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Wir müssen in jedem Spiel bis zum Umfallen alles geben

Seit dem Ende seiner Neun-Spiele-Sperre wegen seines Platzverweises im Pokalfinale ist Kevin Pytlik wieder fester Bestandteil der Abwehr. Wir haben uns mit ihm über seine Leidenszeit zu Beginn der Saison, seine Bindung zu Stadt und Verein sowie einfach über Fußball unterhalten.

Hallo Kevin, du wohnst in Velbert-Neviges.

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Welche Beziehung hast du zu Wuppertal?

Ich bin in Wuppertal geboren, wohne aber schon mein ganzes Leben lang in Neviges. Das liegt vom Velberter Zentrum genauso weit entfernt wie von Wuppertal. Deswegen bin ich, wenn ich etwas brauche, immer in Wuppertal. Wir haben mit der Familie auch einen Schrebergarten genau an der Grenze. In der Jugend habe ich unter anderem bei den Sportfreunden Siepen in Neviges gespielt und ein Jahr beim WSV - aber nie bei der SSVg Velbert. Deshalb habe ich eine nähere Bindung zu Wuppertal.

Mit Ausnahme der Saison 2018/19, in der du bei den Sportfreunden Lotte warst, spielst du seit 2016 für unsere erste Mannschaft. Welche Bedeutung hat der Verein inzwischen für dich?

Eine große! Das weiß denke ich auch jeder. Es war und ist mein großer Wunsch, mit dem WSV in die dritte Liga aufzusteigen. Ich spiele sehr gerne hier und solange sich die Ambitionen von Spieler und Verein decken passt das. Ich kenne hier viele Leute und das ganze Umfeld, obwohl sich seit 2016 natürlich viel getan hat. Wir hatten richtig gute Zeiten, aber nach der Insolvenz war es auch ein, zwei Jahre finanziell für die Spieler und den ganzen Verein richtig schwierig. Deswegen bin ich froh, dass der Verein im Moment wieder eine Mannschaft auf den Platz stellen kann, die Ziele hat und für diese kämpft. Auch wenn ich eines Tages nicht mehr hier spielen sollte, wünsche ich mir, dass der Verein irgendwann höherklassig spielt.

Wie schwer war es für dich, der Mannschaft in der schwierigen Phase zu Beginn der Saison nicht helfen zu können?

Das war die bisher schwerste Zeit in meinem Fußballerlebendas muss man einfach so sagen. Im Finale habe ich das gar nicht so schnell realisiert, das war einfach ein Reflex. Das ist passiert und war falsch, darüber müssen wir nicht reden. Ich musste leiden - mein Geldbeutel hat auch gelitten. Das Schlimmste war, von außen zuzuschauen und die anderen Stadien selbst mit dem Auto und nicht mit der Mannschaft anzufahren. Ich habe aber daraus gelernt. Dass ich in dieser Saison erst zwei gelbe Karten bekommen habe, zeigt das ja vielleicht schon ein bisschen. Die rote Karte in Wiedenbrück war sehr schade. Mir haben aber eigentlich alle gesagt, dass die Entscheidung sehr hart war. Trotzdem denke ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Dieser Weg wird fortgeführt, davon bin ich fest überzeugt.

Du wirst von den Fans für deinen großen Einsatz und Kampf im Spiel sehr geschätzt. Auch im Pokalfinale hast du versucht dich gegen die Niederlage zu stemmen. Ist es dann schwieriger, in solchen aufgeheizten Situationen ruhig zu bleiben?

Ich wollte das Pokalfinale unbedingt gewinnen. Im DFB-Pokal gegen Bochum sind wir ja vorher nur sehr knapp ausgeschieden. Ich wollte das um jeden Preis noch einmal. Vielleicht war das zusammen mit den Provokationen der Straelener dann zu viel. Aber ja, ich wollte das unbedingt und war auch im Urlaub später noch ein paar Tage sehr traurig über die Niederlage. Ich bin so als Spieler, das ist meine Natur. Ich versuche immer hart aber fair zu spielen. Das gelingt mir auch eigentlich. Ich rede mit Gaetano Manno, mit dem ich befreundet bin, oder mit meinem Berater ja auch darüber. Eigentlich sagen mir alle: Behalte deinen Spielstil bei, natürlich ohne irgendwie dumm zu foulen, aber dein Einsatz und der Wille, jedes Spiel zu gewinnen machen dich stark!

Was hast du dir für die Rückrunde vorgenommen?

Zunächst die Sperre abzusitzen, zurückzukommen und verletzungsfrei zu bleiben. Dann müssen wir jedes Spiel wie ein Finale angehen. Wir haben es nicht mehr in der eigenen Hand, aber wir müssen so gut spielen, dass es wieder spannend werden kann. Es sind einige Punkte Abstand - wir müssen unsere Hausaufgaben machen und in jedem Spiel bis zum Umfallen alles geben. Dann schauen wir im April, wo wir stehen.

