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"Standort stärken" heißt Zukunft sichern

Zur Forderungsübergabe Anfang September erschienen am Hamburger Kapstadtring einige Dutzende IG Metaller und präsentierten ihren Sieben-Prozent-Wunsch. NORDMETALL revanchierte sich mit einem besonderen Geschenk.

Dr. Peter Schlaffke (r.) übergibt Daniel Friedrich (l.) von der IG Metall bei der traditionellen Forderungsübergabe eine Hantel–verbunden mit dem Appell, den Standort zu stärken.
Foto: Kirsten Haarmann

Auf der Freitreppe vor dem Hamburger Haus der Wirtschaft (HdW) überreichte Dr. Peter Schlaffke, stellvertretender Hauptgeschäftsführer von NORDMETALL, Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste, zum Start der Tarifrunde in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie eine Hantel, gehalten in den rot-blauen Farben von Gewerkschaft und Arbeitgeberverband im Norden. Das gewichtige Trainingsgerät symbolisiert in dieser Tarifrunde den Slogan der M+E-Arbeitgeber: „Standort stärken.“

Schlaffke wies in seiner Replik auf mehrere Reden von Gewerkschaftern die Forderung der IG Metall Küste zurück: Sieben Prozent seien derzeit nicht vertretbar. „Massive Einkommenssteigerungen, wie die IG Metall sie fordert, sind angesichts der größten deutschen Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten niemandem vermittelbar“, warnte Schlaffke. „Auch der Strukturwandel, die Digitalisierung und der demographische Wandel stellen die Industrie vor große Herausforderungen. Von den Maschinenbauern über den Schiff- und Flugzeugbau bis zur Medizintechnik ist die gesamte norddeutsche M+E-Industrie davon betroffen.“

Konstruktive Gespräche erwartet

Der NORDMETALL-Chefjurist betonte, dass er in den kommenden Wochen konstruktive Gespräche mit der Gewerkschaft über Maßnahmen zur Sicherung der Betriebe und zum Erhalt von Arbeitsplätzen erwarte. „Unser gemeinsames Ziel sollte es in dieser Tarifrunde sein, den Standort zu stärken.“ Multinationale Krisen, schlechte politische Rahmenbedingungen in Deutschland und wachsende Bürokratielasten hätten auch die norddeutsche M+E-Industrie in eine Rezession geführt. „Jetzt geht es um die Verhinderung von Unternehmensabwanderung und Arbeitsplatzverlust, nicht um das kräftige Auffüllen von Lohntüten“, so der Arbeitgebervertreter. Die erste Verhandlungsrunde zwischen Arbeitgebern der norddeutschen M+E-Industrie und der Gewerkschaft folgte Mitte September in einem Hotel nahe des Hamburger Großneumarkts.

NORDMETALL-Tarifverhandlungsführerin Lena Ströbele (l.) gibt im Rahmen der ersten Verhandlungsrunde in Hamburg Mitte September vor IG-Metallern ein Statement ab.
Foto: Christian Augustin

Die IG Metall Küste versammelte auf dem Platz zu Füßen des Michel mehrere hundert M+E-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter aus ganz Norddeutschland zu einer Kundgebung. Auch NORDMETALL-Tarifverhandlungsführerin Lena Ströbele sprach auf Einladung der Gewerkschaftsführung Küste zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Zu denen gehörten auch zwei Dutzend Mitglieder der NORDMETALL-Verhandlungskommission, die in blauen Hoodies inklusive Aufdruck „Standort stärken“ erschienen waren – unter ihnen als Gast auch der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen M+E-Arbeitgeber, Bertram Brossardt. Ströbele äußerte Verständnis für die Forderung der IG Metall, verwies aber erneut auf die sich immer weiter verschlechternden wirtschaftlichen Rahmendaten in Deutschland.

Ausgestattet mit „Standortstärken“-Hoodies: Die NORDMETALLVerhandlungskommission.
Foto: Christian Augustin

Gemeinsame Lageeinschätzung

Hinter den verschlossenen Türen des Tagungsbereichs im Lindner Hotel am Michel waren sich die Tarifvertragsparteien dann in ihrer Einschätzung der schwierigen Branchenlage durchaus weitgehend einig. Nach den gut zweistündigen Gesprächen resümierte Lena Ströbele, die auch Personaldirektorin der Lürssen-Gruppe ist: „Minus sieben Prozent Auftragseingang und Produktion im ersten Halbjahr, minus sechs Prozent Absatz und minus fünf Prozent Exporte – die IG Metall sieht durchaus, dass die Industrie unter Druck steht und die Aussichten nicht besser werden. Aus der gemeinsamen Lageeinschätzung müssten jetzt aber auch gemeinsame Folgerungen gezogen werden. „Anders als im Rest der Welt setzt sich die Rezession in Deutschland fort, die schlechten politischen Rahmenbedingungen lassen vorerst keine Besserung erwarten. Gleichzeitig haben wir die weltweit kürzesten Arbeitszeiten – und das bei Lohnstückkosten, die 14 Prozent über dem Durchschnitt unserer Wettbewerbsländer liegen. Die Gewerkschaft sollte erkennen, dass in dieser Krise die mit sieben Prozent Entgeltsteigerung dritthöchste Lohnforderung in drei Jahrzehnten nicht angemessen ist“, so die NORDMETALL-Tarifverhandlungsführerin.

Mögen die Verhandlungen beginnen: Die Verhandlungskommissionen von NORDMETALL (r.) und der IG Metall.
Foto: Christian Augustin

Das gelte vor allem vor dem Hintergrund deutlich gesunkener Inflation und hoher Tarifverdienste, die in den vergangenen drei Jahrzehnten wesentlich stärker gestiegen seien als die Teuerungsrate. Aktuell beträgt der durchschnittliche Jahresverdienst in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie gut 73.300 Euro. Selbst für Anlerntätigkeiten wird ein Jahresgehalt von mehr als 44.000 Euro gezahlt. „Wir dürfen die Schere zwischen Arbeitskosten und Produktivität nicht noch weiter aufgehen lassen, sonst wird sich der dramatische Rückgang der Investitionen in Deutschland nicht bremsen lassen. Wer den Standort stärken und Arbeitsplätze erhalten will, der muss mit uns einen verantwortlichen und verkraftbaren Tarifabschluss anstreben“, so Ströbele weiter.

Alexander Luckow

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