-Anwendung ist eine solche und wird im Laufe des Jahres 2022 fokussiert bearbeitet.
«Wir haben die Möglichkeit, eine Art Navigationssystem für energieeffiziente Datentransporte zu entwickeln.»
Das gleiche Prinzip liesse sich auch für andere Unternehmen anwenden. Autokonzerne: Die zeitkritischen Daten für autonome Autos laufen immer schnell und ohne Verzögerung, während alltägliche Buchhaltungsdaten immer energieeffizient durch die Netze geleitet werden. Öffentlicher Verkehr: Signalisationen für Züge werden schnell und verzögerungsfrei verarbeitet, die Ticketbuchung dauert ein paar Millisekunden länger.
Das Beste an der neuen programmierbaren Datenverkehrswelt: Sie lässt sich mit den heute eingesetzten Geräten rein durch Softwareanpassungen umsetzen. «Das ist ein Riesenvorteil im Vergleich Weitere Informationen zum Forschungsgebiet Segment Routing beim INS der OST gibt es auf: www.segment-routing.ch
— MeWi
Laurent Metzger Professor, Institutsleiter INS Institute for Networked Solutions