Wo siehst du deine Stärken und wo möchtest du dich noch verbessern?

Meine Stärken sehe ich zuallererst im Zweikampf. Technisch bin ich, vor allem was das einfache Fußballspielen angeht, besser geworden. Unter Stevie Vollmerhausen wollte ich manchmal zu viel und habe dann den Ball unnötig verloren. Aber das kommt auch mit dem Alter. Jetzt bin ich 25 und schon viel ruhiger am Ball. Ich möchte aber gerne noch mehr Ruhe reinkriegen. Für einen Abwehrspieler habe ich auch ein ganz gutes Tempo. Verbessern möchte ich mein Timing bei Offensiv-Kopfbällen. Grundsätzlich kann man ja alles weiter verbessern. Ich würde auch gerne mehr Tore schießen, aber natürlich ist es wichtiger, hinten alles abzuräumen. Daran werde ich gemessen. Am wichtigsten ist es mir aber, Konstanz reinzukriegen. Wenn ich in jedem Spiel solide bis gut spiele und so gut es geht fehlerfrei bleibe, bin ich eigentlich im Großen und Ganzen zufrieden.

Du bist in deinen ersten beiden Jahren bei uns meistens als Rechtsverteidiger aufgelaufen, heute spielst du in der Innenverteidigung. Welche Position hast du in der Jugend gespielt?

Tatsächlich habe ich in der Jugend ganz vorne angefangen. Bei den Sportfreunden Siepen habe ich sogar mal 40 Tore geschossen. Aber das war damals kein gutes Niveau. Ich war immer ein aggressiver Spieler, der es gemocht hat, in Zweikämpfe zu gehen. Deshalb wurde ich im Laufe der Zeit immer weiter zurückgezogen. In den letzten zwei, drei Jahren bin ich dann in der Verteidigung gelandet. Vielleicht war das für meine Entwicklung ein bisschen zu spät. Heute glaube ich, dass die Innenverteidigung für mich die richtige Position ist. Hinten rechts kann ich auch spielen, aber innen fühle ich mich, vor allem in der Dreierkette, am wohlsten.

Was machst du, wenn du nicht Fußball spielst?

Ich bin oft mit meinen Hunden draußen und im Urlaub immer gerne in meiner polnischen Heimat. Dort habe ich viele Verwandte. Aber bei mir dreht sich schon viel um Fußball: Ich schaue mir viele Spiele an und diskutiere mit den Jungs aus der Mannschaft sehr, sehr gerne über Fußball. Bei mir ist eigentlich fast 24/7 Fußball angesagt.

Schaust du viel im Fernsehen oder auch im Stadion?

Eher im Fernsehen, da ich viele ausländische Ligen gucke. Von der Bundesliga sehe ich nach unseren Spielen meistens im VIP-Raum nur noch die letzten Minuten. Ich gucke sehr gerne die spanische Liga, die Topspiele in Italien sowie die polnische Liga und versuche mir dabei auch für mein Spiel etwas abzuschauen. Obwohl die polnische Liga von den anderen Ligen ganz weit entfernt ist. Aber das ist halt unsere Liga und da laufen auch ein paar Gesichter rum, die ich kenne.

Die polnischen Vereine schneiden ja auch in den internationalen Wettbewerben nicht so gut ab… Das stimmt. Seitdem ich lebe, war mit Legia Warschau - das ist auch mein Verein - nur ein polnischer Club in der Champions League. Beim Heimspiel gegen den BVB hatten die Fans eine super Choreo, auf der „Guess who's back?“ stand. Doch dann hat die Mannschaft mit 0:6 verloren. Beim Rückspiel war ich im Stadion. Das ging 8:4 für Dortmund aus. Da musst du doch den Bus hinten reinstellen, auch wenn du dann vielleicht trotzdem 0:1 verlierst. Da war ich schon sehr sauer. Ansonsten spielen ab und an Mannschaften in der Europa League. Die fliegen dann - ohne jetzt despektierlich sein zu wollen - gegen Mannschaften aus Aserbaidschan oder Moldawien raus. Ein Land mit fast 40 Millionen Einwohnern sollte doch eigentlich zumindest eine Liga haben wie Österreich oder die Türkei. Die können wenigstens dagegenhalten. Woran das genau liegt, weiß ich auch nicht, aber wahrscheinlich müsste die Nachwuchsarbeit verbessert und das Geld aus Spielerverkäufen sinnvoller investiert werden.

Trotzdem ist es ein Traum von mir, irgendwann mal in der ersten Liga in Polen zu spielen. Verglichen mit Deutschland reicht das Niveau der Vereine zwar vielleicht nur von guten Drittligisten bis hin zu guten Zweitligisten, aber es ist eine erste Liga in einem großen Land. Das wäre eine tolle Erfahrung und ich wäre später traurig, wenn ich das ausgelassen hätte.