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Mein Standpunkt
Defätismus
„Ein Defätist geht nicht in die Politik, sondern zieht sich irgendwohin zurück und ist traurig.“ Gore Vidal, der große amerikanische Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, hat das geschrieben. Da kannte er sicherlich Olaf Scholz nicht. Der Bundeskanzler beweist in diesen Wochen, dass man sich mit den Kernelementen des Defätismus – Mutlosigkeit und Schwarzmalerei –an der Spitze einer relevanten Mittelmacht halten kann, selbst wenn in unmittelbarer Nachbarschaft ein Krieg tobt. Übrigens ein sehr merkwürdiger Kontrast zur Schönrednerei („grünes Wirtschaftswunder“), mit der dieser Regierungschef die schlechte wirtschaftliche Entwicklung vergessen lassen will.
Mutlosigkeit und Schwarzmalerei kennzeichnen dagegen seine seit Monaten fortdauernde Weigerung, Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu liefern. Das jedoch ist dringend nötig, um eine Niederlage Kiews zu verhindern. Und um die für Frieden und Freiheit ihres gebeutelten Landes kämpfenden Soldaten wieder in die Offensive gegen den russischen Aggressor zu bringen. So analysieren es sämtliche Experten, so sehen es die Regierungen in London und Paris.
Aber der Defätist Scholz versteckt sich erst hinter dem Argument, die Raketen könnten bis nach Moskau fliegen – mittlerweile ausgeräumt, weil eine Reichweitenbegrenzung machbar ist. Dann heißt es aus dem Kanzleramt, dass Bundeswehrsoldaten das Waffensystem nicht in der Ukraine bedienen dürften, wir würden so zur Kriegspartei – auch längst ausgeräumt, weil im Zuge eines Ringtausches Briten oder Franzosen diese Aufgabe übernehmen könnten. Was bleibt, ist die mutlose und schwarzmalerische Argumentation, auch Berlin würde zum Ziel russischer Aggression. Die ist schon deshalb falsch, weil Deutschland und der freie Westen längst in einem neuen kalten Krieg mit Moskau stehen: Putins Geheimdienste hören nicht nur Gespräche führender Luftwaffenoffiziere ab. Seine Troll-Armeen fluten das Netz mit Falschinformationen, um hierzulande wie anderswo Wahlen zugunsten extremistischer Kräfte zu beeinflussen, zum Nachteil demokratischer Stabilität. Im Schulterschluss mit Nordkorea und dem Iran befeuert der Kreml alle Brandherde in der Welt, von Syrien oder Gaza bis tief nach Afrika hinein, auf Kosten westlicher, auch deutscher Interessen. Wir sind längst mittelbare Kriegspartei, weil uns Putin – bislang indirekt – angreift und bedroht. Wer verhindern will, dass erst die Ukraine, dann die Republik Moldau, das Baltikum, Polen und schließlich wir Ziel militärischer Angriffe werden, der muss defätistische Anwandlungen hinter sich lassen. Und Marschflugkörper liefern. Und die vor mehr als zwei Jahren noch markig verkündete „Zeitenwende“ zur Aufrüstung der Bundeswehr endlich umsetzen. Oder sich Gore Vidal zu Herzen nehmen.
Alexander Luckow